Die AKP auf dem Weg zur konservativ-demokratischen Partei


Seminararbeit, 2008

20 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Partei
2.1. Parteiorganisation
2.2. Parteitypisierung
2.3. Programmatik und Policy
2.3.1. Bfirgerrechte und staatliche Ordnung
2.3.2. Frauen- und Familienpolitik
2.3.3. Wirtschaftspolitik

3. Fazit und Ausblick

4. Bibliographie

1. Einleitung

Die Tiirkei hat wieder einmal eine Krise durchlebt, die das Parteiensystem des Landes beinahe in ein Debakel gestiirzt hätte. Im Zentrum stand dabei die AKP (Adalet ve Kalkinma Partisi), seit 2003 Re gierungspartei und aus gestattet mit einer absoluten Mehrheit in der GroJ3en Türkischen Nationalversammlung. Aufgrund angeblicher „antilaizistischer Bemiihungen" wurde ein Verbotsverfahren ge gen die Partei eingeleitet. Die Klage wurde aber - mit einer geringen Mehrheit von einer Stimme - ab gewiesen.

Es lohnt sich also zu priifen, ob den Kritikern zuzustimmen ist oder Ihsan Dagi recht hat, wenn er behauptet:

to judge from the AKP's public statements, social base, program, and behavior over more than five years as Turkey's ruling party, it appears to be not an outright Islamist movement, but rather a "conservative" one within the tradition of Turkish center-right politics. (Dagi 2008: 26)

Daher wird im Fol genden die innere Struktur sowie die pro grammatische Entwicklung der Partei analysiert. Leitend ist dabei die Frage, ob die ehemals fundamentalistische AKP sich zu einer konservativ/islamisch-demokratischen Partei entwickelt (hat) und in dieser Entwicklung zu Gemeinsamkeiten mit den konservativen Westeuropäischen Parteien wie etwa der CDU, die ihre Wertorientierung aus religiösen — allerdings christlichen - Grundpositionen ableitet, zu erkennen sind. Insoweit ist von besonderem Interesse, ob und wie stark die Säkularisierun g der Partei aus gebildet ist.

Zuerst wird unter 2. die Struktur der AKP erörtert und mit der deutschen CDU verglichen. In einem nächsten Schritt wird unter 3. das Parteipro gramm in eini gen wichti gen Punkten vorgestellt; dieses soll beispielhaft mit dem aktuellen Pro gramm der CDU verglichen werden. Unter 4. wird dann die Rolle der Parteielite fiir die (demokratische) Entwicklung der Partei analysiert und untersucht, ob der autoritäre Impetus der Parteifiihrung — insbesondere des Parteivorsitzenden Recep Tayyip Erdo gan — eine demokratische Entwicklung eher behindert oder womö glich erst ermö glicht.

Unter 5. wird ein Fazit gezo gen und ein Ausblick gewagt. Die CDU ist dabei einerseits ein beliebi ges Beispiel fiir die konservativen christlichen Parteien Europas, da auch andere Parteien fiir einen Vergleich geei gnet gewesen wären, andererseits aber ist die CDU ein sehr gutes Vergleichsobjekt, da sie der EVP (Europäische Volkspartei) angehört und eine eher kritische Position ge geniiber einer Vollmitgliedschaft der Tiirkei in der EU einnimmt.

2. Parteistruktur

2.1. Organisation

Oberflächlich betrachtet ist die AKP demokratisch und so gar föderal strukturiert. Vertikal gliedert sie sich von der niedrigsten Ebene (Kommunen und Bezirke) bis auf die höchste nationale Entscheidungsebene. Föderal stellt sich diese Gliederung durch die 81 Re gionalverbände dar; somit ist die AKP in allen Provinzen des Landes vertreten und kann so gar in den östlichen Provinzen organisierte Parteimitglieder vorweisen. Nach Einschätzun g von Troendle konnte die Partei seit ihrer Gründung im Jahr 2001 die am besten organisierte Partei der Türkei aufbauen[1] (vgl. Tröndle 2007: 36).

Offiziell hat die AKP ca 2.1 Millionen Mitglieder, da die Mitgliederzählung türkischer Parteien — deren „Mitglieder" selten mehr sind als bloBe Sympythisanten, die keinerlei Beiträge zahlen — aber stets zu hinterfragen sind, lie gt die Zahl wohl eher bei einem Viertel der ange gebenen Löhe (vgl. Türsan 2004: 222). Nichtsdestoweni ger ist aber der Organisations grad und das Engagement der Parteimitglieder, vor allem im Vorfeld der Wahlen 2003 und 2007, sehr hoch, womit ein Teil des Erfol gs an den Wahlurnen zu erklären ist (vgl. carkoglu/Ersin 2007: 25f).

Aus den jeweili gen Bezirken werden Dele gierte zur Nationalversammlung, dem „höchsten beschlussfassenden Gremium" der Partei, entsendet, das mindestens alle 3 Jahre tagt. Ublich ist allerdings bisher der maximale Zweijahresturnus, der aufgrund auBerordentlicher Sitzung auch verletzt werden kann; diese auBerordentlichen Sitzungen können durch 1/5 der Mitglieder der Nationalversammlung schriftlich beantragt werden, ebenso kann der CDAC (CENTRAL DECISION-MAKING AND ADMINISTRATIVE COMMITTEE) oder der Parteivorsitzende eine solche Sitzung einberufen.

Die Nationalversammlung wählt dann den Parteivorsitzenden sowie die 50 Mitglieder des CDAC und ihre 25 Vertreter, die jeweils nachrücken, wenn ein Mitglied ausscheidet. Die Amtszeit des Vorsitzenden und der CDAC Mitglieder währt jeweils bis zur nächsten beschlussfassenden Versammlung. Zusätzlich werden im Rahmen der Nationalversammlung die Mitglieder des parteiinternen Disziplinargerichts und des Schieds gerichts für die innerparteiliche Demokratie gewählt.

Wie schon genannt gibt es neben der Nationalversammlung zwei weitere Gremien, die die Arbeit der Partei organisieren, koordinieren und, anhand der Beschlüsse der Nationalversammlung pro grammatische Positionen und Entscheidungen vorbereiten und ausüben. Dies sind:

1. CDAC - CENTRAL DECISION-MAKING AND ADMINISTRATIVE COMMITTEE
2. CEC - CENTRAL EXECUTIVE COMMITTEE.

Das CDAC ist „the highest decisionmaking body after the General Assembly"[2] und umfasst, wie schon erwähnt, 50 Mitglieder. Ihm sitzt der Parteivorsitzende vor. Eine Vielzahl von Aufgaben und Rechten sind ihm zugeordnet, um die Parteiarbeit national zu ermö glichen. Die wichti gsten sollen hier kurz aufgeführt sein:

- Vorbereitung der Parteitage sowie von Anderungen des Parteipro gramms und der Parteisatzung
- ressortspezifische Komiteebildung und Erarbeitung von Manifesten und Positionspapieren anhand des Parteipro gramms
- Festle gung der näheren Kompetenzen und Arbeitsweisen des CEC
- Ausführung der alltäglichen Parteiarbeit unter Garantierung demokratischer Prinzipien bei der Beschlusfassung und den Wahlen innerhalb der Partei
- Bildung von parteiei genen Stiftungen und Bildungseinrichtungen
- Finanzierungssicherung der Parteiaktivitäten inkl. der Verfü gung über mobiles und immobiles Parteivermö gen
- Kontrolle der höheren und niedri geren Parteiebenen
- Vorbereitung der Wahlkämpfe
- Erstellung des Jahresberichts für den Parteitag
- Auflösung der Partei
- Festle gung der Mitgliederzahl des CDAC und CEC
- Entscheidung über die Mitgliedschaft in internationalen Organisationen
- „to exercise all authority between two Grand Assemblies, in order to take all action beneficial to the Party, and therefore to the country, that are not prohibited by the Law on Political Parties and Elections, other related regulations or the Partypro gram and Charter" (vgl. http://en g.akparti.or g.tr/english/organization.html, S. 3)

Offensichtlich le gt die Satzung einen GroBteil der Parteiarbeit in die Hände des CDAC. Auch in pro grammatischen Entscheidungen kann das Gremium relativ frei verfahren, soweit nicht ge gen das Grundsatzpro gramm verstoBen wird.[3] Die meisten Kompetenzen des Parteivorstands diirften auch einem deutschen Parteimitglied bekannt vorkommen. Drei Punkte erscheinen jedoch besonders interessant und, fiir europäische Verhältnisse, eher ungewöhnlich. So ist die Festle gung der Mitgliederzahl in den Gremien CDAC und CEC den Mitgliedern selbst iiberlassen. Es kann sich also (bspw.) selbst verkleinern und Entscheidungsprozesse einem kleineren Kreis von Entscheidenden ermö glichen, ohne vorher die Nationalversammlung zu konsultieren. Zudem hat es, ebenfalls ohne Konsultation der Nationalversammlung, iiber die Auflösung der Partei zu entscheiden. Be griindet ist dies wohl durch die lange Tradition von Parteiverboten in der Tiirkei; die AKP konnte insbesondere durch das Verbot ihrer Vorgängerpartei WP (Wohlfahrtspartei) Erfahrung mit diesen Vorgängen sammeln. Wie der jiingste Fall des Verbotsverfahrens ge gen die AKP bele gt, wird auch ge gen Re gierungsparteien vorge gangen. In einem solchen Fall kann das CDAC also einem Verbot zuvor kommen, die Partei auflösen und eine Neugriindung vorbereiten.[4] Als dritter Punkt ist die offene Formulierung des letztgenannten Punktes zu nennen — augenscheinlich werden die Kompetenzen des CDAC sehr genau festgele gt, durch diesen Punkt allerdings scheinen die Befugnisse nahezu grenzenlos, solange die Entscheidungen „dem Wohl der Partei" dienen. Kontrolle wird dann erst auf einem Parteitag aus geiibt.

Wie geringfiigi g diese Kontrolle durch die Parteibasis ist, bele gen im Weiteren die
Zusammensetzung und die Befugnisse des CEC, „highest executive body of the Party". Ihm g ehören der Parteivorsitzende und seine Stellvertreter, der Generalsekretär, der Fraktionsvorsitzende sowie die Vorsitzenden der Arbeits gruppen, die frei iiber die Anhörun g und Bestellung von Spezialisten bestimmen können.[5] Auch diesem Gremium steht der Parteivorsitzende vor. Die Kompetenzen des Gremiums sind im Besonderen auch Kompetenzen des Parteivorsitzenden, denn:

[...]


[1] Alle Angaben zur Parteiorganisation vgl.: http://eng.akparti.org.tr/english/organization.html, 18.08.2008. 4

[2] AKP Partypro gramme: "Development and Democratization", in: http://en g.akparti.or g.tr/english/ organisation.html, 18.07.2008.

[3] Die Formulierung ist hier sehr vage und le gt nicht zwan gsläufi g nahe, dass das Programm fiir alle Entscheidungen bindend ist.

[4] Tiirkischen Medien zufol ge waren solche Vorbereitungen in diesem Jahr bereits getroffen worden, um rechtzeiti g auf ein Verbot reagieren zu können. Vgl. Jiirgen Gottschlich: Surreale Routine, in:http://www.taz.de/1/politik/europa/artikel/1/surreale-routine/, 28.07.2008.

[5] Ins gesamt sind dies 12 Personen, die aus den Arbeits gruppen hervorgehen: 1. Deputy Chairman in charge of Political and Legal Affairs, 2- Deputy Chairman in charge of the Organization, 3- Deputy Chairman in charge of Electoral Affairs, 4- Deputy Chairman in charge of Publicity and the Media, 5- Deputy Chairman in charge of Foreign Relations and Foreign Representative Offices, 6- Deputy Chairman in charge of Social Affairs, 7- Deputy Chairman in charge of Local Administrations, 8- Deputy Chairman in charge of Economic Affairs, 9- Deputy Chairman in charge of Public Relations, 10- Deputy Chairman in charge of Financial and Administrative Affairs, 11- Deputy Chairman in charge of Research and Development, 12- Secretary General Indem die Arbeits gruppenvorsitzenden selbstständi g iiber die Einbeziehung von Experten bestimmen, haben sie zunächst einen immensen Wissensvorsprung und können tendenziell die Informationsauswahl, die die niedri geren Parteiebenen erreicht, bestimmen.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Die AKP auf dem Weg zur konservativ-demokratischen Partei
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Sozial- und Wirtschaftswissenschaften)
Veranstaltung
Parteiensysteme im Vergleich
Note
1,3
Autor
Jahr
2008
Seiten
20
Katalognummer
V143256
ISBN (eBook)
9783640524747
ISBN (Buch)
9783640524969
Dateigröße
464 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Partei
Arbeit zitieren
Patrick Galke (Autor:in), 2008, Die AKP auf dem Weg zur konservativ-demokratischen Partei, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143256

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