Der Begriff „Literacy“ im internationalen und im akademischen Umfeld


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

18 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhalt

1. Vorwort

2. Der Begriff Literacy im Verständnis der UNESCO
2.1 Ein Begriff im historischen Wandel
2.2 Die sechs Dakar-Goals
2.3 Die Millenium Development Goals

3. Der Begriff Literacy im akademischen Umfeld
3.1 Literacy als Verantwortung der Institution Universität
3.2 Der Begriff Medienkompetenz

4. Abschließende Bemerkungen

5. Literaturverzeichnis

1. Vorwort

Die mit der folgenden Hausarbeit hat sich der Autor die Aufgabe gestellt, den Begriff Literacy, oder auch sein deutsches Pendant Literalität, näher zu beleuchten. Der Titel der Hausarbeit lautet „Der Begriff ‚Literacy‘ im internationalen und im akademischen Umfeld“. Auf gewisse Art und Weise ergibt sich aus diesem Titel bereits eine kurze Einführung in den Ablauf der vorliegenden Arbeit.

Zunächst soll es um den internationalen Diskurs gehen. Das bedeutet hier, wie der Begriff „Literacy“ international, und besonders im Rahmen der UNESCO (United Nations educational, scientific and cultural organization - Organisation der vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur), gebraucht wird. Das heißt, wie er definiert wird, aber auch, inwieweit sich die UNESCO im 20. Jahrhundert und in den letzten Jahren mit dem Begriff auseinandergesetzt hat. Es soll gezeigt werden, inwiefern der Begriff Literacy ein Teil der Agenda der UNESCO ist und war, beziehungsweise, welche Bedeutung der Verbreitung von primärer Bildung, im Rahmen der Planung der vereinten Nationen, zugekommen ist.

Im zweiten Teil soll aufgezeigt werden, wie der Begriff Literacy in der akademischen Welt gebraucht wird. Das bedeutet auch hier zunächst, dass festgehalten werden soll, wie einzelne Disziplinen innerhalb der Wissenschaften den Begriff fassen und ihn definieren.

In einem weiteren Abschnitt soll hier gezeigt werden, welche Rolle der Begriff vor Allem auch in der universitären Lehre spielt. Als wie wichtig wird er dort angesehen? Gilt er gar als eine Art „Basic Skill“ für die Generation von Studierenden, die in naher Zukunft ihren Abschluss an Hochschulen erreichen werden?

Als Exkurs soll auch hier der Begriff Medienkompetenz als eine Art Fortführung des Literacy-Begriffes kurz skizziert werden.

Weiterhin bleibt anzumerken weshalb in dieser Arbeit fast durchgehend der Begriff Literacy und nicht der deutsche Begriff Literalität verwendet werden. Dieses hat einen pragmatischen Grund. Ein Großteil der Fachliteratur, die sich mit diesem Phänomen auseinandersetzt stammt aus dem angelsächsischen Sprachraum. Auch sind nur wenige Veröffentlichungen der UNESCO auf Deutsch erhältlich. Diese Sprachhürde steht teilweise auch für eine völlig andere Vorstellung über die Definition des Begriffs.

Um also beide Begriffe nicht zu vermischen, und so den Eindruck zu erwecken, sie meinten dasselbe, bleibt der folgende Text bei der englischen Version.

2. Der Begriff Literacy im Verständnis der UNESCO

Zunächst muss zum Begriff Literacy gesagt werden, dass er als schwer fassbar gelten muss. Es gibt für ihn viele verschiedene Definitionen, auf die im späteren Verlauf des Textes noch eingegangen werden soll. Sie alle haben jedoch - mehr oder minder - starke Verbindungen zu einem Grundgedanken. Sie alle verweisen auf eine bestimmte Fähigkeit: „ [...] an individuals ability to understand printed text and to communicate through print. “ (Wagner, 2001, S. 4) Der Begriff unterliegt über die Zeit einem starken Wandel. Es geht jedoch stets um den Umgang mit Medien, wenn zu Beginn der Begriffsentwicklung auch nur um das Medium der Schrift und des Schreibens.

Würde man allerdings diese Fähigkeit, nämlich das verfügen über Literacy, auf schriftliche Kommunikation begrenzt sehen, würde man wohl zu kurz greifen. Der Begriff Literacy umfasst im heutigen Verständnis und Gebrauch verschiedener Non- Governmental-Organisations (im Folgenden NGOs) wie auch zum Beispiel der UNESCO viel mehr als diesen kurzen Grundgedanken, der allerdings bis heute immer noch in der Definition vorhanden ist. Im folgenden Textabschnitt soll die historische Entwicklung des Begriffes innerhalb des Verständnisses der UNESCO innerhalb der letzten 60 Jahre beleuchtet werden. Der Begriff ist in diesem Zeitraum keineswegs statisch. Er wandelt sich vielmehr stetig und wird zunehmend komplexer.

2.1 Ein Begriff im historischen Wandel

In der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts beginnt die UNESCO erstmals, sich mit dem Begriff Literacy auseinander zu setzen. Kurz nach Ende des zweiten Weltkrieges gab es in der UNESCO eine Art Neuausrichtung. So wurden unter einer Auswahl von verschiedenen Grundfertigkeiten unter anderem auch Literacy als eine Fähigkeit definiert, welche zu fundamentalen Rechten der Persönlichkeitsentfaltung eines jeden Menschen zählen. Die Definition des Begriffs war zu diesem Zeitpunkt noch relativ nahe an dem bereits formulierten Grundgedanken. „ [...] that a literate person is one who can, with understanding both read and write a short simple statement on his or her everyday life. “ (UNESCO, 1958, zit. nach UNESCO, 2006, S. 153) Literacy also als Fähigkeit, kurze und einfache Aussagen aus dem alltäglichen Leben sowohl verstehend lesen als auch schreiben zu können. Bis zu diesem Punkt in der Entwicklung des Begriffes lässt sich noch kein großer Bildungsanspruch im Begriff erkennen. Es geht also hier tatsächlich nur um Literacy als reine Fähigkeit. Innerhalb der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts stand die „erradiction of illiteracy“, also die Abschaffung von Illiteracy auf der Agenda der UNESCO. An der Begriffsdefinition ändert sich in diesem Zeitraum nichts. Vielmehr wird nun aber die Wichtigkeit von Grundbildung seitens der UNESCO zum ersten Mal in dieser Form formuliert. Zum Großteil wurde der Versuch der Abschaffung von Illiteracy angegangen durch weltweite Alphabetisierungsprogramme, beziehungsweise durch den Versuch des Ausbaus und der Etablierung von primärer Schulbildung in Teilen der Welt, in der diese zuvor nicht gegeben war. (vgl. UNESCO, 1958, nach UNESCO, 2006, S. 153)

In den 60er und 70er Jahren nahm die UNESCO eine Modifikation in ihrer Vorgehensweise vor. Sie stoppte ihre groß angelegten Literacy-Programme und machte sich eine ganz neue Definition - eine weiter gefasstere Definition - des Begriffes zu eigen. Sie öffnete sich für die Vorstellungen von Human-Kapital Theorien. Der Begriff Literacy umfasste jetzt schon viel mehr als nur die rudimentäre Fähigkeit zu Lesen und Schreiben. Das neue Konzept wurde als „Functional Literacy“ in den Diskurs eingeführt: „ Rather than an end in itself, literacy should be regarded as a way of preparing man for a social, civic and economic role that goes beyond the limits of rudimentary literacy training consisting merely in the teaching of reading and writing. “

(UNESCO, 1958, zit. nach UNESCO, 2006, S. 153) Das Konzept der Functional Literacy beschreibt also nun zum ersten Mal Literacy nicht als eine Art Selbstzweck, als ein „end in itself“, sondern vielmehr als eine Art Vehikel oder Hilfsmittel, dass es jedem Menschen erlaubt, aktiv an gesellschaftlichen, öffentlichen und wirtschaftlichen Aktivitäten teilzunehmen. Hier findet in sofern ein Umdenken statt, als dass Literacy nun nicht mehr eine reine Fähigkeit, eine Technik, sondern vielmehr eine Kulturtechnik darstellt, die Menschen befähigen soll, ihren Alltag in einer sozialen Umwelt kompetenter gestalten zu können. Die UNESCO erhebt in den kommenden Jahren nun auch den Anspruch, sich dafür einzusetzen zur Verbreitung dieser Kulturtechnik beizutragen. So wird es für die UNESCO in den 60er und 70er Jahren zu einer Art menschliches Grundrecht, literate zu werden.

Diese Definition für Functional Literacy wurde in diesem Sinne im Jahre 1978 noch weiter ausformuliert und erweitert. Sie wird in dieser Form für diesen speziellen Begriff bis heute in der UNESCO verwendet: „ A person is funtionally literate who can engage in all those activities in which literacy is required for effective functioning of his group and community and also for enabling him to continue to use reading, writing and calculation for his own and the communities development. “ (UNESCO, 2006, S. 154) Functional Literacy wird auch hier wieder zur unerlässlichen Kulturtechnik, die den Menschen befähigt, sich in einer sozialen Umwelt, die Literacy von ihm fordert, effektiv zu bewegen und zu behaupten, und dies auch zum Wohle der Gemeinschaft in der er lebt gezielt einzusetzen.

In den 70er Jahren entwickelte der Pädagoge Paulo Freire mit seiner Theorie der conscientization, zu Deutsch etwa Bewusstmachungoder Bewusstwerdung, wobei es hier keine korrekte Übersetzung gibt, eine noch kritischere und erweiterte Theorie zur Definition des Begriffes Literacy. Sie soll beitragen bei der individuellen Mündigmachung und Befreiung des Menschen. Die Persepolis-Declaration, die 1975 auf einer UNESCO-Konferenz in Persepolis, Iran verabschiedet wurde beinhaltet diese Definition: „ Thus concieved, literacy creates the conditions for the acquisition of a critical consciousness of the contradictions of society in which man lives and of ist aims; it also stimulates initiative and his participation in the creation of projects capable of acting upon the world, of transforming it, and of defining the aims of an authentic human development. It should open the way to a mastery of techniques and human relations. Literacy is not an end in itself. It is a fundamental human right. “ (UNESCO, 2006, S. 154) So ist also auch bei Paulo Freire Literacy in keinem Falle als reiner Selbstzweck und reine Fähigkeit zum lesen und Schreiben zu verstehen. Auch bei ihm - wie zuvor bei der Definition von functional Literacy - ist die Essenz des Begriffes Literacy die Fähigmachung des Individuums zur aktiven Teilnahme an sozialem Geschehen. Eine Erweiterung des Begriffes nimmt Freire vor mit der Betonung der aktiven Gestaltung der eigenen Umwelt und der Bedingungen des sozialen Lebens. Außerdem definiert auch er Literacy - diesmal sogar explizit und wörtlich - als grundlegendes Recht jedes Menschen. Durch den Begriff der Conscientization erweitert er den Begriff abermals um einen Punkt. Es geht Freire nicht mehr nur um das Funktionieren des Individuums innerhalb der Gesellschaft, bzw. der Gesellschaft an sich, sondern auch um die Entwicklung eines kritischen Bewusstseins gegenüber der Gesellschaft. Dieses Bewusstsein soll nun auch befähigen, herrschende gesellschaftliche Strukturen nicht nur zu antizipieren und zu reproduzieren, sondern sie auch erkennen und aktiv verändern zu können.

[...]

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Der Begriff „Literacy“ im internationalen und im akademischen Umfeld
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz  (Institut für Erziehungswissenschaft)
Veranstaltung
Grundbildung - Konzepte und Befunde
Note
2
Autor
Jahr
2008
Seiten
18
Katalognummer
V143241
ISBN (eBook)
9783640523740
ISBN (Buch)
9783640524440
Dateigröße
479 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Literacy, Literalität, UNESCO, Medienkompetenz, Paulo Freire, Pädagogik
Arbeit zitieren
Jens Aedtner (Autor:in), 2008, Der Begriff „Literacy“ im internationalen und im akademischen Umfeld, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143241

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