Der Orden der Wilhelmiten

Bedeutend und Vergessen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

23 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Themeneinführung mit Quellen- und Forschungsstand

2 Der Wilhelmitenorden
2.1 Gründung und Entstehung
2.2 Die Legende vom heiligen Wilhelm
2.3 Die „Magna Unio“ und die Augustiner-Eremiten
2.4 Aufgabe und Auftrag der Wilhelmeremiten
2.5 Die Konstitutionen und Regeln des Ordens
2.6 Die Klöster
2.7 Die Entwicklung des Ordens bis zu Verfall und Untergang

3 Errang der Wilhelmitenorden geschichtliche Bedeutung, oder ist er zu Recht in Vergessenheit geraten?

Literaturverzeichnis

1 Themeneinführung mit Quellen- und Forschungsstand

Der Wilhelmitenorden „Ordo Fratrum Eremitarum S. Wilhelmi“[1] ist heute kaum noch bekannt. In Deutschland würde man vermutlich eher an die Untertanen von Kaiser Wilhelm II. denken, wenn man nach dem Namen des Ordens gefragt werde würde. Der Wilhelmitenorden war allerdings zur Zeit Kaiser Wilhelms II. nicht mehr existent. Der letzte Wilhelmit starb 1879 in einem Zisterzienserkloster.

Der Orden konnte zurückblicken auf eine fast 700jährige wechselhafte Geschichte, in der er vom Stolz der Kurie[2] beinahe zu einem schwarzen Fleck der Kirchengeschichte geworden wäre. Von Beginn an nahm dieser Eremitenorden eine besondere Stellung im Ordenssystem der katholischen Kirche ein und scheute sich nicht, der Kurie Widerstand zu leisten. Die Geschichte des Wilhelmitenordens ist sehr spärlich überliefert und das Wissen über diesen Orden begrenzt.

Der Orden entstand nach dem Tod des Wilhelm von Malavalle, der sich vom Kreuzritter zum asketischen Mönch gewandelt hatte und zum Namenspatron einer kleinen Eremitengemeinschaft wurde. Nach und nach breitete sich der Orden mit Unterstützung verschiedener Päpste in ganz Nordwesteuropa aus und wurde zum Sinnbild strenger urchristlicher Religiosität, das seinesgleichen suchte.

Aber warum konnte der Orden nur auf eine knapp hundertjährige Blütezeit zurückblicken, die in einem langsamen Verfall und Untergang endete, den die Ordensoberen nicht aufhalten konnten? Welche Bedeutung hatten die Wilhelmiten im strikt geregelten Ordenssystem der katholischen Kirche, und welche Wirkung konnten sie im Abendland entfalten, so dass sie erst im 20. Jahrhundert in Vergessenheit gerieten? Für die Ordensforschung sind die Wilhelmiten deshalb so interessant, weil sie als einziger Eremitenorden bis ins 19. Jh. existierten und früh über die humanistischen Ideen diskutierten.

Um diese Fragen zu beantworten muss die Geschichte der Wilhelmiten dargestellt werden. In einem enzyklopädischen Überblick über der Ordensgeschichte werden relevante Ereignisse herausgestellt, die die Bedeutung des Ordens in der Kirchengeschichte beweisen. Dazu wird auf die Gründung des Ordens eingegangen, der eigentlich gar nicht entstehen sollte. Warum der Orden schließlich doch gegründet wurde, soll ein Blick auf den Namenspatron Wilhelm von Malavalle und seine Legende zeigen, die im ganzen Abendland bekannt war. Eigentlich sollte der Orden 1256 in der „Magna Unio“ aufgehen, deren Ablauf im Folgenden dargelegt wird.

Die Aufgabe und der Auftrag des Ordens sowie seine Verfassung müssen erläutert werden, um die Gesamtgeschichte der Wilhelmiten zu verstehen. Natürlich darf auch eine kurze Beschreibung der Mönche bzw. Eremiten und der verschiedenen Klöster, die teilweise bis heute unter neuer Ordensführung bestehen, nicht fehlen. Abschließend soll die Entwicklung des Ordens bis zu Verfall und Untergang erläutert werden, die interessante Wendungen und Ereignisse aufzeigt.

Nach diesen Darstellungen und Erläuterungen wird die Antwort auf die Frage, ob die Wilhelmiten geschichtliche Bedeutung errangen, oder ob sie zu Recht in Vergessenheit gerieten, folgen.

Zuerst muss allerdings der Forschungsstand thematisiert werden, der als sehr bescheiden zu beurteilen ist. Für einen ersten geschichtlichen Überblick über Orden und von Klöstern eignet sich der Einführungsband „Klöster und Orden im Mittelalter“ von Gudrun Gleba, in dem auch viele kirchliche Fachtermini erläutert werden.[3]

Die Wilhelmiten selber haben kein einziges eigenes Werk verfasst. Nahezu alle Aufzeichnungen über ihr Leben sind verloren gegangen oder wurden als Randnotizen von anderen Orden festgehalten.

Erst im 16. Jh. konnte durch französische Historiker letztlich geklärt werden, wer Wilhelm von Malavalle war.

Das einzige Überblickswerk, dass alle verfügbaren Quellen über die Wilhelmiten berücksichtigt und einen erschöpfenden Einblick in den Orden gibt, wurde von Kaspar Elm verfasst.[4] Er ergänzte seine Forschungen in einem Sammelband über die Eremiten- und Mendikantenorden des 12. Und 13. Jahrhunderts.[5] Seine Veröffentlichungen sind zudem Grundlage vieler Lexikaartikel, wie zum Beispiel im Lexikon für Theologie und Kirche[6], im Lexikon des Mittelalters[7] und im Lexikon Religion in Geschichte und Gegenwart[8]. Lexikonartikel, die nicht auf Kaspar Elm verweisen, verwechseln die Geschichte der Wilhelmiten oder stellen diese falsch dar, wie zum Beispiel Johanna Lanczkowski.[9]

Darüber hinaus finden sich auch Verweise auf den Wilhelmitenorden in der regionalen Geschichtsschreibung von Norbert Backmund[10], Andre Marcel Burg[11] und Jose Verschaeren[12]. Kaspar Elm stützte seine Forschungen auf frühere regionale Geschichtsschreiber wie Paul Becker[13] und Walter Rein[14], die als erste wieder einen Zugang zum Wilhelmitenorden suchten.

Quellen über die Wilhelmiten liegen ausschließlich in lateinischer, italienischer und französischer Form vor und wurden bisher nicht in einer Quellensammlung zusammengetragen, so dass sie nicht ohne großen Aufwand zugänglich sind. Zudem sind Teile der Quellen verfälscht. Sie basieren auf zwei Schriften von Theobald, der 1324 die „Vita Guilemi a Theobaldo exornata“ verfasste und vermutlich Bischof von Grosseto war, und von Albert, der die Schrift „Libellus de vita patris visu et auditu percepta“ schrieb und der erste Gefährte von Wilhelm von Malavalle war.[15]

Eine erste glaubwürdige Zusammenfassung versuchte Samson de la Haye 1587 mit dem Werk „De Veritate Vitae et Ordinis Divi Guiliemi“. Er trug die Übereinstimmungen aller älteren Quellen zusammen und konnte trotzdem nicht die wahre Gründungsgeschichte der Wilhelmiten darstellen.

Interessant sind außerdem die Statistiken von Johann de Monte von 1506, der in dem „Code 1124“ der Bibliotheque Municipale von Cambrai, nahezu alle Klöster der Wilhelmiten im 15. Jh. auflistete.[16]

Um falsche Darstellungen auflösen und einen Vergleich mit anderen Orden ziehen zu können, bietet sich ein Blick in andere Ordenswerke an. Um die Arbeit nicht ausufern zu lassen, reichen in den meisten Fällen ausführliche Lexikoneinträge, wie zu den Dominikanern[17] und den Zisterziensern[18] aus. Die Augustiner-Eremiten müssen ausführlicher betrachtet werden, da sie die direkten Gegenspieler der Wilhelmiten waren. Diese beiden Orden sollten in der „Magna Unio“ zusammengeführt werden.[19]

Der Forschungsstand bietet trotz seiner Lücken und seiner Überschaubarkeit die Chance, die Leitfrage zu beantworten. In der folgenden Arbeit wird sich zeigen, welche geschichtliche Bedeutung der Wilhelmitenorden errang, oder ob er zu Recht in Vergessenheit geraten ist.

2 Der Wilhelmitenorden

2.1 Gründung und Entstehung

Die Eremitengemeinschaft der Wilhelmiten entstand im 12. Jh. in der Toskana, die für viele Eremiten die ideale Bedingung bot, in Abgeschiedenheit zu leben.

Eremiten sind seit dem ersten Jahrhundert n. Chr. bekannt und erlebten im sechsten und siebten Jh. n. Chr. eine erste Blütezeit. Eremitengemeinschaften bildeten sich aus Überdruss am kanonischen Leben und einer aus den Fugen geratenen Welt.[20] Ein Eremit wandte sich radikal von der Welt ab.

Gründer der Eremitengemeinschaft des Wilhelm von Malavalle waren seine beiden Gefährten Albert und Reinald. An Wilhelms Grab sammelte sich ab 1157 eine kleine Eremitengemeinschaft. Wilhelm selbst hatte nicht das Ziel gehabt, einen Orden zu gründen, nachdem zwei Gemeinschaftsgründungen fehlgeschlagen waren. Das Ziel der Eremiten war, nach den Idealen und dem Vorbild Wilhelm von Malavalle zu leben. Dessen strikte Weltabsage fand Nacheiferer. In den nächsten Jahren schlossen sich andere Eremiten und Eremitengemeinschaften den Wilhelmeremiten an, und sie verbreiteten sich in Mittelitalien.

Sein Grab wurde zum Wallfahrtsort, an dem Gläubige Heilung erbaten und für diese dankten. Das Oratorium, das nun in Malavalle bestand, wurde zum Mutterkloster der Wilhelmiten. Papst Gregor IX. setzte sich 1227 für den Bau einer größeren Kirche in Malavalle ein.

Die Eremiten kultivierten das unwirtliche Umland. Das Ergebnis wurde als Zeichen der Heiligkeit des Wilhelm von Malavalle interpretiert.[21]

Andere Eremitengemeinschaften, die ebenfalls nach dem Vorbild von Wilhelm lebten, bildeten um 1200 erste Klöster wie S. Angelus Postlacum und S. Wilhelmus de Acerona.[22] Die ersten Klöster der Wilhelmeremiten führten einen losen autonomen Verband, dessen gemeinsamer Nenner Wilhelm von Malavalle war.

Papst Alexander III. bestätigte in der Region Malavalle einen lokalen und Papst Innozenz III.1202 einen gesamtkirchlichen Kult um Wilhelm.[23]

Mit der Bulle „Ordo monasticus secundum Deum et beati Benedicti regulam atque institutionem fratrum ordinis sancti Guilelmi“ wurde der Eremitengemeinschaft des Wilhelm von Malavalle 1249 das Ordensrecht zugestanden.[24] Die Bulle ähnelte der Ordensbestätigung der Zisterzienser, die 1119 als Orden aufgenommen worden waren. Ordensbestätigungen wurden aus der allgemeinen Bulle „Religiosam Vitam Eligentibus“ zusammengestellt. Der Wilhelmitenorden wurde nun als „Ordo Fratrum Eremitarum S. Wilhelmi“ bezeichnet. Der heilige Wilhelm wurde zur Säule der Ordensexistenz.

2.2 Die Legende vom heiligen Wilhelm

Die wahre Lebensgeschichte des Wilhelm von Malavalle wird vermutlich immer im Dunkeln bleiben. Nach heutigem Forschungsstand setzte sich der Verehrte Wilhelm von Malavalle aus drei verschiedenen Wilhelmpersonen zusammen. Diese sind Wilhelm von Aquitanien, der wohl die berühmteste Wilhelmsfigur im Zusammenhang der Wilhelmiten ist, Wilhelm von Gellone und Wilhelm von Montevergine.[25] Alle drei sind geschichtlich verbürgt, aber stimmen sowohl zeitlich als auch örtlich nicht mit Wilhelm von Malavalle überein. Der Orden profitierte bis zu seinem Untergang von der Legendenbildung um den heiligen Wilhelm von Malavalle.

Wilhelm von Malavalle lebte als Eremit in Askese[26] im Bergtal von Malavalle oberhalb von Castiglione della Pescaia, das zur Diozöse Grosseto gehörte und als „Stabulum Rhodis“ bezeichnet wurde. Malavalle war eine unfruchtbare Ebene, in der sonst niemand leben mochte.

[...]


[1] Lateinische, italienische, niederländische und französische Begriffe werden nicht übersetzt, sofern ihre Bedeutung selbsterklärend ist.

[2] May, Georg: Römische Kurie; in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd.8, hrsg. v. Kaspar Walter, Freiburg 1999, S. 1287-1290; Die Römische Kurie: Gesamtheit der Behörden und Einrichtungen, die dem Papst zuarbeiten, und vom 11. Jh. bis 1988 gebildet wurde.

[3] Gleba, Gudrun: Klöster und Orden im Mittelalter. Darmstadt 2006.

[4] Elm, Kaspar: Beiträge zur Geschichte des Wilhelmitenordens. Köln 1962.

[5] Ebd.: Vitasfratrum. Beiträge zur Geschichte der Eremiten- und Mendikantenorden des zwölften und dreizehnten Jahrhunderts. Werl 1994.

[6] Ebd.: Wihelm von Malavalle, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd.10, hrsg. v. Kaspar Walter, Freiburg 1998, S. 1201-1202.

[7] Angermann, Norbert (Hrsg.): Lexikon des Mittelalters. Band IX. München 1998.

[8] Köpf, Ulrich: Wilhelmiten; in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8, hrsg. v. Betz, Hans Dieter et al., Tübingen 2005, S. 1558-1559.

[9] Lanczkowski, Johanna: Kleines Lexikon des Mönchtums. Stuttgart 1993.

[10] Backmund, Norbert: Die kleineren Orden in Bayern und ihre Klöster bis zur Säkularisation. Windberg 1974.

[11] Burg, Andre Marcel: Marienthal. Geschichte des Klosters und der Wallfahrt unter den Wilhelmiten, den Jesuiten und dem Weltklerus. Phalsbourg 1959.

[12] Verschaeren, Jose: De Orde van de Wilhelmieten in Belgie. Brüssel 1998

[13] Becker, P. A.: Die altfranzösische Wilhelmsage und ihre Beziehung zu Wilhelm dem Heiligen. Halle 1896.

[14] Rein, W.: Der Wilhelmitenorden in den sächsischen Ländern; in: Archive für sächsische Geschichte 3 (1865), S. 187-202.

[15] Elm. Beiträge, S. 14.

[16] Ebd., S. 54.

[17] Frank, Isnard W.: Dominikaner, in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 2, hrsg. v. Betz, Hans Dieter et al., Tübingen 1999, S. 931-934.

[18] Köpf, Ulrich: Zisterzienser; in: Religion in Geschichte und Gegenwart, Bd. 8, hrsg. v. Betz, Hans Dieter et al., Tübingen 2005, S. 1882-1884.

[19] Kaspar, Elm: Die Anfänge des Ordens der Augustiner-Eremiten im 13. Jahrhundert. Münster 1957

[20] Elm. Beiträge, S. 18.

[21] Elm. Beiträge, S. 37.

[22] Ebd., S. 38

[23] Elm. Die Anfänge, S.14.

[24] Elm. Beiträge, S. 51.

[25] Ebd., S. 5.

[26] Bianchi, Ugo: Askese, in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd.1, hrsg. v. Kaspar Walter, Freiburg 1998, S. 1074-1083; Askese ist im Neuen Testament am Beispiel Johannes des Täufers beschrieben, aber auch schon im Judentum bei den Essenern bekannt. Asketen wollen das Leiden Christi nachempfinden und sich von der Welt lösen, indem sie den Tod ständig vor Augen haben. In moderner Form bedeutet Askese Reinigung, Erleuchtung und Einigung.

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Der Orden der Wilhelmiten
Untertitel
Bedeutend und Vergessen
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Professur für mittelalterliche Geschichte)
Veranstaltung
Durchlässige Mauern, Klöster und Welt
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
23
Katalognummer
V143115
ISBN (eBook)
9783640526291
ISBN (Buch)
9783640526161
Dateigröße
440 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Orden, Wilhelmiten, Bedeutend, Vergessen
Arbeit zitieren
Andreas Bönner (Autor:in), 2008, Der Orden der Wilhelmiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143115

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