Zu Henry Clifton Sorby, Adolf Martens und Emil Heyn. Klassische Metallographie, Materialforschungen, Werkstoffprüfungen, Metallkunde, Metallographie

Beitrag zur Technikgeschichte (13)


Wissenschaftliche Studie, 2010

41 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Ein Ausschnitt aus der Institutionalisierung der Werkstoffprüfung, speziell der Metallographie und Metallkunde mit den wichtigen Beiträgen ihrer bedeutendsten Pioniere Henry Clifton Sorby, Adolf Martens, Emil Heyn

Henry Clifton Sorby
- Begründer der klassischen Metallographie
- Zeittafel für Henry Clifton Sorby

Adolf Martens
- Förderer aller Gebiete der Materialforschungen und Werkstoffprüfungen
- Zeittafel für Adolf Martens

Emil Heyn
- Nestor der Metallkunde und Metallographie
- Zeittafel für Emil Heyn

Zeittafel zu den Möglichkeiten der Metallbetrachtungen

Vita des Autors

Abstract

Vorwort

Dieser Beitrag ist der Herausbildung der Technikwissenschaften Metallographie und Metallkunde, speziell drei Technikwissenschaftlern des Zeitraumes 1850 bis Anfang der zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts gewidmet, die sich auf diesen Gebieten bis in die Gegenwart geschätzte Erfolge erwarben. Es handelt sich um den Engländer Henry Clifton Sorby, Begründer der klassischen Metallographie, Kristallographie sowie Petrographie, sowie um die beiden Deutschen Adolf Martens, dem Förderer aller Gebiete der Materialforschungen und Werkstoffprüfungen, und Emil Heyn, dem Nestor der Metallkunde und Metallographie.

Dieses Werk basiert auf einem vom Autor vorbereiteten Vortrag für die gemeinsam von der Gesellschaft Deutscher Chemiker, Fachgruppe Geschichte der Chemie (GDCh), und der Deutschen Physikalischen Gesellschaft, Fachverband Geschichte der Physik (DPG), durchgeführte Vortragstagung zur Geschichte der Materialforschung, die vom 24. bis 27. März 2009 in Göttingen stattfand. Er konnte aus gesundheitlichen Gründen leider nicht vor diesem Auditorium gehalten werden und soll deshalb auf diesem Wege Fachleuten und Interessierten zur Kenntnis gebracht werden.

Am Anfang steht die Würdigung für Henry Clifton Sorby, dem wissentlich zuerst gelang das Mikrogefüge der Metalle, z. B. von Eisenwerkstoffen nicht nur sichtbar zu machen, sondern auch mikrophotographisch festzuhalten. Großer Wert wird mit darauf gelegt, aufzuzeigen, daß seine Überzeugung, daß das Mikroskop ein Werkzeug in allen Wissenschaften sein kann, prospektiv war. Außerdem ist der Blick auf sein gesamtes Leistungsspektrum gerichtet, wie zum Beispiel die mechanische Entstehung der Schieferung, mikroskopische Untersuchung an Kristallen, Gesteinen, Metallen und Meteoriten, seine selbstgebauten Spektrumsmikroskope, nebst den Anwendungsgebieten und Analysemethoden, Publikationen, Dokumentationen wie auch sein Einbringen in wissenschaftliche Gesellschaften, seine Integrierung in den Kreis der Intellektuellen (Gelehrten, Lehrenden, Leitenden) sowie auf seine Ehrungen, Ovationen sowie die bis in die Gegenwart wach gehaltenen Traditionen.

Von Adolf Martens wird seine Autorität für die Entwicklung der gesamten Materialprüfungen der Technik von 1884 bis 1914, der einen Großteil seines Lebens und seines Geldes für Untersuchungsverfahren, mikroskopische und mikrophotographische Einrichtungen einsetzte, herausgestellt. Erinnert wird u. a. daran, dass Martens als derjenige Forscher gilt, der um 1877 als erster mit zielgerichteten mikroskopischen Untersuchungen von Stahl und Eisen begann, ohne Kenntnis der 1864 erzielten Ergebnisse von Henry Clifton Sorby. Eingebunden sind u. a. dabei seine Verdienste für die Institutionalisierung der Materialprüfungen der Technik und die Schaffung von Lehrmaterialien wie auch den Handbüchern der Materialienkunde für den Maschinenbau. Hohe Anerkennung wird ihm für den Auf- und Ausbau der Versuchsanstalten für Materialprüfung an der Kgl. Technischen Hochschule Berlin-Charlottenburg, speziell der Konzipierung und Umsetzung des bedeutenden Kgl. Materialprüfungsamtes zu Berlin zu Teil.

Bei Emil Heyn, dem Vater der wissenschaftlichen Metallkunde und Metallographie, werden speziell seine Leistungen der mikroskopischen Metalluntersuchungen, nämlich seine Befähigung, die Sprache des Kleingefüges von Metallen und Legierungen zu verstehen und die Spezifik der Phasenlehre zu kennen, worauf aufbauend er das Doppeldiagramm für Eisen-Kohlenstoff-Legierungen entwickelte, gewürdigt. Weiterhin werden auch seine akribischen Bemühungen um die Lehre, Praxisbindung, Publikationen, Wissensinstitutionalisierung,

Weiterbildung, Vereinsgründung und –tätigkeit sowie Entwicklung der Technikwissenschaft Werkstoffwissenschaft angesprochen. Ins Gespräch gebracht wird außerdem sein Handeln nach dem Grundsatz „Theorie cum praxi“, den ihm der erste Ordinarius für Eisenhüttenkunde an der Königlich Sächsischen Bergakademie zu Freiberg Adolf Ledebur lehrte.

Letztendlich wird erkennbar, seine Thesen zu den Disziplinen Metallographie und Metallkunde, verkünden den Inhalt von Wissenschaften: „Die Gefügelehre (Metallographie) führt nur den Sehenden zum Ziel. Wie dem Blinden die beste Brille nichts hilft, so bringt die Gefügelehre demjenigen keine Hilfe, der sich nicht in ernster Arbeit gediegene Kenntnisse auf dem Gebiet der Materialkunde und der Technologie erworben hat.“, und: „Die Lehre von den Metallen und Legierungen (Metallkunde) ist durch die Forschungen namentlich der letzten Jahrzehnte aus der Stufe der reinen Empirie, die sie bis dahin beherrschte, zu einer besonderen Wissenschaft entwickelt worden, die ihre Wurzeln in eine ganze Reihe verschiedener benachbarter Wissensgebiete, wie Chemie, Physik, Mechanik, physikalische Chemie, Phasenlehre, Thermodynamik, Mineralogie usw. hinüberstreckt.“

Ein Ausschnitt aus der Institutionalisierung der Werkstoffprüfung, speziell der Metallographie und Metallkunde mit den wichtigen Beiträgen ihrer bedeutendsten Pioniere Henry Clifton Sorby, Adolf Martens, Emil Heyn

[1]

Dieser Beitrag ist drei bedeutenden Technikwissenschaftler des Zeitraumes der industriellen Revolution und sich herausbildenden kapitalistischen Fabrikproduktion gewidmet, die sich auf Gebieten der Materialwissenschaften bis in die Gegenwart geschätzte Erfolge erwarben, nämlich Henry Clifton Sorby, dem Begründer der Metallographie, Adolf Martens, dem Förderer aller Gebiete der Materialforschungen und Werkstoffprüfungen, dem Nestor der Metallkunde und Metallographie, Emil Heyn.

Historisch gesehen sind die Werkstoffwissenschaften, die ihre Herausbildung mit diesen drei Nestoren der Materialienkunde verknüpft sind, relativ jung. Wissentlich beschränkte sich die Wissenschaft von den metallischen Werkstoffen bis Ende des zweiten Drittels des 19. Jahrhunderts hauptsächlich auf die Ermittlung der chemischen Zusammensetzung, die Durchführung technologischer Tests sowie die Untersuchung des Metallbruchgefüges; im geringeren Maße wurden Kristallbildungen in Lunkern wie auch Kristallbildungen auf Gussoberflächen erfasst, gezeichnet, gedeutet, gezeichnet.

Der Beginn der Technikwissenschaft Metallographie vor 145 Jahren liegt bekannterweise nicht unbegründet im Mutterland der industriellen Revolution. Da war es Henry Clifton Sorby 1864 in England, der das dem Menschenauge bisher dahin nicht zu Gesicht zu bringende Mikrogefüge durch seine metallographischen Untersuchungen als Feingefüge der Metalle betracht- und entschlüsselbar machte. In Deutschland gelang dies Adolf Martens 1878. Beide, die erstmals metallographische Metallschliffe hergestellt hatten, fotografierten diese über ihr Mikroskop die sichtbaren Gefügestrukturen bei hohen Vergrößerungen.

Mit den Anfängen der Metallbeschreibung und Metallkunde sind außerdem auch untrennbar verbunden: Heyn, Ledebur und Bauer in Deutschland; Louis Joseph Troost (1825-1911), Pierre Antoine Jean Sylvestre Chevenard (1888-1960), Albert Sauveur (1863-1939), Charles Fermont in Frankreich, John Edward Stead (1851-1921), und J. O. Arnold in England, Johan August Brinell (1849-1925) in Schweden, wie auch Pawel Petrowitsch Anossow (1797-1851), Dimitri Konstantinowitsch Tschernow (1839-1921), Nikolai Semjonowitsch Kurnakow (1860-1941), A. A. Bajkow (1870-1946), A. A. Rsheschotarski (1847-1904) in Rußland. Ihre Erkenntnisse über das Wesen der Metall und Legierungen gingen in die technikwissenschaftliche Disziplin Metallkunde ein, wovon die Metallographie heutzutage ein Teilgebiet dieser Technikwissenschaft ist.

Ihre Arbeiten wie auch die von Thomas G. Andrews (1813-1885), Theodor Heinrich Behrens (1843-1905), Augustin Georges Albert Charpy (1865-1945), Frank Lynwood Garrison 1862-1929), G. Guillemin, Henry Marion Howe (1848-1922), Floris Osmond (1846-1912), William Chandler Robert-Austen (1843-1902), E. H. Saniter, Alexandre Pourcel (1841-1929), Alexander Alexandrowitsch Bajkov (1870-1946), Nicolescu Cristea-Otin (1879-1954), Albert Marcel Germain R. Portevin (1886-1962), Eduard Maurer (1886-1962), brachten die

Metallographie und die Metall-Mikrophotographie bereits bis zum Ende des 19. Jahrhunderts und im ersten Viertel des 20. Jahrhunderts auf eine solche Höhe, daß sie nicht nur in den mechanisch-technischen Versuchsanstalten, sondern mehr und mehr auch in den Kreisen der Metallurgen und der Metallindustrie eine solche Beachtung gefunden hatten, daß sie nicht nur einen weiten Bereich der Materialforschung, sondern ein wichtiges Bindeglied zwischen Forschung und Technik darstellte. Ihrer Umsetzung in der Industrie von der Wende der sechziger zu den siebziger Jahren bis hin in die beginnenden neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts trug u. a. mit zu einen evidenten Produktivkräfteaufschwung, vor allem in Deutschland, England, Frankreich, USA, bei. Im modernen Japan ist die Entwicklung der Metallographie eng mit der wissenschaftlichen Erforschung der japanischen Schwerter in der Epoche Taiso (1912-1926) verbunden, wobei der Beginn solcher metallographischen Untersuchungen, durchgeführt von Tawara Kuniichi und Kasama Shigetsugu, für das Jahr 1908 festgehalten sind[23],[24].

Etwas ganz Wichtiges läßt sich Sorby, Martens und Heyn zuordnen, nämlich, sie waren es, die die Basis dafür legten, daß sich die von ihnen begründete wissenschaftliche Metallographie der eigentliche Ausgangspunkt der heutigen Materialographie, dem Gebiet der Erforschung der Makrogefüge-, insbesondere der Mikrogefügemerkmale nicht nur von den Metalle, sondern auch von den Keramiken, Kunststoffen, elektronischen Bauteilen und dergleichen, gilt. Außerdem waren sie es auch, denen der ergebnisreiche Blick auf das wahre Gefüge, ein Gefüge ohne Artefakte, durch ihre besonders sorgsame Behandlung der Metalloberflächen, gelang.

Übrigens mit und nach den Gründungen der Polytechnika, Gewerbeschulen bzw. Technischen Hochschulen in Paris (1794), Prag (1806), Wien (1815), Berlin (1821), Karlsruhe (1825), München (1827), Dresden (1828), Stuttgart (1829), Hannover (1831), Braunschweig (1835), Darmstadt (1836), Chemnitz (1836), Zürich (1854), Aachen (1870) kam es an ihnen u. a. zum Ausbau wissenschaftlicher Grundlagen der einzelnen technischen Disziplinen, insbesondere zuerst der theoretischen Maschinenlehre, Mechanik, hinführend zur Materialienkunde. Von großer Tragweite daran sind, so sei erinnert, die Leistungen von Karl Karrmarsch (1803-1879), Julius Weißbach (1806-1871), Johann Andreas Schubert (1808-1870), Ferdinand Redtenbacher (1809-1863), August Wöhler (1819-1914), Carl Culmann (1821-1881), Franz Grashof (1826-1893), Franz Reuleaux (1829-1905), Wilhelm Ritter (1847-1910), Otto Christian Mohr (1835-1918), Carl von Bach (1847-1931), Ludwig Tetmajer, Ritter von

Aus den genannten Schulen gingen auch die ersten Materialprüfungsinstitute hervor. Dies beginnt 1870 mit dem „Mechanisch-Technischen Laboratorium“ an der polytechnischen Schule zu München, geleitet von Johann Bauschinger (1834-1893). Conrad Mattschoss (1871-1942) unterstrich dies später mit der Aussage: „die Zeit der Materialprüfung in Deutschland in engster Verbindung mit technischen Hochschulen habe begonnen“[2]. Es verkörpert den Beginn planvoller experimenteller Forschung an den Hochschulen, insbesondere das von Johann Bauschinger errichtete Mechanisch-Technische Laboratorium

Przerwa (1850-1905) am Münchner Polytechnikum[3] (ab 1877 Technische Hochschule zu München).

Apropos, dies wie auch die anderen waren es nicht allein, die den Weg zur Technikwissenschaft Metallographie bereiteten; diese waren auch durch industrielle und private Prüfungslaboratorien mit parat geworden, wie die bisher als älteste bekannt gewordene kommerzielle Prüfanstalt, die 1858 in London (Southwark) vom schottischen Ingenieur David Kirkaldy (1820-1897) gegründete. Seine vielen Untersuchungen und Ergebnisse, die für die Entwicklung der modernen Materialprüfung bedeutsam wurden, hat er in seinem Elborat mit dem Titel: „Results of an Experimental Inquiry into the Tensile Strength and orher Properties of Wrought Iron and Steel“ (Experimentelle Untersuchung über die vergleichende Zugfestigkeit und andere Eigenschaften der verschiedenen Arten von Schmiedeeisen und Stahl) publiziert und der Öffentlichkeit ab 1862 zugänglich gemacht[4].

Aus der Industrie ist bekannt, daß Alfred Krupp (1812-1887) derjenige war, der beispielgebend 1857 zuerst die Materialprüfung in der Tiegelstahlschmelze begann, ab 1863 sie in der Gussstahlfabrik mit einem chemischen Laboratorium im großen Maße einführte zur Untersuchung von Rohstoffen, Brennstoffe, Abgase, Fertigprodukten; zuvor kaufte er in London eine Universalprüfmaschine von der Firma Greenwood & Batley in Leeds, die in einer dafür eingerichteten Probieranstalt genutzt wurde. Nebstdem richtete Krupp 1883 ein weiteres Stahlprüflabor ein. Krupps führende Rolle auf dem Gebiet der chemo-physikalischen belegen die Analysenzahlen mit 12.000, werktäglich 40 (1889); 84.000, werktäglich 280 (1899); 475.000, werktäglich 2.030 (1910). Eine ausgeprägte industrielle Prüfung gab es auch in der Gelsenkirchner Bergwerks AG, Abteilung Aachener Hüttenverein, 1886 mit rd. 1.140 und 1905 etw. 50.000 Versuchen[5].

Immerhin hatte 1852 Ludwig Werder (1808-1885) in der Firma Theodor Cramer-Klett, Nürnberg, eine Universalprüfmaschine entwickelt; eine der ersten ging 1866 nach Zürich, München 1871 Berlin 1878. Ansonsten sind Materialprüfungsergebnisse aus Firmenlabors kaum zeitnah nach außen gedrungen, auch Sorbys metallographischen Entdeckungen fanden erst nach 20 Jahren ihren Weg nach außerhalb.

Henry Clifton Sorby

Begründer der Metallographie

Bekannterweise beschäftigt sich der Mensch über 10 000 Jahren mit Metallen und ihren Legierungen, genau solange offenbarte sich seinem bloßen Auge nur das Metallbruchgefüge. Jahrtausendelang konnte er nur daran seine Fertigkeiten in der Metall- bzw. Werkstoffbearbeitung schulen. Reichten bis zu den Anfängen der industriellen Revolution am Ende des 18. Jahrhunderts individuelle Materialprüfungsmethoden aus, so machte aber die Umwandlung der Agrargesellschaft in die Industriegesellschaft, gekennzeichnet durch schnelle Veränderungen in der Produktionstechnik, Wissenschaft und Gesellschaft, die Forderung auf, die subjektiven Prüfmethoden in der Begutachtung und Prüfung von Materialien abzustreifen.[1]

Erreicht wurde dies bei Kristallen, Gesteinen, Metallen und Meteoriten durch die Tat von Henry Clifton Sorby, der am 9. März 1863 in Woodbourne (Yorkshire), UK, nahe Englands Stahlhauptstadt Sheffield, geboren wurde, mit der Hinwendung zur mikroskopischen Identifikation dieser Feingefüge ab dem Jahr 1849, wo er das Mikroskop in der Überzeugung, daß dies ein Werkzeug in allen Wissenschaften sein kann, speziell bei der Untersuchung dünner Gesteinsscheiben von 0,025 oder 0,001 mm Dicke eingesetzt und dadurch zu dem Nachweis der mechanischen Entstehung der Schieferung kam. Gleichsam brachte er Licht in das Dunkel der Slaty-Spaltung. Diese Untersuchung von dünnem Scheiben-Gestein brachte ihm auch den Titel „Vater der mikroskopischen Petrographie“ ein. Er, der des Weiteren auch als Begründer der Disziplinen der Mikrospektroskopie und Sedimentologie gilt, hielt seine Ergebnisse nicht nur in seinem Notizbuch fest, sondern veröffentlichte seine darauf bezüglichen Arbeiten 1858 im Quarterly Journal of the Geological Society of London unter dem Titel: „On the Microscopical of Crystals“ (Die mikroskopische Struktur der Kristalle).

Zu dieser Zeit führte Sorby auch mit einem selbst gebauten Spektrum-Mikroskop Untersuchungen zur Analyse gefärbter Flüssigkeiten durch, womit er eine Methode zur Erkennung von Blutspuren, selbst wenn diese für das bloße Auge unsichtbar sind, schuf, was spürbare Konsequenzen für die forensische Wissenschaft hatte. Zudem wies er damit auch das Spektrum von Carotin, einem gelbroten Farbstoff in Pflanzenzellen, nach, das für alle Wissenschaftszweige, in denen Farben eine Rolle spielen, bedeutend war. Daß sich der Autodidakt Sorby im fünften und sechsten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts verstärkt mikroskopisch mit den Werkstoffen Eisen und Stahl beschäftigte, hat wahrscheinlich mehrere Gründe. Einer ist darin zu sehen, daß sein Vater, welcher ein gefragter Firmeninhaber (als John Sorby & Sohns) wie auch einer der führenden Messer- und Werkzeugherstellern von Sheffield war, ihn frühzeitig mit diesen Materialien vertraut machte. Eine weitere Wurzel könnte möglicherweise auch das 1847 von ihm, in seinem Haus in Broomfield, Beech Hill Road, nach dem Tode seines Vaters, eingerichtete wissenschaftliche Labor sein, wo er, finanziell unabhängig, viele Gebiete betreffend, experimentieren konnte.

Auch drittens werden ihn, so ist zu vermuten, die Tatsachen der industriellen Entwicklung mit ihren Erfindungen, Neuerungen und mit den zunehmenden Materialproblemen und Qualitätsfragen bei den industriell genutzten Werkstoffen im Dampfmaschinen-, Eisenbahn-, Maschinen-, Bergmaschinenbau, Seeschifffahrtsbau, wie Kessel-, Lokomotiven, Waggon-, Schiffs-, Maschinen- Gerätehavarien, eigens Eisenbahnunfällen durch Achs-, Radreifen-,

Schienen-, Pleuelbrüchen etc., dazu angeregt haben, ausdrücklich auch dadurch, daß die Puddelstahlherstellung wie auch die in der Mitte des 19. Jahrhunderts beginnende Flussstahlproduktion in Konvertern (z. B. mittels Bessemerkonvertern ab 1856) aufwarfen, bewogen haben, sich mit der Erschließung der Gefüge von Eisenwerkstoffen auseinanderzusetzen. Gestärkt werden diese hypothetischen Ansätze durch Sorbys Geisteshaltung zu allem Neuen und Ungelöstem, die Ursachen der Dinge zu entdecken.

Einen wesentlichen Anteil hatte viertens bestimmt auch, sich mit mikroskopischen Arbeiten an Metallen zu beschäftigen, sein Anschluss an die Sheffield Literary and Philosophical Society, wo er in ständigem Kontakt mit den neuesten wissenschaftlichen Entwicklungen stand. Zweifelsfrei führte dies ihn auch 1863 zum Vorreiter einer neuen Fachrichtung, die der "Mikroskopischen Metallurgie", die nach 1860 mehr und mehr, neben der zu diesem Zeitpunkt vorherrschenden tendenziösen Bruchgefügebetrachtungen der Metallproben, zum akzeptierten Bestandteil der modernen Metallurgie wurde.

Seinen revolutionierenden Schritt zum Einblick in die Mikrowelt der Metalle (Eisen, Stahl, Gusseisen) hielt Sorby, dem es gelang, die Gefügebestandteile Ferrit, Perlit, Graphit mikroskopisch sichtbar zu machen und mikrophotographisch festzuhalten, wohl fest, aber, da er diese 1864 in der wenig zugänglichen Zeitschrift „Proc. Sheffield Lit. Phil. Soc.“ veröffentlichte und dazu durch die zu dieser Zeit zum Teil noch schwierigen Informationsübermittlungen blieb diese wissenschaftliche Entdeckung lange unbekannt. So ist es nicht verwunderlich, daß Adolf Martens (1850-1914), unabhängig von H. C. Sorby, also zu einer Zeit, wo das Experimentieren zu einer grundlegenden und systematischen Methode zur Wissensgewinnung und Kenntnisbestätigung wurde, die gleiche Enthüllung (historisch gesehen) fast zeitgleich machen konnte. Sorbys Dokumentationen erfolgten in Schrift, Bild, Naturselbstdruck, als Zeichnung. Technisch bedingt, erreichte er mikroskopische Vergrößerungen bis zum 200-fachen, fotomikroskopisch war ihm aber nur eine Vergrößerung bis 9:1 möglich.

Angemerkt sei, daß zu dieser Zeit auch die bahnbrechenden Versuche August Wöhlers (1819-1914) zur Dauerfestigkeit von Eisenbahnachsen (1856-1870) liefen; und dessen gewonnenes empirisches Material, insbesondere das aus seinen systematisch untersuchten Wechselbeanspruchungen der Eisenbahnmaterialien, einen enormen Einfluss auf die Entwicklung der modernen Festigkeitstheorien hatte. Ihr Erfordernis, so ist hinlänglich bekannt, lag ebenfall im Übergang vom Schweiß- zum Flußstahl, welcher u. a. breit beim überaus schnellen Ausbau des Eisenbahnnetzes (weltweit: 1830: 332 km; 1865 – 145.114 km; 1885 – rd. 463.000 km; 1885: Großbritannien – 30.358 km; Deutschland – 39.141 km) eingesetzt wurde, mit begründet, denn Schadensursachen wie fehlerhaftes und falsch eingesetztes Material tragen dazu mit bei.

Untersuchungen zum inneren Aufbau des Stahls und anderer Metalllegierungen fanden auch von dem Russen Dimitri Konstantinowitsch Tschernow (1839-1921) fast zeitgleich (1868) wie die Gefügeinspektionen Sorbys statt. Dieser stellte bei solchen Versuchen zur qualitativen Charakteristika die Abhängigkeit der Struktur und Eigenschaften des Stahls von seiner mechanischen Bearbeitung im warmen Zustand (z. B. Glühen) sowie der Wärmebehandlung fest. Außerdem entdeckte dieser die Umwandlungstemperaturen, bei denen der Stahl infolge der Erwärmung oder Abkühlung im festen Zustand Phasenumwandlungen ablaufen, die erheblich die Struktur und Eigenschaften des Metalls verändern.

Wie auch immer, Sorbys Entdeckung nahm nicht gleich ihren Weg zur Nutzung, obwohl ein Verlangen danach in der Materialerkundung und Metallbeschreibung wie auch in der Industrie bestand. Nichtmals, so weit bekannt wurde, der stete wissenschaftliche Pionier selbst führte diese Untersuchungen fort. Erst nachdem Martens 1878 mit seinen Ergebnissen in die Öffentlichkeit getreten war, fühlte sich Sorby dadurch angeregt die metallographischen Experimente wieder aufzunehmen, wobei er dabei zum Avantgarde u. a. für die Aufklärung der Rekristallisation von kalt verfestigtem Eisen wurde. Und erst mit einem Vortrag „Das mikroskopische Gefüge von Eisen und Stahl“ auf der Tagung des Iron and Steel Institute London im Mai 1885 machte Henry Clifton Sorby die Fachleute mit seinen bis dahin weitgehend unbekannt gebliebenen Versuchen und Ergebnissen bekannt. Seine Aussagen veröffentlichte er danach auch im Journal Iron and Steel Institute 1886/87.

Er, in der einstigen „Werkstatt der Welt“ von der industriellen Fortentwicklung geprägt und als der vielleicht letzte große wissenschaftliche Amateur geltend, ließ sein metallographisches Wissen, dem allgemeinen Trend folgend, von der Insel auf den Kontinent fließen, indem er seine Botschaften dazu 1885 in der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure (gegründet 1856) publizierte.

Ganz im Trend der damaligen Zeit liegend, kommen Sorby und Martens mit der Erweiterung der Beschreibung morphologischer Charakteristika ihrer metallographischer Objekte (Feingefüge der Metalle) auf funktionale Zusammenhänge zu einem qualitativ neuen Zweig, die deskriptive Metallographie. Außerdem schaffte Henry Clifton Sorby mit seinem optischen Eindringen in die Mikrostruktur des Eisens und Stahls nicht nur den Ausgangspunkt für die Klärung der Kristallinität der Metalle, die fünfzig Jahre später 1912 von Max von Laue (1879-1960) mit der Röntgenfeinstrukturuntersuchung bestätigt wurde, sondern legte auch den Grundstein für die im Jahre 1937 von Manfred Baron von Ardenne (1907-1997) mitbegründete Elektronenstrahl-Metallmikroskopie.

Eine theoretische Beherrschung der Metall-Feingefüge-Beschreibung blieb vorerst noch Vision; sie wurde aber mit der Herausbildung der technischen und der Entfaltung der Naturwissenschaften, wie die Metallkunde, Metallographie, Eisenhüttenkunde, Metallurgie, Physik, Chemie, im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts in Gang gebracht. Zu dieser Zeit erkannten auch die Akademiker und Praktiker der Materialprüfung, in der metallbe- und verarbeitenden Industrie kann dem technischen Fortschritt nur Stand gehalten werden, wenn sie mit ihren Untersuchungen Werkstoffforderungen wie immense Wirtschaftlichkeit, niedrigen Preis, hohe Präzision, Zuverlässigkeit, Leistungsfähigkeit, geringes Gewicht, leichte Verwendung erfüllen helfen.

Es zeigte sich, daß die ersten Verwissenschaftlichungsbestrebungen Sorbys und die von Tschernow, der neben den bereits erwähnten Beiträgen zu Strukturfragen beim Eisen und Stahl auch bedeutende Ergebnisse aus seinen Untersuchungen zur Polymorphie der Eisenwerkstoffe, im Speziellen zum Kohlenstoffeinfluss auf die Lage der Übergangstemperaturen, 1868 durchführte, abschloss und daraus schlussfolgernd diese so genannten Tschernow-Temperaturen graphisch darstellen und auch als erster grobe Umrisse der wichtigsten Linien des klassischen Eisen-Kohlenstoff-Diagramms bestimmten konnte. Hinzu gefügt sei, daß visuell anhand der Glühfarben die Temperaturbestimmung (also noch empirisch und sehr subjektiv beeinflusst) erfolgte. Eine sofortige, unmittelbare, enge Beziehung von Wissenschaft und Produktion bauten sich auf diesem Gebiet da in der Metallkunde noch nicht auf.

Beiläufig bemerkt, es bedurfte mehrere Jahrzehnte zur Kenntniserweiterung der Metallkunde und ihrer Know-how-Umsetzung. Wichtige Beiträge lieferten dafür bis Anfang des 20. Jahrhunderts u. a. Floris Osmond (1849-1912) - (Stahlhärtung, Existenz der thermischen Übergänge, Grundlagen der thermischen Analyse, Gefügenamen Martensit, Troostit und Austenit), William Chandler Roberts-Austen (1843-1902) - (Entwurf des ersten brauchbaren Eisen-Kohlenstoff-Diagramms), Henry Marion Howe (1848-1922) - (Einführung der Gefügenamen Ferrit, Zementit, Perlit und Hardenit), Henri Louis Le Chatelier (1850-1936) - (Erfindung des Thermoelements - 1887), Gustav Heinrich Johann Apollon Tammann (1861-1938) - (Aufstellung von Zustandsdiagrammen mittels Thermoelement und thermischer Analyse bis 1903).

Letztendlich muß genannt werden, Sorbys Tradition wurde erfolgreich fortgesetzt u. a. von Männern wie Heyn, Bauer, Kessner, Wetzel, Tammann, Wüst, Hanemann, Masing, Guertler, Goerens, Köster, Dahl, Dehlinger, Friedrich, Kauczor, Schottky, Klemm, Schumann sowie Frau Schrader (1909 die erste Metallographin am ersten metallographischen Laboratorium in Deutschland an der Technischen Hochschule Berlin und Mitherausgeberin vom Atlas Metallographicus). Über einen dieser Übertragenden der von 1898 bis 1922 maßgeblich die beiden Disziplinen Metallkunde und Metallographie zur Technikwissenschaft mitentwickelte, nämlich Friedrich Emil Heyn, Absolvent von Adolf Ledebur an der 1765 gegründeten ersten und größten Montanhochschule, der Königlich Sächsischen Bergakademie zu Freiberg, werden nach den Ausführungen zum Nestor aller Materialprüfungen, Adolf Martens, einige wichtige Details seiner metallkundlichen Forschungen zur Kenntnis gebracht.

Hohe Würdigungen für Sorby sind seine siebenmalige Wahl zum Präsidenten der Sheffield Literary and Philosophical Gesellschaft, der er 60 Jahre angehörte und die etwa 240 seiner Beiträge veröffentlichte, darüber hinaus die Vota zum ersten Präsidenten der Yorkshire Naturalists Union, Präsidenten der Mineralogical Society, Verwalter (1879), Präsidenten (1882-1897) des First College in Sheffield. Fernerhin wird für das Gebiet Metallographie von der International Metallographics Society der Henry-Sorby-Award seit 1976 verliehen; und sowohl von der International Association of Sedimentologists wie auch Yorkshire Geological werden Sorby-Medaillen ausgelobt. Über das alles hinaus entstand ihm zur Ehre in Sheffield ein Sorby-Zentrum für Elektronenmikroskopie und Mikroanalyse (mit modernster Rasterelektronenmikroskopie, insbesondere mit Sekundär-Elektronen-Detektoren (SEM) und Transmissions-Elektronen-Mikroskopen (TEM). Im Übrigen: Seit dem 1. November 2000 gibt es die offene Sorby-Geologie-Vorlesung an der Universität Sheffield.

[...]


[1] Piersig, W.: Henry Clifton Sorby, Adolf Martens, Emil Heyn, München: GRIN Verlag, s. S. 32.

[2] Matschoß, C.: Werkstoffkunde, ZVDI 71 (1927), S. 1481/1485, hier S. 1483.

[23] Notis. M. R.: Die Geschichte der metallographischen Untersuchung japanischer Schwerter, Whitaker

Laboratory, Department of Materials Science and Engineering, Lehigh University, Bethlehem, PA 18104,

USA; 1. Dezember 2000, . Available online 10. Mai 2001;

Internet: The history of the metallographic study of the Japanese sword ...;

linkinghub.elsevier.com/retrieve/pii/S1044580301001012.

[24] Bachenow, A. G.: Eximation of the Japanese Sword,

[3] Mauersberger, K.: Die Herausbildung der technischen Mechanik und ihr Anteil bei der Verwissenschaftlichung des Maschinenwesens, Dresdener Beiträge zur Geschichte der

Technikwissenschaften, H. 2, S. 1/52, hier S. 37, Zur Entstehung technikwissenschaftlicher Disziplinen,

Technische Universität Dresden 1980.

[4] Ruske, W.; Becker, G. W.; Czichos, H.: 125 Jahre Forschung u. Entwicklung, Prüfung, Analyse, Zulassung,

Beratung und Information in Chemie- und Materialtechnik. Berlin: BAM 1996.

[5] Autorenkollektiv: Geschichte der Produktivkräfte in Deutschland von 1800 bis 1945 in drei Bänden, Bd. 2:

Produktivkräfte in Deutschland 1870 bis 1917/18, Berlin: Akademie-Verlag 1985.

[1] Piersig, W.: Henry Clifton Sorby, Adolf Martens, Emil Heyn, München: GRIN Verlag, s. S. 32.

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Details

Titel
Zu Henry Clifton Sorby, Adolf Martens und Emil Heyn. Klassische Metallographie, Materialforschungen, Werkstoffprüfungen, Metallkunde, Metallographie
Untertitel
Beitrag zur Technikgeschichte (13)
Autor
Jahr
2010
Seiten
41
Katalognummer
V143068
ISBN (eBook)
9783640523177
ISBN (Buch)
9783640522491
Dateigröße
657 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sorby, Martens, Heyn, Metallographie, Metallkunde, Makrogefüge, Mikrogefüge
Arbeit zitieren
Dipl.-Ing. (FH), Dipl.-Ing., Dr.-Ing. Wolfgang Piersig (Autor:in), 2010, Zu Henry Clifton Sorby, Adolf Martens und Emil Heyn. Klassische Metallographie, Materialforschungen, Werkstoffprüfungen, Metallkunde, Metallographie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/143068

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