Gewachsene und geplante Strukturen in Frankreich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

22 Seiten, Note: gut

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Wirtschaft und Raumordnung in Frankreich
2.1 Die französische Raumordnung
2.2 „Planification Economique“
2.2.1 Zentralismus und Planification
2.2.2 Dezentralisierungspolitik
2.3 Die französische Wirtschaftsstruktur
2.3.1 Sektorale Struktur
2.3.2 Räumliche Struktur

3. Île-de-France – Insel in der französischen Wüste
3.1 Räumliche Abgrenzung und historische Entwicklung
3.2 Heutige sozioökonomische Struktur
3.2.1 Nationale Bedeutung der Île-de-France
3.2.2 Unternehmensstruktur
3.2.3 Beschäftigtenstruktur
3.3 Theoretische Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung

4. Sophia Antipolis – die Technopole
4.1 Räumliche Abgrenzung und Entstehungsgeschichte
4.1.1 Das Konzept der „Technopole“
4.1.2 Entstehung
4.2 Heutige Wirtschaftsstruktur
4.2.1 Unternehmensstruktur
4.2.2 Beschäftigtenstruktur
4.3 Regionalwirtschaftliche Bedeutung
4.4 Theoretische Überlegungen zur zukünftigen Entwicklung

5. Vergleich der Regionen
5.1 Struktur und sozioökonomische Lage
5.2 Identifizierung relevanter Wachstumsfaktoren

6. Fazit

7. Literatur

1. Einleitung

Im Rahmen des Seminars über den europäischen Wirtschaftsraum beschäftigt sich die vorliegende Hausarbeit mit der Entwicklung, Struktur, Zukunft und nationaler Bedeutung zweier bedeutender wirtschaftlicher Aktivräume in Frankreich. Auf der einen Seite wird die Region Île-de-France als historisches Zentrum Frankreichs betrachtet, auf der anderen Seite steht die Untersuchung der ältesten geplanten Technopôle des Landes Sophia Antipolis.

Der erste Teil der Arbeit wird sich mit der französischen Raumordnungs- und Wirtschaftspolitik und ihrem Einfluss auf die heutigen Strukturen befassen. Dabei spielt die Frage nach der Bedeutung des Zentralismus eine wichtige Rolle. Die folgenden Kapitel beleuchten die Entwicklungsgeschichte und heutige Situation der zwei Standorte. Dabei interessieren vor allem die Fragen nach Unterschieden in der Entwicklung und sozioökonomischen Strukturen der Standorte sowie eine (theoretische) Einschätzung ihrer Zukunftsaussichten. Abschließend werden die in den vorhergehenden Kapiteln erarbeiteten Ergebnisse im Vergleich dargestellt.

2. Wirtschaft und Raumordnung in Frankreich

2.1 Die französische Raumordnung

Die französische Raumordnung zeichnet sich durch eine starke Zersplitterung und hierarchische Gliederung aus. Es existieren Gebietkörperschaften auf 3 Ebenen: Das Land ist in 21 Regionen (ohne Überseegebiete) unterteilt, denen sich 96 Departements zuordnen, die wiederum in 36.553 Gemeinden unterteilt sind (vgl. Kistenmacher, Marcou & Clev 1994, S.53). Nach dem Zweiten Weltkrieg ergab sich eine Situation starker inländischer Disparitäten, die vor allem durch das Wirtschaftsgefälle zwischen Paris als Wirtschaftszentrum, dem durch seine industrielle Entwicklung städtisch geprägten wohlhabenden Nordosten und dem zurückgebliebenen, ländlich geprägten Südwesten des Landes ausdrückte. In Angesicht dieses starken Entwicklungsgefälles betreibt der Staat seit Mitte der 1960er Jahre eine aktive Raumordnungspolitik, die einen Ausgleich, bzw. eine Annäherung der Bevölkerungsverteilung und Wirtschaftstätigkeit zum Ziel hat.

2.2 „Planification Economique“

2.2.1 Zentralismus und Planification

Brücher bezeichnet den Zentralismus als „staatsorganisatorisches Leitprinzip“, das grundsätzlich definiert ist in bezug auf das politisch-administrative System Frankreichs, in dem bis 1982 eine starke hierarchische Stufung mit einer „fast totalen Abhängigkeit von Paris“ bestand (ebd. 1987, S.668). Zu charakteristischen Merkmalen des Zentralismus gehört eine

Überdimensionierung der Hauptstadt durch das politische System, die sich auch auf die nicht-staatlichen Bereiche wie Wirtschaft, Transport, Kultur, Bevölkerungsbewegungen usw. auswirkt.

Der politische Zentralismus äußert sich dabei auf nationalökonomischer Ebene durch eine dirigistische Wirtschaftsplanung, die „planification économique“ (vgl. Haensch & Tuemmers 1998, S.355). Sie wurde 1946 mit der Schaffung des Commissariat général au Plan eingeführt und wurde zum wichtigsten Instrument der Wirtschaftspolitik Frankreichs. In der Literatur wird sie auch oft als der „dritte Weg“ zwischen sozialistischer Wirtschaftsplanung und Wirtschaftsliberalismus bezeichnet. Im Gegensatz zur rein sozialistischen Wirtschaftsplanung hat die Planification jedoch lediglich indikativen Charakter und gilt als Orientierungsrahmen für private Investitionen. Für verstaatlichte Betriebe und den Staat sind die Vorgaben hingegen bindend. Wichtigstes Instrument der Planification sind die sogenannten Fünfjahrespläne, in denen die nationalen Entwicklungsziele alle fünf Jahre definiert werden. Kritisiert wird in diesem Zusammenhang häufig die Inkonsistenz der Planinhalte, aufgrund der die Effektivität der Planification von verschiedenen Autoren angezweifelt wird. Die Blütezeit der Planification lag in den 60er Jahren, in denen die nationale Ökonomie Frankreich ein überdurchschnittliches Wachstum zu verzeichnen hatte (vgl. Haensch & Tuemmers 1998, S.381). Sie wurde dann zunächst abgebaut und erst unter der sozialistischen Regierung Mitterands wiederbelebt. Die heutige Regierung unter Chirac versteht die Planification als „Beratungs- und Konzertierungsinstanz“ (Uterwedde 1999, S. 209).

2.2.2 Dezentralisierungspolitik

Die Dezentralisierungspolitik in Frankreich findet auf zwei Ebenen statt: zum einen auf der Verwaltungsebene und zum anderen im Rahmen einer industriellen Dezentralisierung. Die raumordnerische Dezentralisierung wurde 1964 mit der Schaffung der DATAR (Délégué à l’aménagement du territoire) eingeleitet, die zur Aufgabe hat, die raumordnungsrelevanten Maßnahmen des Staates zu koordinieren und ihnen neue Impulse zu verleihen (vgl. Kistenmacher, Marcou & Clev 1994, S. 67f.). Die DATAR behebt das „Kommunikationsdefizit zwischen Bauministerium und Plankommissariat“ (Tharun 1987, S. 701), indem sie die sektorale Planification mit Raumordnungspolitik verbindet. Seit 1997 untersteht die DATAR direkt dem Ministerium für Raumordnung. Sie fungiert jedoch nur als planende und beratende Behörde und besitzt keine eigene Autorität zur Durchführung ihrer Vorstelllungen. Der Staat bleibt damit weiterhin die oberste Instanz aller Entscheidungen der Wirtschaftsplanung (vgl. Ministère des Affaires étrangères, 2001). Der erste konkrete Angriff auf den französischen Zentralismus im Zusammenhang mit Raumordnungsfragen erfolgte 1982 durch die Neuschaffung der Regionen und eine partielle Abgabe zentraler Befugnisse an die Departements. Im Rahmen der industriellen Dezentralisierung förderte der Staat die Schaffung von Spitzenindustrien und -dienstleistungen in verschiedenen Städten und neu gegründeten Technopôles[1], mit dem Ziel, die dominante Stellung Paris abzubauen (vgl. Ministère des Affaires étrangères 1999, S.206).

2.3 Die französische Wirtschaftsstruktur

2.3.1 Sektorale Struktur

Frankreich ist die viertgrößte Wirtschaftsmacht weltweit und die zweitgrößte in Europa. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) betrug im Jahre 1999 1.261 Milliarden US-Dollar (vgl. Ministère des Affaires étrangères 2001). Dabei wurden 72% im Tertiären Sektor, 25% im Sekundären und 3% im Primären Sektor erwirtschaftet (INSEE 2001).

Frankreich ist das größte Agrarland der Europäischen Union und die spät einsetzende Indu-

strialisierung konzentrierte sich zunächst auf die Realisierung prestigereicher Großprojekte und die Förderung strategisch wichtiger Industrien. Das hohe Entwicklungsniveau zum Beispiel der Luft- und Raumfahrt- sowie der Energietechnologie ist auf diese Politik zurückzuführen. Führende Branchen der französischen Industrie sind heute nach absoluten Maßstäben die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, die Automobilindustrie, die chemische Industrie sowie die Elektroindustrie (vgl. Haensch & Tuemmers 1998, S.365). Neuinvestitionen in Form von inländischem Kapital und ausländischen Direktinvestitionen (ADI)[2] werden vor allem in der Computerbranche, der Pharmaindustrie, im Werkzeugmaschinenbau und der Präzisionsindustrie vorgenommen (vgl. Ministère des Affaires étrangères 2001).

In der Dienstleistungsbrache nehmen das Finanz- und Versicherungswesen, sowie weitere unternehmensbezogene Dienstleistungen[3] und der Informations- und Kommunikationstechnologie-Sektor (IuK) eine wichtige Stellung ein. Einen wesentlichen wirtschaftlichen Beitrag leistet außerdem die Tourismusbranche: Mit 67 Mio. Touristen pro Jahr ist Frankreich das meistbesuchte Land der Erde (vgl. Ministère des Affaires étrangères 1999, S.197). Ein großer Arbeitgeber ist der öffentliche Sektor, der fast ein Drittel aller im Tertiären Sektor tätigen Arbeitskräfte beschäftigt.

2.3.2 Räumliche Struktur

Die regionale Verteilung der wirtschaftlichen Aktivregionen ist trotz aller Bemühungen der industriellen Dezentralisierung relativ disparitär: In der Literatur finden sich häufig Hinweise auf das „zweigeteilte Frankreich“, in dem der östliche Teil einer imaginären Linie von der Seine- zur Rhonemündung als industrialisiert und der westlich Teil dieser Linie als ländlich geprägt gelten. Seit der Dezentralisierung und der Schaffung der heute mehr als 30 Technopôles hat sich diese Verteilung in ihrer Schärfe zwar reduziert, ist aber immer noch existent. Die rohstofforientierte Industrie ist traditionell im Norden und Nordosten Frankreichs in Lothringen, dem Becken von Saint-Étienne oder im Oberelsass, sowie am Ostrand des Zentralmassivs angesiedelt. Auch die Hauptstadt selbst nimmt eine überragende Position ein, obwohl sie über keinerlei Rohstoffe verfügt. Die räumliche Konzentration der Industrie in Paris geht jedoch zunehmend in das Pariser Becken über, in dessen Städten in den letzten Jahre zahlreichen Neugründungen von Industriebetrieben stattfanden (vgl. Dézert 1990, S.114). Die Autoindustrie zum Beispiel, die seit ihrer Entstehung auf den Raum Paris konzentriert war[4], verlagert sich heute eher in den Norden des Landes, während hingegen die Betriebe der Elektroindustrie und der Hightech-Branche eher in den Süden abwandern. Dieses Phänomen wird auch als „sunbelt shift“ bezeichnet und hat eine Verlagerung der zukunftsträchtigen Industrien und qualifizierten Arbeitskräfte in die landschaftlich und klimatisch attraktiven Gebieten des Landes zur Folge. Haensch und Tuemmers (ebd. 1998, S.379) sprechen in diesem Zusammenhang auch von der Entstehung eines “Schmuckkästchens“ (l’écrin de cadres) von Führungskräften, das sich heute entlang der neuen Hightech-Zentren von Paris-Sud, Rennes, Nantes, Bordeaux, Toulouse, Montpellier, Avignon, Marseille, Grenoble, Lyon und Annecy im südlichen Frankreich bildet. Trotz dieser Entwicklung konzentrieren sich die Abteilungen der nationalen Verwaltung und Forschung und Entwicklung (FuE) bislang weiterhin auf die Region um Paris.

[...]


[1] Der französische Begriff „Technopôle“ ist ins Deutsche zu übersetzen mit „Technologiepark“.

[2] In den Jahren 1992 bis 1996 flossen ADI in Höhe von 23.262 ECU nach Frankreich. Damit steht Frankreich in Europa mit 17,9% aller ADI an zweiter Stelle nach Großbritannien (vgl. Europäische Kommission 1999, S.220).

[3] Zu den unternehmensbezogenen Dienstleistungen zählen Banken und Versicherungen, Wirtschaftspüfer und Unternehmens-, Steuer- und Rechtsberater sowie Marketingdienstleister, Werbeagenturen und EDV-Dienstleister.

[4] In den 60er Jahren wurden von drei in Frankreich produzierten Autos zwei in Paris hergestellt.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Gewachsene und geplante Strukturen in Frankreich
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Institut für Wirtschaftsgeografie)
Veranstaltung
Europäischer Wirtschaftsraum
Note
gut
Jahr
2001
Seiten
22
Katalognummer
V14304
ISBN (eBook)
9783638197465
Dateigröße
628 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Gewachsene, Strukturen, Frankreich, Europäischer, Wirtschaftsraum
Arbeit zitieren
Anonym, 2001, Gewachsene und geplante Strukturen in Frankreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14304

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