Zum Zusammenhang zwischen Personalstand, Mehrarbeit und krankheits- und unfallbedingten Ausfallzeiten

Ergebnisse einer zeitreihenanalytischen Untersuchung in einem Betrieb der Automobilindustrie


Diplomarbeit, 2009

96 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1. Einführung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Belastungs-Beanspruchungs-Konzept
2.2. Arbeitszeit
2.2.1. Risiken langer Arbeitszeiten
2.2.2. Überstundenarbeit
2.3. Zur Wahl der Methode

3. Fragestellung

4. Methode
4.1. Zeitreihenanalye
4.1.1. Univariate Zeitreihenanalyse
4.1.2. Bivariate Zeitreihenanalyse
4.1.3. Univariate Spektralanalyse
4.1.4. Bivariate Spektralanalyse
4.1.5. Bereinigung von Zeitreihen

5. Datenbasis
5.1. Stichprobe
5.2. Krankenstand
5.3. Freischichten
5.4. Unfallbedingter Krankenstand
5.5. Personalstand

6. Ergebnisse der univariaten Zeitreihenanalyse
6.1. Bereinigung der Zeitreihen
6.1.1. Krankenstand
6.1.2. Unfallbedingter Krankenstand
6.1.3. Freischichten
6.1.4. Personalstand
6.1.5. Zusammenfassung der Zeitreihenbereinigung

7. Ergebnisse der bivariaten Zeitreihenanalyse
7.1. Freischichten und Personalstand
7.1.1. Ergebnisse der Kreuzkorrelationen
7.1.2. Ergebnisse der bivariaten Spektralanalyse
7.2. Krankenstand und Personalstand
7.2.1. Ergebnisse der Kreuzkorrelationen
7.2.2. Ergebnisse der bivariaten Spektralanalyse
7.3. Krankenstand und Freischichtstand
7.3.1. Ergebnisse der Kreuzkorrelationen
7.3.2. Ergebnisse der bivariaten Spektralanalyse
7.4. Unfallbedingter Krankenstand und Personalstand
7.5. Unfallbedingter Krankenstand und Freischichten
7.6. Unfallbereinigter und unfallbedingter Krankenstand
7.7. Zusammenfassung der bivariaten Analysen

8. Diskussion
8.1. Diskussion der Fragestellungen

9. Ausblick

10. Zusammenfassung

Literaturverzeichnis

A. Anhang
A.1. Periodogramme der Zeitreihen UKS und PS
A.2. Verlauf und ACF der Zeitreihe FSdiff
A.3. Bereinigungsmodell und CCFs der Zeitreihe KS-UKS

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

2.1. Belastungs-Beanspruchungs-Modell

4.1. Autokorrelation

4.2. Verschiebung um eine Zeiteinheit nach rechts

4.3. Verschiebung um eine Zeiteinheit nach links

4.4. Abbildung einer Rechteckfunktion durch Sinusfunktionen

4.5. Periodogramm und ACF der Zeitreihe KS

4.6. Zwei Sinusfunktionen und ihre Kohärenz

4.8. Gaindiagramm der Zeitreihen FS und KS

6.1. Bereingungsmodell und ACF der Zeitreihe KS

6.2. Verlauf und ACF der Zeitreihe KS, Residuen

6.3. Verlauf und ACF der Zeitreihe UKS

6.4. Bereinigungsmodell und ACF der Zeitreihe FS

6.5. Verlauf und ACF der Zeitreihe FS, Residuen

6.6. Bereinigungsmodell und ACF der Zeitreihe PS

6.7. Verlauf und ACF der Zeitreihe PS, Residuen

7.1. Verläufe der bereinigten Zeitreihen FS und PS

7.2. CCF der Zeitreihen FS und PS

7.3. Feedback-Beziehung der Zeitreihen FS und PS

7.4. Ergebnisse der Spektralanalyse der Zeitreihen FS und PS

7.5. CCF der Zeitreihen PS und KS

7.6. Zusammenhänge der Zeitreihen KS, FS und PS

7.7. Ergebnisse der Spektralanalyse der Zeitreihen KS und PS

7.8. CCF der Zeitreihen FS und KS

7.9. CCF der Zeitreihen FSdiff und KS

7.10. Ergebnisse der Spektralanalyse der Zeitreihen KS und FS

7.11. CCF der Zeitreihen PS und UKS

7.12. Beziehungen der Zeitreihen UKS, FS und PS

7.13. CCF der Zeitreihen FS und UKS

7.14. CCF der Zeitreihen UKS und FSdiff

7.15. CCF der Zeitreihen UKS und KS-UKS

A.1. Periodogramm der Zeitreihe UKS

A.2. Periodogramm der Zeitreihe PS

A.3. Sequenzdiagramm der Zeitreihe FSdiff

A.4. Autokorrelation der Zeitreihe FSdiff

A.5. Verlauf und Bereinigungsmodell der Zeitreihe KS-UKS

A.6. CCF Zeitreihen KS-UKS und FS

A.7. CCF der Zeitreihen KS-UKS und PS

Tabellenverzeichnis

6.1. Alle in den untersuchten Zeitreihen ermittelten kontaminierenden Komponenten

7.1. Alle signifikanten Kreuzkorrelationen

A.1. Korrelationskoeffizienten der Kreuzkorrelationen

KAPITEL 1 Einführung

Unternehmen stehen aufgrund wachsender und sich ständig ändernder Markt- und Produktionsanforderungen vor immer größeren Herausforderungen. Eine Voraussetzung, um diesen Anforderungen gerecht zu werden und dauerhaft am Markt bestehen zu können, ist die Fähigkeit eines Unternehmens, schnell und flexibel auf Nachfrage- und Produktionsspitzen reagieren zu können. Um ein hohes Maß an Reagibilität zu erreichen, sollen die Arbeitszeiten der Mitarbeiter möglichst flexibel gestaltet werden. Flexible Arbeitszeitsysteme ermöglichen es, die Arbeitszeitvolumen der Mitarbeiter fortlaufend den sich ändernden Anforderungen anzupassen. Eine von vielen Möglichkeiten, Arbeitszeiten fle- xibel zu gestalten, ist die Einführung sogenannter Arbeitszeitkontenmodelle. Solche Modelle ermöglichen in der Regel transitorische Überstundenarbeit, die es den Unternehmen wiederum gestattet, das Arbeitszeitvolumen der Mitar- beiter je nach Bedarf - welcher angeblich nicht planbar ist - entweder nach oben oder nach unten anzupassen. In Zeiten des konjunkturellen Aufschwungs können die Arbeitszeiten der Mitarbeiter mittels transitorischer Überstunden ausgedehnt werden, in Zeiten von Minderproduktion und konjunkturellen Einbrüchen kann geleistete Mehrarbeit hingegen ausgeglichen werden. Von Arbeitgeberseite wird immer wieder hervorgehoben, dass Flexibilisierungsmaß- nahmen bezüglich der Arbeitszeit Arbeitsplätze sichern, die Wettbewerbsfähig- keit erhöhen und außerdem den Arbeitnehmern eine höhere Zeitsouveränität ermöglichen. In der Vergangenheit hat sich allerdings gezeigt, dass Arbeitszeit- kontensysteme nicht nur Vorteile für die Arbeitnehmer mit sich bringen, son- dern auch zu erheblichen Problemen führen können. In Unternehmen, in denen keine Höchstgrenze für Zeitguthaben festgelegt wird, kann es zu erheblichen Anhäufungen von Überstunden kommen, sodass ein Überstundenausgleich innerhalb eines angemessenen Zeitraums oft nicht mehr möglich ist. Überstun- dennutzung unter dem Zeitverschiebungsaspekt kann entsprechend dazu führen, dass die Arbeitszeit unter dem Dach der Überstundenarbeit ausgedehnt wird. Dies ist der Fall, wenn das betriebliche Arbeitsvolumen dauerhaft nur unter Einbezug von Überstunden erreicht wird, Überstunden also die Regel sind und nicht die Ausnahme. In solchen Fällen verlieren Überstunden allerdings ihren Flexibilisierungscharakter. Infolge von Überstundenarbeit kommt es so in vielen deutschen Unternehmen zu einer permanenten Erhöhung der vertrag- lich vereinbarten Wochenarbeitszeit, wobei als gesichert gelten kann, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen (Rücken-, Magen-, Herzbeschwerden, all- gemeine Ermüdung etc.) mit Zunahme der wöchentlichen Arbeitszeit ebenfalls zunehmen (Nachreiner, Rädiker, Janßen & Schomann, 2005). Des Weiteren er- höht sich bei längeren Arbeitszeiten das Unfallrisiko (Akkermann & Nachreiner, 2001). Der Zusammenhang zwischen langen Arbeitszeiten, gesundheitlichen Beeinträchtigungen und Unfallrisiko wird im Allgemeinen dadurch erklärt, dass mit der Ausdehnung der Arbeitszeit (Expositionsdauer) die Belastung und Beanspruchung zunimmt und es aufgrund dessen zu negativen kurz- und längerfristigen Beanspruchungsfolgen kommt. Zur Analyse von Zusammenhängen zwischen Arbeitszeit und gesundheitlichen Beeinträchtigungen wurden oft Daten aus Befragungen zur Arbeitszeit und zum subjektiven Wohlbefinden herangezogen. In der vorliegenden Untersu- chung werden die Berechnungen mit sogenannten harten Fakten bzw. mit nicht- reaktiven Betriebsdaten eines deutschen Automobilherstellers durchgeführt. Im Folgenden wird mit zeitreihenanalytischen Methoden geprüft, ob es mit passiv erfassten Betriebsdaten möglich ist, einen direkten und/oder zeitversetzten Zusammenhang zwischen Arbeitszeitausdehnung (mittels transitorischer Über- stunden) und krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten aufzuzeigen. Auch wenn die betrieblichen Fehlzeiten1 in den letzten Jahrzehnten stetig zurückge- gangen sind, sind die Folgekosten nicht zu unterschätzen. Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin ergaben, dass Fehlzeiten im Jahr 2006 einen Produktionsausfall von 36 Mrd. Euro verursachten (BKK Gesundheitsreport, 2009).

Existiert tatsächlich ein Zusammenhang zwischen der Akkumulation von transitorischen Überstunden und krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten, sollten Unternehmen mit Arbeitszeitkontenmodellen in ihren Kosten-Nutzen- Rechnungen nicht nur die vermeintlichen Vorteile berücksichtigen, die mit flexiblen Arbeitszeitsystemen einhergehen, sondern auch die Folgekosten, die durch eine Zunahme der krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten verursacht werden. Folglich müssten sich Unternehmen die Frage stellen, ob Arbeitszeit- systeme, die hohe Überstundenvolumen zulassen, tatsächlich ökonomischen Kriterien entsprechen bzw. Humankriterien gerecht werden.

Ferner soll in der vorliegenden Analyse untersucht werden, ob die Ergebnisse zeitreihenanalytischer Berechnungen nutzbar gemacht werden können, um die betriebliche Arbeitszeitgestaltung und Personalplanung zu optimieren. Da sich in der Vergangenheit zeitreihenanalytische Methoden als vielversprechende Instrumente erwiesen haben, arbeitswissenschaftliche Fragestellungen zu be- antworten, sollen abschließend die in dieser Arbeit angewandten Methoden auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden, vom Unternehmen erfasste Daten auszuwerten.

KAPITEL 2 Theoretischer Hintergrund

2.1. Belastungs-Beanspruchungs-Konzept

Das Belastungs-Beanspruchungs-Modell (BBM) wird in dieser Arbeit zur Erklä- rung krankheits- und unfallbedingter Fehlzeiten herangezogen. In den verschie- denen arbeitswissenschaftlichen Disziplinen ist das BBM ein leitender theoreti- scher Entwurf, um Arbeitsbedingungen insbesondere in ihren negativen physi- schen und psychischen Auswirkungen auf den Menschen zu untersuchen (vgl. Frieling & Sonntag, 1999). Eine umfassende Einführung in das BBM findet sich bei Schmidkte (1993) und Ulich (2005). Um einen einheitlichen Sprachgebrauch unter Wissenschaftlern und im Bereich Ergonomie zu gewährleisten, werden die Begriffe Belastung und Beanspruchung in der internationalen Norm DIN EN ISO-10075-1 verbindlich definiert. In der internationalen Norm wird die psy- chische Belastung als die Gesamtheit aller erfassbaren Einflüsse definiert, was die Arbeitszeit selbstverständlich mit einbezieht, die von außen auf den Men- schen zukommen und psychisch auf ihn einwirken. Die Beanspruchung ist die unmittelbare (nicht die langfristige) Folge der Belastung, wobei die Beanspru- chung von den jeweiligen Voraussetzungen und Bewältigungsstrategien des Individuums abhängt und die Beanspruchungsfolgen negativ oder positiv sein können. Im Idealfall kommt es infolge von (Arbeits-) Belastung kurzfristig zu positiven Beanspruchungsfolgen wie z. B. Aufwärmeffekten oder Aktivierung. Längerfristig kann eine optimierte Belastung bzw. eine ergonomische Arbeits- und Arbeitszeitgestaltung zu Lerneffekten führen und den Erwerb neuer Kom- petenzen fördern. Belastung kann daher positive Effekte auf den Arbeitenden haben. Kurzfristige negative Beanspruchungsfolgen sind z. B. Ermüdung, Sät- tigung und herabgesetzte Wachsamkeit (vgl. DIN EN ISO-10075-1). Langfristig kann eine Fehlbeanspruchung gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen. Schmidkte (1993) definiert die Belastung B als eine Funktion der Belas- tungsdauer D und der Belastungsintensität I (B=f(ID)) und die Beanspruchung als eine physiologische Reaktion auf die einwirkende Belastung. Die Belastung ergibt sich dementsprechend aus der Belastungsdauer und der Belastungsin- tensität. Diese Belastungsfunktion verdeutlicht, dass sich die Arbeitsbelastung zum einen durch eine Modifikation der Arbeitsintensität und zum anderen durch eine Regulierung der Arbeitszeit optimieren lässt, wobei die Arbeitszeit die Überstundenarbeitszeit mit einschließt. Auf diesem Hintergrund wird die Arbeitszeitgestaltung oft als die zweite Dimension der Arbeitsgestaltung an- gesehen, weil nicht die Intensität der Arbeit, sondern die zeitliche Erstreckung der Arbeit gestaltet wird. Ziel der Arbeitszeitgestaltung ist es, durch die Begren- zung der Belastungsdauer bei gegebener Belastungsschwere einen Schutz vor Fehlbeanspruchungen zu erreichen (Rutenfranz, Knauth & Nachreiner, 1993). Berücksichtigt man nun die Zielsetzung der Arbeitszeitgestaltung und die Annahme, dass Belastung zu Beanspruchung führt, die wiederum dysfunktionale bzw. negative Beanspruchungsfolgen nach sich ziehen kann, wird nachvollzieh- bar, warum das BBM ein geeignetes Erklärungsmodell ist, um den Zusammen- hang zwischen Überstunden bzw. langen Arbeitszeiten und krankheits- und un- fallbedingten Fehlzeiten zu erklären. Langfristige und kurzfristige dysfunktio- nale Beanspruchungsfolgen werden im Folgenden als krankheits- und unfallbe- dingte Fehlzeiten operationalisiert. Aus dem BBM für Nacht- und Schichtarbeit (vgl. Rutenfranz et al., 1993) wurde zur Klärung der vorliegenden Fragestellung das Modell in Abbildung 2.1 abgeleitet. Das Modell veranschaulicht den kau- salen Zusammenhang zwischen Überstundenarbeit, also der Belastung, und krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten. Ferner berücksichtigt das Modell die Variable Personalstand, die in dieser Arbeit wichtig ist und voraussichtlich direkt und indirekt - über die Steuerung der Mehrarbeit bzw. der Belastung - die betrieblichen Fehlzeiten beeinflusst. Kommt es nun in einem Betrieb infolge hoher Auslastung und unzureichender Personalausstattung zu kontinuierlicher Überstundenarbeit, steigt die tägliche, wöchentliche und monatliche Arbeits- zeit bzw. Belastungsdauer. Weil längere Arbeitszeiten die Folge von Überstun- denarbeit sind, ist bei anhaltender Überstundenarbeit entsprechend mit den negativen Beanspruchungsfolgen zu rechnen, die mit langen Arbeitszeiten as- soziiert werden und aus der Arbeitszeitforschung bekannt sind, sowie mit einer Zunahme der krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Belastungs-Beanspruchungs-Modell zur Erklärung von krankheitsund unfallbedingten Fehlzeiten

2.2. Arbeitszeit

Bei der Gestaltung menschengerechter Arbeit ist die Arbeitszeit ein zentrales Gestaltungselement. Im 19. Jahrhundert wurde mit dem Preußischen Regulativ, welches die Arbeitszeit für Kinder und Jugendliche gesetzlich beschränkte, der Gesundheitsschutz eingeleitet. Heute gibt es verschiedene Richtlinien zur Ar- beitszeitregelung, u. a. das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das die Arbeitszeit regeln soll. Die wesentlichen Gestaltungselemente der Arbeitszeit sind Dauer, Lage, Dynamik, Vorhersehbarkeit, Dispositionsspielraum und Variabilität (vgl. Rutenfranz et al., 1993; Janßen & Nachreiner, 2004). In dieser Arbeit wird lediglich die Aus- wirkung der Arbeitsdauer auf die krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten untersucht. Denkbar ist aber, dass sich hohe Variabilitäten, geringe Dispo- sitionsspielräume und eine unzuverlässige Vorhersehbarkeit der Arbeitszeit ebenfalls negativ auf die betrieblichen Fehlzeiten auswirken. Bei der Gestaltung von Arbeit sowie bei der Gestaltung von Arbeitszeit sollten die von Hacker definierten und hierarchisch strukturierten Humankriterien der Ausführbarkeit, Schädigungslosigkeit, Beeinträchtigungsfreiheit und der Persönlichkeitsförderlichkeit (vgl. Hacker, 1998) berücksichtigt werden. Die zeitliche Erstreckung der Arbeit sollte daher immer so gestaltet sein, dass Menschen ihrer Arbeit nachgehen können, ohne gesundheitliche und soziale Beeinträchtigungen zu erleiden. Sind diese Grundvoraussetzungen erfüllt, sollte die Arbeitszeit darüber hinaus so gestaltet werden, dass sie den Arbeitenden dabei unterstützt, sich während der Ausübung seiner Arbeit persönlich weiterzuentwickeln.

In den letzten Jahren ist jedoch eine Tendenz zu beobachten, die Arbeitszeit zu flexibilisieren und über die Normalarbeitszeit1 hinaus auszudehnen (z. B. mittels KAPOVAZ2 oder Überstunden), um die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen (Beermann, 2004). Die gesundheitlichen Risiken, die langfristig mit einer extensiven Flexibilisierung oder Ausdehnung der Ar- beitszeit einhergehen, werden in der Regel nur ungenügend berücksichtigt. Das liegt u.a. auch daran, dass die gesetzlichen Rahmenbedingungen einen erheblichen Spielraum zulassen, die Arbeitszeit auszudehnen bzw. zu flexi- bilisieren. So darf laut ArbZG z. B. die wöchentliche Arbeitszeit unter der Voraussetzung, dass innerhalb von 24 Wochen eine durchschnittliche tägliche Arbeitszeit von acht Stunden nicht überschritten wird, auf 60 Stunden ausge- dehnt werden (vgl. §3 des ArbZG). Solche gesetzlichen Regelungen sind aus arbeitswissenschaftlicher Perspektive kritisch zu bewerten, weil sie nicht selten zu einer Massierung von Arbeitszeit führen. Eine Massierung von Arbeitszeit sollte weitestgehend vermieden werden, weil sie eine erhöhte Belastung für die Beschäftigten darstellt, deren Folge eine Zunahme der körperlichen und psychischen Gesundheitsrisiken sowie eine Erhöhung des Unfallrisikos sein kann (vgl. Janßen & Nachreiner, 2004). Darüber hinaus macht eine Massierung von Arbeitszeit einen erhöhten Zeitbedarf zur Kompensation der Beanspru- chungsfolgen notwendig (Nachreiner, Mesenholl & Mehl, 1993). Ein weiteres Problem stellen die MAK-Werte in diesem Zusammenhang3 dar, weil sie in der Regel nur für einen Achtstundentag ausgelegt sind. Somit ist davon auszuge- hen, dass bei einer Ausdehnung der Arbeitszeit über mehr als acht Stunden die maximal zulässige Menge toxischer Stoffe überschritten wird und aufgrund dessen die gesetzlich vorgeschriebene Gefährdungsfreiheit (vgl. ArbSchG §5) nicht mehr garantiert werden kann. Für Unternehmen stehen meistens die betrieblichen Belange wie Flexibilität, Kostenreduktion und Effizienzsteigerung im Vordergrund, obwohl aus arbeitswissenschaftlichen Untersuchungen hin- länglich bekannt ist, dass sowohl eine Ausdehnung (Rüters, 2008) als auch eine Flexibilisierung (Wirtz, 2007) der Arbeitszeit zu gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen führt und außerdem das Unfallrisiko erhöht (Akkermann & Nachreiner, 2001). Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass eine Ausdehnung der Arbeitszeit nicht zu der gewünschten Effizienzsteigerung führt, sondern zu einer ineffizienteren Arbeitsleistung (vgl. Beermann, 2004). Es sollte daher kritisch hinterfragt werden, ob die von Hacker definierten Humankriterien der Ausführbarkeit, Schädigungslosigkeit, Beeinträchtigungsfreiheit und der Per- sönlichkeitsförderlichkeit bei einer Ausdehnung und/oder Flexibilisierung von Arbeitszeiten noch erfüllt werden können und ob eine Ausdehnung der Ar- beitszeit (z. B. mittels Überstunden) wirklich zu einer Produktivitätssteigerung führt. Im folgenden Absatz werden die Risiken langer Arbeitszeiten dargelegt.

2.2.1. Risiken langer Arbeitszeiten

Es ist hinreichend belegt, dass ein Zusammenhang zwischen langen Arbeitszei-

ten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen existiert (Spurgeon, Harrington & Cooper, 1997), wenn auch die Datenlage diesbezüglich immer noch recht lückenhaft ist, weil es an spezifischer Forschung fehlt (vgl. Rädiker, 2005) und konfundierende Variablen in vielen empirischen Untersuchungen ein Problem darstellen (Beermann, 2004). Es gibt unterschiedliche Formen langer Arbeitszei- ten: Lange Arbeitszeiten können u. a. durch Überstunden, flexible Arbeitszeit- systeme oder lange Schichten verursacht werden. Wie bereits dargelegt, werden in dieser Arbeit ausschließlich lange Arbeitszeiten untersucht, die die Folge von regelmäßiger Überstundenarbeit sind.

Lange Arbeitszeiten werden in der Regel mit Schlafstörungen, kardiovaskulä- ren, gastrointestinalen und psychischen Problemen sowie Leistungsbeeinträch- tigungen und Unfällen assoziiert (Beermann, 2004; Dembe, Erickson, Delbos & Banks, 2005). Rädiker, Janßen, Schomann & Nachreiner (2006) konnten signifi- kante Zusammenhänge zwischen der Wochenarbeitszeit, insbesondere wenn sie 39 Stunden pro Woche übersteigt, und muskuloskelettalen, psychovegeta- tiven sowie allgemeinen Erkrankungen aufzeigen. Darüber hinaus zeigen die Ergebnisse der von Rädiker et al. (2006) durchgeführten sekundäranalytischen Untersuchung, dass die gesundheitlichen Beschwerden zunehmen, je häufiger innerhalb eines Monats mehr als zehn Stunden (>10 Std.) täglich gearbeitet wird. Daraus kann geschlossen werden, dass sowohl lange tägliche als auch lange wöchentliche Arbeitszeiten einen Risikofaktor für die betroffenen Mit- arbeiter darstellen. Ein weiterer wichtiger Aspekt, der berücksichtigt werden sollte, ist die Akkumulation von Arbeitszeiten. Die Befunde der Untersuchung Extended Working Hours and Health (Rädiker et al., 2006) deuten ebenfalls darauf hin, dass lange Arbeitszeiten nur für einen begrenzten Zeitraum schädigungslos bewältigt werden können und dass eine Akkumulation von Arbeitszeit über einen längeren Zeitraum zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt. Ein weiteres Problem sind die durch lange Arbeitszeiten verursachten kürzeren Regenerationszeiten. Die von Hulst, Veldhoven & Beckers (2006) durchgeführte Untersuchung Overtime and Need for Recovery in Relation of Job Demands and Job Control deutet darauf hin, dass hohe Arbeitsanforderungen, wenig Kontrolle und lange Arbeitszeiten einen kumulativen Effekt auf die benötigen Regenerati- onszeiten haben. Das bedeutet, dass Personen, die an ihrem Arbeitsplatz diesen drei Faktoren ausgesetzt sind, besonders lange Ruhezeiten benötigen, um sich vollständig von ihrer Arbeitsbeanspruchung zu regenerieren. Bei der hier un- tersuchten Stichprobe handelt es sich um Montagearbeiter, die an getakteten Fließbändern arbeiten. Somit haben sie wenig Kontrolle über ihre ausgeübte Tätigkeit und sind zusätzlich hohen physischen (z. B. permanentes Stehen) und psychischen (z. B. Zeitdruck) Anforderungen ausgesetzt. Möglicherweise füh- ren lange Arbeitszeiten nicht selten dazu, dass sich die betroffenen Mitarbeiter in ihrer zur Verfügung stehenden freien Zeit nicht vollständig erholen können. Daher wirken sich lange Arbeitszeiten in zweierlei Hinsicht negativ aus: Zum einen verkürzen sie die Ruhezeiten und zum anderen machen sie längere Re- generationszeiten notwendig, weil sie eine Akkumulation von Arbeitszeit bzw. Belastung zur Folge haben. Infolgedessen kann es dann zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen kommen. Ergebnisse der Arbeitszeitforschung belegen ferner, dass das Unfallrisiko mit Ausdehnung der Arbeitszeit zunimmt (Akkermann & Nachreiner, 2001). Un- tersuchungen zeigen, dass durch lange Arbeitszeiten circadiane Rhythmen aus dem Gleichgewicht gebracht werden, was in Kombination mit Schlafmangel und Ermüdung zu einer ineffizienteren Arbeitsleistung führt und infolgedessen das Unfallrisiko zunimmt (Harrington, 2001). Des Weiteren fand man heraus, dass das Unfallrisiko jenseits der 8. Stunde exponentiell ansteigt (Akkermann & Nachreiner, 2001; Hänecke, Tiedemann, Nachreiner & Grzech-Sukalo, 1998). Vernon konnte in Untersuchungen in einer Munitionsfabrik zeigen, dass 12- Stunden-Schichten im Vergleich zu 8-Stunden-Schichten eine 1,5 bis 2-fach erhöhte Unfallrate aufweisen (Vernon, 1923 & 1940, zitiert nach Beermann, 2004). Somit stellen Arbeitstage, die sich über mehr als acht Stunden erstrecken, ein erhöhtes Sicherheitsrisiko für die Beschäftigten dar. Dieser Sachverhalt wird dadurch erklärt, dass die Arbeit aufgrund von Ermüdungserscheinungen am Ende einer Schicht ineffektiver ist als zu Beginn einer Schicht, wenn die Mit- arbeiter noch frisch und ausgeruht sind. Neben langen täglichen Arbeitszeiten können auch lange wöchentliche Arbeitszeiten als ein Sicherheitsrisiko gewer- tet werden. Im produzierenden Gewerbe verdoppelt sich das Unfallrisiko bei einer wöchentlichen Arbeitszeit >50 Stunden (Dong, 2005). Untersuchungen von Schmidtke zeigen, dass Ermüdungserscheinungen und Stresssymptome mit der Arbeitsbelastung, die eine Funktion der Arbeitsintensität I und der Arbeitsdauer D ist (vgl. Abs. 2.1), zunehmen (Schmidkte, 1993). Wird nun die Arbeitszeit (z. B. mittels Überstunden) ausgedehnt, steigt die Belastung und die beeinträchtigenden Effekte nehmen zu. Die Folge ist eine Zunahme von Verhaltensfehlern und Unfällen.

2.2.2. Überstundenarbeit

Auch wenn sich in Deutschland der 8-Stunden-Arbeitstag durchgesetzt hat, sind lange Arbeitszeiten und Überstunden noch weit verbreitet (Hänecke et al., 1998). Überstundenarbeit wird von Unternehmen als probates Hilfsmittel angesehen, um Arbeitszeitvolumen je nach Bedarf nach oben anzupassen. In der Regel sollen mit Hilfe von Überstunden Nachfrage- und Produktionsspitzen abgebaut oder aufgefangen werden. Allgemein werden jene geleisteten Arbeitsstunden, die über die vertraglich vereinbarte regelmäßige Arbeitszeit hinausgehen, als Überstunden bezeichnet. Im traditionellen Sinne ist Überstundenarbeit die Möglichkeit, die alltägliche Arbeitszeit je nach Bedarf flexibel zu gestalten bzw. auszudehnen (Bellmann & Gewiese, 2003). Andere Varianten der Überstundennutzung ergeben sich aus dem Zeitverschiebungsaspekt. Es kann zwischen definitiven und transitorischen Überstunden unterschieden werden. Definitive Überstunden beschreiben jene Überstunden, die mit oder ohne Aufschlag entlohnt werden und auch solche, die überhaupt nicht entschädigt werden. Werden Überstunden hingegen in einem Bezugszeitraum zu irgendeiner Zeit durch Freizeit ausgeglichen, wird von transitorischen Überstunden gesprochen (vgl. Bellmann & Gewiese, 2003).

Transitorische Überstunden, die üblicherweise auf sogenannten Arbeitszeit- konten gutgeschrieben werden, ermöglichen es den Unternehmen, mithilfe von Arbeitszeitanpassungen und ohne Personalanpassungsmaßnahmen flexibel und kostengünstig auf Produktions- und Nachfrageschwankungen zu reagieren (Bellmann & Gewiese, 2003). Kostengünstig, weil keine Überstundenzuschläge vom Unternehmen gezahlt werden müssen und weil kein zusätzliches Personal rekrutiert werden muss; wobei vermutlich in den meisten von den Unter- nehmen durchgeführten Kosten-Nutzen-Rechnungen die krankheitsbedingten Folgekosten, die durch bestimmte Überstundenregelungen verursacht werden könnten, unberücksichtigt bleiben. Aus Arbeitnehmersicht sind Überstunden- regelungen unter dem Zeitverschiebungsaspekt nicht unproblematisch, weil sie Unternehmen aufgrund der dargelegten Vorteile dazu verleiten können, Überstunden zu institutionalisieren. Solche Regelungen führen häufig zu einer Ausdehnung der tarifvertraglich vereinbarten Arbeitszeit. In vielen Unterneh- men ist es den Beschäftigten nicht möglich, ihre angesammelten Überstunden auszugleichen, weil die Überstundenkonten entweder zu voll sind oder ange- sammelte Überstunden verfallen, da sie nicht im dafür vorgesehenen Zeitraum ausgeglichen werden konnten.

In dieser Arbeit werden die Auswirkungen einer Überstundenregelung auf die Gesundheit und die Sicherheit der Beschäftigten untersucht, die dazu geführt hat, dass über mehrere Jahre hohe Überstundenvolumen anfielen und dass ein Überstundenausgleich nur eingeschränkt möglich war. Eine über mehrere Jahre anhaltende hohe Produktionsauslastung machte eine Ausdehnung der Betriebs- zeiten im hier untersuchten Unternehmen notwendig. Die Ausdehnung der Betriebszeiten hat die Arbeitgeber- und Arbeitnehmervertreter dazu veranlasst, eine Überstundenregelung zu installieren, in der vereinbart wurde, dass jeder Mitarbeiter infolge der notwendigen Schichtverlängerung täglich eine Überstun- de leistet und darüber hinaus durchschnittlich jeden zweiten Samstag arbeitet. Nur so konnte die Betriebszeitenausdehnung bewerkstelligt werden, ohne eine umfangreiche Rekrutierungsmaßnahme erforderlich zu machen. Außerdem einigten sich die Parteien darauf, dass ein Überstundenausgleich in einem an- gemessenen Zeitraum möglich sein muss, wobei weder ein Ausgleichszeitraum noch eine Höchstgrenze für Zeitguthaben explizit festgeschrieben wurde1.

Da im gesamten Betrachtungszeitraum ein Überstundenausgleich nur bedingt möglich war (vgl. Abs. 6.1.3 auf S. 37), ist es wahrscheinlich, dass die Überstun- denregelung im untersuchten Unternehmen dazu führte, dass (1) die tägliche Arbeitszeit (>8 Std.), (2) die wöchentliche Arbeitszeit (>39 Std., evtl. sogar >50 Std.) dauerhaft über der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 35 Stunden lag, (3) sich Regenerationszeiten verkürzten und (4) die Beschäftigten kontinuierlich einer erhöhten Arbeitsbelastung ausgesetzt waren. Auf dem Hintergrund der in Abschnitt 2.2 dargelegten Befunde zu langen Arbeitszeiten und ihren Risiken ist bei regelmäßiger Überstundenarbeit entspre- chend zu erwarten, dass die gesundheitlichen Beeinträchtigungen der betroffe- nen Mitarbeiter zunehmen sowie die Unfallrate steigt und sich infolgedessen die betrieblichen Fehlzeiten erhöhen. In dieser Arbeit wird ausschließlich der Effekt transitorischer Überstunden untersucht. Der Effekt monetär oder über- haupt nicht entschädigter Überstunden ist nicht Gegenstand der Untersuchung.

2.3. Zur Wahl der Methode

Zur Beantwortung der in Kapitel 3 folgenden Fragestellungen wurde die Ent- scheidung zugunsten einer Analyse der Variablen im Zeit- und Frequenzbereich getroffen. Zum einen, weil sich Ursache-Wirkungszusammenhänge immer auf der Zeitachse vollziehen, und zum anderen, weil sich die Ausprägungen der untersuchten Variablen im Zeitverlauf dynamisch verändern und aufgrund des- sen direkte und zeitversetzte kausale Zusammenhänge zwischen den Variablen vermutet werden. Um Zusammenhänge zwischen Variablen im Zeitbereich zu untersuchen, eig- nen sich zeitversetzte Kreuzkorrelationen. Zur Analyse der Zusammenhänge im Frequenzbereich werden in dieser Untersuchung die aus der Kreuzspektral- dichte abgeleiteten Kennzahlen Phase, Gain und Kohärenz berechnet. Durch die Berechnung dieser Kennzahlen können Aussagen darüber getroffen werden, ob, wie und wie stark sich die Variablen in bestimmten Frequenzbereichen gegenseitig beeinflussen. In der Vergangenheit konnte gezeigt werden, dass Kreuzkorrelationen und Spektralanalysen vielversprechende Analyseinstru- mente darstellen, um Zusammenhänge zwischen Belastung und dysfunktio- nalen Beanspruchungsfolgen aufzuzeigen. So konnte Paul (2003) mit zeitrei- henanalytischen Analyseinstrumenten (Kreuzkorrelationen, Spektralanalysen) in einer Längsschnittuntersuchung zeigen, dass die Belastung im Zeitverlauf einen erheblichen Teil der Varianz krankheitsbedingter Ausfallzeiten des Pfle- gepersonals in einem Allgemeinkrankenhaus bedingt. Aber auch in anderen Untersuchungen haben sich uni- und bivariate zeitreihenanalytische Methoden als geeignet erwiesen, arbeitswissenschaftliche Fragestellungen zu beantwor- ten. So konnten Giebel (2006) und Wirtz (2007) unter Zuhilfenahme uni- und bivariater Spektralanalysen Zusammenhänge zwischen gesundheitlichen und sozialen Beeinträchtigungen und flexiblen Arbeitszeitsystemen aufzeigen.

Neben der Analyse von Zusammenhängen soll mit den gewählten Methoden geprüft werden, inwieweit sich die Ergebnisse im Zeit- und Frequenzbereich gegenseitig verifizieren können. Der mathematische Zusammenhang zwischen Frequenz- und Zeitbereich wird im Parsevalschen Theorem zusammengefasst. Das Theorem besagt, dass die relevanten Informationen, die in einer Zeitreihe enthalten sind, durch ihre periodischen Anteile beschrieben werden können (vgl. Schmitz, 1989, S. 28). Umgekehrt gilt dieser Zusammenhang auch. Aus den Anteilen der periodischen Zerlegung kann dementsprechend auf die relevanten Informationen der Zeitreihe rückgeschlossen werden. Es sollte daher möglich sein, die Ergebnisse im Zeitbereich durch die Ergebnisse im Frequenzbereich zu stützen und umgekehrt, sofern es periodische Zusammenhänge zwischen den Variablen sind. Ferner sollte es möglich sein, mit den gewählten Methoden aussagekräftige und valide Ergebnisse zu erzielen, weil die Berechnungen mit nicht-reaktiven Maßen (Daten) durchgeführt werden und sich solche Daten besonders gut für zeitserielle Analysen eignen (Nickel & Nachreiner, i.V.).

KAPITEL 3 Fragestellung

Unter Zuhilfenahme zeitreihenanalytischer Methoden soll untersucht werden, ob direkte und/oder zeitversetzte Zusammenhänge zwischen Überstunden, Personalstand und krankheits- und unfallbedingten Ausfallzeiten bestehen (vgl. Abs. 2.3 und Kap. 4).

Aus den Ergebnissen der durchgeführten Kreuzkorrelationen sollen Wirksys- teme abgeleitet werden, die Aufschluss darüber geben können, wie sich die Variablen im Zeitbereich gegenseitig beeinflussen und ob es gegebenenfalls Zeitreihen gibt, die zwischen zwei anderen Zeitreihen direkt und/oder zeit- versetzt moderieren. Konkret soll untersucht werden, wie sich die betriebliche Personalausstattung über die Steuerung der Überstundenarbeit auf die betriebli- chen Ausfallzeiten auswirkt. Außerdem soll mittels bivariater Spektralanalysen untersucht werden, ob sich die einzelnen Variablen durch andere Variablen vorhersagen lassen. Des Weiteren werden die angewandten Methoden auf ihre Tauglichkeit hin überprüft, kontinuierlich vom Unternehmen registrierte Daten auszuwerten. So soll untersucht werden, ob sich mit zeitreihenanalytischen Berechnungen die Personal- und Überstundenplanung eines Unternehmens optimieren lässt. Ab- schließend wird geprüft, inwieweit die Ergebnisse der Analysen im Zeitbereich (Kreuzkorrelationen) mit den Ergebnissen der Analysen im Frequenzbereich (Spektralanalysen) konsistent sind. Finden sich ähnliche Zusammenhänge so- wohl im Zeitbereich als auch im Frequenzbereich, ist das ein Hinweis darauf, dass die Ergebnisse der Berechnungen aussagekräftig und valide sind.

Daraus ergeben sich folgende konkrete Fragestellungen:

1. Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Umfang der Überstun- denarbeit, die als ein Indikator für Belastung angesehen werden kann, und krankheits- und unfallbedingten Ausfallzeiten? Folgende UnterFragestellungen ergeben sich:

a) Besteht ein Zusammenhang zwischen den aktuell angesammelten Überstunden - also einer akkumulierten Belastung - und krankheits- und unfallbedingten Ausfallzeiten? Es wird ein direkter und zeit- versetzter Zusammenhang zwischen dem Umfang angesammelter Überstunden und krankheits- und unfallbedingter Fehlzeiten vermu- tet.

b) Besteht ein Zusammenhang zwischen der aktuellen Überstundenar- beit - also der aktuellen Belastung - und krankheits- und unfallbe- dingten Fehlzeiten? Es wird vermutet, dass viel Überstundenarbeit innerhalb eines Monats zu einer direkten und/oder zeitversetzten Zunahme der krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten führt.

c) Existiert ein Zusammenhang zwischen kranheits- und unfallbeding- ten Fehlzeiten? Es wird vermutet, dass hohe krankheitsbedingte Fehlzeiten Überstunden nach sich ziehen und dass dadurch das Un- fallrisiko erhöht wird.

2. Der Einfluss der Personalausstattung auf die krankheits- und unfallbe- dingten Ausfallzeiten wird untersucht. Es wird vermutet, dass ein hoher Personalstand zu wenig Überstundenarbeit führt und zu einem Abbau angesammelter Überstunden. Die Folgen sind eine Entlastung der Mitar- beiter und eine Abnahme der krankheits- und unfallbedingten Ausfallzei- ten.

3. Gibt es Variablen, die zwischen zwei anderen Variablen moderieren?

4. Die angewandten Methoden sollen auf ihre Tauglichkeit hin überprüft werden. Folgende Unter-Fragestellungen ergeben sich daraus:

a) Sind zeitreihenanalytische Methoden adäquate Analyseinstrumente, um auf der Basis von kontinuierlich vom Unternehmen erfassten Daten kausale Zusammenhänge zwischen krankheits- und unfallbe- dingten Fehlzeiten, Personalstand sowie Mehrarbeit aufzuzeigen? 16 3. Fragestellung

b) Ist es möglich, aus den Ergebnissen zeitreihenanalytischer Berech- nungen Optimierungsvorschläge bezüglich der Personal- und Über- stundenplanung abzuleiten mit dem Ziel, die unfall- und krankheits- bedingten Ausfallzeiten sowie die Personalkosten zu reduzieren?

c) Inwieweit sind die Ergebnisse der durchgeführten Kreuzkorrelatio- nen und bivariaten Spektralanalysen konsistent?

[...]


1 Wenn in dieser Arbeit von Fehlzeiten gesprochen wird, sind ausschließlich die krankheits- und unfallbedingten Fehlzeiten gemeint.

1 Vollbeschäftigung, ca. 35-40 Stunden pro Woche

2 Kapazitätsorientierte variable Arbeitszeit. Der Dispositionsspielraum liegt ausschließlich

beim Arbeitgeber.

3 Die Maximale Arbeitsplatz-Konzentration für toxische Stoffe am Arbeitsplatz

1 Diese Informationen sind Gesprächen mit Mitarbeitern entnommen worden. Die vereinbarte Überstundenregelung liegt nicht in schriftlicher Form vor.

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Zum Zusammenhang zwischen Personalstand, Mehrarbeit und krankheits- und unfallbedingten Ausfallzeiten
Untertitel
Ergebnisse einer zeitreihenanalytischen Untersuchung in einem Betrieb der Automobilindustrie
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg
Note
1
Autor
Jahr
2009
Seiten
96
Katalognummer
V142881
ISBN (eBook)
9783640588497
ISBN (Buch)
9783640588701
Dateigröße
836 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Zusammenhang, Personalstand, Mehrarbeit, Ausfallzeiten, Ergebnisse, Untersuchung, Betrieb, Automobilindustrie
Arbeit zitieren
Gunnar Hoyer (Autor:in), 2009, Zum Zusammenhang zwischen Personalstand, Mehrarbeit und krankheits- und unfallbedingten Ausfallzeiten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142881

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