Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten im Deutschen Reich

Zähringerkult, Staufergedächtnis und Wittelsbacherkult


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Verhältnis von Nationalbewusstsein und territorial-staatlicher Identität

3. Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern im Deutschen Reich
3.1 Die Entstehung der Territorialstaaten Baden, Württemberg und Bayern als Grundlage für die Herausbildung ihres einzelstaatlichen Bewusstseins
3.2 Der Zähringerkult im Großherzogtum Baden
3.3 Das Staufergedächtnis im Königreich Württemberg
3.4 Der Wittelsbacherkult im Königreich Bayern

4. Schlussbetrachtung

5. Wissenschaftlicher Apparat

1. Einleitung

Das Jahr 1871, die Gründung des Deutschen Reiches infolge des deutsch-französischen Krieges, stellt ein einschneidendes Ereignis innerhalb der deutschen Geschichte dar. Nach Jahrhunderten, in denen souveräne einzelstaatliche Herrschaften nebeneinander bestanden hatten, wurde der ‘Flickenteppich’ deutscher Einzelstaaten schließlich zu einem Nationalstaat zusammengeschlossen. Gerade in diesem Prozess besteht die Besonderheit des neu entstandenen Staatsgebildes: im Gegensatz etwa zu anderen europäischen Nationen setzte sich das Deutsche Reich aus vormals souveränen Einzelstaaten zusammen, die zwar ihre Souveränität infolge der Reichsgründung aufgeben mussten, jedoch ihre Organisationsstruktur beibehielten und sich ihr historisches und kulturelles Erbe bewahrten.[1]

Vor diesem Hintergrund mag es nicht überraschen, dass die Beschneidung einzelstaatlicher Souveränitäten infolge der Staatsgründung nicht unmittelbar in einem Gefühl allumfassender Begeisterung über eine neue nationale Zugehörigkeit mündete. Stattdessen verstärkte sich vielerorts – in unterschiedlicher Intensität abhängig von der konfessionellen, politischen oder sozialen Zugehörigkeit – das partikularstaatliche Bewusstsein, welches nicht selten durch die Anbindung an die jeweilige Dynastie definiert war.[2] An diesen Aspekt will der Gegenstand dieser Arbeit anknüpfen. Es soll dargestellt werden, wie die süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern auf die Reichsgründung reagierten, ob sie als Bundesstaaten im Deutschen Reich aufgingen oder sich ihre partikularstaatlichen Identitäten bewahrten, und welchen Anteil die jeweiligen Herrscherhäuser an dieser Entwicklung hatten.

In einem ersten Schritt wird zunächst ganz generell zu klären sein, in welchem Verhältnis das deutsche Nationalbewusstsein, welches sich im 19. Jahrhundert – und zum Teil schon früher – allmählich herauszubilden begann, und die territorialstaatlichen Identitäten vor und unmittelbar nach der Reichsgründung im Jahr 1871 zueinander standen.[3] Es soll gezeigt werden, dass dieses Verhältnis keineswegs einheitlich war, dass unterschiedliche Einstellungen gegenüber dem Nationalstaat bestanden, die abhängig waren von konfessionellen, politischen und sozialen Faktoren. Jedoch soll dieser Punkt nur als Hinführung zum eigentlich Thema dieser Arbeit verstanden werden.

Denn um die Ursachen für diese Positionen verstehen zu können, ist es notwendig, sich über die Entstehung der Territorialstaaten Baden, Württemberg und Bayern mit allen ihren Konsequenzen Klarheit zu verschaffen. Aus diesem Grund richtet sich das Augenmerk dieser Arbeit weniger auf die Zeit nach 1871, sondern auf den Zeitraum der Entstehungsgeschichte der drei süddeutschen Staaten. Eben diese Entstehungsgeschichte sowie die daraus resultierenden notwendigen Integrationsbemühungen und -strategien, zu denen der Zähringer- und der Wittelsbacherkult sowie das Staufergedächtnis gehören, werden Gegenstand des folgenden Kapitels sein.

Als Grundlage für diese Arbeit wurden verschiedene Werke verwendet, die sich entweder mit dem Verhältnis zwischen Nation und Region beschäftigen, beispielsweise von Michael Klein (2005) oder Siegfried Weichlein (2004), oder sich speziell auf den Denkmals- oder Herrscherkult der Einzelstaaten beziehen. Ein Werk, in welchem die Kulte und Gedächtnisriten einander vergleichend gegenübergestellt würden, gibt es nicht. Speziell auf dem Feld des Großherzogtums Baden und des Zähringerkultes ist die Forschungslage sicherlich noch nicht erschöpft und so beziehen sich die Erkenntnisse für diese Arbeit vorwiegend aus der von Hans Schadek und Karl Schmid herausgegebenen Veröffentlichung zur Zähringerausstellung in Freiburg i. Br. aus dem Jahr 1986. Für die Königreiche Bayern und Württemberg hingegen bietet sich eine Fülle an Forschungsliteratur, aus der beispielsweise die Werke Manfred Hanischs (1991) zur Legitimitätsstiftung in Bayern zwischen 1848 und 1871 und Friedemann Schmolls (1995) zum württembergischen Denkmalkult im 19. Jahrhundert herangezogen wurden.

2. Das Verhältnis von Nationalbewusstsein und territorial-staatlicher Identität

Durch und mit der Reichsgründung von 1871

„Germany’s modern national memory began [...]. Before 1871 there was a history of the Germans and German history, but no history of Germany; only thereafter did German history proceed as a single development.”[4]

Obwohl die Geschichte Deutschlands nach 1871 tatsächlich nur noch in eine Richtung verlief, darf diese Tatsache nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich nach der Reichsgründung eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelstaaten mitunter unvereinbarer politischer Systeme[5] und kultureller Hintergründe als Mitglieder ein und derselben Nation wiederfanden und zunächst alles andere als eine einheitliche Vorstellung davon hatten, was sie mit ihrer Nation verband.

Wenn auch die Entstehung der „großen deutschen Nationalfeste"[6], wie etwa das Wartburgfest 1817 oder das Hambacher Fest 1832, die Entwicklung einer nationalen Bewegung suggeriert und eine solche Bewegung auch tatsächlich erkennbar war, so muss doch festgehalten werden, dass – obwohl die Reichsidee das 19. Jahrhundert beherrschte[7] – von einem „zweifelsfreien Zugehörigkeitsgefühl zu der imaginären Gemeinschaft der Nation“[8] keine Rede sein kann. Zwar kristallisierte sich „unter dem Druck der Restauration“,[9] im Anschluss an die territoriale Neuordnung infolge der napoleonischen Kriege, tatsächlich eine „dauerhaft nationale Bewegung heraus“,[10] deren Inanspruchnahme durch den Einzelnen abhängig war jedoch sehr unterschiedlich und abhängig von sozialer, konfessioneller und politischer Zugehörigkeit. So konnten sich schließlich vor allem Protestanten und Liberale, wobei Protestantismus und Liberalismus sich häufig verbanden, mit der neu entstandenen Nation unter preußischer Führung zufrieden geben, weil sie darin den auf ihrer Seite während des gesamten 19. Jahrhunderts entstandenen Nationalismus erfüllt sahen.[11]

Eine Identifikation im Sinne eines staatlichen Bewusstseins fand jedoch in erster Linie auf territorialstaatlicher Ebene statt,[12] vor allem dort, wo eine „agrarisch-kleingewerbliche Lebenswelt mit starker Traditionsbindung“[13] vorherrschte. Insbesondere in den ländlichen Gegenden bestanden starke Loyalitäten gegenüber den einzelstaatlichen Herrschaften, da die eigene Lebens- und Erfahrungswelt in erster Linie durch diese geprägt war. Mit der „abstrakten Größe ‘Nation’“[14] wusste man sich nicht zu identifizieren. So mag es nicht erstaunen, dass vor allem diese ländliche Lebenswelt sich nicht von den Auswirkungen der Reichsgründung betroffen sah, weil diese einerseits „von der außerpreußischen Presse fast unbemerkt“[15] geblieben war und andererseits eine direkte Einwirkung auf die tägliche Erfahrungsrealität nicht greifbar war.

Am Beispiel der süddeutschen Staaten Baden, Württemberg und Bayern soll nun veranschaulicht werden, wie prägend das jeweilige partikularstaatliche Eigenbewusstsein sein konnte und welche Haltungen dieses zur neu begründeten Nation zuließ.

[...]


[1] Vgl. Alon Confino: The Nation as a Local Metaphor. Württemberg, Imperial Germany and National Memory. 1871-1918. Chapel Hill/London 1997, S. 14.

[2] Michael Klein bestreitet zwar, dass das „partikular-regionale Bewusstsein der Deutschen [...] auf der Verbundenheit mit dem territorialen Herrscherhaus“ gegründet war. Vgl. Michael B. Klein: Zwischen Reich und Region: Identitätsstrukturen im Deutschen Kaiserreich (1871-1918). Stuttgart 2005, S. 347. Kapitel 3 dieser Arbeit wendet sich aber diesem Gesichtspunkt zu und wird zeigen, dass das jeweilige Herrscherhaus einen nicht unerheblichen Anteil an dem partikularstaatlichen Bewusstsein hatte.

[3] In Anlehnung an gängige Historikermeinungen wird in dieser Arbeit davon ausgegangen, dass eine solche nationale Bewegung bestand und sich im 19. Jahrhundert rasch fortentwickelte. Vgl. hierzu z. B. Werner K. Blessing: Konfession und Nation. Zur politischen Identität in Bayern vor der Reichsgründung. In: Beiträge zu Kirche, Staat und Geistesleben. Festschrift für Günter Christ zum 65. Geburtstag am 20. März 1994, hrsg. von Josef Schröder. Stuttgart 1994, S. 209f. (Beiträge zur Geschichte der Reichskirche in der Neuzeit; Bd. 14) Obwohl der Gegenstand eines nationalen Bewusstseins nicht unproblematisch ist und in der Literatur immer wieder kontrovers diskutiert wurde, ist in dieser Arbeit kein spezieller Exkurs zu diesem Thema vorgesehen, da dieses ausreichend Material für eine eigenständige Arbeit böte.

[4] Confino: National Memory, S. 13.

[5] Vgl. ebd., S. 14. Alon Confino bezieht sich in dieser Aussage beispielsweise auf den Gegensatz zwischen dem konservativen und antidemokratischen Dreiklassen-Wahlsystem Preußens und dem liberaleren und demokratischeren politischen System Württembergs.

[6] Dörte Bauer [Diss.]: Geschichtskultur als Instrument zur staatlichen Identitätsstiftung. Feste, Feiern und Denkmalpflege in Bayern im 19. Jahrhundert und in der DDR. Regensburg 2005, S. 62 (Deutsche Hochschuledition; Bd. 142)

[7] Vgl. Blessing: Konfession und Nation, S. 208.

[8] Friedemann Schmoll: Verewigte Nation. Studien zur Erinnerungskultur von Reich und Einzelstaat im württembergischen Denkmalkult des 19. Jahrhunderts. Stuttgart 1995, S. 13. (Stuttgarter Studien; Bd. 8)

[9] Ebd., S. 212.

[10] Ebd.

[11] Vgl. ebd., S.224.

[12] Klein: Reich und Region, S. 14.

[13] Blessing: Konfession und Nation, S. 209.

[14] Weichlein: Nation und Region, S. 16.

[15] Ebd., S. 14.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten im Deutschen Reich
Untertitel
Zähringerkult, Staufergedächtnis und Wittelsbacherkult
Hochschule
Universität Stuttgart  (Historisches Institut, Abteilung Landesgeschichte )
Veranstaltung
Die süddeutschen Staaten und die Gründung des Deutschen Reiches 1871
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
19
Katalognummer
V142773
ISBN (eBook)
9783640519453
ISBN (Buch)
9783640520978
Dateigröße
389 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eigenbewusstsein süddeutsche Staaten, Zähringerkult, Staufergedächntis, Wittelsbacherkult
Arbeit zitieren
Michaela Nadine Leonhardt (Autor:in), 2008, Das Eigenbewusstsein der süddeutschen Staaten im Deutschen Reich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142773

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