Die Konkurrenz von Wettbewerbs- und Markenrecht


Bachelorarbeit, 2009

66 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Abkürzungsverzeichnis

B. Einleitung

C. Grundlagen und Bestimmung der Konkurrenz zwischen den Rechtsgebieten
I. Historische Entwicklung von UWG und MarkenG
II. Das Verhältnis des UWG zum MarkenG
1. Vergleich: Schutzbereiche, Anspruchsberechtigte, Harmonisierungsgrade und Rechtsfolgen
a) Schutzbereiche und Anspruchsberechtigte
b) Harmonisierungsgrade
c) Rechtsfolgen
2. § 2 MarkenG
3. Kennzeichenrechtliche Benutzung als Schlüssel zum MarkenG
a) Meinungsstand im alten WZG
b) Meinungsstand im MarkenG
c) Stellungnahme
4. Die Vorrangthese des Markenrechts
5. Autonome bzw. konkurrierende Anwendung der Gesetze
6. Stellungnahme
III. Zusammenfassung und Konsequenzen für den Verlauf dieser Arbeit

D. Überprüfung anhand spezieller Konkurrenz situationen
I. Der „ergänzende wettbewerbsrechtliche Leistungsschutz“ gem. § 4 Nr. 9 UWG
1. Grundlagen des § 4 Nr. 9 UWG
a) Die grundsätzliche Freiheit der Nachahmung
b) Aktivlegitimation
2. Meinungsstand
3. Stellungnahme
a) § 4 Nr. 9 lit. a UWG
b) § 4 Nr. 9 lit. b UWG
4. Zwischenergebnis
II. Die vergleichende Werbung § 6 UWG
1. Vergleichende Werbung im UWG
2. Vergleichende Werbung als Markenverletzung
a) Meinungsstand
b) Stellungnahme
3. Einordnung der vergleichenden Werbung in UWG und MarkenG
a) § 6 UWG als „lex specialis“
b) Einordnungsmöglichkeiten unter Beibehaltung der Vorrangthese
c) Stellungnahme
4. Zwischenergebnis
III. Irreführung gem. § 5 Abs. 2 UWG
1. Abgrenzung zu anderen kennzeichenrelevanten Tatbeständen des UWG
a) § 4 Nr. 9 lit. a UWG
b) § 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG
c) § 6 Abs. 2 Nr. 6 UWG
d) Anhang Nr. 13 zu § 3 Abs. 3 UWG
2. Das Verhältnis zum MarkenG
a) § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
b) Problembewusstsein in der Literatur
3. Die Rechtsprechung
a) OLG Köln
b) BGH
4. Zweifel an der Notwendigkeit des § 5 Abs. 2 UWG
5. Stellungnahme
a) Zur Notwendigkeit des § 5 Abs. 2 UWG
b) Lösungsvorschlag
6. Zwischenergebnis
IV. Weitere Konkurrenzen
1. Bösgläubige Markenanmeldung gem. § 4 Nr. 10 UWG
2. Herabsetzung und Verunglimpfung gem. § 4 Nr. 7 UWG
3. Zwischenergebnis
V. Endergebnis

E. Fazit und Ausblick

F. Literaturverzeichnis..

A. Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

B. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit wird die Konkurrenz von Wettbewerbs- und Markenrecht untersucht.

Diese sich „im Fluss befindliche Thematik“[1] hat eine lange Tradition. Wie nachfolgend gezeigt, reicht die historische Entwicklung der beiden Rechtsgebiete und ihre Verknüpfung miteinander schon an die hundert Jahre zurück.

Die Eckpfeiler dieses Konkurrenzverhältnisses sind neben der Historie das 1995 eingeführte Markengesetz und das Ende 2008 novellierte Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb. Dabei sind im Besonderen der europarechtliche Einfluss auf diese Vorschriften und dessen Konsequenzen zu betonen. Nicht weniger Bedeutung gebührt der bisherigen Rechtsprechung des BGH zu dem Verhältnis der Rechtsgebiete, der dadurch die sog. Vorrangthese des Markenrechts begründete.

Im Folgenden wird nach Darstellung wichtiger Grundlagen das generelle Konkurrenzverhältnis der Rechtsgebiete zueinander bestimmt. Davon ausgehend wird das gefundene Ergebnis anhand einer Reihe spezieller Konkurrenzen überprüft.

Ziel der Arbeit ist eine präzise Darstellung der Konkurrenz von Wettbewerbs- und Markenrecht sowie die Erarbeitung ihrer praxistauglichen Auflösung.

Der Kern dieser Aufgabenstellung erschließt sich schon aus der lateinischen Herkunft des Wortes Konkurrenz: concurro kann sowohl mit „zusammenlaufen“ als auch mit „zusammenstoßen“ übersetzt werden.[2]

C. Grundlagen und Bestimmung der Konkurrenz zwischen den Rechtsgebieten

Nachfolgend werden die historische Entwicklung der Gesetze sowie einige Grundlagen erörtert, welche für den weiteren Verlauf der Arbeit von maßgeblicher Bedeutung sind.

Insbesondere wird die Konkurrenz des UWG zum MarkenG unter kritischer Berücksichtigung der Vorrangthese des Markenrechts diskutiert.

I. Historische Entwicklung von UWG und MarkenG

Die erste Normierung eines Markenschutzgesetzes geht in Deutschland auf das Jahr 1874 zurück.[3] Das Markengesetz in seiner heutigen Form löste das Warenzeichengesetz von 1968 ab und trat am 01.01.1995 in Kraft.

Dabei wurde das MarkenG als selbständiges Gesetz konzipiert, welches kennzeichenrelevante Vorschriften aus dem UWG und WZG vereinen sollte.[4] Hinzu kam die angestrebte Normierung des Richterrechts, das im UWG bzgl. kennzeichenrelevanter Sachverhalte Einzug gehalten hatte. Die unsystematische und nur historisch zu erklärende Aufspaltung der Regelungen in UWG und WZG, sollte so beendet werden.[5]

Dies geschah im Bestreben der Umsetzung der Ersten Richtlinie 89/104/EWG des Europäischen Rates vom 22.12.1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Marken (Erste MarkenRL). Schließlich wurde die RL 89/104/EWG am 28.11.2008 durch die „neue Markenrichtlinie“ 2008/95/EG abgelöst. Das heutige Markengesetz basiert somit zu großen Teilen auf der europäischen Markenrichtlinie.[6]

Die erste Kodifizierung des UWG geht auf das Jahr 1896 zurück und wurde im Jahr 1909 in weiter entwickelter Form fixiert. Im Jahr 2004 wurde das UWG in Deutschland zum Zwecke der Annäherung an Regeln und Maßstäbe des Gemeinschaftsrechts angepasst. Der große europarechtliche Einfluss, in Form der Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken 2005/29/EG (UGP- RL), machte die jüngste Veränderung im UWG, namentlich die „UWG-Novelle 2009“, notwendig.[7] Wie das Markengesetz steht auch das deutsche UWG unter großem Einfluss des Europarechts.

Dieses scheinbare Nebeneinander von UWG und WZG, bzw. dem heutigen Markengesetz, müsste treffender als Miteinander bezeichnet werden.

Schon vor dem Zweiten Weltkrieg wurden die Überschneidungen der beiden Gesetze erkannt und probiert aufzulösen. So wurde das UWG zunächst als Recht höherer Ordnung in Bezug auf das WZG bezeichnet. Schließlich wurde ein Gleichrang angenommen. Dieses enge Miteinander zieht sich wie ein roter Faden bis in die heutige Zeit.[8] Immer wieder hat sich Rechtsprechung bei kennzeichenrechtlichen Tatbeständen gerne auf UWG-Normen bezogen. Dies rührt daher, dass das WZG von 1968 zum Schutz vor kennzeichenrelevanten Handlungen durch Dritte nicht ausreichend war. Die Rechtsprechung bediente sich des Wettbewerbsrechts als Grundlage zur Durchsetzung markenrechtlicher Ansprüche.[9] Dieser Verbändelung der beiden Gesetze wurde 1995 mit Einführung des MarkenG Rechnung getragen. Dabei wurden kennzeichenrechtliche Sachverhalte aus dem Wettbewerbsrecht ausgegliedert und im MarkenG konzentriert. Bornkamm sprach vom „Asyl finden im MarkenG“.[10] Diese Herauslösung von markenrechtlichen Sachverhalten aus dem UWG und eigenständige Normierung im MarkenG brachte jedoch nicht die von der Regierung erwünschte Eigenständigkeit mit sich.[11] Vielmehr entstanden Unklarheiten und Probleme bei der Einordnung von kennzeichenrelevanten Sachverhalten. Diese noch immer nicht aufgelösten Überschneidungen führten zu einer Grundsatzentscheidung des BGH im Jahr 1999, welche als Vorrangthese des Markenrechts bekannt wurde.[12]

II. Das Verhältnis des UWG zum MarkenG

Zur Erörterung und Beurteilung der Konkurrenz der Gesetze zueinander werden im Folgenden Voraussetzungen dargestellt, auf denen die vorliegende Arbeit aufbaut.

Dafür werden zunächst die Rechtsgebiete miteinander verglichen (C.II.1.) und anschließend wird eine Einordnung bzw. eine Bestimmung der Konkurrenz zueinander vorgenommen (C.II.2.6.).

1. Vergleich: Schutzbereiche, Anspruchsberechtigte, Harmonisierungsgrade und Rechtsfolgen

a) Schutzbereiche und Anspruchsberechtigte

Ziel des Markengesetzes ist der Schutz von Kennzeichen der Unternehmen und Bezeichnungen ihrer Produkte. Deswegen gewährt es dem Inhaber von Marken und Kennzeichen unter bestimmten Voraussetzungen subjektive Ausschließlichkeits- rechte.[13] Dieser individuelle Schutz des Markeninhabers dient der Gewährleistung der wichtigsten Funktionen einer Marke, nämlich der Unterscheidungs-, Herkunfts-, Vertrauens- und Werbefunktion.[14] Der Markenschutz entsteht durch das Vorliegen eines schutzfähigen Zeichens gem. § 3 MarkenG, welches gem. § 4 MarkenG in das Register beim Patentamt eigetragen wurde, bei Benutzung im geschäftlichen Verkehr Verkehrsgeltung erworben hat oder notorisch bekannt ist. Anspruchsinhaber ist also lediglich der Markeninhaber, Schutzobjekt die Marke selbst.

Im Gegensatz zu diesem individualrechtlich geprägten Schutz sieht das Wettbewerbsrecht gem. § 1 UWG einen umfassenderen Schutzzweck vor. Dieser beinhaltet den Schutz der Mitbewerber (b2b: business-to-business), der VerbraucherInnen (b2c: business- to-consumer), der sonstigen Marktteilnehmer vor unlauteren Handlungen sowie der Allgemeinheit vor unverfälschtem Wettbewerb. Insbesondere ist auf das gegenwärtig durch die UGP-RL geforderte „hohe Verbraucherschutzniveau“ hinzuweisen, was z. B. durch die Novelle 2009 in § 5 Abs. 2 UWG seinen Niederschlag gefunden hat.[15]

Dabei kommt es in kennzeichenrelevanten Fällen nicht darauf an, ob das Kennzeichen eingetragen ist, Verkehrsgeltung erworben hat oder notorisch bekannt ist. Somit ist im Vergleich zum MarkenG ein wettbewerbsrechtlicher Schutz für kennzeichenrechtliche Fälle zunächst unter geringeren Voraussetzungen möglich. Hierbei ist zu beachten, dass jedoch nicht die Marke an sich, sondern vielmehr das Wettbewerbsverhalten unter Einbezug einer Marke Anknüpfungspunkt ist.

Anspruchsberechtigte sind gem. § 8 Abs. 3 UWG nicht nur der Inhaber der Marke, sondern darüber hinaus u. U. Verbände, Mitbewerber oder Industrie- und Handelskammern.

b) Harmonisierungsgrade

Wie bereits oben[16] gezeigt, basieren beide Gesetze auf europäischen Richtlinien. Hierbei sind jedoch die unterschiedlichen Harmonisierungsgrade zu beachten.

Durch die UGP-RL wurde eine Vollharmonisierung im UWG angestrebt. Ihre Vorgaben dürfen also weder unter- noch überschritten werden.[17] Diese Vollharmonisierung bezieht sich jedoch nur auf den b2c-Bereich. Der lauterkeitsrechtliche Mitbewerberschutz ist demnach nicht vollharmonisiert, sondern lediglich ein Reflex.[18] Der in Erwägungsgrund 1 zur UGP-RL beschriebene „hohe Verbraucherschutz“ stellt somit das Credo dar. Der Mitbewerber oder Marktteilnehmer soll währenddessen durch RL 2006/114/EG, also die Richtlinie über irreführende und vergleichende Werbung, geschützt werden.[19]

Bzgl. des MarkenG wurde bei der RL 2008/95/EG[20], wie auch zuvor in den Erwägungsgründen 3 und 6 der Erste[n] MarkenRL, eine vollständige Rechtsangleichung für nicht notwendig erachtet.[21] Auch der EuGH machte deutlich, dass die Harmonisierungswirkung der Erste[n] MarkenRL begrenzt ist.[22] Es liegt eine Mindestharmonisierung vor. Ein weitergehender nationaler Schutz ist demnach nicht ausgeschlossen.

c) Rechtsfolgen

Zunächst ist hier auf die unterschiedlichen Verjährungsfristen in beiden Rechtsgebieten hinzuweisen. Markenrechtliche Ansprüche unterliegen gem. § 11 UWG einer Verjährungsfrist von sechs Monaten, während Ansprüche aus dem MarkenG gem. § 20 MarkenG der Verjährungsregelung des BGB unterliegen. Zudem sind u. U. unterschiedliche Zuständigkeiten zu beachten.[23]

Aber auch inhaltlich gibt es Unterschiede. Während das UWG Ansprüche auf Unterlassung, Schadensersatz und Gewinnabschöpfung bereithält, kennt das MarkenG darüber hinaus einen Vernichtungs-, Rückruf-, Auskunfts- und Besichtigungsanspruch sowie eine strafrechtliche Verfolgung. Es bietet also ein strengeres Sanktionssystem.

Überdies muss darauf hingewiesen werden, dass dem UWG eine vergleichbare Schrankenregelung, wie sie in den §§ 20 ff. MarkenG existiert, fremd ist.

Der Inhaber eines Immaterialgüterrechts hat weiter das Privileg ggü. dem lauterkeitsrechtlichen Anspruchsinhaber, auf die dreifache Schadensberechnung zurückgreifen zu können.[24]

2. § 2 MarkenG

Der genannte Paragraph ist mit „Anwendung anderer Vorschriften“ überschrieben. Er ist Ausgangspunkt der Diskussion um das Verhältnis der beiden Rechtsordnungen zueinander. § 2 MarkenG besagt, dass ein Schutz nach dem MarkenG die Anwendung anderer Vorschriften nicht ausschließt. Jedoch gibt er in keinster Weise vor, nach welchen Regeln bzw. nach welchem Verhältnis eine solche Anwendung zu gestalten ist. Deutlich wird lediglich, dass nach dem Willen des Gesetzgebers ein ergänzender Schutz möglich sein sollte.[25]

Um dieses fragwürdige Verhältnis zu definieren, muss vorab bestimmt werden, wann eine Markenverletzung vorliegt und damit das MarkenG einschlägig ist.

Dabei ist ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des § 14 Abs. 2 MarkenG von überragender Bedeutung - die kennzeichenrechtliche Benutzung. Sowohl ihre Notwendigkeit als auch ihr Inhalt sind in gleichem Maße umstritten.

3. Kennzeichenrechtliche Benutzung als Schlüssel zum MarkenG

Wie die Überschrift zeigt, kommt dem Begriff der kennzeichenoder markenrechtlichen Benutzung eine entscheidende Rolle bei der Bestimmung des Verhältnisses zu.

Wird selbige bejaht, muss die potentielle Verletzungshandlung als kennzeichenmäßige Benutzung qualifiziert werden. Andernfalls wäre das MarkenG nicht einschlägig und ein Anspruch daraus nicht möglich. Verneint man hingegen dieses Erfordernis, ist jede kennzeichenrelevante Handlung auch durch das MarkenG verfolgbar.

a) Meinungsstand im alten WZG

Im alten WZG wurde von der ganz herrschenden Meinung ein warenzeichenmäßiger Gebrauch für eine Verletzung gefordert.[26] Auch die ständige Rechtsprechung verlangte dies.[27] Als warenzeichenmäßiger Gebrauch wurde hierbei jede Benutzung verstanden, wenn sie zur Individualisierung von Waren durch Marken diente und sie der durchschnittliche Verbraucher als Unterscheidungsmerkmal auffasste.[28]

b) Meinungsstand im MarkenG

§ 14 Abs. 2 MarkenG, als der diesbezüglich maßgeblichen Vorschrift, kann keine Lösung entnommen werden. Dem Wortlaut des Gesetzestextes folgend, scheint dort nicht von einer besonderen kennzeichenrechtlichen Benutzung ausgegangen zu werden.

Die Ablehnung des Erfordernisses einer markenmäßigen Benutzung wird in der Literatur teils vehement vertreten.[29] Hier wird u. a. auf den Normzweck des Markengesetzes, den Schutzzweck von Art. 5 Abs. 5 RL 89/104/EWG[30] und die amtliche Begründung zum MarkenG[31] abgestellt. Daneben wird auf die neuen Markenfunktionen verwiesen, mit denen nun auch die ökonomische Funktion der Marke rechtlich geschützt und deswegen eine kennzeichenrechtliche Benutzung nicht mehr zeitgemäß sei.[32] Damit wäre jede kennzeichenrelevante Benutzungshandlung zunächst tatbestandlich von § 14 MarkenG erfasst. Eine entsprechende Freistellung von bestimmten Handlungen soll hier über die Auslegung der markenrechtlichen Schranken nach §§ 20 ff. MarkenG[33] oder ggf. durch das Hinzufügen neuer Schranken erreicht werden.[34] Dieser Ansicht nach kommt es weniger auf den „Benutzungsbegriff“ in § 14 MarkenG als vielmehr auf die Konkretisierung der Schranken nach dem MarkenG an.[35]

Die Befürworter[36] des Erfordernisses der markenmäßigen Benutzung erkennen nicht jede Benutzung als tatbestandlich i. S. d. § 14 MarkenG an. Derselben Meinung sind auch der BGH in ständiger Rechtsprechung seit 1996[37] und die Bundesregierung.[38]

Eindeutige Kriterien für das Vorliegen einer Benutzung i. S. d. Art. 5 Abs. 1, 2 RL 89/104/EWG stellte kürzlich der EuGH in seinem „O2“-Urteil[39] vom 02.06.2008 auf. Danach liegt eine Benutzungshandlung vor, wenn die Hauptfunktion der angegriffenen Marke, die Gewährleistung der Herkunft der Produkte, beeinträchtigt wird. Darüber hinaus definierte der EuGH im „L´Oréal“-Urteil vom 18.06.2009 die kennzeichenrechtliche Benutzung weiter. Demnach ist eine kennzeichenrechtliche Benutzung auch schon außerhalb der Hauptfunktion der Marke gegeben. Es ist ausreichend, wenn durch eine Handlung auf die Werbe-, die Investitions-, die Kommunikationsfunktion oder das Image einer Marke Bezug genommen wird.[40] Dies impliziert das Erfordernis der markenmäßigen Benutzung für § 14 Abs. 2 MarkenG, der obigem Art. 5 Abs. 1, 2 RL 89/104/EWG weitgehend entspricht.

Damit korrigierte der EuGH auch seine frühere Auffassung, auf verschiedene Benutzungsbegriffe innerhalb des § 14 Abs. 2 MarkenG abzustellen[41], die ebenfalls in der Literatur vertreten wird.[42]

Der EuGH verlangt nun einheitlich eine kennzeichenmäßige Benutzung.[43]

c) Stellungnahme

Dem BGH und auch dem EuGH in seiner Rechtsprechung zum „O2“-Urteil bzw. „L´Oréal“-Urteil folgend, ist eine kennzeichenmäßige Benutzung erforderlich.

Ohne ein solches Erfordernis würde jede Benutzungshandlung im Zusammenhang mit Marken oder Kennzeichen den Regelungsbereich des MarkenG eröffnen und damit zu einer Markenrechtsverletzung taugen. Nur unter bestimmten Bedingungen werden dann Handlungsformen aus dem Verletzungstatbestand des § 14 MarkenG mittels der Schrankenregelung der §§ 20 ff. MarkenG herausgenommen. Jedoch werden diese Schranken dem Ausmaß an Benutzungshandlungen i. S. d. § 14 Abs. 2 MarkenG nicht mehr gerecht.[44] Gegen die sehr konstruiert wirkenden Schrankenregelungen im MarkenG spricht auch der Streit, inwieweit diese Schranken überhaupt auf kennzeichenrechtliche Sachverhalte anwendbar sind - z. B. bei vergleichender Werbung.[45]

Auch entspricht das Erfordernis einer kennzeichenmäßigen Benutzung der Aussage des Art. 5 Abs. 5 RL 89/104/EWG. Richtigerweise kann auf Grund eines Umkehrschlusses auf den Anwendungsbereich des MarkenG nur für kennzeichenmäßige Benutzungen geschlossen werden.[46]

Die Befürworter der differenzierenden Benutzungsbegriffe innerhalb des § 14 Abs. 2 MarkenG können nicht überzeugen. Bereits die Übergänge zwischen den einzelnen Tatbeständen des § 14 Abs. 2 Nr. 1-3 MarkenG sind fließend. Unterschiedliche Benutzungsbegriffe würden somit zu einer erheblichen Rechtsunsicherheit führen.[47] Wie bereits gezeigt, rückte auch der EuGH sehr bald nach dem „Adam Opel/Autec“-Urteil[48] vom uneinheitlichen Benutzungsbegriff ab. In dem „Céline“-Urteil[49] legte er einen einheitlichen Benutzungsbegriff zu Grunde, den er später im „O2“-Urteil und „L´Oréal“-Urteil präzisierte. Ebenso spricht sich der BGH deutlich für einen einheitlichen Benutzungsbegriff aus.[50]

Folglich setzt der Tatbestand einer Markenrechtsverletzung den kennzeichenmäßigen Gebrauch voraus.

Somit kann die kennzeichenmäßige Benutzung als Schlüssel zum Anwendungsbereich des MarkenG bezeichnet werden. Damit darf nicht eine Abgrenzung zum UWG verwechselt werden. Ob eine Anwendung des MarkenG gleichbedeutend mit einer Unanwendbarkeit des UWG ist, also eine Begrenzung dessen Anwendungsbereiches darstellt, wird nachfolgend untersucht.

Feststeht lediglich, dass durch das hier zu Grunde gelegte Verständnis eines weit auszulegenden Begriffes der kennzeichenrechtlichen Nutzung viele kennzeichenrelevante wettbewerbsrechtliche Sachverhalte auch unter das MarkenG subsumiert werden können.

4. Die Vorrangthese des Markenrechts

Auf die dadurch entstehenden Überschneidungen im Anwendungsbereich der beiden Rechtsgebiete reagierte der BGH mit der Grundsatzentscheidung „MAC Dog“.[51] Diese kann als „Geburt der Vorrangthese“ bezeichnet werden und wurde stetig vom BGH in seiner Rechtsprechung fortgeführt.[52] Auf diese Weise versuchte der BGH, den oben[53] beschriebenen § 2 MarkenG auszufüllen. Nach der Vorrangthese des Markenrechts stellen die Regeln des MarkenG eine umfassende in sich geschlossene Regelung dar. Diese verdrängt in ihrem Regelungsbereich den allgemeinen Wettbewerbsschutz.[54]

[...]


[1] Glöckner/Henning-Bodewig, WRP 2005, 1311 (1326).

[2] Menge, S. 118.

[3] RGBl. 1874, S. 143.

[4] BT-Drs. 12/6581, S. 54.

[5] BT-Drs. 12/6581, S. 55.

[6] Eisenmann/Jautz, Rn. 227.

[7] Köhler, S. XIV.

[8] Sack, WRP 2004, 1405 (1406).

[9] Henn, S. 15, 63, 64.

[10] Bornkamm, GRUR 2005, 97 (97).

[11] BT-Drs. 12/6581, S. 54.

[12] BGH GRUR 1999, 161 (162) „MAC Dog“, vgl. S. 11 f..

[13] Fezer, MarkenR, § 14 Rn. 8 ff..

[14] Koch, S. 31.

[15] Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 1 Rn. 15.

[16] Vgl. S. 2 f..

[17] Sosnitza, WRP 2008, 1014 (1015), BT-Drs. 16/10145, S. 10.

[18] Fezer, WRP 2009, 1163 (1164, 1165).

[19] Lettl, GRUR-RR 2009, 41 (41).

[20] Löste RL 89/104/EWG Erste Richtlinie zur Rechtsangleichung der Vorschriften über die Marken (Erste MarkenRL) ab.

[21] ErwG 4 RL 2008/95/EG.

[22] EuGH GRUR 2003, 145 Rn. 30, 31 „Robelco/Rebecco“.

[23] Kur, GRURInt 2008, 1 (11).

[24] Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 9 Rn. 1.36 ff. mit Ausnahme für § 4 Nr. 9 UWG (§ 4 Rn. 9.83).

[25] BT-Drs. 12/6581, S. 64.

[26] Ströbele/Hacker, § 14 Rn. 44, 61 m. w. N.; HK-MarkenR/Ekey, § 14 Rn. 99 m. w. N..

[27] BGH GRUR 1955, 484 ff. „Luxor-Luxus“; BGH GRUR 1971, 251 ff. „Oldtimer“; BGH GRUR 1981, 362 ff. „Aus der Kurfürstquelle“.

[28] Baumbach/Hefermehl, § 16 Rn. 4.

[29] Kur, GRURInt 2008, 1 (11); Fezer, GRUR 1996, 566 (571); Will, S. 184; Koch, S. 91.

[30] Fezer, GRUR 1996, 566 (570); ders., MarkenR, § 14 Rn. 38.

[31] W. Nordemann, WRP 1997, 389 (389).

[32] Fezer, MarkenR, § 14 Rn. 22; Starck, GRUR 1996, 688 (690,691).

[33] Fezer, MarkenR, § 23 Rn. 12.

[34] Kur, GRURInt 2008, 1 (11).

[35] Fezer, MarkenG, § 14 Rn. 30.

[36] Boesche, Rn. 29; Nordemann, Rn. 2291; Sack, WRP 2004, 1405 (1407); Erdogan, S. 125; Ingerl, GRURInt 2001, 581 (584); Büscher, GRUR 2009, 230 (231, 232); Hefermehl/Köhler/Bornkamm, § 6 Rn. 64.

[37] BGH GRUR 2004, 154 (155) „Farbmarkenverletzung II“; BGH GRUR 2003, 332 (334) „Abschlussstück“; BGH GRUR 2002, 812 (813) „Frühstücksdrink II“.

[38] BT-Drs. 12/6581, S. 75.

[39] EuGH 12.06.2008 - C-533/06 „O2/Hutchison“.

[40] EuGH 18.06.2009 - C-487/07 „L´Oréal“, Rn. 58.

[41] EuGH 25.01.2007 - C-48/05 „Adam Opel/Autec“ Rn. 37.

[42] Hacker, GRURInt 2002, 502 (505); Ströbele/Hacker, § 2 Rn. 122.

[43] Büscher, GRUR 2009, 230 (235).

[44] Ingerl, WRP 2002, 861 (864); Kur, GRURInt 2008, 1 (11).

[45] Vgl. S. 27 f..

[46] Sack, GRUR 1995, 81 (94).

[47] Fezer, GRUR 1996, 566 (568).

[48] EuGH 25.01.2007 - C-48/05 „Adam Opel/Autec“.

[49] EuGH 11.09.2007 - C-17/06 „Céline“; Knaak, GRURInt 2008, 91 (94).

[50] BGH GRUR 2005, 583 (584) „Lila Postkarte“.

[51] BGH GRUR 1999, 161 (162) „MAC Dog“.

[52] BGH GRUR 1999, 992 (995) „BIG PACK“; BGH GRUR 2002, 340 (342) „Farbergé“; BGH GRUR 2002, 622 (623) „shell.de“; BGH GRUR 2003, 332 (335) „Abschlussstück“; BGH GRUR 2007, 339 (342) „Stufenleitern“.

[53] Vgl. S. 6 f..

[54] BGH GRUR 1999, 161 (162) „MAC Dog“.

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Die Konkurrenz von Wettbewerbs- und Markenrecht
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
66
Katalognummer
V142635
ISBN (eBook)
9783640530427
ISBN (Buch)
9783640530199
Dateigröße
853 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die vorliegende Arbeit behandelt umfassend die Konkurrenzen zwischen UWG und MarkenG. Dabei geht sie insbesondere auf die Vorrangthese und den neuen § 5 II UWG ein. Auch begegnet sie der dazu ergangenen Rechtsprechung kritisch. Schließlich wird ein System erarbeitet, welches eine praktische parallele bzw. konkurrierende Anwendbarkeit der beiden Gesetze sicherstellen soll.
Schlagworte
§ 5 II UWG, Vorrangthese, Markengesetz, Konkurrenz, UWG 2009, vergleichende Werbung, kennzeichenrechtliche Benutzung, ergänzender wettbewerbsrechtlicher Leistungsschutz, Rechtsprechung, Verhältnis, § 5 Abs. 2 UWG 2009
Arbeit zitieren
Daniel Damm (Autor:in), 2009, Die Konkurrenz von Wettbewerbs- und Markenrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142635

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