Zu- und Eingänge im Wandel - Eine Analyse von Eingangssituationen anhand von drei Geschoßwohnungsbauten des 20. Jahrhunderts in Wien


Bachelorarbeit, 2007

33 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

EINLEITUNG UND PROBLEMSTELLUNG

1.1 Zielsetzung und Forschungsfragen
1.2 Methoden
1.3 Aufbau der Arbeit

2. EINGÄNGE ALS RAUMBILDNER
2.1 Raum begreifen - Der Raumbegriff
2.2 Der WegRaum als Zugang zum Eingang
2.3 Die EingangsSchwelle

3. EINGANGSSITUATIONEN IM WOHNBAU
3.1 Bedeutung und Funktion von Zu- und Eingängen
3.2 RaumErschließung - Analyse der Geschosswohnungsbauten
3.2.1 Der Karl-Marx-Hof der 1920er Jahre
3.2.2 Siedlung Görgengasse 26/Weinberggasse 46 aus den 1960er Jahren
3.2.3 Gartensiedlung Ottakring aus den Jahren 1999/2000

4. ERGEBNISSE UND DISKUSSION

5. SCHLUSSFOLGERUNGEN

6. LITERATURVERZEICHNIS

7. ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ANHANG

Für die Raumbildung stellt die Gebäudeerschließung ein wesentliches Element dar. Der Eingang eines Hauses bildet gleichzeitig den Ausgang und hat neben der raumtrennenden auch eine raumverbindende Funktion. Diese Tatsache verleiht den

Übergangszonen, sog. Schwellensituationen, u.a. diese Besonderheit.

Eingangssituationen haben neben ihrer Erschließungsfunktion auch die Aufgabe, das gesamte Gebäude zu repräsentieren. Dabei spielen ihre äußere Gestaltung und Ausformung eine wesentliche Rolle, durch die dem Bauwerk ein gewisser Charakter zukommt. Kompakte Wohnsiedlungen, die aufgrund ihrer gleichförmigen Architektur als Einheit gesehen werden, vermitteln durch ausgeprägte Wege- und Erschließungsformen unterschiedliche Raumeindrücke. Diese sind, je nach Entstehungszeit, von den damals vorherrschenden Bauideologien geprägt. Der Karl- Marx-Hof drückt mit seinen Eingängen das propagandarisierte Wehrhafte der damaligen Zeit aus, während die Nachkriegsjahre und die Zeit des Wiederaufbaues von standardisierten Gemeindebauten wie der Weinberg-Görgensiedlung geprägt waren. Die zeitgenössische Architektur am Beispiel der Gartensiedlung Ottakring hingegen bringt durch ihre vielseitige reihenhausähnliche Bauweise wiederum neue Typen der Erschließung hervor.

Obwohl sich diese drei Siedlungen des 20. Jahrhunderts im Hinblick auf ihre Entstehungszeiten architektonisch deutlich voneinander unterscheiden, lassen sie bei genauerem Betrachten der Freiraum- und Erschließungssysteme Gemeinsamkeiten erkennen. Auffällig daran ist, dass das System der Haupt- und Nebenerschließungswege und das Element Stiegenhaus immer wieder anzufinden sind. Diese Beispiele zeigen, dass sich bestimmte Gestaltungsmaßnahmen über Jahrzehnte bewährt haben und lediglich in ihrer Form Unterschiede aufweisen, jedoch nicht in ihrer Funktion.

Anhand dieser drei Siedlungen erkennt man auch, dass Eingänge wichtige Funktionen der Identifikation mit dem Wohnumfeld erfüllen. Die Möglichkeit dafür bietet die Gestaltung der Freiräume bzw. die gestalterische Differenzierung in öffentlichen, halböffentlichen und privaten Freiraum. Je privater der Eingang wird, desto persönlicher wird auch seine Gestaltung durch die BewohnerInnen. Eine andere Möglichkeit stellt die Farbgebung der Eingänge dar. Sie bilden gleichzeitig Orientierungspunkte und verleihen den ansonsten eintönig wirkenden Siedlungsbauten einen individuellen Charakter.

Eingangssituationen sind einem stetigen Wandel unterlaufen. Zu- und Eingänge von Siedlungsbauten weisen untereinander Ähnlichkeiten auf, entwickeln sich aber, aufgrund neuer Nutzungsmöglichkeiten und architektonischer Ausdifferenzierungen, weiter. Durch ihre Gestaltungen entstehen unterschiedliche äußere Eindrücke, die wiederum den Zeitgeist, in der die Siedlung entstand, einfängt und zum Ausdruck bringt.

The opening up of buildings is a fundamental element for the creation of space. The entrance can also be seen as an exit and combines the functions of seperating and connecting spaces. This fact is characteristic for transitional zones, also known as thresholds. Entrances mainly serve as opening ups, but they further represent the whole building, too. In this case the external forming and appearance assign special characteristics to the building. Compact housing estates form an integrated whole because of its homogeneous architecture. Housing estates are always arranged with marked types of pavements and coverage, which convey various impressions of space. Every forming process was influenced by the ideology, which dominated in each case´s construction year. The entries of the Karl-Marx-Hof show willingness of restistance and the strong influence of propaganda at that time. The post-war architecture was marked of standardize communal buildings like Weinberg-Görgengasse. Gartensiedlung Ottakring as an example of contemporary architecture offers new examples of opening ups, because of its interlocked and combined constructions.

Although this three examples of housing estates differ in their architecture, they have some aspects in common. It´s remarkable, that the system of “main and side pavement” and the element staircase recure in every example. This shows the meaning of those forming measures, which proved a success. In the curse of time they changed their form, but not their function. Entrances also serve important functions of identification with the residential sorrounding.The possibility offers the arrangement of space, exactly the different organization of public, semi-public and private spaces. The more private the entry becomes the more personal touch its arrangement gets by the occupants. A further possibility gives the colouring of the entries. If the staircase or the door is giving an individual colour, the are percieved as points of reference and assign an individual character to the mostly homogeneous buildings.

Entrances are always changing. Access roads, gates and entries of housing estates are alike and sometimes they are very similar. But in fact they are always changing because of its modification of using or architectural development.

Einleitung und Problemstellung

Zu- und Eingänge repräsentieren die gesamte Struktur eines Gebäudes und geben dem/der BetrachterIn, meist unbewusst, einen ersten Eindruck von einem Wohnkomplex. Entweder vermitteln sie Abweisung bzw. Einladung oder Passivität. Diese Eindrücke werden ausschließlich durch ihre Form und Gestaltung erzielt, die sich zum Teil aus ihrer Baugeschichte ableiten lassen.

Die Schwelle als Begriff in unserem Sprachgebrauch, spiegelt die Besonderheit, für die sie steht, wider: „über die Schwelle tragen“, „Schwellenländer“, „Hemmschwelle“ usw. Tor und Tür als architektonische Schwellenobjekte haben seit Jahrtausenden wichtige Funktionen zu erfüllen. Sie schützen vor äußeren Umwelteinflüssen oder Fremden; sie verbinden aber auch Räume mit- bzw. trennen sie voneinander.

Die Schwelle kann räumlich in unterschiedliche Ausbildungen transformiert werden: baulich, durch eine Tür, ein Tor, oder topografisch mittels Stufen oder eines Walls. Die Gestaltung vom Übergang Innen/Außen bzw. die Ausbildung der Schwellensituation wird in der Architektur auf verschiedene Formen übertragen. Man findet Glasbauten wie Wintergärten, Terrassen, die über Stege erreichbar sind, Balkone und ähnliches.

Die folgende Arbeit befasst sich einerseits mit der grundlegenden Definition von Räumen und Schwellen, aber auch mit der Bedeutung und Funktion der Eingänge, andererseits mit der Analyse der Erreichbarkeit bzw. äußere und innere Erschließung von Geschosswohnungsbauten. Darauf aufbauend leitet sich die Frage ab, ob sich die Gestaltung der Zu- und Eingänge im Siedlungsbau in den letzten Jahrzehnten merkbar verändert hat. Um diese zu beantworten wird anhand von drei Beispielen in Wien die bauliche sowie funktionale Entwicklung analysiert und interpretiert.

Die Idee zu diesem Thema entwickelte sich aus einer Siedlungsbesichtigung im Rahmen der „Übungen mit Feldarbeiten zu Landschaftsarchitektur“ im Wintersemester 2006. Zweck dieser eintägigen Spazierfahrt per Rad durch den 13. und 23. Wiener Gemeindebezirk war, verschiedene Wohnsiedlungen aus unterschiedlichen Entstehungszeiten hinsichtlich ihrer Freiraumqualitäten zu analysieren und sie untereinander zu vergleichen. Dabei erkannte ich Unterschiede zwischen den Erschließungssystemen, sowie deren Zusammenhang mit den siedlungsnahen Freiräumen. Daraus formulierte sich langsam, immer konkreter werdend, ein Bearbeitungsschwerpunkt für meine Bakkalaureatsarbeit. Für die detailliertere Fragestellung zur Bearbeitung des Themas diente die Ausarbeitung einer Forschungsfrage sowie die Definition eines Forschungszieles.

1.1 Zielsetzung und Forschungsfragen

Die Schwellensituation eines Wohnbaues wird als wesentlicher Analysepunkt von Freiraumqualität verstanden. Der Übergang von Außen nach Innen (bzw. umgekehrt) ist für PlanerInnen einer der interessantesten Raumaspekte und stellt auch eine Herausforderung an deren Gestaltung dar.

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand von ausgewählten Bauprojekten in Wien, die Bedeutung und Funktion sowie die Entwicklung von Eingangsituationen zu beschreiben. Dabei wird versucht, im Hinblick auf das gesamte Gebäude und seine Entstehungszeit bzw. hinsichtlich seines Freiraumes, die wahrnehmbare Schnittstelle zwischen Innen und Außen als integrierter Bestandteil des Ganzen zu verstehen.

Die ausgewählten Objekte stammen aus verschiedenen Bauepochen. Aus diesen drei Analysen wird versucht, eine nachvollziehbare bauliche als auch funktionale Entwicklung zu beschreiben. Die zu beantwortenden Fragen leiten sich daher ab:

- Wie sind Zu- und Eingänge im Wohnbau ausgestaltet und wie wirken sie; welches Erschließungssystem ist zu erkennen?
- Welcher planerische Hintergrund, welche Absicht steckte hinter der Gestaltung?

Gibt es eine merkbare Entwicklung bzw. Veränderung der Eingangsituationen im Laufe des 20. Jahrhunderts? Wenn ja, wie und warum haben sie sich verändert?

Die konkrete Auseinandersetzung mit Eingangssituationen anhand dieser Beispiele soll verdeutlichen, dass sowohl Wegesysteme als auch Hauseingänge wichtige Bestandteile unseres täglichen Raumbewusstseins darstellen. Ihnen soll daher in dieser Arbeit vermehrt jene Aufmerksamkeit zukommen, die sie im Laufe der Zeit durch das „Selbstverständlich-Gewordene“ verloren haben. Ein Weg bzw. Eingang ist deshalb ein starkes Ausdrucksmittel der Gestaltungsidee und spiegelt viele ihrer Absichten wider, wenn auch oft auf subtilere Weise als das Haus oder der Garten.

1.2 Methoden

Die Herangehensweise zur Beantwortung auf die gestellten Forschungsfragen setzt sich zusammen aus einer umfassenden Literaturrecherche, sowie aus den Aufnahmen von drei für ihre Entstehungszeit (teilweise) prägenden Siedlungen.

Bezogen auf das Thema der Schwelle findet man in der Literatur vorwiegend Theorien und Thesen in Verbindung mit dem Raumbegriff. Der Begriff der Schwelle selbst wird eher allgemein und in psychologischer Hinsicht abgehandelt. Eine eigene Abhandlung in Buchform aus psychologischer und philosophischer Sicht der Zu- und Eingängen als architektonische Elemente konnte ich bei meiner literarischen Nachforschungen in den Bibliotheken der Universität für Bodenkultur, Technischen Universität sowie der Universität Wien nicht finden. Im Hinblick auf die Raumabfolge entlang des Wegraumes findet man jedoch eine grundlegende Arbeit von Bernd Krämer aus dem Jahr 1983, auf die sich meine theoretische Analyse u.a. beziehen wird. In seiner Dissertation behandelt er auch die Schwelle als besonderes Moment des Wegraumes. Zu diesem Thema verfasst Saeverin eine tiefgreifende Arbeit (2003), in der er sich dem Begriff der Schwelle auf philosophische Weise annähert. Beide Werke bilden vorwiegend die theoretische Grundlage für meine Untersuchungen.

Die angegebene Literatur zu den Wohnbauten bezieht sich größtenteils auf ähnliche bereits realisierte Projekte im Bereich des verdichteten Wohnbaues bzw. auf dessen Architekturgeschichte. Vor allem zum Thema „Karl-Marx-Hof“ findet man viele geschichtliche wie architektonische Auseinandersetzungen; aber kaum bis keine detailliertere Problembearbeitung bezogen auf Zu- und Eingänge. Mithilfe der literarischen Grundlage und den Erkenntnissen der Aufnahmen wurden die Zu- und Eingangssituationen der einzelnen Bauprojekte interpretiert. Für den strukturierten Ablauf der Analyse von Geschosswohnungsbauten bezüglich ihrer Erschließungssysteme diente eine von der Stadtplanung Wien herausgegebene Dokumentation über die Qualitätsmerkmale der Freiflächen im Wohnbau. Diese Aufgliederung in „Beziehung nach außen“ und „äußere und innere Erschließung“ diente als weitere Hilfestellung bei der Vorgangsweise meiner Aufnahmen.

Detailliertere Analysepunkte stellt Krämer in seiner bereits oben erwähnten Arbeit zu Verfügung. Dabei stehen vor allem die Größe und Dimension, die Beleuchtung, die Nutzung, die Ausstattung der Oberflächen der Eingänge im Vordergrund.

Die für die Analyse grundlegende Vorgangsweise setzte sich zusammen aus einem Spaziergang vor Ort sowie einer städteplanerischen Analyse zum besseren Verständnis der Siedlungsentwicklung. Die Wahl der drei Geschosswohnungsbauten ist bedingt durch die Bauzeit und die damit einhergehende Baugeschichte (Karl-Marx-Hof), die eine neue Ära des kommunalen Siedlungswesens einleitete, sowie durch die interessante bzw. zum Teil untypische Lage der Siedlungen (19. Bezirk bzw. eher innerstädtischer Bereich). In allen drei Fällen war dafür auch die öffentliche Anbindung ausschlaggebend, da durch die günstige Verbindung die Möglichkeit gegeben war, die Siedlungen öfter zu besichtigen.

Für eine nachvollziehbare Interpretation war die Auswahl an aussagekräftigen Siedlungsbeispielen nötig. Um eine tatsächliche Entwicklung der Eingänge untersuchen zu können, fiel die Wahl auf Beispiele, die in ihrer Entstehungszeit klar voneinander zu trennen sind. Die Siedlung stammen demnach aus den 1920er Jahren, den 1960er Jahren sowie aus dem Jahr 2000. Nur durch diese zeitliche Trennung konnten Unterschiede, aber auch Parallelen untersucht werden.

Die Aufnahme der Fallbeispiele erfolgte anhand einer Plangrundlage (Grundrisspläne) und einer Liste mit wichtigen Aufnahmepunkten, die zuvor mithilfe der Literatur stichwortartig zusammengestellt wurde. Damit ein besserer Vergleich zwischen den verschiedenen Siedlungen ermöglicht wird, wurden drei Analyseschwerpunkte herausgefiltert und nach dem Prinzip „Vom Großen ins Kleine“ vorgegangen. Die Aufnahmepunkte umfassten Kriterien der äußeren und inneren Erschließung, aber auch Einzelheiten zu den Hauseingängen (siehe Anhang). Am Anfang steht die Äußere Erschließung, die die verkehrstechnische und kommunikative Anbindung nach außen umfasst. Daran anschließend wird die Innere Erschließung in Verbindung mit der Äußeren näher untersucht. Die Innere Erschließung stellt auch den „Vorplatz“ der Gebäudeerschließung dar und steht somit mit dieser eng in Verbindung. Sie umfasst die Zugangswege, durch die das Gebäude erreicht wird. Für die spätere Vergleichsmethode diente zudem eine Fotodokumentation vor Ort, die ebenfalls die äußeren und inneren Erschließungsmerkmale erfasst. Sie dient der besseren Darstellung der Analyse und des Verständnisses der Beschreibungen; im Text wird deshalb laufend auf die zugehörigen Abbildungen verwiesen.

1.3 Aufbau der Arbeit

Zur vereinfachten Darstellung des umfassenden Thematik der Eingänge wird im Vorfeld eine grundlegende Definition des Raumbegriffes nötig sein. Da Eingänge als besonderer Teil eines Raumes gesehen werden, ist zunächst seine Darstellung bzw. eine genaue Vorstellung einer Raumsituation von entscheidender Bedeutung. Nur durch die Klärung des allgemein gebrauchten Raumbegriffes und seine Verwendung in der Architektur kann eine logische bzw. nachvollziehbare Abhandlung des Themas erfolgen. Mithilfe dieses Begriffes kann in weiterer Folge das Paradoxon der verbindenden wie auch trennenden Aufgabe des Raumelementes „Wegraum“ dargestellt werden.

Daran anschließend wird ausführlich der psychologischen Besonderheit der Schwelle sowie der Bedeutung und Funktion von Zu- und Eingängen als besonderes Raumerlebnis eines Wegraumes nachgegangen. Die sich dabei ergebenden Untersuchungen aus Raum, Wegraum und Schwelle werden im darauf folgenden Kapitel 3.2 analytisch angewandt. In diesem Abschnitt werde ich drei ausgewählte Geschosswohnungsbauten hinsichtlich ihrer Erschließung und Eingangssituationen, sowie die Gestaltung und Wirkung der Zu- und Eingänge untersuchen und miteinander vergleichen. Daraus ergeben sich im unterschiedliche Aufnahmen, an denen wesentliche Entwicklungen im Laufe der Geschichte festgestellt werden können.

2. Eingänge als Raumbildner

2.1 Raum begreifen - Der Raumbegriff

Für eine Definition des Raumes existieren bereits verschiedene Sichtweisen. Um an dieser Stelle einige dieser unterschiedlichen Betrachtungsweisen zu erläutern, wird in der folgenden Auflistung nur kurz versucht, sie zu erklären. Der eigentliche Schwerpunkt für diese Arbeit liegt auf dem architektonischen Raum.

Die übliche erste Assoziation zum Begriff des Raumes umfasst die des umbauten Raumes eines Gebäudes. Das Zimmer bzw. der umschlossene Innenraum eines Hauses werden als typische Raumdefinitionen und -vorstellung herangezogen. Bewegt man sich nun nach Außen, also in den Außen-Raum bzw. Freiraum, bekommt der Raum andere wahrnehmbare Eigenschaften - er wandelt sich ins Gegenteil - den nicht bebauten freien Raum.

In den unterschiedlichsten Disziplinen und Wissenschaften beschäftigt man sich schon seit Jahrhunderten mit dem Phänomen des Raumes. Sowohl in der Physik (Raum und Zeit, unendlicher Raum), als auch in der Geographie, Soziologie und Philosophie findet man gedankliche Ansätze und Theorien über dieses Thema.

Newton, beispielsweise, definiert den Raum als leeren und unbeeinflusst von, sich in ihm befindlichen, physikalischen Vorgängen. Für ihn existiert ein Raum auch ohne Materie und basiert auf rein geometrischen Eigenschaften. Eine gegenteilige Anschauung vertreten Anhänger des Materialismus. Sie meinen, dass erst die Materie den Raum zum Raum macht.

Eine wesentlich differenziertere Vorstellung vertritt Platon: Aufbauend auf seine Elementenlehre formt er den Begriff des Raumes, der durch das in ihm befindliche Entstehen (d.h. durch das Ineinanderwirken der Elemente Wasser, Luft und Erde) bestimmt wird. Er versucht somit eine Entmaterialisierung der Raumdefinition. Der Raum ist für ihn in weiterer Folge kein Anschauungsraum, sondern wird auf einer übersinnlichen (nicht durch die Sinne erfahrbaren) Ebene wahrgenommen (vgl. Lee, 1999, 104ff).

Mit dieser Definition kommt man der des architektonischen, und somit jener, mit der sich ArchitektInnen und LandschaftsarchitektInnen befassen, langsam näher. Einstein formuliert seine These des Raumes mithilfe von Objekten: „Raum wie Ort sind eine Art Ordnung körperlicher Objekte und nichts als eine Art Ordnung.“ (A. Einstein) Dieser Ansicht liegt eine zwischen den Objekten bestehende Korrelation zugrunde. Aus der Anordnung einzelner Objekte bzw. Elemente zueinander entstehen demnach Räume. Um eine wahrnehmbare Ordnung zu erzeugen, eignen sich als raumbeschreibende Kategorien Richtung, Distanz und Konnektivität. Unter der Richtung versteht man dabei entweder die Himmelsrichtungen oder aber die unmittelbare relative Lage im Raum: oben, unten, rechts, links, vorne, hinten. Die Distanz hingegen ermittelt den Abstand der Elemente zueinander oder zu ihrem/ihrer BetrachterIn, während die Konnektivität diese Subjekt-Objekt-Beziehung an sich untersucht (vgl. Krämer, 1983, 22ff).

Durch diese Eigenschaften wird dem Raum eine Mehrdimensionalität gegeben, die mit den menschlichen Sinnen durch tasten, sehen, fühlen, riechen (weniger schmecken) wahrnehmbar werden.

Durch die Interaktion von Objekten, die den Raum bilden, und den wahrnehmenden Personen, entwickelt sich eine wechselseitige Beziehung, durch die der Raum einerseits zum erlebten Raum wird, andererseits einen gewissen Charakter erfährt. Tätigkeiten, Geräusche, Gerüche, sowie Nähe und Distanz werden von den sich im Raum befindlichen Personen aufgenommen, als Reize verarbeitet und erzeugen im Menschen eigene Reaktionen. Das gegenseitige Reiz-Reaktion-Verhalten entsteht dadurch, dass als Folge der Reizverarbeitung ein bestimmtes Verhalten als Reaktion auf die wahrgenommenen Objekte und Handlungen und damit wiederum eine Raumbildung erfolgt. Dieses psychologische Phänomen äußert sich in der Bildung von spezifisch genutzten Räumen (vgl. auch Hall, 1976):

- Intimraum
- Persönlicher Raum
- Privater Raum
- Sozialer Raum
- Halböffentlicher Raum
- Öffentlicher Raum

Durch ihre individuell ausgeprägten Raumbegrenzungen sowie raumbeschreibenden Kategorien erfahren diese „Orte im Raum“ verschiedene Charaktere. Der architektonische Raum besteht demnach aus zwei Raumdefinitionen: einerseits bilden die raumumgrenzenden Elemente den Raum (beispielsweise Boden, Decke und Wände eines Zimmers), andererseits die baulich-physischen Objekte, die den (durch ihre raumbeschreibenden Kategorien) wahrnehmbaren Raum bilden. Diese zwei Betrachtungsweisen sollten einander nicht ausschließen; sie bilden die Grundlage für unser tägliches Raumbewusstsein bzw. auch unsere - wahrnehmung und als Folge dessen auch der Orientierung (vgl. Krämer, 1983, 24f).

Aus Ton entstehen Töpfe aber das Leere in ihnen erwirbt das Wesen des Topfes

Mauern und Türen und Fenster bilden das Haus aber das Leere zwischen ihnen erwirbt das Wesen des Hauses

Das Stoffliche bringt Nutzbarkeit das Unstoffliche bringt Wesenheit (Lao-tse aus dem Tao-te-king)

2.2 Der WegRaum als Zugang zum Eingang

Um die vorangegangene allgemeine Definition des Raumes auf ein konkretes Thema umzulegen, wird nun im Folgenden der Weg als spezielle Form des architektonischen Raumes definiert. Eine klar definierte Aufgabe des Weges ist die Erschließung des Raumes. Dies geschieht auf zweifache Weise (vgl. Krämer, 1983, 119):

- zum Einen physisch-strukturell, indem der Weg als Zugang Abgrenzungen überwindet und gleichzeitig den Raum organisiert. Wegeverbindungen, Kreuzungen oder besondere Ausformungen werden vom Menschen als Orientierungspunkte wahrgenommen. Unter den verschiedenen Wegenetzen findet man auch ausgeprägte Wegehierarchien, sowohl im großen als auch im kleinen Maßstab.

- Zum Anderen psychisch-symbolisch, indem der Begriff „Weg“ selbst zum

„sinnhaften“ Erlebnis wird. Er stellt damit die erlebbare „Reise“ zu einem Ziel dar. Auch das Sprichwort „Der Weg ist das Ziel“ stellt den Weg als grundlegende Erfahrungsmethode dar. Auch der Begriff der „Methologie“ enthält den Weg = hodos als beschreibendes Element in der Durchführung eines Vorhabens, um ein Ziel zu erreichen.

In philosophischer Hinsicht stellt er auch den „Weg des Lebens“ dar, den jeder Mensch selbst bewältigen muss. Um sein Ziel zu erreichen gibt es „verschiedene Wege“, die jeder für sich selbst erst finden muss. Für den Bereich der Architektur beinhaltet der Wegraum als besondere Ausbildung des Raumes eine eigene Erlebnisdimension - nämlich die der Bewegung. Entlang eines Weges „durchläuft“ man eine Abfolge von verschiedenen Räumen (Übergangszonen), während man sich selbst auf „dem Weg zu einem Ziel“ (meist in einen weiteren Raum) befindet. Dieses Wegerlebnis bedeutet für die Gestaltung erlebbare Hindernisse, die bewältigt bzw. umgangen werden, oder besondere Sichtverbindungen aus einem sich verändernden Blickwinkel. Dass man sich „auf dem Weg befindet“ hat wiederum zwei für die Raumdefinition interessante Aspekte. Der Weg als einerseits raumteilendes Element, und andererseits als raumverbindendes Element. Dieses Phänomen tritt auch bei der Schwelle auf, die im nachfolgenden Kapitel noch näher erläutert wird.

2.3 Die EingangsSchwelle

Die Begriffsverwendung der „Schwelle“ ist - wie auch beim Raum - eine sehr vielseitige. In den unterschiedlichsten Disziplinen wird dieser Ausdruck anders gedeutet.

Aus der Psychologie kennt man die „Reiz- und Hemmschwelle“, aus der Wirtschaft die sog. „Schwellenländer“ und in der Metaphysik stellt die Schwelle den Übergang von Leben zum Tod dar. Diese Beispiele, um nur einige zu nennen, zeigen, dass der Begriff selbst vorwiegend symbolisch/psychologischer Natur ist, aber auch häufig als Metapher benutzt wird. Es gibt auch Fachrichtungen, die den Ausdruck für konkrete Dinge bzw. für Bauteile verwenden. Im Eisenbahnbau stellen Schwellen die Holzlatten zwischen den Schienen dar; in der Architektur den untersten Teil eines Türrahmens. Allen Verwendungen gemeinsam ist aber die Beschreibung eines Verlaufes - eines Übergehens von einem Zustand in einen anderen. Die Schwelle stellt mathematisch gesehen einen Grenzwert dar, an dem ein bestimmter Zustand in einen anderen übergeht. Man spricht daher auch von einem Moment des „Umkippens“ (Krämer, 1983, 205).

In der Raumwahrnehmung hat die Schwelle eine besonders interessante Stellung. Hier wird der Sachverhalt des Architektonischen mit dem der Psychologie verbunden, womit die Schwelle sowohl bauliches Element als auch unbewusst erlebbares Symbol wird, das auf das Verhalten des Menschen direkten Einfluss ausübt. In der Architektur findet die Schwelle unterschiedliche gestalterische Umsetzung: im einfachsten Fall dienen dazu eine Tür, ein Tor, ein Durchgang, Bogen sowie topografische Veränderungen, Verengungen/Ausweitungen u.ä. Die Übergänge werden je nach Gestaltung entweder scharf oder eher fließend (eine Art Schleuse) gezogen.

Schon 1899 beschrieben Mauss und Hubert ein Dreiphasensystem bei der Analyse von Opferhandlungen, in dem die dritte Phase eine Interpretationsart von Schwelle darstellt. (Saeverin, 2003, 25):

- Trennungsphase: Loslösung vom ursprünglichen Ort
- Schwellenphase: das Befinden zwischen zwei Welten
- Angliederungsphase: Eintreten in die neue Welt bzw. Rückkehr

Diese Verbindung mit der sakralen Welt lässt erkennen, dass der Begriff Schwelle in früherer Zeit vor allem religiös beprägt war. Bollnow sieht zwischen dieser Betrachtungsweise und jener aus der Architektur durchaus Parallelen:

„Das Durchschreiten der Tür ist das Überschreiten der Schwelle, womit man in der Regel den unteren Türbalken bezeichnet. Die Schwelle bezeichnet darum noch bestimmter die Grenze zwischen dem Drinnen und dem Draußen. [...] Ganz anders stellen sich die Verhältnisse für denjenigen dar, der von außen her kommend, durch die Tür in den Raum eintritt; denn er tritt dadurch in den Lebensbereich des anderen Menschen - oder wenn wird den analogen Fall des mit dem Haus letztlich gleichbedeutenden Tempels gleich hinzunehmen: in den Machtbereich der Gottheit ein“ (Bollnow, 1976, 157).

Hier wird die Schwelle klar als Grenze gesehen. Arbeitet man jedoch mit dem architektonischen Raum, wird man feststellen, dass Grenzen und Schwellen nicht immer ident sein müssen. In der Philosophie werden diese beiden Begriffe deutlich voneinander getrennt. Es wird dargelegt, dass sich „Grenze und Schwelle darin unterscheiden, dass Grenze sowohl als trennend und verbindend [...], als auch als nur trennend [...] verstanden werden muss. Schwelle dagegen vereint stets die Rückkoppelung des Trennens und Verbindens. Somit gilt auch das Kriterium der relevanten Lage notwendig für die Schwelle, für die Grenze ist es lediglich hinreichend“

(Saeverin, 2003, 134). Die relevante Lage meint dabei die räumliche Lage, durch die die Schwelle zusätzlich unterschieden werden kann. Die Metaphysik von Aristoteles befasst sich ausführlich mit der Beziehung der Schwelle zur Lage. Er verdeutlicht darin, dass die Schwelle erst durch ihre räumliche Lage gebildet werden kann, wobei er diese beiden Begriffe als Analogien zu seiner Substanzdefinition heranzieht (vgl. Uberoi in Saeverin, 2003, 134f).

An die oben erwähnte Phasenstruktur schließt 1909 Arnold van Gennep mit seinen Überlegungen zum Begriff der Schwelle an und entwickelt daraus seine Thesen der „Übergangsriten“. Für ihn stellt die Schwelle einen eigenen Raum dar, nämlich den Moment des Übergangs. Seine Riten bezeichnen räumliche, soziale und zeitliche Übergänge, die sie begleiten und kontrollieren (vgl. Saeverin 2003, 25). Er beschreibt damit einen selbstständigen Bereich, der eigene Kennzeichen und Eigenschaften besitzt. Die Schwelle ist somit der „Zwischenraum“ zwischen Drinnen und Draußen. Dieser Zwischenraum erhält nach Gennep auch symbolische Bedeutung, deren man sich während des „Überschreitens“ der Schwelle durch Innehalten bewusst wird (vgl. Saeverin, 2003, 43). Diese aktive Wahrnehmung ist sowohl beim Eintreten in öffentlich sakrale Bauten, als auch in Amtsgebäude und private Häuser zu erkennen. Solche Erfahrungen können demnach helfen, bestimmte Grenzen zu erkennen und als solche wahrzunehmen (vgl. Saeverin, 2003, 138). Diese Wahrnehmung wird dadurch erzeugt, wie Eingangssituationen auf den Passanten wirken. Die äußere Gestalt beeinflusst das Empfinden dafür, sowie für den spannungsgeladenen Schwellenmoment. Eine Schwelle zu überschreiben, bedeutet auch, nicht zu wissen, was einen auf der anderen Seite erwartet. Eine bewusste Gestaltung kann daher helfen, die Nutzer auf die Zustandsänderung vorzubereiten (vgl. Krämer, 1983, 207ff).

Wie schon angedeutet, hat die Schwelle eine interessante Konfliktsituation zu bewältigen - die Aufgabe gleichzeitig Räume zu trennen, aber sie auch zu verbinden. Krämer erklärt die daraus resultierende Kontroverse dadurch, dass „jede Grenze [sei] der räumliche Ausdruck eines Verhältnisses zwischen zwei Nachbarn, der als Spannungszustand gleichzeitig gegebener offensive und wie defensive, als latente Konflikt-Situation zu erklären sei.“ Er erklärt weiter, dass der Konflikt eben aus den „unterschiedlichen Zuständen auf beiden Seiten dieser Abgrenzung wie aus der aus beiden Richtungen unterschiedlichen Interpretierbarkeit dieser Schwelle [...]“ entstehe (Krämer, 1983, 204). Von ähnlichen Unterschieden schreibt auch Saeverin, indem er dem inneren Raum konsistente, dem äußeren inkonsistente Zustände zuschreibt, wobei es „dem einzelnen zur Bewertung obliegt, um dasjenige mit in das eigene Zimmer zu nehmen, was der Konsistenz entspricht“ (Saeverin, 2003, 128). In gleicher Weise spricht Bollnow von einer sog. „Geborgenheit des Hauses“, die dadurch entsteht, dass an der Schwelle das Gute entschieden, denn Böses bzw. „Unrechtes“ soll nicht ins Haus gelangen (vgl. Seneca in Saeverin, 2003, 128).

Die Bewältigung des Übergangs vom Einen ins Andere kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Jede Art hat folglich andere für Benutzer spürbare Auswirkungen (nach Krämer, 1983, 212ff):

- der abrupte Übergang: Zustandänderung ohne gestalterische Trennung, z.B. Falltür
- der kontrastierende Übergang: der neue Zustand wird mit einem „Überraschungseffekt präsentiert, der im Gedächtnis bleiben und die Neugier wecken soll, z.B. Repräsentationsbauten
- der gleichmäßige Übergang: ist eine stufenweise Zustandsänderung, die ohne effektvolle oder überraschende Spannung vermittelt
- der modulierte Übergang: er mildert die Erlebnisdissonanz und vermittelt Orientierungshilfe, die an die Konfliktsituation angepasst wird. Im Gegensatz zum kontrastierenden Übergang wird hier ein Sicherheitsgefühl vermittelt.

Es gibt nun mehrere Formen, diese Schwellentypen zu übertreten bzw. sie zu passieren. Saeverin stellt dazu zwei Ebenen dar: das Über und das Durch. „Mit über ist dabei etwas im Sinne einer übergreifenden Ordnung [...] gemeint, mit durch das Verlassen des einen bei Angliederung des anderen.“ Das Über erfolgt demnach entweder „über ein Hindernis“ drüber oder „eine Grenze hinweg“ (Saeverin, 2003 ,92). Eine weitere Unterscheidung erfolgt zwischen vertikalen und horizontalen Übergängen. Die Überwindung von vertikalen Schwellen erfordert demnach bewusste Handlungen und Wahrnehmungen, während horizontale davon weitgehend unabhängig sind (vgl. Saeverin, 2003, 112). Im Falle der Zu- und Eingänge eines Gebäudes oder einer Wohnsiedlung kommen alle vier Arten in Frage. Zum Einen werden Grundstücksgrenzen und Türschwellen über-, zum Anderen Torbögen, Durchgänge oder Vordächer durchschritten. Ebenso kommen vertikale Schwellenübergänge durch Treppen, Rampen und Einfriedungen/Erhöhungen zum Ausdruck, während unterschiedliche Oberflächengestaltung oder Brückenbauten horizontale raumtrennende Eigenschaften besitzen.

Durch diese psychologische Aufgabe, die die Gestaltung von Schwellensituationen zu erfüllen hat, kristallisieren sich Nutzungshierarchien heraus. Eine Wohnsiedlung beispielsweise wird üblicherweise nur eine bestimmte Kategorie Menschen durchqueren, während entlang von Straßen (wo es selten zur Ausprägung von Schwellensituationen kommt) alle die Möglichkeit ergreifen, sie zu benutzen.

Zu- und Eingänge haben demnach mehrere Funktionen zu erfüllen. Einerseits Räume zu trennen bzw. sie zu verbinden (und somit eine Nachbarschaft herzustellen), andererseits weisen sie eine Art Filterwirkung auf, die sich wiederum auf die Nutzung auswirkt. Ebenso geht die Unterscheidung von Privatem, Halböffentlichem und Öffentlichem sowohl auf diese Filterwirkung, als auch auf den bewussten Einsatz von baulich-gestalterischen Elementen als Schwellenzone zurück.

3. Eingangssituationen im Wohnbau

3.1 Bedeutung und Funktion von Zu- und Eingängen

Der Eingang als grundlegendes wie repräsentatives Element eines Gebäudes hat sich im Laufe der Geschichte in seiner Bedeutung und Funktion nicht wesentlich verändert. Im Gegensatz dazu aber verändern sich im Laufe der Zeit die äußere Gestalt, die Größe und Form, sowie die Ausschmückung und das verwendete Material.

Eingänge waren in ihrer ursprünglichen Form fast ausschließlich funktional bestimmt. Die Eingänge von Höhlenwohnungen mussten groß genug sein, um hineinzugelangen, und klein genug, um gefährliche Tiere fern zu halten. Als „Haustüren“ dienten je nach Bauweise und Region flexible Materialien aus Textilien und Leder (Drexel, 2006, 9).

Die Entwicklung der Baumaterialen erfuhr ständig Revolutionen, womit die Gestaltung im Laufe der Bauepochen aufwendiger wurde. Diese äußeren Kennzeichen waren bezeichnend für die repräsentative Aufgabe eines Gebäudes. Amts- und Sakralbauten verfügten über aufwendig geschmückte Zugänge. Die Bedeutung der prunkvollen Eingänge bei Kirchenbauten ist darauf zurückzuschließen, dass Eintretende schon im Eingangsbereich Demut und eine besondere metaphysische Stimmung empfinden sollen. Mit dem Eingangsbereich von Wohnbauten wurde eine eher geringere architektonische Aufmerksamkeit erreicht. Hier verfügte man einerseits weder über die finanziellen Mittel noch wurde auf diese überladene Bauweise Wert gelegt (vgl. Drexel, 2006, 9f).

Schon seit jeher kam den Eingängen besondere Bedeutung zu. Bei den Griechen verhinderte der Pechanstrich der Tür das Eindringen von Geistern ins Haus. Die Römer beteten zum Tür-Gott Janus, dessen zweiseitiges Gesicht das Innen und Außen darstellte. Früher standen auch viele Bräuche und Rituale in Verbindung mit Tür und Tor: Rechtshandlungen und Eheschließungen wurden abgehalten sowie Veröffentlichungen an die Tür angeschlagen (vgl. Meyer-Bohe, 1977).

Die frühesten Türarten waren beschlagene Bohlentüren, gefolgt von zierlichen Brettertüren, die später durch Aufdoppelungen zum Statussymbol wurden (vgl. Meyer- Bohe, 1977). Im römischen Reich beispielsweise herrschte vor allem in der Architektur der klassische Stil vor. Öffentliche Gebäude verfügten über prunkvolle Eingänge, verziert mit Ornamenten, Figuren und von Säulen eingefasst. Die gesamte Architektur sowie der zugehörige Garten gehorchten den mathematischen Regeln und Gesetzen; oft wurde als gestalterisches Element der magische Kreis als Ideal eingesetzt. Zu- und Eingänge wurden ebenso streng symmetrisch und meist zentral angelegt (Brookes/Price, 1998, 32). Später erfuhr die Architektur des viktorianischen Zeitalters interessante Ausschmückungen im Bereich der Schwelle. Die Schnittstelle zwischen Haus und Garten entwickelte sich zu einem beliebtem Aufenthaltsraum und wurde dementsprechend gestalterisch übersetzt in Form von Pergolen, Wintergärten und Veranden.

In vielen anderen Kulturen zeichneten sich Eingänge als besonderer Aufenthaltsort aus. Vor allem die fernöstlichen Länder u.a. Indien, China und Japan legten viel Wert in die Gestaltung der Hauseingänge. An ihren antiken Bauweisen erkennt man häufig eine Hausöffnung nach Osten, das einen elementaren energetischen Hintergrund aufzeigt - nämlich die Öffnung hin zur Sonne. In fast allen diesen Dörfern und Kulturen findet man Treppen als Zugang zum Eingang. Dies wiederum hatte jene Funktion des Sich-auf- einer-Ebene-Befindens mit den vorübergehenden Passanten, wenn der/die jeweilige HausbewohnerIn auf der Schwelle sitzt. Durch diese Bauweise kann man Blickkontakt herstellen bzw. eine bessere Kommunikation ermöglichen.

Der Eingang als logische Erschließungsform eines Gebäudes hat für den ersten Eindruck eine wichtige Funktion zu erfüllen: Er steht als repräsentativer Teil für das Ganze - den Ort, die Adresse, den Status und das Haus oder das Gebäude selbst. Ein Blick auf den Eingang vermittelt innerhalb von Millisekunden viele Eindrücke über das Innere und die BewohnerInnen. Durch seine Gestaltung nimmt er Kontakt auf und wirkt abweisend, ansprechend, freundlich, schmutzig, edel; kann aber auch schützend oder gefährlich erscheinen. Eingänge stehen für Individualität oder Massenproduktion und stellen wesentliche Elemente der nichtverbalen Kommunikation mit Passanten dar (vgl. Krämer, 1983, 226ff). Bei der Ausbildung von Nutzungszonierungen wie privaten, halböffentlichen und öffentlichen Flächen kommt es auch zu einer differenzierteren Ausgestaltung von Eingängen. Dabei reichen die Gestaltungsmöglichkeiten von einer Eingangsnische über ein Gartentor und einen Weg zum eigentlichen Hauseingang, bis hin zu einer Kombination von Gartentor, Windfang, Sichtschutz usw.

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Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Zu- und Eingänge im Wandel - Eine Analyse von Eingangssituationen anhand von drei Geschoßwohnungsbauten des 20. Jahrhunderts in Wien
Hochschule
Universität für Bodenkultur Wien  (Institut für Landschaftsarchitektur)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2007
Seiten
33
Katalognummer
V142545
ISBN (eBook)
9783640617517
ISBN (Buch)
9783640617425
Dateigröße
3701 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Landschaftsarchitektur, Wege, Wegeverbindung, Erschließung, Karl-Marx-Hof, Zugang, Eingang, Tor, Wohnbau, Siedlungsbau, Geschoßwohnungsbau, Wien, 20. Jahrhundert, Das Rote Wien, landscape planning, Landschaftsplanung, Wegenetz, Hauseingänge, Entwicklung, Historische Veränderung, Wandel, Stiegenhaus, Planungsphilosophie im Wegenetz
Arbeit zitieren
Phillis Cichy (Autor:in), 2007, Zu- und Eingänge im Wandel - Eine Analyse von Eingangssituationen anhand von drei Geschoßwohnungsbauten des 20. Jahrhunderts in Wien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142545

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