Aggression bei Kindern und Jugendlichen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

21 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A. Einleitung

B. Aggression bei Kindern und Jugendlichen
1. Definition und Aggressionstheorien
1.1 Die Aggressions-Trieb-Theorie (Sigmund Freud, Konrad Lorenz)
1.2 Die Frustrations-Aggressions-Theorie (John Dollard)
1.3 Die Lerntheorie
1.3.1 Lernen am Erfolg/Misserfolg (Edward Lee Thorndike,Burhuss Frederic Skinner)
1.3.2 Lernen am Modell (Albert Bandura)
2. Risikofaktoren
2.1 Gesellschaft
2.2 Medien
2.3 Peer-Groups
2.4 Familie
2.5 Schule
2.6 Persönlichkeitsmerkmale
3. Interventions- und Präventionsmöglichkeiten
3.1 Psychologische Intervention
3.1.1 Familienbezoger Ansatz („Parental Management Training“, kurz: PMT)
3.1.2 Der kognitiv-behaviorale Ansatz
3.1.3 Grenzen der bestehenden Behandlungsansätze
3.2 Psychologische Prävention (am Beispiel „FAUSTLOS“)
3.3 Präventionsmöglichkeiten in der Schule

C. Schluss

Literaturverzeichnis

A. Einleitung

„Jedes 4. Kind auffällig aggressiv“, „Elfjähriger Junge erpresst Mitschüler“, „Aggression im Kindergarten: Erzieherinnen in Not“, „Massenschlägerei in Hauptschule“. Solche und ähnliche Schlagzeilen zur Kinder- und Jugendgewalt finden sich immer wieder in verschiedenen Zeitungen. Auch selbst gedrehte Filmchen mit Gewaltszenen auf dem Schulhof kursieren vermehrt im Internet oder werden unter den Kindern und Jugendlichen getauscht und als eine Art „Trophäe“ in der Clique stolz herumgezeigt. Die Aggressionsbereitschaft unter Kindern und Jugendlichen scheint höher zu sein denn je. Aber inwieweit beeinflussen Gesellschaft, Medien, Familie, Schule und Peer-Groups die Entstehung von aggressivem Verhalten bei Kindern und Jugendlichen? Um diese Frage adäquat beantworten zu können, werden zunächst grundlegende Theorien zur Entstehung von Aggressionen vorgestellt, anschließend folgt eine ausführliche Darstellung der Risikofaktoren und damit der Kernteil dieser Hausarbeit. Abschließend möchte ich diverse Interventions- und Präventionsmöglichkeiten aufzeigen.

B. Aggression bei Kindern und Jugendlichen

1. Definition und Aggressionstheorien

Es gibt keinen eindeutigen wissenschaftlichen Aggressionsbegriff. Vielmehr findet man in der Literatur zahlreiche Definitionen, die versuchen das Phänomen Aggression zu beschreiben. Allen gemein ist jedoch, dass sie Aggression (lat. aggressio: „Angriff“) als ein Verhalten verstehen, hinter dem die Absicht steht, einer anderen Person Schaden zuzufügen oder ein Objekt zu zerstören. Dies impliziert, dass aggressive Handlungen nicht nur physische sondern auch psychische Schädigungen zum Ziel haben können.[1]

Sucht man nach dem Grund, warum Kinder und Jugendliche aggressiv werden, so gibt es eine Reihe von psychologischen Theorien, die von renommierten Psychologen entwickelt wurden. Aufgrund der Vielzahl dieser Theorien ist es mir im Rahmen meiner Hausarbeit nicht möglich, auf alle einzeln einzugehen. Demnach werde ich mich im Folgenden auf drei grundlegende Theorien beschränken:

1.1 Aggressions-Trieb-Theorie
1.2 Frustrations-Aggressions-Theorie
1.3 Lerntheoretische Ansätze

1.1 Die Aggressions-Trieb-Theorie (Sigmund Freud, Konrad Lorenz)

Freud vertrat eine dualistische Trieblehre. Diese besagt, dass jeder Mensch von Geburt an zwei einander entgegengesetzte Urtriebe besitzt: den Thanatostrieb (Todestrieb) sowie seinen Gegenspieler Eros (der Lebenstrieb). Der Thanatos ist stets bestrebt, das Lebendige zu zerstören und ist für destruktive Handlungen verantwortlich. Interpersonale Aggression versteht Freud demnach als einen nach außen gerichteten Todestrieb, wodurch eine Entladung der aufgebauten Spannung stattfindet. Der Trieblehre zufolge kann der Tahnatostrieb ebenso selbstzerstörerische Wirkung haben, z.B. in Form von selbstverletzendem Verhalten bis hin zum Suizid.[2]

Auch der Ethologe Konrad Lorenz teilt die Überzeugung, dass der Mensch eine angeborene Neigung zum Bösen besitzt. Seiner Meinung nach, werden in unserem Körper ständig aggressive Impulse erzeugt, die sich solange in uns aufstauen, bis ein bestimmter Schwellenwert überschritten wird und es somit zur Entladung der Aggressionsenergie kommt.[3]

Beide hier aufgeführten Wissenschaftler gehen also von einem anlagebedingten Aggressionstrieb aus, der vor allem der Arterhaltung dient und halten damit aggressives Verhalten als unvermeidbar.

Die Existenz eines angeborenen Aggressionstriebes kann wissenschaftlich nicht bewiesen werden, weshalb die von Freud 1920 aufgestellte Aggressions-Trieb-Theorie heutzutage eher zweifelhaft bleibt.[4]

1.2 Die Frustrations-Aggressions-Theorie (John Dollard)

Einen weiteren Erklärungsversuch für die Manifestation von Aggressionen bei Kindern und Jugendlichen lieferte 1939 J. Dollard mit seiner Frustrations- Aggressions-Hypothese. Dieses Konzept ging ursprünglich davon aus, dass aus Frustration stets Aggression resultiert. Eine Frustration liegt vor, wenn eine zielgerichtete Aktivität unterbrochen oder blockiert wird. Mittlerweile ist die Wissenschaft zu neuen Erkenntnissen gekommen und aktuelle Studien belegen, dass nicht jede Frustration zwangsläufig zu aggressiven Reaktionen führen muss. So wird ein Mensch, der eine Frustration erfahren musste, nicht automatisch mit aggressivem Verhalten reagieren, sondern es steht ihm eine Vielzahl anderer, zum Teil konstruktiver Reaktionsmuster zur Verfügung (z.B. aggressionsfreie Konfliktlösung). Das Verhalten des „Frustrierten“ hängt also vielmehr davon ab, wie dieser die Situation beurteilt (Attribution) als von dem Störfaktor selbst, der die Frustration hervorruft.[5]

1.3 Die Lerntheorie

Während die Vertreter der Aggressions-Trieb-Theorie von einem angeborenen Aggressionstrieb ausgehen, vertreten dagegen die meisten Lernpsychologen die Meinung, dass aggressive Verhaltensweisen auf (reversiblen) Lernprozessen beruhen. Gelernt werden kann auf zweierlei Art und Weise: Einerseits am Erfolg/Misserfolg, andererseits am Modell.[6]

1.3.1 Lernen am Erfolg/Misserfolg (Edward Lee Thorndike,Burhuss Frederic Skinner)

Dem Lernen am Erfolg/Misserfolg liegen drei Prinzipien zugrunde: Es wird unterschieden zwischen der positiven Verstärkung, negativen Verstärkung sowie der Duldung von aggressivem Verhalten.

Ersteres meint die Verstärkung des aggressiven Verhaltens aufgrund des Erreichens eines angestrebten Ziels. So wird ein Kind, das durch eine aggressive Handlung einen gewünschten Gegenstand erhalten hat, auch in Zukunft geneigter sein, Aggression als Mittel zum Zweck einzusetzen.

Von negativer Verstärkung aggressiven Verhaltens spricht man, wenn ein bedrohliches Ereignis oder ein unangenehmer Zustand durch die Anwendung von Gewalt erfolgreich verringert, beseitigt oder verhindert werden konnte.

Die Duldung aggressiven Verhaltens kann verstärkend wirken, denn das Ausbleiben der Intervention bei aggressiven Verhalten ist eine mehr oder weniger stillschweigende Zustimmung gegenüber der Aggression.

Genauso wie aggressive Verhaltensweisen erlernt werden, ist es prinzipiell auch möglich, diese wieder zu verlernen. Dies ist vor allem durch die Veränderung all jener Bedingungen möglich, die Aggression entstehen lassen, verstärken und aufrechterhalten.[7]

1.3.2 Lernen am Modell (Albert Bandura)

Gemäß dieser Theorie wird aggressives Verhalten durch Nachahmung bestimmter Modelle erworben (Vorbildlernen). Untersuchungen haben gezeigt, dass es dabei keine Rolle spielt, ob das Modellverhalten von Personen direkt, also „live“ miterlebt oder lediglich indirekt über Medien wahrgenommen wird. Allgemein lässt sich sagen, dass je erfolgreicher und beliebter das Modell beim Beobachter ist, desto mehr von seinem Verhalten übernommen wird. Besonders Vorbilder aus der primären Sozialisationsinstanz Familie sind sehr prägend. Aber auch die Wirkung der Medien ist in der heutigen Zeit nicht zu unterschätzen.[8] Hier stellt sich die Frage, ob und inwieweit Gewaltdarstellungen in Massenmedien Aggressionsbereitschaft steigern und Nachahmungseffekte haben. Dieser Aspekt wird unter Punkt 2.2, den Risikofaktoren für aggressives Verhalten näher beleuchtet.

2. Risikofaktoren

Die Entstehung von aggressivem Verhalten lässt sich nicht auf eine einzige Ursache zurückführen. Vielmehr ist es ein Wechselspiel mehrerer Faktoren, die aggressives Verhalten bei Kindern und Jugendlichen begünstigen können. Es ist sehr wichtig, die Risikofaktoren für Aggressionen zu kennen, um adäquate Präventions- und Interventionsmaßnahmen zu entwickeln und diese auch entsprechend einzusetzen. Im Folgenden werden sechs Einflussgrößen vorgestellt, die bei Kindern und Jugendlichen den Aufbau aggressiver Verhaltensweisen hervorrufen können.[9]

2.1 Gesellschaft

Die zunehmende Komplexität unserer leistungsorientierten, pluralistischen Gesellschaft erzeugt einen ständigen Zuwachs an Informationen, Wahlmöglichkeiten sowie ein breites Spektrum an vielfältigen Angeboten zur Lebensgestaltung. Demnach sind auch Werte und Normen Veränderungen unterworfen. Statt der heutigen Jugend Maßstäbe zu vermitteln und Halt zu geben, wird eher Konfusion gestiftet, die zur Orientierungslosigkeit, Verunsicherung und Pessimismus führt.

Die Verknüpfung von Werteverlust, Ratlosigkeit, Überforderung und der am Leistungsdruck orientierten (geprägt vom Konkurrenzdenken und Wettbewerb) Gesellschaft bietet den idealen Nährboden für die Entstehung von Verhaltensproblemen, insbesondere für aggressive Tendenzen in der Bevölkerung.[10]

An dieser Stelle möchte ich darauf hinweisen, dass der gesellschaftliche Rahmen, in dem wir leben, lediglich einen Risikofaktor darstellt und keinesfalls eine unabdingbare Ursache für die Entwicklung aggressiven Verhaltens ist.

2.2 Medien

„[…] Ein heutiger junger Mensch, so haben die Medienforscher ermittelt, hat in den ersten 15 Jahren seines Lebens rund 16.000 Stunden ferngesehen; sich pro TV-Stunde mindestens drei Gewaltdarstellungen angeschaut […].“[11] Dieses Zitat von dem deutschen Schulpädagogen Rainer Winkel bringt das Ausmaß des Fernsehkonsums unserer heutigen Gesellschaft ziemlich genau auf den Punkt. Im Hinblick auf den Zusammenhang zwischen aggressivem Verhalten und dem Fernsehkonsum mit gewalttätigen Inhalten haben die Medienforscher Dieter Kübler und Gerd Würzberg vier, zum Teil konträre Hypothesen aufgestellt:

Der Katharsishypothese nach wird durch das Anschauen von Gewaltdarstellungen die eigene Aggressivität abgebaut, d.h. die im Film dargestellte Gewalt fungiert als Ventil für die angestauten Aggressionen des Rezipienten.

Eine weitere These, die sogenannte Stimulationsthese besagt, dass gewalttätige Inhalte eine enthemmende Wirkung auf das menschliche Verhalten haben und somit zur Freisetzung aggressiver Energie beitragen. Im Gegensatz zur Stimulationsthese geht die Inhibitionsthese davon aus, dass das Betrachten von gewalthaltigen Filmen einen dämpfenden Effekt auf den Konsumenten ausübt und damit Aggressionen abgeschwächt werden.

Die sogenannte Habitualisierungsthese nimmt an, dass der regelmäßige Konsum von Fernsehgewalt beim Zuschauer kognitiv verankert wird (Modellernen), was zur Folge hat, dass sich bei diesem eine gewisse Gleichgültigkeit gegenüber Aggressionsopfern einstellen kann und dieser ein falsches Bild von einem angemessenen Umgang mit Konfliktsituationen vermittelt bekommt. Anhand der dargebotenen Erklärungsmechanismen ist ersichtlich, dass das Massenmedium Fernsehen mit seinen Gewaltdarstellungen einen großen Einfluss auf die Zuschauer nimmt und einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Entstehung sowie zur Ausübung aggressiver Verhaltensweisen leistet.

[...]


[1] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S.10.

[2] Essau/Conradt, Aggression bei Kindern und Jugendlichen, 2004, S. 113.

[3] Essau/Conradt, Aggression bei Kindern und Jugendlichen, 2004, S. 114.

[4] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S.12.

[5] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S. 13.

[6] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S. 15.

[7] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S. 15-16.

[8] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S. 16-17.

[9] Essau/Conradt, Aggression bei Kindern und Jugendlichen, 2004, S. 120.

[10] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S. 21-23.

[11] Gratzer, W., Mit Aggressionen umgehen, 1993, S. 76; zitiert nach: Winkel, R., Antionomische Pädagogik und kommunikative Diadaktik, Düsseldorf 1986, S. 73.

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Details

Titel
Aggression bei Kindern und Jugendlichen
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Autor
Jahr
2009
Seiten
21
Katalognummer
V142489
ISBN (eBook)
9783640534852
ISBN (Buch)
9783640535217
Dateigröße
881 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aggression, Kinder, Jugendliche, Entstehung aggressiven Verhaltens, Prävention aggressiven Verhaltens, Frustrations-Aggressions-Theorie, Konrad Lorenz, Sigmund Freud
Arbeit zitieren
Anna Figas (Autor:in), 2009, Aggression bei Kindern und Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142489

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