Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde

Notwendigkeit oder unlauterer Wettbewerb


Trabajo de Seminario, 2000

26 Páginas, Calificación: gut


Extracto


Inhaltsübersicht

I. Problematik der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden
1. Begriff und Abgrenzung der wirtschaftlichen Betätigung
2. Rechtfertigungsbedürftigkeit der wirtschaftlichen Betätigung
3. Umfang und Struktur der wirtschaftlichen Betätigung

II. Vor- und Nachteile einer wirtschaftlichen Betätigung
1. Argumente der Befürworter
2. Argumente der Gegner

III. Zulässigkeit und Grenzen nach geltendem Recht
1. Grundrechte von Konkurrenten
2. Verbandskompetenz
3. Gemeindeordnungen
4. Privates Wirtschaftsrecht (UWG, GWB), Europarecht

IV. Zusammenfassung

I. Problematik der wirtschaftlichen Betätigung von Gemeinden

1. Begriff und Abgrenzung der wirtschaftlichen Betätigung

In den gemeinderechtlichen Vorschriften der einzelnen Bundesländer über die wirtschaftliche Betätigung der Kommunen findet sich keine Definition derselben. Es hat sich jedoch eine weitgehend anerkannte Begriffsbestimmung heraus­gebildet. Unter wirtschaftlicher Betätigung von Gemeinden im juristi­schen Sinne versteht man die Gestaltung öffentlicher Einrichtungen als wirt­schaftliche Unternehmen.

Dabei besagt der Begriff „wirtschaftlich“, dass Wertschöpfung betrieben wird. Darunter versteht man die planmäßige, auf Beteiligung am Markt ausgerichtete Produktion und/oder die Bereitstellung sowie den Vertrieb von Waren und Dienstleistungen.[1] Daraus folgt, dass wirtschaftliche Unternehmen nur vor­liegen, wenn es um Fremdbedarfsdeckung geht und nicht reine Eigen­bedarfs- und Hilfsbetriebe in Rede stehen.

Der Begriff des Unternehmens wird dahingehend umschrieben, dass es sich um Einrichtungen der Gemeinde handeln muss, die auch von einem Privat­unter­nehmer mit der Absicht der Gewinnerzielung betrieben werden können (soge­nanntes „Popitz-Kriterium“, nach einer zu § 67 Abs. 1 der Deutschen Gemeindeordnung <DGO> von Popitz ergangenen Ausführungsanweisung).[2] Weiter setzt ein Unternehmen eine mit gewisser organisatorischer Festigkeit, Dauer und Selbständigkeit ausgestattete Betriebseinheit voraus. Nicht zu den wirtschaftlichen Unternehmen gehören ausweislich der Gemeindeordnungen (z.B. § 102 Abs. 3 GemO BW) bestimmte Unternehmen, die gemeinnützige Zwecke verfolgen (sogenannte nicht-wirtschaftliche Unternehmen).[3] Die von dieser gesetzlichen Fiktion betroffenen Unternehmen können auch als Hoheits­betriebe bezeichnet werden.[4] Im Einzelnen zählen hierzu die Unternehmen, zu deren Betrieb die Gemeinde gesetzlich verpflichtet ist, Einrichtungen des Un­terrichts-, Erziehungs- und Bildungswesens, der Kunstpflege, der körper­lichen Ertüchtigung, der Gesundheits- und Wohlfahrtspflege sowie Einrichtungen ähn­licher Art und Hilfsbetriebe, die ausschließlich zur Deckung des Eigenbedarfs der Gemeinde dienen (vgl. bereits oben).

Aus ökonomischer Sicht leitet sich die Definition der wirtschaftlichen Betätigung aus der Unterscheidung von Leistungs- und Hoheitsverwaltung ab. Wirt­schaft­liche Betätigung ist danach jene Tätigkeit der Gemeinden, die darin besteht, Güter selbst herzustellen oder deren Herstellung durch Einschaltung Dritter zu organisieren, ohne in ihrem Wesenskern spezifisch staatliche Tätigkeit (Aus­übung hoheitlicher Gewalt) zu sein. Zudem sollte sich die Tätigkeit in der Arbeits­weise nach dem ökonomischen Rationalprinzip richten und daher ihrer Art nach einen kaufmännischen Geschäftsbetrieb erfordern, also nicht typi­scher­weise verwaltungsähnlich organisiert sein.[5]

2. Rechtfertigungsbedürftigkeit der wirtschaftlichen Betätigung

Das Grundgesetz ist nach herrschender Meinung in Rechtsprechung und juristischer Lehre - anders als der EG-Vertrag, der dem gemeinsamen Markt und damit der Marktwirtschaft verpflichtet ist - wirtschaftspolitisch neutral.[6] Gleichwohl ist eine wirtschaftliche Betätigung des Staates in jeglicher Form - ungeachtet zusätzlicher Beschränkungen durch die Bindung an Grund­rechte, Kompetenzordnung und privates Wirtschaftsrecht (dazu unten) - aus prinzipiellen Erwägungen recht­fertigungsbedürftig. Staatsgewalt ist im Rechts­staat stets begrenzt, so dass stets Gründe des Gemeinwohls ein Tätigwerden rechtfertigen müssen und ein Recht zu beliebiger Wirtschafts­betätigung des Staates nicht anerkannt werden kann.[7] Insoweit ist eine Unterscheidung zwischen dem staatlichen und dem gesellschaftlichen Bereich zu treffen. Die staatliche Sphäre stimmt mit dem „verwaltungsmäßigen“, an Verfahrensregeln orientierten Bereich überein, die gesellschaftliche dagegen mit dem „unter­nehmerischen“, vorwiegend ergebnisorientierten Bereich. Wirtschaftliche Be­tätigung der öffentlichen Hand stellt einen Ausnahmefall dar, da sie entgegen der genannten Grobklassifikation den originär staatlichen Bereich verlässt und in den gesellschaftlichen Handlungsbereich übergreift.[8] Gemeinden treten durch ihre wirtschaftliche Betätigung in Konkurrenz zu privaten Unternehmen und substituieren die Koordination über Märkte durch eine Koordination über hierarchische Anweisung. Das kann nur legitimiert werden, wenn spezielle Rechtfertigungsgründe für die wirtschaftliche Be­tätigung vorliegen und darauf geachtet wird, dass die wirtschaftliche Betätigung effektiv und verhältnismäßig, insbesondere erforderlich, ist[9]. Staatliche Wirt­schaftstätigkeit bedarf auch deshalb der Rechtfertigung, weil der objektiv-rechtliche Gehalt der sogenannten Wirtschaftsgrundrechte (Art. 12, 14 und 2 Abs. 1 GG) ungeachtet der anerkannten wirtschaftspolitischen Neutralität des Grundgesetzes dazu verpflichtet, eine freie wirtschaftliche Betätigung zu fördern und zu gewährleisten.[10] Auf mögliche Rechtfertigungsgründe soll später eingegangen werden.

3. Umfang und Struktur der wirtschaftlichen Betätigung

Die Gemeinden erzielen bundesweit durchschnittlich etwa fünf Prozent ihrer Einnahmen aus wirtschaftlicher Tätigkeit, wobei diese Zahl im Beobachtungs­zeitraum 1974-1986 (neuere Zahlen lagen dem Verfasser leider nicht vor, dürften aber ermittelbar sein) bei leicht steigender Tendenz im Wesent­lichen stabil geblieben ist.[11] Einen Spitzenwert nimmt Rheinland-Pfalz mit neun Pro­zent (im Jahre 1986) ein. Diese Zahlen erscheinen nicht sehr bedeutsam. Dabei ist aber zu berücksichtigen, dass die Bedeutung der Einnahmen aus wirt­schaftlicher Betätigung dadurch nach unten verzerrt wird, dass gemeindliche Wirtschaftsbetätigung im weiteren Sinne auch in den sogenannten nicht-wirt­schaftlichen Unternehmen stattfindet, die in der Statistik nicht erfasst werden.[12] In neuerer Zeit dürfte sich zudem die steigende Tendenz verschärft haben.

Das Spektrum gemeindlicher Wirtschaftstätigkeit ist sehr breit. Neben klassischen Gebieten werden auch immer wieder neue Tätigkeitsfelder erschlossen. Besonders beachtliche wirtschaftliche Aktivität zeigen die größeren Gemeinden (in erster Linie Großstädte), während kleine Gemeinden (bis 5.000 Einwohner) als Träger wirtschaftlicher Unternehmen praktisch ausscheiden.[13] Fast alle größeren Gemeinden besitzen eine zentrale Wasserversorgung, und zwar fast ausschließlich in kommunaler Regie (über 90% der Unternehmen mit rund 80% der Wasserabgabe).[14] Ähnlich ist das Bild in der örtlichen Gasversorgung, während die kommunalen Unternehmen in der Stromversorgung (örtliche Stromverteilung) etwas weniger stark dominieren, aber noch immer mit knapp 2/3 stark überwiegen. Viele der nicht-kommunalen Anbieter sind zudem gemischt-wirtschaftliche Unternehmen. Der städtische Nahverkehr wird ganz überwiegend von kommunalen Unternehmen getragen. Viele Städte betreiben Häfen und Flughäfen oder sind daran beteiligt. Gemeinden und Kreise treten weiter als (Gewähr-)Träger der Sparkassen hervor. Andere wichtige kommunale Unternehmen sind Reklamebetriebe, Lager- und Messehallen, Märkte, Wohnungsbauunternehmen oder Freizeit­unternehmen. Teilweise werden aber auch für Gemeinden untypische Tätigkeitsfelder abgedeckt, weshalb schon von „Goldgräbermentalität“ die Rede ist.[15] Städtische Druckereien bieten die Herstellung von Hochzeitseinladungen und privaten Veranstaltungsprogrammen, kommunale Verkehrsbetriebe unter­halten Reisebüros, übernehmen Ausflugsfahrten, reparieren auch fremde Fahrzeuge, führen sonstige Metallbauarbeiten durch, öffnen ihre Waschanlagen für Außenstehende oder vertreiben Fahrzeuge.[16] Die Varianten scheinen uner­schöpflich. Als besonders lukrativer Markt, den sich die Kommunen nicht ent­gehen lassen wollen, gilt das Erbringen von Telekommunikations- und Multi­media-Dienstleistungen.[17]

Auch die rechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten einer Wirtschaftstätigkeit der Gemeinde sind mannigfaltig. Das Wahlrecht der Gemeinden hinsichtlich der Rechtsform ist letztlich in der verfassungsrechtlich gesicherten Organisations­hoheit (Art. 28 Abs. 2 GG) verankert.[18] Die Gestaltungen reichen vom rechtlich und organisatorisch unselbständigen Regiebetrieb bis zum Fremdbezug von Waren und Dienstleistungen durch rechtsgeschäftliche Teilnahme am Markt. Unter Zugrundelegung dreier Grade von mehr Regel- oder mehr Ergebnis­orientierung und der drei Möglichkeiten Selbstherstellung, Kooperation oder Fremdbezug ergibt sich eine Matrix mit neun möglichen institutionellen Arrangements.[19] Auf deren Einzelheiten soll nicht näher eingegangen werden, da es hier in erster Linie um die Bewertung der gemeindlichen Wirtschafts­tätigkeit schlechthin geht.

[...]


[1] Cronauge, Rn. 444 f.

[2] BVerwGE 39, 329 (333); Hidien 1981, S. 253; Koch, S. 25 f.; Schoch, DÖV 1993, S. 377 (379).

[3] Cronauge. Rn. 446 ff.; Gern, Rn. 726, Koch, S. 27, Schoch, DÖV 1993, S. 377 (379).

[4] Cronauge. Rn. 446; Gern, Rn. 726.

[5] Koch, S. 30.

[6] BVerwGE 39, 329 (336); Cronauge, Rn. 769h; Heintzen, S. 123; Hill, BB 1997, S. 425 (428).

[7] Heintzen S. 123, Hill BB 1997, 425 (430).

[8] Koch, S. 35.

[9] Koch, S. 35.

[10] Hill, BB 1997, S. 425 (428).

[11] Koch, S. 208.

[12] Koch S. 209.

[13] Püttner, S. 47 f.

[14] Püttner, S. 48.

[15] Ehlers, DVBl. 1998, S. 497 (498).

[16] Cronauge Rn. 769a; Dohmen, DStT 1998, S. 755; Ehlers, DVBl. 1998, S. 497 (498).

[17] Ehlers, DVBl. 1998, S. 497 (498).

[18] Schoch, DÖV 1993, S. 377 (381).

[19] Koch, S. 80.

Final del extracto de 26 páginas

Detalles

Título
Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde
Subtítulo
Notwendigkeit oder unlauterer Wettbewerb
Universidad
German University of Administrative Sciences Speyer
Calificación
gut
Autor
Año
2000
Páginas
26
No. de catálogo
V142402
ISBN (Ebook)
9783640536535
ISBN (Libro)
9783640536368
Tamaño de fichero
566 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Wirtschaftliche, Betätigung, Gemeinde, Notwendigkeit, Wettbewerb
Citar trabajo
Dr. Thomas Stuhlfauth (Autor), 2000, Wirtschaftliche Betätigung der Gemeinde, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142402

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