Lernstrategien im Kontext der Selbstorganisation des Lernens

Ein exemplarischer Entwurf für die Gestaltung von Einführungstagen in der 7. Klasse eines Gymnasiums


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

33 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. EINLEITUNG

2. SACHANALYSE

3. BESCHREIBUNG DER LERNVORAUSSETZUNGEN
3.1 Klasseninterne Bedingungen
3.2 Innerschulische Bedingungen

4. DIDAKTISCHE ANALYSE

5. KOMPETENZBEZOGENE LERNZIELE

6. GROBPLANUNG DER EINZELNEN STUNDEN

7. VERLAUFSPLANUNG UND METHODENBEGRÜNDUNG

8. STRUKTURSKIZZE

9. REFLEXIONS- UND EVALUATIONSMÖGLICHKEITEN

10. SCHLUSSWORT

11. ANHANG

12. LITERATURVERZEICHNIS

1. Einleitung

Auf den folgenden Seiten wird ein Unterrichtskonzept vorgestellt, das für Projekttage entworfen wurde, die in der 7. Klasse eines Gymnasiums durchgeführt werden könnten. Virtueller Hintergrund dieser Planung ist, dass die entsprechende Schule, in ihrem Schulprogramm die „Selbstorganisation des Lernens“ als gemeinsame didaktische Orientierung implementieren will und für die neue 7. Klasse Einführungstage zur Vermittlung von Lernstrategien plant.

Die auf dieser Grundlage entwickelte idealtypische Struktur besteht aus sechs 90-minütigen Einheiten, von denen jeweils zwei pro Tag abgehalten würden, zwischen denen jeweils eine etwa 30-minütige Pause liegt. Von diesen aufeinander aufbauenden Sitzungen wird weiter unten eine, nämlich die erste, im Detail vorgestellt. Der im Folgenden präsentierte systematische Aufbau des Unterrichtsblocks orientiert sich eng an dem von Gonschorek u.a. vorgeschlagenen Modell und weicht lediglich an einigen Punkten von diesem ab.[1]

Im Kontext dieses Entwurfs wird davon ausgegangen, dass die Projekttage nicht unmittelbar am Beginn des Schuljahres liegen, sondern etwa vier Wochen danach, sodass die SuS nicht nur miteinander in Berührung gekommen sind, sondern sich darüber hinaus auch mit ihrem Deutsch-, der gleichzeitig Klassenlehrer ist, ein wenig vertraut machen konnten, unter dessen Leitung die Projekttage abgehalten werden. Außerdem haben sie in diesen ersten Wochen des Schuljahres erfahren, dass es im Kontext der Projekttage darum gehen wird, ihre Fähigkeit zu lernen weiterzuentwickeln. Zwar kennen sie keine Einzelheiten, gehen aber nicht völlig unvorbereitet in diese Zeit.

2. Sachanalyse

Wenn man eine Klärung der Inhalte an den Beginn des Entwurfs einer Unterrichtseinheit wie der im Folgenden entfalteten stellen will, sieht man sich mit verschiedenen Problemen konfrontiert. Vor allem ist dabei die Schwierigkeit zu nennen, der man in der Forschung offenbar gegenübersteht, wenn es um eine begriffliche Eingrenzung der Phänomene „selbstorganisiertes Lernen“ und „Lemstrategien“ geht. Baumert führt aus, dass „die Fähigkeit zum Selbstregulierten Lernen [...] als eine Form von Handlungskompetenz verstanden“ wird. Mandl definiert „die Fähigkeit, selbständig zu lernen, [...] als das Ausmaß, in dem eine Person fähig ist, ihr eigenes Lernen - ohne Hilfe anderer Instanzen - zu steuern und zu kontrollieren.“[2] [3] [4] Nach Baumert ist „der kompetente Lemer [...] in der Lage, den eigenen Lernprozess zu beobachten und zu überwachen und sein Vorgehen bei auftretenden Schwierigkeiten zu korrigieren.“ Selbstgesteuertes Lernen könne dabei als „dynamisches Zusammenwirken von 'skill and will'“ verstanden werden, im Sinne eines flexiblen Einsatzes von Lernstrategien zur ökonomischen Strukturierung des Wissenserwerbs, wobei „individuelle motivationale und wissensmäßige Voraussetzungen“ vom Lemer berücksichtigt werden.[5] Sucht man wiederum nach einer Definition von Lemstrategien, so stößt man u.a. auf Baumerts Auffassung, dass hier „erhebliche Unterschiede“ bestünden.[6] Wild zählt zu den Lemstrategien „jene Verhaltensweisen und Kognitionen [...], die von Lernenden aktiv zum Zweck des Wissenserwerbs eingesetzt werden“ und verweist zugleich darauf, dass ein größerer Teil der Forschung neben kognitiven auch motivationale und emotionale Aspekte in diesem Kontext für bedeutsam hält.[7] [8] In Anlehnung an Mandl spricht Krapp von Lemstrategien als „mental repräsentierte Schemata oder Handlungspläne zur Steuerung des eigenen Lemverhaltens [...], die sich aus einzelnen Handlungssequenzen zusammensetzen und situationsspezifisch abrufbar sind.“ Gleichzeitig handle es sich bei ihnen um „Sequenzen von Handlungen, mit denen ein bestimmtes Lemziel erreicht werden soll“. Wild macht auf die kognitionspsychologischen und konstruktivistischen Einflüsse aufmerksam, die den meisten Lernstrategie-Konzepten zu Grunde lägen und von Lernern als ,,aktive[n], selbstreflexive[n] und selbstgesteuerte[n] Individuen“ ausgingen, die „prinzipiell in der Lage sind, spezifische Vorgehensweisen zur Sammlung, Aufnahme, Speicherung und Nutzung neuer Informationen auszuwählen, anzuwenden und den situativen Umständen entsprechend zu adaptieren.“[9] Ganz ähnlich klingt das bei Mandl, der darauf hinweist, dass das „wissenschaftliche Interesse an Lem- und Denkstrategien“ mit einem „Perspektivenwechsel vom Behaviorismus zur Kognitionspsychologie“ Zusammenhänge, da bei der Betrachtung der Phänomene „Lernen und Denken“ inzwischen die „mentale Eigenaktivität des Individuums, seine informationsverarbeitenden Prozesse“ im Vordergrund stünden.[10] Nach Wild sind für die Lernstrategieforschung Untersuchungen aus den 70er Jahren von wesentlicher Bedeutung, die von Arbeitsgruppen um Marton bzw. Pask durchgeführt wurden. Danach werden zwei Arten von Lernstrategien bzw. Lernern unterschieden. Zum einen der sogenannte „surface- level approach“, der ein Lernen bezeichnet, das sich „auf das Auswendiglernen spezifischer Fakten und unzusammenhängender Informationsteile“ beschränkt und in etwa dem Typus des „operation leamer“ entspricht. Zum anderen ist vom „deep-level approach“ die Rede, bei dem ein tiefgründigeres Textverständnis angestrebt wird, indem intra- und extratextuelle Verbindungen gesucht werden. Diese Vorgehensweise korrespondiert mit dem Typus des „comprehension learners“, der einen „holistischen Ansatz“ verfolgt, indem er sich weniger „Details und Einzelprozeduren“ zuwendet, sondern vielmehr nach der umfassenderen Beschreibung eines Sachverhalts strebt.[11] [12] In Anlehnung an diese Studien wurden in der Folge von Entwistle und Ramsden „drei Lemorientierungen“ entwickelt, die motivationale Faktoren mitberücksichtigen:

- meaning orientation: der Lernende ist intrinsisch motiviert und folgt einer holistischen Strategie.
- reproducing orientation: vorwiegend extrinsische Motivation, die Angst vor dem Scheitern in Prüfungen dominiert das Lemverhalten. „Serielles“ Wechseln von einem Thema zum anderen nach Art des operation learners steht im Vordergrund.
- achieving orientiation: rücksichtsloser und selbstbewusster Lernertyp, bei dem die (extrinsisch motivierte) Hoffnung auf Erfolg überwiegt und „keine spezifische Lemstrategie“ zugeordnet werden kann.

Vor diesem Hintergrund unterscheidet Biggs die Lemorientierungen „surface approach“, „deep approach“ und „achieving approach“, die sich „wiederum aus einem charakteristischen Set von Motiven und Lernstrategien“ zusammensetzen. Eine andere Forschungslinie, die sich in den USA entwickelte und auf kognitionspsychologische Erkenntnisse rekurriert, sieht im Wissenserwerb Enkodierungsprozesse, die sich in vier Teilprozesse gliedern lassen:[13]

1. Selektion: Aufmerksamkeitszuwendung zu Umweltreizen.
2. Speicherung: Transfer vom Arbeits- zum Langzeitgedächtnis.
3. Konstruktion: Aufbau von Sinneinheiten der Information, u.a. durch die Entwicklung von Organisationseinheiten oder Schemata.
4. Integration: Verknüpfungen zwischen bereits vorhandenem und neu hinzugekommenem Wissen.

Daran schließt sich die Unterscheidung in verschiedene Lernstrategiekategorien an, denen positive Auswirkungen auf den Enkodierungsprozess zugeschrieben werden:[14]

- Wiederholungsstrategien: Wiederholtes Aufzählen oder Benennen (bei Arbeit mit Texten bspw. lautes bzw. stilles Wiederholen sowie das Herausschreiben und Unterstreichen bestimmter Abschnitte). Mandl hebt diesbezüglich die aus gedächtnispsychologischen Untersuchungen Erkenntnisse hervor, dass „neue Information sehr schnell wieder aus dem Arbeitsspeicher verdrängt wird, wenn sie nicht aktiv memoriert wird“. Dabei erhöhe „aktives Wiederholen und Hersagen“ die Chance, dass neue Information in das Langzeitgedächtnis übernommen werde.[15]
- Elaborationsstrategien: Techniken, mit deren Hilfe neue Informationen in bereits vorhandenes Wissen integriert werden sollen (Generierung mentaler Bilder, Bildung eines sinnvollen Satzes, um Einzelelemente zu merkender Punkte zu verbinden, Zusammenfassen, Paraphrasieren, Analogiebildungen)[16].
- Organisationsstrategien: Herausarbeiten wichtiger Gedanken und Zusammenhänge nebst eventueller tabellarischer oder graphischer Darstellung, um Detailinformation zu größeren Sinneinheiten zusammenzufassen und dadurch „kognitiv leichter handhabbar“ zu machen. Mandl spricht auch von „reduzierenden Strategien“, die gewissermaßen die Voraussetzung dafür schafften, dass „komplexe Information angesichts der beschränkten Kapazität unseres Arbeisspeichers überhaupt verarbeitet werden kann[17].

Der hier in Ansätzen vorgeführte Lernstrategie-Komplex stellt im Kontext der Selbstorganisation des Lernens ein Thema von zentraler Bedeutung dar. Die im vorangehenden Absatz abgebildeten drei Verfahren sind in diesem Zusammenhang Teil einer unter anderen Dimensionen von Relevanz.

Boekaerts nennt insgesamt drei am selbstregulierten Lernen beteiligte Schichten[18]:

- die Regulation des Selbst (im Kontext der Wahl von Zielen und Ressourcen)
- die Regulation der Lernprozesse (in Gestalt metakognitiven Wissens, dass für die Steuerung des Lernens von Bedeutung ist)
- die Regulation des Informationsverarbeitungsmodus (hiermit ist auf die Auswahl bestimmter Strategien der Informationsverarbeitung angespielt)

Während die hier aufgeführte dritte Schicht die auf der Mitte dieser Seite erläuterten Arten von Lernstrategien umfasst, berühren die ersten beiden Schichten einen Bereich der über die kognitive Ebene der Informationsverarbeitung hinausgeht. Diesen haben auch Pintrich & Garcia benannt, als sie die folgenden „drei Kategorien selbstgesteuerten Lernens“ entwickelten, mit deren Hilfe sie eine „theoretische Einbettung“ vorhandener Lemstrategien in einen „übergeordneten Rahmen“ vornahmen:[19]

- Kognitive Lernstrategien: beziehen sich auf Prozesse der Informationsaufnahme und - verarbeitung (Wiederholungs-, Elaborations-, und Organisationsstrategien).

- Metakognitive Strategien: Steuerung des Lernverhaltens, d.h. die Fähigkeit des Lerners, eigene Lernziele zu planen, den Lernfortschritt zu überprüfen und das Lernverhalten zu regulieren.[20]

- Ressourcenmanagement: Lernaktivitäten, die den Informationsverarbeitungsprozess indirekt unterstützen (Planung der Arbeitszeit, Schaffen einer geeigneten Studienumgebung, Lernen in Arbeitsgruppen, etc.).

Krapp nimmt ebenfalls eine Dreiteilung vor, benutzt jedoch eine etwas andere Terminologie. Er spricht von “Informationsverarbeitung”-, “Kontroll”- und “Stützstrategien”, bewegt sich dabei inhaltlich aber in einem ähnlichen Bereich und ergänzt, dass metakognitive (= Kontroll-) ebenso wie kognitive (= Informationsverarbeitungs-) Strategien zu den sogenannten „Primärstrategien“ gerechnet würden, während man die Stützstrategien (Stichwort: Ressourcenmanagement) den Sekundärstrategien zuordne.[21]

Zusammenfassend und mit Blick auf den hier vorgestellten Unterrichtsentwurf lässt sich sagen, dass im Kontext einer Implementierung selbstgesteuerten Lernens im didaktischen Konzept einer Schule und der Vermittlung von Lernstrategien die Dreiteilung in Informationsverarbeitungs-, Kontroll- und Stützstrategien als sinnvolles Arbeitsmodell verstanden werden kann, das im Kontext der Stundengestaltung als theoretischer Rahmen für die konkreten Inhalte dienen soll. Darüber hinaus sind auch die weiter oben angeführten wissenschaftlichen Annahmen bezüglich motivationaler Besonderheiten und Unterschiede im Prozess des Wissenserwerbs bei Lernenden zu berücksichtigen, dergestalt, dass die damit verbundenen Implikationen bei der Durchführung der vorgestellten Einheit und der Begleitung des dadurch angestoßenen Lernprozesses stets mitreflektiert werden müssen. Überhaupt wird dem Gesichtspunkt der Motivation als wichtiger Baustein im Prozess selbstgesteuerten Lernens in der Forschungsliteratur ein erheblicher Stellenwert beigemessen.[22] So macht u.a. Baumert darauf aulmerksam, dass „kognitive, motivationale und volitionale Prozesse“ im Lernen „eine enge Verbindung“ eingehen.[23]

Am Ende dieser Sachanalyse mögen schließlich noch ein paar Sätze über das Konzept der „Lemtypen“ verloren werden. Der Vorstellung von den unterschiedlichen Lern(er)typen liegt die Annahme zu Grunde, dass unterschiedliche Individuen über unterschiedliche Sinneskanäle Informationen unterschiedlich gut aufnehmen und verarbeiten.[24] Obwohl in diesem Fall ebenfalls keine einheitlich verwendete Terminologie vorzufinden ist, man stattdessen auf eine Vielzahl zum Teil kontrovers diskutierter Begrifflichkeiten stößt,[25] scheint im vorliegenden Kontext KLIPPERTs Aufteilung in vier Arten der Informationsaufnahme - "Hören", "Lesen", "in eigene Worten fassen" und „eigenverantwortlich Durchführung“ - als praktikable Arbeitsgrundlage am besten geeignet.[26] Zum Thema „Lemtypen“ und deren Ermittlung sei ergänzend erwähnt, dass keine absoluten und unverrückbaren Tatsachen bezüglich des Lernverhaltens einzelner Schüler ermittelt werden können und wollen. Es wird vielmehr davon ausgegangen, dass das gar nicht möglich ist. Lernen wird hier ganz grundsätzlich, ebenso wie die Implementierung selbstorganisierten Lernens an einer Schule als Prozess verstanden, der Anregung und Begleitung braucht. In diesem Sinne liegt Verfahren wie den hier kurz diskutierten und in der Folge verwendeten die Absicht zu Grunde, bei den SchülerInnen zunächst einmal ein Bewusstsein für die Thematik zu wecken sowie ihnen gleichzeitig unterschiedliche Anregungen anzubieten, ihr eigenes Lernverhalten zu reflektieren und zu optimieren.

Ein abschließender Blick auf das von Schiefele & Pekrun entwickelte Modell selbstgesteuerten Lernens,[27] in dem die verschiedenen oben behandelten Aspekte mehr oder weniger explizit enthalten sind, macht die Vielschichtigkeit und Komplexität des Lernprozesses noch einmal deutlich, woraus sich wiederum der Anspruch ableiten lässt, bei einer möglichen Durchführung offen für eventuell vorzunehmende Korrekturen zu bleiben, die sich aus spontan auftretenden Einsichten als Resultat einer Konfrontation mit der Untterrichtspraxis ergeben können. Dies umso mehr, wenn man Mandls Äußerung in Betracht zieht, dass „bisher kaum konzeptionelle Vorstellungen darüber bestehen, wie die vielen Einzelstrategien zusammenwirken, um das hervorzubringen, was man gemeinhin als höhere kognitive Prozesse bezeichnet.[28]

3. Beschreibung der Lernvoraussetzungen

Nachdem der vorangegangene Abschnitt einige wesentliche Aspekte des wissenschaftlichen Hintergrundes selbstregulierten Lernens berührt hat, soll nun auf Spezifika der konkreten Lernumgebung eingegangen werden, in der die Implementierung der entsprechenden Inhalte beabsichtigt ist. Dabei sind einige Aussagen zur Zusammensetzung der Klasse und den Lernvoraussetzungen, aber auch zur schulischen Ausstattung sowie den räumlichen Gegebenheiten zu machen. Einige Details waren im Kontext dieser Arbeit vorgegeben, andere wurden ergänzt.

3.1 Klasseninterne Bedingungen

Bei den Schülerinnen und Schülern der hier behandelten siebten Klasse handelt es sich um 32 junge Menschen im Alter von 12 bis 14 Jahren, die aus unterschiedlichen Grundschulen kommen und sich nur zum Teil kennen. 20 von ihnen sind Mädchen, die restlichen 12 Jungen. Bis auf zwei Schüler sind alle mit einer Gymnasialempfehlung ausgestattet.

Zu den individuellen Lernvoraussetzungen der SuS ist anzumerken, dass sie recht divergierende Kenntnisse und Kompetenzen im Hinblick auf die Selbstorganisation des Lernens mitbringen. Ein größerer Teil der SuS besitzt keinerlei Vorwissen bezüglich der hier behandelten Thematik, abgesehen von der Tatsache, dass bisher beim Lernen für Klassenarbeiten o.Ä. unbewusst irgendwelche Strategien angewendet und Lernen im Unterrichtskontext in irgendeiner nicht klar artikulierten Weise organisiert wurde. Die Themen „selbstorganisiertes Lernen“ bzw. „Lemstrategien“ sind ihnen inner- oder außerhalb des Unterrichts als solche allerdings noch nicht begegnet. Eine kleinere Zahl der SuS wiederum - insgesamt acht - ist im Rahmen von schulischen Workshops oder vergleichbaren Programmen bereits während der Grundschulzeit mit dem Thema „Lernen lernen“ in Berührung gekommen. Dabei gehörten auch die hier behandelten Aspekte „Lemtypen“ und „Lemstrategien“ zu den Inhalten.

Es sind durchaus unterschiedliche Arten von Lernenden in der Klasse zu finden, die auch unterschiedlich motiviert sind. Während sich einige durch mehr oder weniger starke Prüfungsangst und eine damit verbundene eher extrinsische Motiviertheit auszeichnen (reproducing orientation), lässt sich bei anderen ein intrinsisch motiviertes Interesse für ein umfassenderes Verständnis der Inhalte beobachten (meaning orientation). Eine dritte Gruppe schließlich ist den extrinsisch motivierten und erfolgsorientierten Lernern zuzuordnen, wie sie weiter oben in Auszügen skizziert wurden. In Verbindung mit den verschiedenen Lernhaltungen sind auch differierende Schülerpersönlichkeiten auszumachen. Ein gewisser Teil der SuS - hier handelt es sich im Wesentlichen um die ängstlicheren Lerner - fällt durch ein größeres Maß an Zurückhaltung auf, das bisweilen als Schüchternheit bezeichnet werden kann. Andere SuS wiederum sind dem anderen Pol der Temperamente-Skala zuzuordnen, d.h. sie machen sich durch lautes, in einigen Fällen beinahe vorlautes und des Öfteren störendes Verhalten bemerkbar. Eine dritte Fraktion, der die Mehrheit der SuS angehört, ist bemüht, am Unterricht teilzunehmen und aus Eigeninitiative eher selten an Störungen beteiligt, lässt sich mitunter jedoch von der gelegentlich zu unangemessener Lautstärke und Wortwahl neigenden Abteilung ablenken, wenn nicht rechtzeitig eingegriffen und durch entsprechende Maßnahmen gegengesteuert wird. Vor allem der Unterricht in 90-Minuten-Einheiten (vgl. 3.2) ist für die SuS gewöhnungsbedürftig und stellt hohe Anforderungen an ihr Konzentrationsvermögen bzw. ihre Bereitschaft zur Mitarbeit.

Trotz der angeführten, vereinzelt störenden Elemente lässt sich das Arbeitsklima insgesamt als produktiv beschreiben. Zwar konnte sich noch kein Einheitsgefühl unter den SuS entwickeln, es sind aber auch keine Außenseiter, mit ernst zu nehmenden Schwierigkeiten, sich in den Klassenverband zu integrieren, anzutreffen. Auch die etwas unruhigeren SuS sind nicht etwa einer Kategorie aggressiver Jugendlicher zuzuordnen, die sich am Ende einer denkbaren Skala befinden, wo die Möglichkeiten pädagogischer Einflussnahme im Schulkontext an ihre Grenzen stoßen. Konflikte sind bisher in nicht über das gewöhnliche Normalmaß hinausreichender Weise aufgetreten. Überhaupt handelt es sich bei der in dieser Arbeit vorgestellten Gruppe um einen mehr oder weniger repräsentativen Querschnitt dessen, was man an Lebendigkeit und grundsätzlicher Lernbereitschaft in einer 7. Gymnasialklasse gemeinhin in etwa erwarten würde.

[...]


[1] Vgl. Gonschorek, G. u.a. (2005): Einführung i.d. Schulpädagogik und die Unterrichtsplanung. Donauwörth. S.280ff.

[2] Bisweilen wird auch von selbstreguliertem oder selbstgesteuertem Lernen gesprochen. Alternativ zu „Lemstrategien“ zirkuliert auch die Bezeichnung „Lemstile“ (vgl. u.a. ROST, D.H. (Hg.) (32006): Handbuch Pädagogische Psychologie. Weinheim. S.424. Außerdem Grotjahn, der eine gegenseitige Abgrenzung der Begriffe diskutiert: Grotjahn R. (1998): Lernstile und Lemstrategien: Definition, Identifikation, unterrichtliche Relevanz. In: Der Fremdsprachliche Unterricht Französisch 34/1998. S.11-15.)

[3] Baumert, J. [u.a.] (2000): Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen als fächerübergreifende Kompetenz. Projekt OECD PISA. Berlin. S.6.

[4] Mandl, H. [u.a.] (Hg.) (1992): Lern- und Denkstrategien. Göttingen. S. 251.

[5] Vgl. Baumert, J. (1993): Lemstrategien, motivationale Orientierung und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen im Kontext schulischen Lernens. Unterrichtswissenschaft 21. 327/354. Hier S.328.

[6] Baumert u.a. 2000: 10.

[7] Vgl. ROST 32006: 424.

[8] Krapp, A. (Hg.) (52006): Pädagogische Psychologie: ein Lehrbuch. Weinheim [u.a.]. S.245. Vgl. auch Mandl u.a. 1992: 6.

[9] Vgl. ROST 32006: 424.

[10] Mandl u.a. 1992: 3f.

[11] Vgl. ROST 32006: 425. Raabe bspw. unterscheidet den „globalen“ vom “analytischen Lerntyp” (Vgl. Raabe, H.: Wie viel Grammatik braucht der Mensch? In: PRAXIS Fremdsprachenunterricht 6/2007. S.22-26).

[12] Vgl. Rost 32006: 426.

[13] Ebd.

[14] Vgl. ROST 32006: 426f.

[15] Vgl. []Mandl u.a. 1992: 11.

[16] Vgl. auch Mandl u.a. 1992: 12.

[17] Ebd.

[18] Vgl. Baumert u.a. 2000: 5.

[19] Vgl. ROST 32006: 427.

[20] Werden gelegentlich auch als „exekutive Strategien“ bezeichnet (vgl. Mandl u.a. 1992: 13).

[21] Vgl. Krapp 52006: 245f. Ganz ähnlich unterscheidet Mandl wiederum „Primär-,, und „Stützstrategien“, spricht also nicht von „Sekundärstrategien“ (vgl. Mandl u.a. 1992: 8).

[22] Vgl. Mandl u.a. 1992: 254f.

[23] Baumert u.a. 1993: 344.

[24] Vgl. Vester, F. (3020 04): Denken, Lernen, Vergessen: Was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn, und wann läßt es uns im Stich? München. S.35ff. Außerdem Kroll, S. (1999): Richtig lernen. Tipps und Lernstrategien für die Oberstufe. Freising. S.23ff. und Grotjahn 1998: 13.

[25] Vgl. u.a. Grotjahn 1998: 13.

[26] Vgl. Klippert, H. (142004): Methodentraining. Weinheim u.a. S.62. Eine ähnliche, etwas reduzierte Form ist z.T. in den Lernalltag von Berliner Schulen integriert; vgl. bspw. die Homepage des Königin-Luise-Gymnasiums (http://www.koenigin-luise-stiftung.de/index.php?option=com_content&task=view&id=674&Itemid=436), wo in diesem Kontext auf Endres verwiesen wird, der eine entsprechende Einteilung vornimmt (vgl. Endres, W. u.a. (212008): So macht Lernen Spaß. Weinheim u.a. S.51f.)

[27] Vgl. Anhang A: Abbildung 1

[28] Vgl. Mandl u.a. 1992: 16 und den bei Meyer zitierten Verweis auf die übereinstimmende Einsicht von Gehirnfor­ schem und Kognitionspsychologen, dass Lernen „ein grundsätzlich nicht bewusstseinsfahiger interner Vorgang“ sei (VgL Meyer, H. (2003): Zehn Merkmale gutcn Untcrrichts. In: Padagogik 10: 42).

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Lernstrategien im Kontext der Selbstorganisation des Lernens
Untertitel
Ein exemplarischer Entwurf für die Gestaltung von Einführungstagen in der 7. Klasse eines Gymnasiums
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
33
Katalognummer
V142283
ISBN (eBook)
9783640535873
ISBN (Buch)
9783640536160
Dateigröße
3318 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lernstrategien, Kontext, Selbstorganisation, Lernens, Entwurf, Gestaltung, Einführungstagen, Klasse, Gymnasiums
Arbeit zitieren
Fritz Hubertus Vaziri (Autor:in), 2009, Lernstrategien im Kontext der Selbstorganisation des Lernens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142283

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