Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis


Projektarbeit, 2009

59 Seiten


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Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretischer Hintergrund
2.1 Das Interview in der qualitativen Forschung
2.2 Die Grounded Theory

3. Das problemzentrierte Interview
3.1 Theoretischer Hintergrund
3.2 Kennzeichen
3.3 Instrumente
3.4 Gestaltung des PZI
3.5 Auswertungsprozess
3.6 Möglichkeiten und Grenzen

4. Qualitative Marktforschung in der Praxis
4.1 Darstellung der Untersuchung
4.2 Untersuchungsmethodik
4.3 Die Auswertungsstrategie und ihre Instrumente
4.4 Auswertung

5. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Einleitung

„Du wirst nichts erfahren, wenn du nicht fragst. (You will never know unless you ask.)” Jack Stack, amerik. Topmanager, Vorstandsvors. Springfield Remanufacturing Co.

Mit diesem Zitat möchte ich in die vorliegende Ausarbeitung einleiten. Der amerikanische Manager Jack Stack, will mit diesen Worten ausdrücken, dass es das Bemühen eines jeden sein sollte, Fragen zu stellen und somit neue Kenntnisse zu erlangen. Fragen stellen damit nicht Unwissen dar, sondern lediglich das Bemühen des Fragenden, seine Unkenntnis zu beseitigen. Doch was hat das mit der qualitativen Forschung und dem problemzentrierten Interview zutun?

Jedem Wissenschaftler, ob Physiker, Biologe oder Soziologe, werfen sich Fragen unterschiedlichster Art und Weise auf, denen Sie durch verschiedenartige Untersuchungen auf den Grund gehen. Neue erforschte, physikalische

Gesetzmäßigkeiten lassen sich, meist klar durch Zahlen und Fakten belegen, oder auch widerlegen, doch wie sieht das in der Sozialforschung aus? Auch dort kann man anhand quantitativer Datenanalysen Forschungsfragen meist klar beantworten oder zumindest Theorien diesbezüglich aufstellen. Das menschliche Handeln unterliegt jedoch einem symbolischen Interaktionismus, dass heißt, es ist nicht durch physikalische Umweltreize bestimmt, sondern durch zwischenmenschliche Kontakte und individuelle

Gegebenheiten des Umfeldes. Man kann die Fragen der Sozialforschung also nicht allein mit Zahlen, Daten und Fakten beantworten, sondern muss tiefgründig und vielseitig forschen, um mögliche Antworten oder Theorien aufzudecken.

Mit einer Untersuchungsmethodik der qualitativen Forschung, dem problemzentrierten Interview, wird sich in der vorliegenden Arbeit näher beschäftigt.

Zunächst wird ein Einstieg in die qualitative Forschung gegeben und wichtige Grundlagen zum weiteren Verständnis vorgestellt. Den ersten Schwerpunkt der Arbeit bildet das problemzentrierte Interview mit seinem theoretischen Hintergrund, der Durchführung und Anwendung, sowie Vor- und Nachteilen.

Im Rahmen eines Forschungsauftrages des Bundesinstituts für Sportwissenschaft wurden Fokusinterviews mit Trainern, Athleten und Funktionären von Spitzensportverbänden durchgeführt und vier davon im zweiten Teil der Arbeit näher analysiert und ausgewertet.

2. Theoretischer Hintergrund

2.1 Das Interview in der qualitativen Forschung

In der qualitativen Forschung werden nicht- standardisierte Daten in Form von Texten, Bildern oder auch Filmen erhoben und analysiert. Die Unterscheidung zu quantitativen Untersuchungsmethoden kennzeichnet sich durch verschiedene Merkmale.

Man darf dabei nicht ausschließlich die Methoden der Datenermittlung prüfen und sie pauschal in qualitativ und quantitative Forschung unterteilen, sondern muss ebenso die Datenform, die Qualität der Daten sowie die Rahmenbedingungen des Datengewinns betrachten (vgl. Witt, 2001, S.2). Im Bezug zur Datenform liegen bei der quantitativen Forschung meist Zahlen-, Skalen- oder Zeitwerte vor, die an sich in ihrer Einzelheit noch keine Rückschlüsse bieten, wo hingegen die qualitative Forschung mit Daten arbeitet, hinter denen eine Bedeutung und mehr Details stecken.

Quantitative und qualitative Datenanalyse gehen, wie bereits erwähnt, einerseits von unterschiedlich abstrahierten Daten aus, andererseits ist auch die Verarbeitung der Daten und die Zielsetzung der Analyse völlig verschieden.

Im Vergleich zu quantitativen Datenformen, kommt erschwerend in der qualitativen Forschung hinzu, dass diese erst in ihrem Kontext interpretiert und analysiert werden können. Man muss also im Voraus der Untersuchung genau festlegen, welche Daten wie erfasst und analysiert werden, dass es bei der Auswertung auch zu fundierten Ergebnissen kommen kann. Zusammenfassend kann man im Bezug zur qualitativen Forschung sagen, dass sie sich durch eine Gegenstandsangemessenheit von Methoden und Theorien kennzeichnet, unterschiedliche Perspektiven berücksichtigt und analysier, sowie die Reflexion des Forschers als Teil der Erkenntnis in die Untersuchung mit einbezieht (vgl., Flick, 2002, S.16).

Eine Möglichkeit der qualitativen Datenerhebung bildet die Interviewtechnik mit ihren unterschiedlichen Ausprägungen.

„Das Interview erscheint als einfache Methode, nicht zuletzt aufgrund seiner Nähe zum Alltagsgespräch. Fragen zu stellen liegt nahe und erscheint so leicht. Darin liegt etwas Verführerisches...“ (Friedrichs, 1990, S.209).

Die Anwendung von Interviews in der qualitativen Sozialforschung liegt, wie Friedrich beschreibt, sehr nahe und erfreut sich in der heutigen Forschung zunehmender Beliebtheit. Auf diesem Weg erhält der Forscher einen raschen Zugang zum Forschungsfeld sowie reichlich Datenmaterial. Die Interviewten bekommen dabei die

Gelegenheit über verschiedene Gegenstandsbereiche zu berichten und ihre Sicht der Dinge darzustellen. Doch es gibt auch Grenzen innerhalb der verschiedenen Interviewverfahren auf die, speziell im Bezug zum problemzentrierten Interview, später eingegangen wird.

2.2 Die Grounded Theory

Bevor genau auf das problemzentrierte Interview eingegangen werden kann, soll zum besseren Verständnis die Grounded Theory von Glaser und Strauss vorgestellt werden, da sie die Grundlage der heutigen Forschungsmethodik darstellt.

Im Rahmen einer medizinsoziologischen Untersuchung zum Sterben entwickelten die amerikanischen Soziologen Barney Glaser und Anselm Strauss Anfang der 60er Jahre des vorherigen Jahrhunderts die Methodik der Grounded Theory.

Übersetzt man die beiden englischen Wörter in das Deutsche, so lässt sich eine Art begründete oder auf etwas basierende Theorie vermuten. Doch dem muss man zum Teil widersprechen. Es wird vielmehr von den Autoren eine Methodik der Forschungspraxis beschrieben, um eine auf Daten begründete oder datenverankerte („grounded“) Theorie zu entwickeln (vgl. Legewie, 2005, S.2).

Mithilfe verschiedener Einzeltechniken wie Interview, Beobachtung und Statistiken werden Daten erhoben und damit schrittweise ein theoretisches Konzept erstellt. Dabei erfolgt eine Präzisierung des Forschungsgegenstandes, durch das systematische Vorgehen und Ermitteln von Rohdaten. Es ist somit ein ständiger Wechsel zwischen Datenerhebung und Dateninterpretation und folglich ein induktiv-deduktives Verfahren der Forschungspraxis (vgl. Legewie, 2005, S.3)

Wie in anderen Forschungsmethoden wird hier keine vorher bestehende Theorie überprüft, sondern nach einer methodischen Vorgehensweise, eine neue Theorie erstellt, die immer wieder, anhand neuer Daten, überprüft werden kann.

Nach diesem Verständnis ist anzunehmen, dass die Grounded Theory keine strikten Verfahrensregeln liefert, dennoch durch einige Charakteristika geprägt ist.

Im Folgenden werden diese aufgeführt, aufgrund der Komplexität, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht näher darauf eingegangen werden.

Als Merkmale der Grounded Theory sind zum einen der Dialog- und Prozesscharakter sowie die vielfältigen Erhebungsmethoden zu nennen.

Das theoretische Kodieren bildet dabei das Kernstück der Untersuchung. Durch die theoriegeleitete Erhebung (Theoretical Sampling) werden für die gezielte weitere Analyse Ad-Hoc-Hypothesen abgeleitet (vgl. Legewie, 2005, S.3 ff). Durchgeführt wird die Methode nach dem Sättigungsprinzip.

3. Das problemzentrierte Interview

3.1 Theoretischer Hintergrund

Das problemzentrierte Interview (PZI) zählt zu den explorativen Interviewformen und ist eine Variante des narrativen Interviews.

Explorative Interviews stellen eine sehr offene, nicht standardisierte Form des Interviews dar, die eine möglichst umfassende und vollständige Sammlung themenbezogener Informationen zum Ziel hat. Im narrativen Interview (vom lat. „narrare“= erzählen) ist der Befragte als Erzähler zu verstehen und gibt aus seiner Sicht vergangene Ereignisse explizit wieder. Die spezielle Form des PZI wurde 1982 von Andreas Witzel im Rahmen der Durchführung eines Forschungsprojektes über vorberufliche Sozialisationsprozesse von Haupt-/ und Realschülern entwickelt. Ausgangspunkt zur Entwicklung seines Forschungsansatzes war eine Kritik an der empirischen Sozialforschung mit ihren standardisierten Messverfahren. Danach sind viel mehr situationsadäquate, flexible Methoden notwendig, um einen Zugang zu den Gesprächspartnern und ihren Sichtweisen zu ermöglichen.

Es wird von einem Prinzip der Offenheit der Methode gesprochen, bei der eine Abwendung von einer ex anten Hypothesenbildung stattfindet, hin zu einem offenen, theoretischen Konzept, verbunden mit der Fragestellung einer Untersuchung (vgl. Witzel, 1985. S.2). Damit lehnt sich das PZI an die bereits im vorigen Kapitel erläuterte Grounded Theory an. Auf die zentralen Aspekte und Besonderheiten der Forschungsmethode wird im folgenden Kapitel näher eingegangen.

3.2 Kennzeichen

Mit dem theoretischen Hintergrund des PZI lassen sich drei Grundgedanken nach Witzel feststellen. Die Problemzentrierung, die Gegenstands- sowie die Prozessorientierung.

Sicherlich ist das zentrale Kriterium, das der Problemzentrierung, wie auch schon der Name vermuten lässt. Dabei kommt diesem Kriterium sogar eine doppelte Bedeutung zu. Zum einen geht es darum, dass der Forscher sich schon im Voraus mit einer bestimmten gesellschaftlichen Problemstellung auseinandersetzt und diese offenlegt und systematisiert. Des Weiteren kann er mit Hilfe von verschiedenen Strategien während dem Gespräch das Problem präzisieren und herausfinden, wo relevante Kriterien bezüglich der von ihm untersuchten Problemstellung liegen (vgl. Witzel, 1985, S.4 ff). Der zweite Grundgedanke, der der Gegenstandsorientierung, schließt sich aus dem Zusammenhang der Methodenkombination. Es soll sichergestellt sein, einen Zugang zu einer Problemstellung zu gewinnen (sich an einem Gegenstand zu orientieren), unabhängig von standardisierten Verfahren oder Methodenlehrbüchern. Dabei werden die einzelnen Methoden als Teilelemente verstanden und durch Gewichtung und Modifizierung im Forschungsfeld angeordnet. Es können sowohl Gruppendiskussionen, als auch standardisierte Fragebögen als Einstieg in ein Forschungsfeld dienen, die dann im Interview durch detaillierte Nachfragemöglichkeiten des Interviewers vertieft werden (vgl. Witzel, 1985, S. 6 f).

Mit der Prozessorientierung bezieht man sich auf den gesamten Forschungsablauf, der den Leitgedanken der Grounded Theory aufnimmt.

Auch hier spricht Witzel von einem Erkenntnisgewinn durch ein induktiv-deduktives Wechselspiel, bei dem es durch den aufbauenden Verstehungsprozess zu einer kontrollierten Absicherung und Erweiterung der Interpretation kommt. (vgl., Witzel, 1985, S.8). Es können durch gezielte Nachfrage, widersprüchliche Aussagen aufgeklärt und dadurch neue Erkenntnisse gewonnen werden.

3.3 Instrumente

In diesem Kapitel werden die vier Instrumente vorgestellt, die die Durchführung des PZI ermöglichen und unterstützen.

Zu Beginn kann ein Kurzfragebogen dazu dienen, demografische Daten aufzunehmen um dadurch den weiteren Verlauf des Interviews von unnötigen und störenden Fragen zu entlasten. Neben einem ersten Eindruck den man dadurch erhält, können Einstiegsfragen formuliert werden, die den Übergang in das tiefergründige Gespräch bieten. Er hat somit, unabhängig von der grundsätzlichen Kritik an diesem Forschungsinstrument in der qualitativen Forschung eine Hilfsfunktion im Rahmen der Methodenkombination.

Ein weiteres Instrument kann ein Leitfaden darstellen, der als Orientierungsrahmen und Gedächtnisstütze dient (vgl. Witzel, 2000, S. 4). In ihm sind Frageideen zum untersuchten Forschungsthema enthalten, die als Anregung oder Einstieg in einzelne Themenbereiche nützlich sein können. Dabei ist es wichtig, dass diese kein Frage/Antwort-Schema aufweisen, sondern lediglich das interessierende Gebiet in Felder organisiert, welche dann im Laufe des Interviews „abgefragt“ werden können (vgl. Friebertshäuser, 1997, S. 380). Hinzuzufügen ist dem noch eine vergleichbare und kontrollierte Herangehensweise zwischen den Interviewten, die durch den Leitfaden ermöglicht wird. Dass heißt die Vergleichbarkeit der Interviews untereinander kann durch den Leitfaden verbessert werden.

Eine Tonträgeraufzeichnung während dem Gespräch ermöglicht das Erstellen von Transskripten und damit die Sicherstellung des gesamten Gesprächskontexts. Dadurch kann der Interviewte sich vollständig „auf das Gespräch ... konzentrieren und gleichzeitig situative und nonverbale Elemente beobachten ...“ (Witzel, 1985, S. 237). Ergänzt wird dieses Instrument durch ein Postskriptum. Der amerikanische Soziologe Cicourel hat 1974 aufgeführt, dass auch Situationseinschätzungen des Interviewer (Zweifel, Vermutungen etc.) für die Auswertung des Gesprächs wichtig sind, da diese im Transskript nicht erfasst und berücksichtigt werden (vgl. Witzel, 1985, S. 237). Das Anfertigen eines Postskripts findet im unmittelbaren Anschluss an das Gespräch statt. Darin können auch Ereignisse vor oder nach dem Interview enthalten sein. Ein Beispiel hierfür sei genannt.

„Der Interviewte M.B. kommt nach einem anstrengenden Arbeitstag unter Zeitdruck zum vereinbarten Interviewort und berichtet erschöpft von seinem Tag."

In dieser Situation kann man davon ausgehen, dass bestimmte Themen nicht explizit vom Interviewten wiedergegeben werden, da zum einen vermutlich seine Konzentrationsfähigkeit nachlässt bzw. nachgelassen hat, oder der Zeitdruck ihn zu schnellen und unüberlegten Aussagen zwingt. Möglicherweise möchte er das Interview so schnell wie möglich hinter sich bringen und es wird für den Interviewer schwierig die Thematik tiefgründig zu hinterfragen und auf eine Problemstellung zu zentrieren. In einem Postskript kann dies festgehalten werden und im Anschluss mit in die Bewertung des Interviews einfließen. Dem beizufügen ist, dass solche Situationen natürlich möglichst zu vermeiden sind, um aussagekräftige Ergebnisse zu gewährleisten.

Zusammenfassend kann man mit den beschriebenen 4 Instrumenten ein umfassendes Spektrum an Informationen für eine spätere Analyse festhalten und die Ergebnisse am Ende der Untersuchung wissenschaftlich fundiert darstellen.

3.4 Gestaltung des PZI

Die Gestaltung des Interviews ist durch verschiedene Kommunikationsstrategien geprägt. Sie werden nach Witzel (1985, S. 244 ff.) in Erzählungs- und verständnisgenerierende Strategien unterteilt. Von Bedeutung ist es, eine Erzähllogik über das gesamte Gespräch zu gewährleisten, den “roten Faden“ also nicht zu verlieren, sowie im Kontext differenzierte Fragen zu stellen, um das Problem möglichst weitestgehend zu ergründen (vgl. Witzel, 1985, S. 244). Für den Forscher eine schwierige und anspruchsvolle Aufgabe.

Wie bereits in Kapitel 5.3. vorgestellt, können aus dem Kurzfragebogen einleitende Fragen formuliert werden, die den Gesprächseinstieg erleichtern und eine narrative Gesprächsstruktur aufbauen. Die Frage sollte möglichst offen gestellt sein, damit für den Befragten die Möglichkeit besteht, frei in die Thematik einzusteigen. Möchte man bei Leistungssportlern die Entwicklung der Schullaufbahn näher untersuchen, könnte man als Einstieg in das Gesprächsthema folgende Frage stellen:

„ Wie bist du eigentlich zu deiner Sportart gekommen?"

Daraufhin wird meist Bezug auf die Kindheit genommen, die zugleich mit der Schulzeit in Verbindung steht. Aufbauend darauf kann man näher die einzelnen Phasen der Schulzeit beleuchten und im Gesprächsverlauf tiefgründig darauf eingehen. Weitere Strategien der erzählungsgenerierenden Kommunikation sind die der allgemeinen Sondierung, sowie „ad-hoc-Fragen“.

Mit der allgemeinen Sondierung wird auf das Prinzip der Offenheit (siehe 3.1) zurückgegriffen. Es wird nach dem Einstieg in die Thematik konkret auf einzelne Teile der Erzählsequenzen eingegangen und somit das Gespräch systematisch aufgebaut und vertieft. Nicht ganz verständliche oder widersprüchliche Aussagen können dabei aufgelöst, und neue Aspekte entwickelt werden.

„Ad-hoc Fragen“ (im Original nicht hervorgehoben) werden notwendig, ... wenn bestimmte Themenbereich von den Interviewten ausgeklammert wurden. Sie ergeben sich aus Stichworten im Leitfaden oder können auch einzelne standardisierte Fragen beinhalten, die zur Vermeidung des Frage-Antwort-Spiels im Hauptteil des Interviews am Ende des Gesprächs gestellt werden.“ (Witzel, 2000, S.6).

Zu den verständnisgenerierenden Fragen zählt die spezifische Sondierung. Durch diese Frageform lassen sich Zusammenhänge und Details näher beleuchten und tragen zum Besseren Verständnis bei. Hier spiegelt sich das anfangs beschriebene deduktive Verhalten wieder (vgl. Witzel, 2000, S.6). Der Interviewer formuliert, durch die im Gespräch gewonnenen Informationen Fragen, die den Kenntnisgewinn im Interview verdeutlichen sollen. Dass heißt, es wird nicht nur durch eine induktive Erzählweise des Befragten die Information für die Untersuchung gewonnen, sondern auch durch Kommunikationsstrategien, die ein deduktives Gesprächsverhalten beschreiben. Spezifische Sondierungen können z.B. Zurückspiegelungen sein, die dem Befragten die Möglichkeit einer Reflexion geben und dadurch Missverständnisse vermieden werden. Eine weitere Form stellen Verständnisfragen und Konfrontationen dar. Erstere sind detaillierte Nachfragen im Bezug zur genannten Problemstellung, die einzelne Aspekte näher exploriert. Konfrontationen zwingen den Befragten, seine Aufführungen explizit darzustellen und offen zu legen. Dabei sollte allerdings eine Basis des Vertrauens geschaffen werden, damit der Befragte sich nicht zur Rechtfertigung gezwungen sieht (vgl. Witzel, 2000, S. 6). Es sei demnach gesagt, dass diese Fragen mit Vorsicht zu gebrauchen sind, aber dafür den Gesprächsverlauf entscheidend fördern und weiterentwickeln können.

3.5 Auswertungsprozess

„Die Kunst eines derartigen „Sinnverstehens“ besteht darin, den Bedeutungsgehalt der Textaussagen in der Perspektive der Befragten zu rekonstruieren und in deren „Sinn“ zu interpretieren.“ (Lamnek, 1995, S.213)

Der Auswertungsprozess des PZI muss als sehr komplex bezeichnet werden und gliedert sich nach ... in 3 Phasen. Durch die unterschiedlichen Methoden der Erkenntnisgewinnung (siehe Kapitel 5.2./ Gegenstandsorientierung), müssen auch unterschiedliche Auswertungsprozesse stattfinden. Eine mögliche Methode beschreibt Witzel (2000, S.7) als Fallanalyse. Voraussetzung dafür ist die in Kapitel 5.3 beschriebene, vollständige Transkription des Interviews.

„Resultate dieses Auswertungsprozesses bestehen zunächst in der Markierung des Textes mit Stichworten aus dem Leitfaden (theoriegeleitet) und mit Begrifflichkeiten, die neue thematische Aspekte aus den Darstellungen der Interviewpartner kennzeichnen (induktiv)“ (Witzel, 2000, S.7). Desweiteren kann mithilfe dieser Markierungen ein Codierraster erstellt werden. Dieses bietet die Möglichkeit, einzelne Textpassagen oder Schlagwörter zu kennzeichnen und Verknüpfungen herzustellen. In einem Beitrag des Forum für Qualitative Sozialforschung beschreibt Andreas Witzel mit Thomas Kühn „De(n) Gebrauch einer Textdatenbank im Auswertungsprozess problemzentrierter Interviews“ (vgl. A. Witzel/T. Kühn, 2000). Darin stellt der Gebrauch einer Datenbank eine wichtige Unterstützungsmöglichkeit für die Auswertung qualitativer Interviews dar. In ihr wird, durch einen thematisch gesteuerten Zugriff, die Analyse erleichtert und hierdurch insbesondere die Handhabung großer Textdatenmengen ermöglicht (vgl. Witzel/Kühn, 2000, S.1).

Im nächsten Schritt wird eine Falldarstellung nach einem biografischen Muster angefertigt, die erleichtert einzelne Aussagen nach dem Interview in einen Gesamtzusammenhang einzuordnen. Daraufhin folgt die Fallbewertung, die aus Kommentaren des Interviewers über Besonderheiten, außergewöhnliche Ereignisse oder Unsicherheiten, besteht. Damit können interpretative Fehler vermieden werden. Nach dieser Systematisierung und ersten Analyse der Daten bzw. des Textmaterials kann mit der eigentlichen Auswertung begonnen werden.

Die Aussagen werden von verschiedenen Interpreten der Forschungsgruppe untersucht und analysiert. Sie verdichten bei der Auswertung des Datenmaterials zentrale Themen zu prägnanten Aussagen und verbinden diese mit den einzelnen Textstellen bzw. Aussagen (vgl. Witzel, 2000, S.8). Dabei können auch Auslassungen vorgenommen werden, die für die inhaltliche Analyse keine Bedeutung einnehmen. Anschließend werden die Einzelinterpretationen der Forschungsmitglieder miteinander verglichen und diskutiert. Darauf aufbauend kann ein Fallvergleich vorgenommen werden. Der Vergleich von Ausprägungen wie Geschlecht, Alter und Wohnort liefert eine erste Einordnung in den Gesamtkontext der Untersuchung. Zentrale Problemstellen der verschiedenen Einzelfälle werden nach dem Prinzip „maximaler und minimaler Kontrastierung“ (vgl. Gerhard, 1986, S.69) miteinander verglichen und Ähnlichkeiten bzw. Gegenevidenzen gesucht. Ziel muss es sein, den verschiedenen Untersuchungsgruppen Kernkategorien der Problemzentrierung zuzuordnen, um darauf aufbauend, Theorien und Hypothesen zu erstellen, die in weiteren Untersuchungen widerlegt oder gestärkt werden können.

3.6 Möglichkeiten und Grenzen

Im Vergleich zu einem narrativen Interview weist das PZI keinen rein explorati ven Charakter auf und setzt somit gewisse Vorkenntnisse über den Gegenstandsbereich voraus. Es ist deshalb sehr gut geeignet für Forschung und Studien, die näher auf eine spezifische Fragestellung eingehen. Das PZI zählt durch den Kurzfragebogen und Leitfaden zu den halbstandardisierten Interviewformen und lässt sich im Vergleich zu offenen Interviews relativ einfach auswerte. Des Weiteren kann sie auch bei Studien mit einer großen Anzahl an Interviewpartnern Anwendung finden. Doch durch die halbstandstandardisierte Form des PZI kann man an verschiedenen Stellen auch Grenzen und Schwachstellen der Interviewform feststellen.

Zunächst muss der nicht vollständig standardisierte Ablauf des Interviews betrachtet werden. Schon in dieser Phase findet wie bereits erwähnt, eine erste Interpretationsarbeit statt, die den weiteren Ablauf der Untersuchung beeinflusst. Dadurch kommt es unter anderem zu Veränderungen in der Anwendung der Instrumente, sowie zu unterschiedlichen Auswertungsformen.

Die Grenzen ergeben sich damit in der Nachvollziehbarkeit der gewonnenen Daten sowie der Vergleichbarkeit der Ergebnisse verschiedener Studien untereinander (vgl. Friebertshäuser, 1997, S.380). Durch verschiedene Interviewsituationen, die sehr stark voneinander abweichen können, ist es oftmals schwierig, diese miteinander zu vergleichen. Diese Schwächen sind durch geschulte Interviewer und Probeinterviews zu beseitigen bzw. zu minimieren. Es sollte in einer angenehmen Atmosphäre eine Vertrauensbasis für das Interview geschaffen werden, in der der Befragte sich offen gegenüber dem Interviewer äußern kann.

Die offene Fragestellung des PZI weist aber auch Vorteile gegenüber den „paper-and pencil-Tests“ auf. Die subjektive Ansicht über den Forschungsgegenstand kann genau hinterfragt und dargestellt werden. Durch die Möglichkeit einer Nachfrage können Missverständnisse vermieden und bessere Forschungsergebnisse erzielt werden. Auch Zusammenhänge werden durch die offene Form des PZI für den Interviewer erkennbar die in anderen Interviewformen nicht, bzw. kaum beachtet werden. Zuletzt sei noch genannt, dass durch die Anfertigung des Post-Scriptums der Kontext der Situation genau erschlossen und auch später noch nachverfolg werden kann.

Abschließend hat das PZI, sowie alle weiteren Methoden der qualitativen Sozialforschung, Vor - und Nachteile aufzuweisen. Im Bezug zur Praxis gilt, das für den Untersuchungsgegenstand am besten geeignetste Instrument zu finden. Dafür müssen im Voraus genaue Überlegungen stattfinden, in den Vorzüge und Schwachstellen der jeweiligen Methode gegeneinander abgewogen werden.

4. Qualitative Marktforschung in der Praxis

4.1 Darstellung der Untersuchung

Der Fachbereich Sportökonomie der Friedrich Schiller Universität Jena untersucht im Rahmen eines Forschungsauftrages des Bundesinstituts für Sportwissenschaft das Qualitätsmanagement in Spitzenverbänden. Es geht darum, die für die Stakeholder relevanten Qualitätskriterien der Dachverbände aufzuführen sowie die Nutzung der Verbandsmedien durch die Stakeholder darzustellen. Wo liegen Stärken und Schwächen in den verschiedenen Verbänden und wie können diese beseitigt bzw. weiterhin erhalten bleiben? Dazu werden sowohl Trainer, Athleten als auch ehren- und hauptamtliche Mitarbeiter in den Geschäftsstellen der Landesverbände und Vereine befragt. Partner der Untersuchung sind der Deutsche Ruderverband (DRV), der Deutsche Tennis Bund (DTB), der Deutsche Hockey Bund (DHB), sowie der Deutsche Leichtathletikverband (DLV).

Im Rahmen der Projektarbeit wird die Untersuchungsmethodik vorgestellt sowie vier transkribierte Interviews inhaltlich analysiert und die Qualitätskriterien der Befragten Stakeholder dargestellt.

4.2 Untersuchungsmethodik

Um die notwendigen Daten zu erheben, bedarf es im Voraus einiger Überlegungen zur richtigen Auswahl der Methode. Aus verschiedenen Gründen wurde sich für verschiedene Ausprägung eines Interviews entschieden.

In der Markt-und Meinungsforschung hat sich die Form des Telefoninterviews in den vergangenen 10 Jahren rapide verbreitet und gilt heute als vorherrschendes Datenerhebungsinstrument (vgl. Diekmann, 2004, S.429). Das hängt mit den Vorteilen zusammen, die das Telefoninterview mit sich bringt. Es können Daten durch die Befragung am Telefon schneller erhoben werden, das heißt, man spart Zeit und Geld. Desweiteren führt die erhöhte Erreichbarkeit im Zeitalter des Handys zu geringeren Ausfallzahlen und die Möglichkeit, einen Ersatz zu finden ist einfacher zu gestalten. Doch es gibt auch Nachteile die das Telefoninterview mit sich bringt und durch die der Einsatz dieser Forschungsmethode an verschiedene Bedingungen geknüpft ist.

Zum einen ist die Situation am Telefon nur schwer zu kontrollieren und die Möglichkeit zur Interpretation von Gestik und Mimik entfällt. Das heißt, es muss verstärkt auf den Ausdruck und einzelne Wortlaute des Interviewten geachtet und im Transkript detailliert aufgeführt werden. Desweiteren muss versucht werden die Bereitschaft und Aufmerksamkeit durch das Telefon über den gesamten Zeitraum aufrecht zu erhalten, um schlüssige Antworten zu erhalten und Interviewfehler zu vermeiden. Auch wenn der Kommunikationsaustausch über Telefon und Email mittlerweile zum Alltag gehört, ist es wichtig eine geschulte Person das Interview durchführen zu lassen. Das hängt unter anderem damit zusammen, dass durch verbale Kommunikation alleine die Interviewathmosphäre hergestellt werden muss, die die Antwortbereitschaft und dauernde Mitwirkung des „unsichtbaren“ Partners ermöglicht (vgl. Atteslander, 1991, S. 168). Nur dann kann man zu schlüssigen Ergebnissen in der späteren Analyse kommen. Im vorgestellten Fall einer qualitativen Analyse der Stakeholder von Spitzenverbänden werden die empirischen Daten mithilfe eines Leitfadeninterviews erhoben. Fokussiert ist das Interview dabei auf die Qualitätskriterien und Nutzung von Medien in den Spitzenverbänden. Der Interviewleitfaden besteht aus vorformulierten Fragen und Themen, die die Thematik der Untersuchung schon im Voraus eingrenzen und dem Interview eine bestimmte Richtung vorgeben. Dies dient zum einen der besseren Vergleichbarkeit als auch der Zentrierung auf den Untersuchungsgegenstand i ii

Die Interviewten der Untersuchung sind als Experten zu verstehen, da sie einen unmittelbaren Bezug zum Forschungsgegenstand haben und hinsichtlich dessen ein abrufbares Wissen zur Verfügung stellen. Das wechselseitige Verhältnis zwischen Stakeholder und Shareholder kann sowohl in der Vergangenheit liegen, als auch aktuell sein.

Als Grundlage für die Auswertung und als notwendiger Zwischenschritt dient die Verschriftung (Transkription) der Interviews“.iii Es bestehen unterschiedliche Modelle für Transkriptionssysteme, die allerdings, alle einige Grundregeln gemeinsam haben. Je nach Untersuchungsgegenstand werden Pausen, Betonung sowie Satzabbrüche notiert und in der Interpretation der Ergebnisse ausgewertet (vgl. Flick, 2002, S. 252 ff).

[...]


i Vgl. dazu Kapitel 3.3

ii Beispiel eines Interviewleitfadens, siehe Anhang

iii Transkripte der Interviews, siehe Anhang

Ende der Leseprobe aus 59 Seiten

Details

Titel
Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis
Autor
Jahr
2009
Seiten
59
Katalognummer
V142097
ISBN (eBook)
9783656917113
ISBN (Buch)
9783656917120
Dateigröße
633 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
qualitative, marktforschung, theorie, praxis
Arbeit zitieren
Anna Wallebohr (Autor:in), 2009, Qualitative Marktforschung in Theorie und Praxis, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142097

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