Die Bedeutung des Unwichtigen.

Der Alltag im literarischen und filmischen Notat (Martin Walsers "Ein fliehendes Pferd" und Rainer Werner Fassbinders "Warum läuft Herr R. Amok?")


Bachelorarbeit, 2009

58 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Der Alltag und die Verortung des Gegenstandes

2. Ein fliehendes Pferd
2.1. Gattung und Entstehungszeit
2.2. Täuschung und Flucht als maßgebliche Strategien des Protagonisten
2.3. Leistungsdruck und Konkurrenz
2.3.1. Freizeit, Gesundheit, Ernährung
2.3.2. Arbeit
2.3.3. Erinnerung
2.3.4. Sex- und Sexkonsumgesellschaft
2.4. Das fliehende Pferd, die unerhörte Begebenheit, der Schluss
2.5. Der plötzliche Augenblick als Gegenbewegung zum Alltäglichen

3. Warum läuft Herr R. Amok?
3.1. Verortung des Films in seiner Zeit
3.2 Problematisierung der Entstehung des Films: Ist Warum läuft Herr R
Amok? ein Fassbinder Film?
3.3. Der Alltag in Warum läuft Herr R. Amok?
3.3.1. Sprache und Sprachlosigkeit
3.3.2. Stand und Stellung als Primat des Ausdrucks
3.3.3. Unterdrückung von Kreativität und Freude
3.3.4. Krankheit als Ort gesellschaftlicher Konflikte
3.3.5. Erinnerung als Flucht aus dem Alltäglichen
3.3.6. Der Amoklauf als letzte Konsequenz

4. Literatur und Film

Fazit

Literatur

Einleitung

Wenn etwas unwichtig ist, dann ist es der Logik nach auch meistens ohne Bedeutung. Was ist aber, wenn Unwichtiges, gerade, wenn eins zum anderen kommt, plötzlich an Bedeutung gewinnt und sogar so bedeutungsvoll wird, dass man darüber ein Buch schreibt oder einen Film dreht?

Die 60er und 70er Jahre waren die Zeit des Wirtschaftswunders, das zu anhaltend hohen Wachstumsraten, Vollbeschäftigung und Wohlstand führte. In den 60er Jahren kamen kritische Ideen vor allem durch die Studenten auf. Grund waren in erster Linie der Vietnam-Krieg und die radikale Abkehr von einer konservativen Lebensweise, die sich vor allem auf die Bewältigung der nationalsozialistischen Vergangenheit Deutschlands bezog.

In den 70er Jahren kam es durch die so genannte Tendenzwende zu einem geistigen Umschwung in Deutschland. Nicht mehr die objektive Analyse der Gesellschaft an sich war das Ziel von Wissenschaften und Kunst, sondern die Fokussierung auf das Individuum und seine Subjektivität.

In meiner Arbeit werden aus dieser Zeit zwei Werke aus Literatur und Film untersucht: Martin Walsers Novelle Ein fliehendes Pferd (1978) und Michael Fenglers und Rainer Werner Fassbinders Film Warum läuft Herr R. Amok? (1969) Sie beide lassen ihre Protagonisten den deutschen Alltag erleben, der zunächst von so lapidar unwichtigen Begebenheiten gekennzeichnet ist, dass sich beim Rezipienten die Frage stellt: Warum dieses Werk? Was von Wichtigkeit passiert hier, dass man darüber schreibt oder es filmisch verarbeitet?

Die beiden Medien stellen sich somit der Aufgabe, eine derart feinsinnige Sensibilität für ihre Erzählungen zu entwickeln, dass Belanglosigkeiten Bedeutung erlangen und zwar in letzter Konsequenz so große, dass die Figuren kaum noch damit umgehen können oder – wie es der Titel des Filmes schon verrät – daran zugrunde gehen.

Neben der Untersuchung des Alltags in diesen beiden Werken werden die beiden hier gewählten Medien – nämlich Literatur und Film – in den Blick genommen und zwar dahingehend, dass gefragt wird, ob die speziellen Unterschiede im Blick auf den Alltag medial determiniert sind und welche stilistischen Strategien Literatur und Film wählen um ihrem Gegenstand zu begegnen.

1. Der Alltag und Verortung des Gegenstandes

Die großen Geschichten, die von Helden erzählen, welche auf der Suche nach Sinn und Selbsterkenntnis unbeirrbar ihrem Ziel entgegensteuern und den Alltag dabei erfolgreich überwinden, scheinen immer mehr in den Hintergrund zu treten, je näher wir uns auf die Gegenwart zubewegen. Welcher Autor, der den Anspruch erhebt, mit seinem Werk etwas über unsere Wirklichkeit auszusagen, verfolgt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch ernsthaft die Intention, von dem Abenteuer jenseits des gewöhnlichen Lebens zu erzählen, das dem Protagonisten die Welt auf eindeutige Weise enträtselt und alle Phänomene zu einem logischen Ganzen zusammenfügt? Die Suche nach Transzendenz scheint spätestens seit 1945 endgültig beendet, das Ereignis im klassischen Sinne passé.[1]

Wie in diesem Zitat von Christiane Sollte-Gresser deutlich wird, soll es im Folgenden nicht um die „großen“ Geschichten gehen, in denen der Held den Alltag hinter sich lässt und ins Abenteuer zieht. Im Gegenteil: Ich möchte das Interesse meiner Arbeit gerade auf Erzählungen richten, die die Dimensionen des Alltäglichen nicht auslassen, sondern den Alltag zu einer literatur- und filmwürdigen, ästhetischen Kategorie erheben. Dieses Vorhaben scheint dem allgemeinen Gestus des gesellschaftlichen Interesses entgegen zu laufen, wenn es tatsächlich so ist, dass

jene Teilung, die das Alltäglich-Private kritisiert oder verdrängt und dem Bereich des Öffentlichen, aus dem Alltag Herausragenden, eine besondere Sinnhaftigkeit verleiht, noch immer prägender Bestandteil unserer Gesellschaft und damit auch unseres Zugangs zur Welt ist. Das hieße auch, daß unsere Perspektive auf die Literatur, unsere Erwartungen an Texte und nicht zuletzt auch die Intention für die Textproduktion durch diese Haltung maßgeblich beeinflußt werden.[2]

Obwohl vor allem seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Alltagsphänomene immer mehr in die künstlerische Bearbeitung von Erfahrungen rücken, ist die Literaturwissenschaft dieser Entwicklung nicht nachgekommen. Das Desiderat in den 1970er Jahren, welches nach einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Alltag in der Literatur verlangte, blieb ohne große Reaktion und sogar bis heute ist dieser Nachholbedarf weitestgehend nicht gedeckt.[3] Diese Arbeit macht es sich daher zur Aufgabe, sich mit einem Phänomen zu beschäftigen, das wie selbstverständlich existiert und den Großteil der individuellen Existenz ausmacht. Im Rahmen dieser Zielsetzung taucht jedoch ein Problem auf,

mit dem letztlich jede Art der Alltagsforschung konfrontiert wird. Bei dem Versuch, den Alltag durch theoretische Reflexion einzuholen, muss er entweder zu etwas Unalltäglichem werden oder aber er verflüchtigt sich, sobald man ihn mit dem gewohnten wissenschaftlichen Instrumentarium ins Blickfeld zu rücken versucht.[4]

Dieses Problem hat vor allem etwas mit seinem Gegenstand zu tun, der sich auf seltsame Weise einer klaren Definition zu entziehen vermag. Zwar beschreibt das Lexikon für Soziologie und Sozialtheorie den Alltag als „jenen Lebensbereich, der durch Gewohnheit, Wiederholung und Normalität geprägt“ wird, im Gegensatz steht zu „festlichen und außergewöhnlichen Ereignissen“ und ein „umgrenzter Erfahrungsbereich im Gegensatz zur Grenzenlosigkeit einer allgemeinen Vernunftwelt“[5] ist. Jedoch werden durch diese strikte Trennung von Alltag und Nicht-Alltag, die sich nach dieser Definition in zwei unterschiedlichen, sich voneinander abgrenzenden Räumen verorten lassen, gerade Erfahrungen und Wahrnehmungen ausgeblendet, die – auf den ersten Blick banal und ereignislos scheinen - für das erlebende Subjekt in ihrer Intensität aber zum Ereignis (und sogar zur kleineren oder größeren Katastrophe) avancieren können. Martin Walsers Novelle Ein fliehendes Pferd (1978) beispielsweise lässt seine Figuren Urlaub am Bodensee machen, der, was die äußerlichen Begebenheiten anbelangt, völlig ereignislos scheint. Diese Begebenheiten setzen den Protagonisten Helmut Halm jedoch dermaßen unter Druck, dass sie in ihm wahre Reflexionsausbrüche hervorrufen. Im Film Warum läuft Herr R. Amok ? (1969) führen nichtige Aneinanderreihungen von Alltagshandlungen und -erlebnissen, die in ihrer Eintönigkeit kaum zu überbieten sind, zur Katastrophe, indem der Protagonist eben diesen zermürbenden, grauen Alltag nicht mehr erträgt und Amok läuft.

Interessant ist es in diesem Sinne zu analysieren, wie sich die Figuren Ausgänge und Hintertüren aus dem Alltag schaffen um sich auf diese Weise Fluchtwege zu eröffnen. Oder zu beobachten, wie sie den Alltag als ein sie schützendes, versicherndes Gerüst wahrnehmen. Zu fragen wäre des Weiteren, wie sich die Figuren in ihren Alltagsräumen bewegen und wie sie Begrenzungen erleben.

Vorweg zu nehmen sei schon jetzt die These, dass sowohl das literarische Werk (Ein fliehendes Pferd), als auch der Film (Warum läuft Herr R. Amok?) Erzählinstanzen und Figuren schaffen, die der alltäglichen Lebenswirklichkeit mit einer Intensität ausgesetzt scheinen, welche klassischerweise nur der Erfahrung des Nicht-Alltäglichen vorbehalten bleibt. Das ist insofern nicht erstaunlich, als beide Werke in eine ´angestrengte´ Zeit fallen, deren Alltag solche Verarbeitungen von Erfahrungen geradezu evoziert.

Je desillusionierender die kulturelle und gesellschaftliche Situation erscheint, desto präsenter wird das vormals Nicht-Erzählenswerte als Gegenstand der Narration. Mit anderen Worten, desto zwangsläufiger entsteht innerhalb der Literatur eine Fokussierung auf den einzigen noch zur Auseinandersetzung und Reflexion anregenden Bereich: das alltägliche Leben in seiner Banalität und Kontingenz.[6]

Welchem historisch-gesellschaftlichen Kontext sich die beiden zu behandelnden Werke gegenüber sehen, soll in ihrer Einzelanalyse behandelt werden.

2. Ein fliehendes Pferd

2.1. Gattung und Entstehungszeit

War die Literatur der 60er Jahre noch von einer Politisierung geprägt, so setzt sie im Laufe der 70er Jahre mit „Selbstvergewisserung, mit Selbstreflexion und Selbsterfahrung“[7] an. Auch sind literarische Texte der 60er Jahre oft mit dem Dilemma konfrontiert, durch das Primat, politische Gedanken und Ideen zu vermitteln, die ästhetische Besonderheit zu vernachlässigen und stattdessen die Literatur für den politischen Zweck zu benutzen.[8] Ein fliehendes Pferd verkörpert eine Zurücknahme des explizit Politischen, keinesfalls aber eine Verdrängung desselben, wie später noch gezeigt wird. Gleichwohl kann Martin Walsers Novelle der so genannten Neuen Subjektivität, mit der die Tendenzwende einhergeht, zugeschrieben werden. Es ist die Literatur, die sich als Gegenbewegung zur aufgeregten und engagierten Phase der 60er Jahre versteht. Sie zeichnet sich durch eine feine und nuancenreiche Beschreibung der Charaktere aus.

Tendenzwende nennen es die einen, das Scheitern der hochfliegenden Träume von gestern die anderen. Fest steht, dass sich Mitte der siebziger Jahre die raue Wirklichkeit gegen viele schöne Utopien durchgesetzt hat. Es folgt der Rückzug vom öffentlichen in den privaten Bereich; anstelle des Engagements wird der Weg zu sich selbst gesucht. Man erlebt eine ´neue Innerlichkeit´. Die Mitte des Jahrzehnts ist die hohe Zeit der Seelenanalytiker und Therapeuten. Ein neuer Ich-Kult greift um sich. Die intensive, bisweilen wehleidige Beschäftigung mit sich selbst führt oft zur deprimierenden Diagnose einer inneren Leere.[9]

Eine innere Leere, die – wie später gezeigt wird – für beide männlichen Protagonisten Folgen hat. Bei Helmut Halm führt sie zur Resignation, bei Klaus Buch zur Propulsion. Wirkliche Ereignisse aber geschehen im fliehenden Pferd nicht. Warum wählt Walser die Novelle für etwas, wo nichts passiert? Das ist ein Widerspruch. Die Novelle verkörpert ja geradezu das Neue, Unerwartete. Doch gerade dieser Widerspruch lässt das scheinbar Alltägliche aufleuchten. Die „Erzählung mittlerer Länge“[10], das ist die weitläufige Einigung zur Beschreibung der Novellenlänge, bringt mit ihrer für diese Gattung typischen, nahezu notwendigen Wendung eine Diskontinuität ins Spiel, die so weit reichende Folgen für die Figuren hat, dass von Belanglosem, Nichtigem kaum mehr die Rede sein kann. „Heute eine Novelle zu schreiben, ist an sich schon eine unerhörte Begebenheit, wo jeder Halbwegsschriftsteller auch das dünnste Produkt immer gleich als Roman verkauft“.[11] Die Novelle als Gattung verweist auch auf die Einmaligkeit des für die Entwicklung entscheidenden Ereignisses, das „dem Ganzen den charakteristischen Zug verleiht bzw. dem Verlauf die entscheidende Wendung gibt.“[12] Neben der Peripetie ist das Symbol ein signifikantes Merkmal der Novelle. Es gibt „der kürzeren Erzählung den auslotbaren Sinn-Raum, verleiht der ausschnitthaften Begrenzung die unendliche Ausdehnung, ihrer Fixierung ans Einzelne und Einmalige die allgemeine Geltung.“[13] So ist in der zu untersuchenden Novelle schon der Titel symbolgebend. Ein fliehendes Pferd als Symbol für die Strategien, die sich die Figuren aneignen, um mit der Wirklichkeit umzugehen, sie sichern sich Fluchtmöglichkeiten und -orte. Das Symbol und die Wendung sind also Anzeichen genug, um davon ausgehen zu können, dass das Erzählte einen Bedeutungs- und Gültigkeitsanspruch erhebt, der über die scheinbar monotone und geistlose Handlung der Erzählung weit hinausreicht.

Im Sommer 1977, da war Martin Walser 50 Jahre alt und arbeitete gerade an seinem Roman Seelenarbeit, schreibt er an den Suhrkamp-Verlag: „Übrigens: Um mich für eine Durcharbeitung meines Romans möglichst weit vom Geschriebenen zu entfremden, habe ich eine Novelle geschrieben. Ich schätze sie auf 40 bis 50 Schreibmaschinenseiten. Wenn sie etwas wäre, käme sie in dieser Kürze als Büchlein in Betracht? Für Frühling, meine ich.“[14] Innerhalb von zwei Wochen war Ein fliehendes Pferd entstanden als kleine Lockerungsarbeit, als „rasch wegzischende Sommerarbeit“.[15] Und es wurde Walsers bis dato erfolgreichstes Werk.

2.2. Täuschung und Flucht als maßgebliche Strategien des Protagonisten

In seiner Novelle Ein fliehendes Pferd lässt Martin Walser zwei Paare am Bodensee Urlaub machen. Es handelt sich auf der einen Seite um den Oberstudienrat eines angesehenen Gymnasiums in Stuttgart Helmut Halm und seine Frau Sabine, auf der anderen Seite um seinen Kommilitonen und alten Schulkameraden Klaus Buch und seine Frau Helene Buch. Der Raum, den Walser seinen Figuren zur Verfügung stellt, ist auf 20 mal 20 km begrenzt.[16] In diesem Raum ereignet sich, was die äußere Handlung anbelangt, kaum etwas, es ist eigentlich gar keine richtige Geschichte. „Treu folgt die Novelle der Routine biederer Urlaubstage: drei Abendessen, ein Ausflug über Land, zwei Segelpartien – mehr wird nicht erzählt.“[17] Und doch entsteht in der Novelle ein Druck, der sich nicht nur auf die Figuren niederschlägt und sie zu ihrem Handeln treibt, sondern auch im Text spürbar wird, der selbst unter diesem Druck steht. Martin Walser formuliert hierzu sein Konzept, das eben nicht vorsieht, den „furchtbaren Anlass“ zu beschreiben, sondern statt diesem wird etwas erzählt, „was diesem Anlaß standhalten muß. In jedem Satz muß der Druck der furchtbaren Wirklichkeit erwidert werden. Man kann nicht irgendetwas erzählen, sondern nur das, was den Druck des Anlasses ganz genau erwidert.“[18] Die Umstände, unter denen die Figuren leiden, klingen aber zunächst belanglos, es scheint auf den ersten Blick eine seichte Urlaubsgeschichte zu sein, die durch die kleinen ´Zipperlein´ der Figuren gewürzt wird. Auf den zweiten Blick jedoch – und diese Einsicht stellt sich während des Lesens schnell ein – sind es keine kleineren Probleme des Alltags, mit denen die Figuren umzugehen haben, sondern vielmehr tief sitzende Ängste und Komplexe, die sich – und das macht den Reiz dieser Novelle aus – in diametral gegenüberstehenden Handlungen und Haltungen äußern.

Da ist zum einen das Ehepaar Helmut und Sabine Halm. Es wird schon im ersten Satz der Novelle ein Unzulänglichkeitsgefühl seitens des Protagonisten Helmut Halm spürbar, der sich fehl am Platze fühlt: „Plötzlich drängte Sabine aus dem Strom der Promenierenden hinaus und ging auf ein Tischchen zu, an dem noch niemand saß. Helmut hatte das Gefühl, die Stühle dieses Cafes seien für ihn zu klein, aber Sabine saß schon.“[19] Es ist diese Eingespieltheit unter ihnen, die sie wie ein spießiges und kleinbürgerliches Ehepaar erscheinen lässt. Nach außen hin lassen sie sich dies nicht anmerken, in den Reflexionen Helmut Halms hingegen – und nur sein Innenleben ist dem persönlichen Er-Erzähler zugänglich, der zudem einen Einblick in Halms Gedanken durch die erlebte Rede gibt – werden die alltäglichen Erfahrungen zu Leidenserfahrungen.

Er kam sich in hellen Hosen komisch vor. Wenn er keine Jacke anhatte, sah man von ihm wahrscheinlich nichts als seinen Bauch. […] Bei Sabine hatte die Sonne bis jetzt noch nichts bewirkt als eine Aufdünsung jedes Fältchens, jeder nicht ganz makellosen Hautstelle. Sabine sah grotesk aus. (10)

Helmut, der auf besagter Promenade stets diese „Art hoffnungslosen Hungers nach diesen hell- und leichtbekleideten Braungebrannten“ verspürt, wäre viel lieber in seinem Ferienhäuschen „mit den schmucklos geraden Gitterstäbe[n] vor den Fenstern“, die er „jeden Tag mit innigem Wohlgefallen“ (94) wahrnimmt, wo er sich in aller Ruhe seiner Ferienlektüre, Kierkegaards Tagebüchern, widmen könnte.

Er wusste überhaupt nicht, was Kierkegaard in seinen Tagebüchern notiert hatte. Unvorstellbar, dass Kierkegaard etwas Privates notiert haben konnte. Er sehnte sich danach, Kierkegaard näherzukommen. Vielleicht sehnte er sich nur, um enttäuscht werden zu können. Er stellte sich diese tägliche, stundenlange Enttäuschung beim Lesen der Tagebücher Kierkegaards als etwas Genießbares vor. Wie Regenwetter im Urlaub. Wenn diese Tagebücher keine Nähe gestatteten, wie er fürchtete (und noch mehr hoffte), würde seine Sehnsucht, diesem Menschen näherzukommen, noch größer werden. Ein Tagebuch ohne alles Private, etwas Anziehenderes konnte es nicht geben. Er musste Sabine sagen, dass er ab morgen die Abende nur noch in der Ferienwohnung verbringen werde. Er hätte zittern können vor Empörung! Er hier auf dem zu kleinen Stuhl, Leute anstierend, während er in der Ferienwohnung… (11).

Hier im Cafe fühlt sich Helmut den Menschen ausgeliefert und von ihnen durchschaut. Und diese Vorstellung ist für ihn das Schlimmste.

Helmut mochte es nicht, wenn die Umwelt sich über Sabine und ihn Gedanken machen konnte, die zutrafen. Egal, was die Umwelt über ihn dachte, es sollte falsch sein. Sobald es ihm gelang, Fehlschlüsse zu befördern, fühlte er sich wohl. Inkognito war seine Lieblingsvorstellung (12).

Die Produktion von Schein wird für Helmut Halm zum Programm. Nach außen will er allen Anforderungen der Gesellschaft entsprechen. Er nutzt den Urlaub, um immer neue Gesichtsausdrücke, die seinen Gefühlen entgegenlaufen, auszuprobieren. Sein Innenleben, welches dem Leser über die erlebte Rede und die Reflexionen über äußerlich Geschehendes mitgeteilt wird, kompensiert gewissermaßen negative Erfahrungen in der Wirklichkeit.

So etwas wie Lebensfreude entwickelte sich bei ihm wirklich nur aus dem Erlebnis des Unterschieds zwischen innen und außen. Je größer der Unterschied zwischen seinem Empfinden und seinem Gesichtsausdruck, desto größer sein Spaß. Nur wenn er ein anderer schien und ein anderer war, lebte er (80).

Obwohl Helmut behauptet, diese Differenz von innen und außen bereite ihm Spaß, kann diese persönliche Einschätzung eher gelesen werden als „gewaltvolle[r] Versuch, diese Abhängigkeit der Überlebensstrategie als etwas Gesundes, Positives anzusehen.“[20] Denn dieses Bedürfnis nach Flucht entsteht ja gerade aus dem negativen Erlebnis der Angst heraus. Die Strategie der Scheinproduktion kann zwar als behelfsmäßiger Versuch der Erleichterung der Lage, nicht aber als für ihn befriedigende und Freude bereitende Lösung verstanden werden.

Zwar findet Helmut Halm gewissermaßen, wie Frank Barsch es treffend ausdrückt, den „Ausweg nach innen“.[21] Doch auch dieser Ausweg ist nur eine Flucht und längst keine Lösung. Er spiegelt förmlich seine Angst vor dem Durchschaut-Werden wider und ist der Ort, an dem er vor den Erwartungen der Gesellschaft einigermaßen sicher ist. Volker Bohn bescheinigt ihm mit diesem Fluchtversuch keine durchweg gesicherte Position. Helmut Halm „spielt die Rolle des Distanzierten, die ihm noch längst nicht Habitus geworden ist.“[22] In seinem Heimatort Stuttgart beispielsweise musste er in der Nachbarschaft und in der Schule immer wieder erleben, wie bei Kollegen und Schülern „die Kenntnis über ihn zunahm. An ihm war der Spitzname Bodenspecht hängengeblieben. Das zeigt ihm, daß er mit einer geradezu höheren Art von Genauigkeit erfasst, durchschaut und bezeichnet war.“ (12) Helmut Halm hat es sich zur Gewohnheit gemacht, den Leuten beim Zuhören auf die Füße zu schauen, daher der Spitzname. Dieses Benehmen deutet auf seine Unsicherheit hin, auf die Angst, erkannt zu werden.

Jedes Mal, wenn ihm das Erkannt- und Durchschaut-Sein in der Schule oder Nachbarschaft demonstriert wurde, die Vertrautheit mit Eigenschaften, die er nie zugegeben hatte, dann wollte er fliehen. Einfach weg, weg, weg. Die benützten Kenntnisse über ihn, deren Richtigkeit er nicht bestätigt hatte. Sie benützten sie zu seiner Behandlung. Zu seiner Unterwerfung. […] Jetzt blieb ihm nur noch die Flucht. Ein-, zweimal im Jahr. Der Urlaub eben. Im Urlaub probierte er Gesichter und Benehmensweisen aus, die ihm geeignet zu sein schienen, seine wirkliche Person in Sicherheit zu bringen vor den Augen der Welt. Unerreichbar zu sein, das wurde sein Traum (12).

Angesichts der Wendung der Novelle, die zu Beginn des zweiten Kapitels einsetzt, bleibt diese Hoffnung nur ein Traum. Denn die Urlaubsidylle wird schonungslos durchbrochen, als Klaus Buch mit seiner weit jüngeren Ehefrau Helene erscheint. Dieses Treffen wird für Helmut die größte Herausforderung an sich und seine Täuschungsfähigkeit. Der Alltag, dem er im Urlaub zu entfliehen versucht, holt ihn durch diese Begegnung umso stärker wieder ein.

2.3. Leistungsdruck und Konkurrenz

Der Alltag ist nicht explizit Thema in Ein fliehendes Pferd. Implizit hingegen bestimmt und beeinflusst er die Handlungen, Werte, Ansichten und Vorstellungen der Figuren dermaßen, dass sie sich seiner Anwesenheit geradezu permanent ausgesetzt sehen.

In diesem Kapitel wird gezeigt, wie die Leistungsgesellschaft mit ihrem Fokus auf Konkurrenz sich im Bereich der Arbeit und des Berufs, als auch der Freizeit und des Sexuallebens auf die Figuren niederschlägt. All ihre Gespräche, Aktionen und Reaktionen sind durch diesen Fokus determiniert, er bildet sozusagen den Code der Beziehungen innerhalb der Figurenkonstellation. Helmut und Sabine bleiben in ihrem Urlaub – wie gesagt – nicht alleine, denn

Plötzlich stand ein zierlicher junger Mann vor ihrem Tisch. In Blue Jeans. Ein blaues Hemd, das offen war bis zu dem ungefärbten Gürtel, in den Zeichen eingebrannt waren. Und neben dem ein Mädchen, das durch die Jeansnaht in zwei deutlich sichtbare Hälften geteilt wurde. Wie sie, wohin man schaute, geländehaft rund und sanft war, war er überall senkrecht, durchtrainiert, überflußlos. Auf der tiefbraunen Brust hatte er nur ein paar goldblonde Haare, aber auf dem Kopf einen dicht und hoch lodernden Blondschopf (19).

Zunächst reagiert Helmut verunsichert auf diesen Mann, der darauf besteht, ihn von früher zu kennen. Er befürchtet, dass es sich bei ihm um einen von den ehemaligen Schüler handeln muss, die „vorher alles getan haben, einem die Arbeit in der Schule unerträglich zu machen“ und einem dann „ein Mordsweib […] oder so ein erschütterndes Mädchen“ vorstellen, „womöglich auch noch ein paar glücklich kreischende Kinder, die einen mit pappigen Fingern berühren“ (19). Doch dann erkennt er ihn: „Nein, der flammend Blonde in Blau, mit Augenweiß und Zähneweiß und nackten Füßen und schönen unbeschädigten Zehen, war kein Schüler, es war Klaus Buch“(20), ein ehemaliger Schulkamerad. Auch dessen Frau Helene macht auf Helmut einen tiefen Eindruck: „Das war eine Frau wie eine Trophäe. […] Auch ihre Zehen lagen wohlig und gerade nebeneinander“ (20).

Was nun folgt, ist ein Geplänkel zweier sich grundlegend gegensätzlich aufführender Paare.

2.3.1. Freizeit, Gesundheit, Ernährung

Helmut Halm ist alles andere als glücklich darüber, dass sich Klaus Buch und seine Frau zu ihnen an den Tisch setzen. „Die beiden redeten. Redend setzten sie sich. Sitzend redeten sie weiter. Helmut dachte an die Tagebücher Kierkegaards. Sabine gab alle Auskünfte, die durch Hel´s und Klaus´ Reden nötig wurden“ (21f.). Diese Epanalepse, einer bei Walser häufig gebräuchlichen Sprachfigur,[23] lässt das ununterbrochene Reden Klaus Buchs fast schon grotesk erscheinen. Seine Freude über das Wiedersehen mit Helmut ist überschwänglich und versetzt ihn förmlich in einen permanenten Zustand des Redens, der eine Lebenshaltung offenbart, die Helmut konträr entgegenläuft. Diese Beobachtung lässt sich vor allem an denjenigen Zeichen fest machen, die die Handlungen und das Äußerliche der Figuren beschreiben. Die Buchs trinken „nur Mineralwasser. […] Helmut und Sabine tranken den schwersten, teuersten Spätburgunder“ (31). Die Buchs essen nur Salat und Steak und Klaus lehnt Helmuts Angebot einer Zigarette mit der Bemerkung ab, „er dürfe nicht rückfällig werden“ (35). Als Helmut dann bemerkt, „daß die sein Rauchen mit einer erschütternden Teilnahme beobachteten, hatte ihm das Rauchen nicht mehr so geschmeckt wie sonst“ (35). Während die Halms schläfrig an der Promenade sitzen, sieht die Buchsche Tagesplanung einen wesentlich aktiveren Ablauf vor: „Morgens um halb sieben laufen sie, um sieben spielen sie Tennis, vormittags segeln sie, dann essen sie Mittag, dann schlafen sie, um drei Uhr haben sie ausgeschlafen […]“. (33) Während die Halms „zerschundene Zehen“ haben und eine „wüst gerötete Haut“ (47), liegen die „schönen unbeschädigten Zehen“ (20) der Buchs „wohlig und gerade nebeneinander“ (21). Die Novelle folgt hier, wie bei einem Schachspiel, einer genauen Gegenüberstellung, die aber zunächst kaum Zwischentöne kennt, sondern die beiden Positionen weit möglichst auseinander laufen lässt. Am deutlichsten wird diese Gegenüberstellung wohl in folgender Formulierung: „Aber wenn man die braunen Arme und Hände der beiden und Helmuts und Sabines Arme und Hände auf dem Tisch liegen sah, wusste man, wer zusammengehörte. (61). Auch das Körperbewusstsein der beiden männlichen Protagonisten läuft auseinander. Während Helmut prüde ist und sich weg von der intensiven Körperwahrnehmung nach „Unfühlbarkeit“ (30) sehnt, könnte Klaus Buch „schreien vor Begeisterung“, wenn ihm ein Regentropfen auf der Haut zerplatzt“ (30).

Es ist überflüssig zu erwähnen, dass es Helmut ist, der bei dieser Gegenüberstellung zunächst schlecht davon kommt und erfolglos versucht, es mit diesem ersten Treffen auch dabei zu belassen. Klaus Buch lädt die Halms nach der ersten Begegnung auf eine Segeltour am nächsten Morgen ein. „Kein Wunder, dass für Halm, den Hocker und Rotweintrinker, der in Worten und Taten verzappelte Klaus Buch, dieser Vitalist und Gesundheitssportler, dieser Verkünder von Sex- und Steak- und Mineralwassergenüssen eine nur schwer erträgliche Dauerreizung wird.“[24]

Auffallend ist zudem das Bild des körperlichen Leidens, das Walser für die Verletzung seiner Figur Helmut Halm gewählt hat[25]. Immer wieder leidet er unter kalten Füßen. „Er spürte, daß seine Füße eiskalt waren. Es war ein heißer Tag.“ (41) Was wiederum zunächst belanglos klingt, verweist aber – gerade weil das Leiden häufig benannt wird – auf ein Unwohlsein der Figur, das sich eben nicht nur auf die Psyche ausschlägt, sondern somatisiert.

2.3.2. Arbeit

Obwohl sich beide Paare im Urlaub befinden und alles darauf hindeutet, dass zumindest die Halms einer Erholung dringend bedürfen, wird auch die Kommunikation über Arbeit und Beruf zum Thema. Helmut Halm ist ein erfolgreicher und verbeamteter Lehrer an einem angesehenen, alten Gymnasium in Stuttgart. Er ist – wie seine Frau den Buchs berichtet - „seit Jahr und Tag dabei, zwei Bücher zu schreiben, aber die Schule frisst ihn einfach auf; jetzt hat er seine Pläne schon auf ein Buch reduziert; aber selbst das muß er immer wieder hinausschieben“ (43). Zudem sagt sie über seine Arbeit: „Er lese eben immerzu. Es sehe aus wie Studieren. Sie halte es aber eher für Leben.“ (95) Auch diese Eigenschaft, viel zu lesen und selbst im Urlaub fünf Bände der Kierkegaardschen Tagebücher im Gepäck zu haben - „Wehe dir, Sabine, wenn er nur vier Bände schafft.“(11) – weisen auf einen Rückzug Helmut Halms ins Innere. Er ist damit, wie Barbara Lafond formuliert,

der Prototyp der ´Neuen Innerlichkeit´, der sich jedoch nicht als ein ´Bewohner des Elfenbeinturms´ selbstbewusst definiert und behauptet, sondern auf gesellschaftliche Zwänge nur durch Ablehnung reagiert. Walsers sozialpsychologischer Realismus trägt somit zur Erstellung einer Chronik des kleinbürgerlichen und intellektuellen Bewusstseins bei.[26]

Dass er ein Kleinbürger sei, beansprucht Helmut Halm – nachdem Klaus Buch freudig feststellt, dass Helmut kein Kleinbürger geworden sei – in vollem Maße. „Helmut dachte: Wenn ich überhaupt etwas bin, dann ein Kleinbürger. Und wenn ich überhaupt auf etwas stolz bin, dann darauf.“ (96) Ganz gegenteilig äußert sich Klaus Buchs Gestus, wenn er über seine Arbeit spricht. Hier wird ein Aus-Sich-Heraus-Lehnen in jedem Wort deutlich. Klaus Buch sieht seine Arbeit als Grenzerfahrung, als Überforderung, die er braucht, um sich lebendig zu fühlen:

Ohne Provokation gebe es ihn nicht. Wenn er nicht überfordert werde, lebe er nicht. Er brauche die Grenze, sonst fühle er sich nicht. Also sei er Journalist geworden. Spezialist für Umweltfragen. Innerhalb der Ökologie Spezialist für Ernährungsfragen. Auch im Fernsehen zu sehen. (42)

Was hier den Eindruck erweckt, man habe es mit einem das Leben zu einem prickelnden Erlebnis erhebenden Abenteurer zu tun, stellt sich auf den zweiten Blick als Schwindel heraus: Klaus entblößt verbittert Helenes den Erfolg betonende Zusatzbemerkung als Ironie, dass „fünfundsiebzigtausend Leute“ (46) nach seinen Büchern essen würden.

Diese Situation ist nur eine der vielen Momente, in denen es zu Brüchen in Klaus Buchs hinausposaunter Identität kommt.

Schon im ersten Teil der Novelle, als die beiden Paare sich zum Essen treffen, wird Klaus Buchs Hand unter dem Tisch von Otto, Halms Spaniel, berührt. „Plötzlich fuhr Klaus Buch mit einem hellen Schrei hoch und schüttelte eine Hand durch die Luft, als sei sie ihm gerade verbrannt oder durchschossen worden. […] Hel sagte: Bei seinem Ekel vor Hunden genügt die geringste Berührung und der Schock ist fertig“ (22). Dies ist vermutlich eine Reaktion, die man bei dem sportlich-vitalen Klaus Buch als letztes erwarten würde und die seinen Charakter ein Stück weit ins Lächerliche zieht. In anderen Momenten tritt Klaus Buch in für den Leser irritierender Weise auf, wenn er sich mehrmals mit den Worten an Helene richtet: „Dann sagte er in einem furchtbar ernsten, geradezu hoffnungslosen Ton zu Hel: Du magst mich nicht mehr, gell?“ (46) Oder an anderer Stelle: „Du magst mich nicht mehr, gell, sagt er. Jetzt küsste sie ihn. Dann tranken beide von ihrem Mineralwasser. Beide schienen zum ersten Mal unter Helmuts Zigarren- und Sabines Zigarettenrauch zu leiden.“ (98) Diese Diskurspartikel „gell“ versetzt durch ihren Verweis auf den heimatlichen Dialekt der Buchs den Mann von Welt zurück auf den Boden der Tatsachen. Es macht zudem deutlich, dass auch Klaus Buch nicht nur in überheblicher Manier ergebnishafte Aussagen formuliert, sondern auch der Rückversicherung aufgrund eigener Unsicherheit bedarf. Indem „Dissonanzen zwischen dem Ehepaar Buch dargestellt werden, wird die zunächst gegenüber Halm so stabil erscheinende Fassade von Lebenstüchtigkeit zusehends hinterfragt.“[27]

In einer Situation, in der Klaus Buch von vital-körperlichen Erfahrungen schwärmt, glaubt Helmut zu bemerken, „daß Hel sich gern ein bisschen lustig gemacht hätte über den Körpergesundheitsdienst ihres Mannes“[28] (61). Was der Leser schon erahnt, wird schlussendlich zur sicheren Erkenntnis: „Klaus körperlicher Fanatismus [ist] ein Versuch, seine Gefühle der Ungenügsamkeit zu verdecken, ein Versuch, jung zu bleiben. Seine Strategie war aber letzten Endes genauso verfehlt und unergiebig wie die von Halm.“[29] Die Gespieltheit und Rollenhaftigkeit, die Klaus Buch und seine Frau an den Tag legen, wenn sie über ihr Verhältnis zur Arbeit sprechen, durchbrechen in einigen Momenten die Grenzen der Authentizität und ziehen ihre Aussagen ins lächerlich Übertriebene:

Sie arbeiteten so wenig als möglich, sagte er. Stimmt´s, fragte er. Sie sagte: Ja, zum Glück brauchen wir, um uns wohlzufühlen, keine Arbeit. Das klang wie gelernt. Klaus Buch sagte, das Leben sei zu kurz, als dass man es mit Arbeit vergeuden dürfe. (97)

[...]


[1] Christiane Sollte-Gresser: Spielräume des Alltags. Literarische Gestaltung von Alltäglichkeit in der deutschen, französischen und italienischen Erzählprosa (1929-1949). Im Druck befindlich, S. 163.

[2] Christiane Sollte-Gresser: Wider den Sonntag im Buch. Überlegungen zum Thema des Alltags in der Literatur. In: STINT. Zeitschrift für Literatur 28, (Dezember 2000), Themenheft Alltag, S. 127-133, hier S. 129.

[3] Vgl. Sollte-Gresser: Spielräume des Alltags, S. 49f.

[4] Sollte-Gresser: Spielräume des Alltags, S. 13.

[5] Sina Farzin u. Stefan Jordan (Hrsg.): Lexikon Soziologie und Sozialtheorie. Hundert Grundbegriffe. Stuttgart 2008, S. 27.

[6] Sollte-Gresser: Spielräume des Alltags, S. 164.

[7] Barbara Lafond: Martin Walsers Ein fliehendes Pferd. Zur Intellektuellenproblematik in der BRD der siebziger Jahre. In: Revue d´Allemagne. Band 35. Straßburg 2003, S. 73-83, hier S. 79.

[8] Vgl. Ralf Schnell: Die Literatur der Bundesrepublik. In: Wolfgang Beutin (Hrsg.): Deutsche Literaturgeschichte. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Stuttgart/Weimar 2001, S. 580-659, hier S. 638.

[9] Ekkehard Böhm u.a. (Hrsg.): Kulturtagebuch. 1900 bis heute. Braunschweig 1984, S. 676.

[10] Hugo Aust: Novelle. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Stuttgart 1995, S. 9.

[11] Zitiert nach Herzog. In: Hugo Aust: Novelle. 2., überarbeitete und ergänzte Auflage. Stuttgart 1995, S. 173.

[12] Aust: Novelle, S. 11.

[13] Ebd., S. 14.

[14] Jörg Magenau: Martin Walser. Eine Biographie. Hamburg 2008, S. 349f.

[15] Ebd., S. 350.

[16] Vgl. Hans-Erich Struck: Martin Walser. Ein fliehendes Pferd. 2. überarbeitete Auflage. München 2002, S. 9.

[17] Reinhard Baumgart: Überlebensspiel mit zwei Opfern. In: Der Spiegel 09/1978 vom 27.02.1978, Seite 198. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=40616798&top=SPIEGEL (Zugriff am 2. Juni 2009).

[18] Martin Walser: Literatur als Weltverständnis. Drei Versuche. Eggingen 1996, S. 12.

[19] Martin Walser: Ein fliehendes Pferd. Frankfurt am Main 1978, S. 6. (Weitere Nachweise im fortlaufenden Text in Klammern).

[20] Gerald A. Fetz: Martin Walser. Stuttgart 1997, S. 120.

[21] Frank Barsch: Ansichten einer Figur. Die Darstellung der Intellektuellen in Martin Walsers Prosa. Heidelberg 2000, S. 178.

[22] Volker Bohn: Ein genau geschlagener Zirkel. Über Ein fliehendes Pferd. In: Klaus Siblewski (Hrsg.): Martin Walser. Frankfurt am Main 1981, S. 152.

[23] Vgl. Ana-Maria Palimariu: Inszenierungen des Ethischen. Martin Walsers Ironiebegriff in seinen Frankfurter Vorlesungen und in der Novelle Ein fliehendes Pferd. In: George Guţu u. Reimar Müller. transcarpathica. Germanistische Jahrbuch Rumänien. Band 3-4. Bukarest 2004-2005, S. 175-199, hier S. 187.

[24] Baumgart: Überlebensspiel mit zwei Opfern.

[25] Vgl. Ulrike Hick: Martin Walsers Prosa. Möglichkeiten des zeitgenössischen Romans unter Berücksichtigung des Realismusanspruchs. Stuttgart 1983, S. 136.

[26] Lafond: Martin Walser. Ein fliehendes Pferd, S. 82.

[27] Hick: Martin Walsers Prosa, S. 141.

[28] Helene Buch wird von Klaus Buch und in einigen wenigen Situationen auch von Helmut nur „Hel“ gerufen.

[29] Fetz: Martin Walser, S. 121.

Ende der Leseprobe aus 58 Seiten

Details

Titel
Die Bedeutung des Unwichtigen.
Untertitel
Der Alltag im literarischen und filmischen Notat (Martin Walsers "Ein fliehendes Pferd" und Rainer Werner Fassbinders "Warum läuft Herr R. Amok?")
Hochschule
Universität Bremen  (Neuere Deutsche Literatur)
Veranstaltung
-
Note
1,5
Autor
Jahr
2009
Seiten
58
Katalognummer
V142081
ISBN (eBook)
9783640517060
ISBN (Buch)
9783640516896
Dateigröße
1104 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Alltag, Martin Walser, Rainer Werner Fassbinder, Neuer Deutscher Film, Autorenkino, Autorenfilmer, Neue Subjektivität
Arbeit zitieren
Simon Wordtmann (Autor:in), 2009, Die Bedeutung des Unwichtigen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142081

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