Die Minnekonzeption im Herzmäre


Hausarbeit, 2009

18 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Vorwort

2 Hintergrund des Herzmäres
2.1 Der Begriff der Minne

3 Die Minnekonzeption im Herzmäre
3.1 Der Prolog des Herzmäres
3.2 Die Personenkonstellation
3.2.1 Die Minne zwischen der Dame und dem Ritter
3.2.2 Das Problem der Minneformulierung
3.2.3 Das Verhältnis des Ehemanns zu den Liebenden
3.3 Das Herz als Liebesbeweis und Symbol

4 Schlusswort und Ausblick

5 Literaturverzeichnis

1 Vorwort

Diese Arbeit analysiert Minnekonzeption in dem[1] „Herzmäre“[2] Konrads von Würzburg. Die Themenwahl resultiert primär daher, dass in diesem Märe eine deutliche Umgestaltung der typischen Minne zu finden ist, was einen genaueren Blick lohnend macht.

Die Methode für diese Analyse wird eine Betrachtung des Märes von verschiedenen Standpunkten aus sein: Ein Vergleich mit dem "Tristan" von Gottfried von Straßburg, an dem man bei dieser Thematik nicht herum kommt, und eine detailliertere Analyse der Personenkonstellation hinsichtlich des Minnebegriffs.

Zuvor aber noch einige Bemerkungen zum Hintergrund des Herzmäres.

2 Hintergrund des Herzmäres

Das Herzmäre, von dem es 12 bekannte Textzeugen gibt, gilt als eines der frühsten Werke Konrads von Würzburg und könnte gegen 1260 entstanden sein. Die dargestellte Dreierkonstellation zwischen Ehemann, Ehefrau und dem von ihr geliebten Ritter, sowie das Essen eines Körperteils ist eine weit verbreitete Handlung, die möglicherweise aus der indischen Tradition stammt und vor allem als „Die Geschichte vom gegessenen Herzen“ bekannt ist. Das häufigste Motiv in den verschiedenen Versionen stellt die Rache des Ehepartners dar, der seiner Frau ein Körperteil ihres Geliebten zu essen gibt.[3]

Bedeutsam ist zudem Konrads Berufung auf einen literarischen Vorgänger, Gottfried von Straßburg, an dessen Texte er sich schulte und den er in dem Prolog des Herzmäres namentlich erwähnt. Allen voran Gottfrieds „Tristan“ zeigt sich hier als Vorbild Konrads, sowohl sprachlich als auch inhaltlich.

Als weiterführende Einleitung in die Thematik dieser Arbeit muss nun noch ein Blick auf die allgemeine Definition des Minnebegriffs geworfen werden.

2.1 Der Begriff der Minne

Minne, von althochdeutsch minna, bezeichnete ursprünglich „Gedenken”, dann „liebendes Gedenken” und schließlich „Liebe”, und zwar zunächst die helfende (erbarmende) Liebe und dann vor allem die sinnliche Liebe zum anderen Geschlecht. In der höfischen, epischen und lyrischen Dichtung des hohen Mittelalters ist die Minne das zentrale Motiv für ritterliches Handeln und Ausdruck der Beziehung zwischen Mann und Frau bzw. Ritter und höfischer Dame. Im Minnesang (siehe Minnesänger) wird zwischen „niederer Minne” und „hoher Minne” unterschieden; die niedere Minne ist sozial und ethisch auf einer tieferen Stufe angesiedelt, sie ist gleichbedeutend mit der Befriedigung des Liebestriebes. Im Unterschied dazu hält sich die hohe Minne an bestimmte idealisierte Regeln: Der Ritter sieht sich im Dienste seiner meist unerreichbaren Geliebten zu Heldentaten verpflichtet, und der Dienst für die Geliebte wird zur höchsten ethischen Norm.[4]

Minne übernimmt nicht nur immer mehr die Bedeutung des neuhochdeutschen „Liebe“, sondern wird, beispielsweise im Herzmäre, auch an einigen Stellen so benannt. Der spätere Wandel zur Bezeichnung von rein sinnlicher Liebe bescherte der Minne letztendlich eine vollkommen negative Konnotation, soll in dieser Arbeit aber nicht von Belang sein, da er sich erst im 15. Jahrhundert vollzog.[5]

3 Die Minnekonzeption im Herzmäre

3.1 Der Prolog des Herzmäres

Der Prolog des Herzmäres zeigt, dass Konrad von Würzburg mit diesem Text den Anspruch erhebt, die damalige Gesellschaft zu verändern oder sie doch zumindest zu belehren:

Ich prüeve in mîme sinne

daz lûterlîchiu minne

der werlte ist worden wilde.

dar umb sô sulen bilde

ritter und frouwen

an diesem mære schouwen,

wand ez von ganzer liebe seit. (1 - 7)

Der Autor klagt darüber, dass „reine Minne“ (lûterlîchiu minne) der höfischen Gesellschaft fremd geworden ist und diese Geschichte als Vorbild dienen soll, da sie von ganzer liebe erzählt. Auffällig ist, dass sich Konrad direkt an Ritter und Damen, also das höfische Publikum, richtet und dieses Anspruchsniveau im Folgenden noch untermauert:

des bringet uns gewisheit

von Strâzburc meister Gotfrit:

swer ûf der wâren minne trit

will eben setzen sînen fuoz,

daz er benamen hœren muoz

sagen unde singen

von herzeclichen dingen,

diu ê wâren den geschehen

die sich dâ hæten undersehen

mit minneclichen ougen.

diu rede ist âne lougen:

er minnet iemer deste baz

swer von minnen etewaz

hœret singen oder lesen. (8 – 21)

Die Berufung auf den „Meister“ Gottfried von Straßburg soll dem Märe mehr Gewicht geben und der Forderung an das Publikum mehr Nachdruck verleihen, zumal „Tristan“ zu den „relativ viel und intensiv rezipierten Werken“[6] des 13. Jahrhunderts gehört. Schon die Formulierung „ lûterlîchiu minne“ (V. 2) stellt eines von vielen deutlichen Tristan-Zitaten dar[7], wobei sich der Prolog im Ganzen an Gottfried anlehnt, der schreibt, dass das richtige Verständnis seines Werkes diejenigen, die sich so stark wie Tristan und Isolde der Minne verschrieben haben, zur wahren Identität bringt.[8] Konrad will nun in seiner Version ein Vorbild für denjenigen geben, der wahre Minne pflegen oder erlernen will. Interessant, jedoch nicht untypisch, ist die direkte Zusammenführung von Kunst und Minne in den Versen:

er minnet iemer deste baz

swer von minnen etewaz

hœret singen oder lesen. (19 – 21)

Damit werden Texte wie das Herzmäre nicht nur zur Anleitung oder zur Aufforderung für das richtige, wahre minnen in Form eines passiven Objekts, welches den Leser/Hörer animieren soll, sondern schlägt eine Brücke zu einem aktiven Teil: Das Lesen und Hören über Minne an sich lässt die Menschen Liebe/Minne besser verstehen und fördert diese letztendlich noch.

3.2 Die Personenkonstellation

Das Herzmäre beschreibt die Situation einer großen Liebe zwischen einer verheirateten Dame und einem Ritter, welche von dem Ehemann nicht unentdeckt bleibt. Um die Verdächtigungen zu zerstreuen reist der Ritter in die Ferne, erliegt jedoch dem Liebestod, allerdings nicht ohne seinem Knappen aufzutragen, das Herz aus seiner Brust zu schneiden und es mit einem Ring der Dame zu ihr zu schicken. Dieses Herz wird von dem Ehemann abgefangen und schließlich seiner unwissenden Frau als Speise vorgesetzt, was nach der Aufklärung der Köstlichkeit auch ihren Tod zur Folge hat.

Es sind drei entscheidende Verhältnisse zwischen den Charakteren zu unterscheiden: Die Beziehung der Dame zu dem Ritter, die vom Ritter zur Dame und schließlich das Verhältnis des Ehemanns zu seiner Frau.

Auffallend hierbei ist die von Konrad bewusst verwendete Minimalkonstellation des klassischen Dreiecks: Er lässt den Großteil aller Details außen vor. Die handelnden Personen sind keine historischen Figuren und haben keine Namen, es werden kaum Orte genannt, die Charaktere haben keine Hintergrundgeschichte. Alles Konkrete ist getilgt. Beschrieben wird nur, was für die Geschichte notwendig ist. Dies unterscheidet das Herzmäre deutlich von anderen Stoffen mit ähnlicher Handlung, beziehungsweise mit gleichem Ursprung. Konrad erschafft so möglichst exemplarische Figuren: Es geht um einen Ritter und eine Frau (Ein ritter unde ein frouwe guot, V. 29).[9] Die Absicht dahinter bezieht sich auf die Aussagen im Prolog: Die typisierten Personen geben dem Märe eine intensivere Vorbild-Wirkung und die Geschichte handelt somit von Figuren, mit denen sich die Ziel-Rezipienten nicht nur identifizieren können, sondern mit denen sie - aufgrund ihres Standes - gleich sind. Das Märe handelt von einem „ ritter unde ein frouwe “ (V. 29) und ist gerichtet an „ ritter unde frouwen “ (V. 5).

3.2.1 Die Minne zwischen der Dame und dem Ritter

Gleich zu Beginn des Herzmäres werden die Dame und der Ritter als miteinander verbunden beschrieben:

Ein ritter unde ein frouwe guot

diu hæten leben unde muot

in einander sô verweben,

daz beide ir muot unde ir leben

ein dinc was worden alsô gar (V. 29 ff.)

[...]


[1] Es ist anzumerken, dass in dieser Arbeit sowohl neuhochdeutsche als auch mittelalterliche Schreibweisen gleicher Begriffe benutzt werden. So können bspw. „Minne“ und „ minne “ vorkommen oder „Märe“ und „ maere “. Die mittelalterlichen Schreibweisen werden, abgesehen von längeren Zitaten, kursiv geschrieben.

[2] Würzburg, Konrad von: Herzmäre. In: Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Hrsg., übersetzt und kommentiert von Klaus Grubmüller. Frankfurt am Main: 1996 (= Bibliothek deutscher Klassiker 138). Im Folgenden erscheinen hierzu alle Zitatangaben direkt beim Zitieren, der Form nach: (Vers x).

[3] Vgl. Grubmüller, Klaus (Hg.):Novellistik des Mittelalters. Märendichtung. Hrsg., übersetzt und kommentiert von Klaus Grubmüller. Frankfurt am Main: 1996 (= Bibliothek deutscher Klassiker 138), S. 1120. Im Folgenden zitiert als „Grubmüller“. Siehe für detailliertere Informationen auch: Blamires, David: Konrads von Würzburg ‚Herzmaere’ im Kontext der Geschichte vom gegessenen Herzen. In: Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft, hg. von Hans-Dieter Mück und Ulrich Müller. Band 5. 1988/1989, S. 251 ff.. Im Folgenden zitiert als „Blamires“.

[4] "Minne" Microsoft® Encarta® Online-Enzyklopädie 2009. http://de.encarta.msn.com/encnet/refpages/RefArticle.aspx?refid=761555752. Eingesehen: 26.10.2009.

[5] Ursula Schulze zeigt, dass im Herzmäre „Liebe“ und „minne“ als wohl gleichbedeutende Begriffe vorkommen. Ebenso wird dies in dieser Arbeit der Fall sein. Vgl. Schulze, Ursula: Konrads von Würzburg novellistische Gestaltungskunst im ‚Herzmaere’. In: Mediævalia litteraria. Festschrift für Helmut de Boor zum 80. Geburtstag, hg. von Ursula Henning und Herbert Kolb. München: C. H. Beck’sche Verlagsbuchhandlung 1971, S. 477. Im Folgenden zitiert als „Schulze“.

[6] Vgl. Wachinger, Burghart: Zur Rezeption Gottfrieds von Straßburg im 13. Jahrhundert. In: Deutsche Literatur des späten Mittelalters. Hamburger Colloquium 1973, hg. von Wolfgang Harms und L. Peter Johnson. Berlin: Erich Schmidt Verlag 1975, S. 56. Im Folgenden zitiert als „Wachinger“.

[7] Vgl. Straßburg, Gottfried von: Tristan. Bd. I.: Text, 5. Aufl., Berlin u.a.: de Gruyter 2004, Vers 18272. Im Folgenden zitiert als „Tristan“.

[8] Vgl. Ortmann, Christa und Hedda Ragotzky: Zur Funktion exemplarischer triuwe-Beweise in Minne-Mären. In: Kleinere Erzählformen im Mittelalter. Paderborn Colloquium 1987, hg. von Klaus Grubmüller, L. Peter Johnson und Hans-Hugo Steinhoff. Paderbron u.a.: Schöningh 1988 (= Schriften der Universität, Gesamthochschule Paderborn: Reihe Sprach- und Literaturwissenschaft; Bd. 10), S. 98. Im Folgenden zitiert als „Ortmann“.

[9] Vgl. Ortmann, S. 94.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die Minnekonzeption im Herzmäre
Hochschule
Rheinisch-Westfälische Technische Hochschule Aachen  (Germanistisches Institut)
Veranstaltung
Stadtliteratur im 15. Jh. am Fall der Nürnberger 'Handwerkerdichtung'
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
18
Katalognummer
V142043
ISBN (eBook)
9783640498703
ISBN (Buch)
9783640498727
Dateigröße
425 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Laut Dozentin waren "keine Änderungen nötig", drum auch die Note 1,3. Das Literaturverzeichnis umfasst acht Quellen. Verfasst im 5. Semester.
Schlagworte
Herzmaere, Konrad von Würzburg, märe, minne, minnekonzept, gegessenen Herz, Geschichte vom gegessenen herzen, Herz, Symbol, Personenkonstellation
Arbeit zitieren
Ulf ter Bekke (Autor:in), 2009, Die Minnekonzeption im Herzmäre, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/142043

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