Preisfairness - Zusammenfassung der aktuellen Forschung


Diplomarbeit, 2009

62 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Grundlagen
2.1 Definition und Abgrenzung
2.2 Konzeptioneller Rahmen
2.3 Theorien zur Preisfairness
2.3.1 Equity Theorie
2.3.2 Dual Entitlement Theorie
2.3.3 Attributionstheorie

3 Vorgehensweise

4 Befunde der empirischen Studien
4.1 Determinanten der Preisfairness
4.1.1 Preishöhe
4.1.2 Transparenz bei Preissteigerungen
4.1.3 Motivfairness
4.1.4 Preisdifferenzierung
4.1.5 Verfahrensgerechtigkeit
4.2 Konsequenzen der Preisfairness
4.2.1 Preisbewusstsein und Preisbeurteilung
4.2.2 Kaufabsicht
4.2.3 Kundenzufriedenheit
4.2.4 Verhaltensreaktionen während und nach der Transaktion
4.3 Zwischenfazit
4.4 Limitationen der analysierten Studien

5 Implikationen
5.1 Implikationen für weitere Forschung
5.2 Implikationen für die Praxis

6 Zusammenfassung

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Relevante Charakteristika der identifizierten Studien

Tab. 2: Zuordnung der Studien

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Konzeptioneller Rahmen

Abb. 2: Formale Darstellung von Equity und Inequity

Abb. 3: Verwendungsanzahl der theoretischen Grundlagen

Abb. 4: Häufigkeit der Analyseverfahren

Abb. 5: Beziehung zwischen Preishöhe und Preisfairness

Abb. 6: Beziehung zwischen Preissteigerung und Preisfairness

Abb. 7: Beziehung zwischen Motivfairness und Preisfairness

Abb. 8: Beziehung zwischen Preisdifferenzierung und Preisfairness

Abb. 9: Beziehung zwischen Verfahrensgerechtigkeit und Preisfairness

Abb. 10: Beziehung zwischen Preisfairness und Preisbewusstsein/-beurteilung

Abb. 11: Beziehung zwischen Preisfairness und Kaufintention

Abb. 12: Beziehung zwischen Preisfairness und Kundenzufriedenheit

Abb. 13: Beziehung zwischen Preisfairness und beobachtbaren Verhaltensreaktionen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Problemstellung

„Of all the tools available to the marketers, none is more powerful than price.”[1]

Der Preis ist ein elementares Entscheidungskriterium für oder gegen ein Produkt und für oder gegen einen Anbieter. Aus diesem Grund hat jener einen direkten Einfluss auf die Umsatz- und somit auch auf die Gewinnsituation eines Unternehmens. Gerade in Zeiten der Globalisierung, gesättigter Märkte und sinkender Einkommen gewinnt der Preis für Konsumenten an Gehalt. Händler sind hochgradig daran interessiert, wie sie gegen ein neutrales oder negatives Preisimage ankämpfen können, um neue Kunden für sich zu gewinnen und bisherige Kundenbeziehungen zu festigen. Um dieses Ziel zu verwirklichen ist es wichtig zu verstehen, wie Menschen Preise wahrnehmen und auf jene reagieren. In dieser Arbeit wird auf ein wichtiges Element der Preiswahrnehmung eingegangen: die Preisfairness.

Aufgrund sozialer Motive verzichten Menschen oftmals darauf, ihre eigene finanzielle Situa- tion zu optimieren und verhalten sich demnach nicht rein opportunistisch.[2] Neben der monetä­ ren Analyse spielt auch die Preisfairness eine wichtige Rolle, wenn es darum geht einen Preis zu beurteilen.

Es ist zu beobachten, dass das Element der Fairness in der Praxis immer mehr Zuwendung findet. Die 2001 gegründete Fairnessstiftung verleiht jährlich einen renommierten Preis für Persönlichkeiten, die eindringlich und überzeugend für ein faires Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft eintreten.[3] Ein internationales Fairtrade-Siegel soll Konsumenten darüber infor- mieren, welche Produkte zu fairen Bedingungen hergestellt werden.[4] Ein aktuelles BGH-Urteil beschäftigt sich mit fairen Preismechanismen der Gaslieferanten.[5] Der Aufmerk- samkeitsgrad der Öffentlichkeit nimmt zu und auch Wissenschaftler beschäftigen sich immer mehr mit diesem Thema.

Die Analyse der Preisfairness lässt sich dem relativen jungen Gebiet der Behavioral Pricing-Forschung zuordnen. Die klassische Preistheorie unterstellt einen rationalen Nachfra- ger, bekannt als homo oeconomicus. Jene Theorie wird durch verhaltenswissenschaftliche und psychologische Ergänzungen untermauert. [6]

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die aktuellen Erkenntnisse über das Konstrukt der Preis- fairness in einem Modell zu vereinen. Um ein einheitliches Verständnis der Grundlagen zu erlangen, wird zunächst der Begriff der Preisfairness näher definiert (Kapitel 2.1), bevor das konzeptionelle Modell dieser Arbeit vorgestellt wird (Kapitel 2.2). Anschließend werden theoretische Erklärungsansätze für die Entstehung von Preisfairnessbewertungen dargestellt (Kapitel 2.3).

Im nachstehenden Kapitel wird eine Übersicht der identifizierten Forschungen dargeboten, in welchem ebenfalls eine Erläuterung der Vorgehensweise der empirischen Studien erfolgt (Kapitel 3).

Darauf folgt eine Zuordnung der Studien zu den zwei Hauptforschungssträngen (Determinan- ten und Konsequenzen). Im nachfolgenden Verlauf werden jene Stränge in weitere Dimensio- nen aufgeteilt. Die zentralen Befunde werden ihnen zugeordnet und zusammengefasst (Kapi- tel 4.1, 4.2) ehe die Limitationen der analysierten Forschungen aufgedeckt werden (Kapi- tel 4.4).

Ein wesentlicher Bestandteil dieser Arbeit befasst sich mit Implikationen für Forschung und Praxis. Der Sinn des ausgiebigen Untersuchens dieses Gebietes liegt darin, Konsequenzen für das unternehmerische Handeln abzuleiten. Forschungslücken werden aufgedeckt und Umsetzungsempfehlungen werden vorgeschlagen (Kapitel 5), bevor die Arbeit mit einer grundlegenden Zusammenfassung abschließt (Kapitel 6).

2 Grundlagen

2.1 Definition und Abgrenzung

Der Begriff der Preisfairness entzieht sich einer einheitlichen, allgemeingültigen Definition. Je nach Zusammenhang, Schwerpunkt oder Intention werden verschiedene Begriffsbestim- mungen vorgenommen. Die Definition, die folgender Arbeit zu Grunde liegt, lautet in Anleh- nung an Diller:

Preisfairness als die „(…) bewusst oder unbewusst von Gerechtigkeitsüberlegungen geprägten Wahrnehmungen der Transaktionsbedingungen und -abläufe.“[7]

Das Wort "Fairness" ist ein anglizistischer Begriff, welcher durch die häufige Verwendung beim Sport in die deutsche Sprache überführt wurde. Fairness lässt sich mit Anstand, Angemessenheit und akzeptierter Gerechtigkeit umschreiben.

Das Forschungsgebiet der Preisfairness basiert auf der Annahme, dass Kunden ein Angebot nicht nur rein monetär im Sinne von „günstig oder teuer“ wahrnehmen, sondern darüber hinaus auch die Gerechtigkeit eines solchen bewerten.[8] Das rein ökonomische Eigeninteresse des Kunden wird demnach um das soziale Gewissen erweitert.[9]

Wortähnlichkeit besteht mit dem Konstrukt der Preiszufriedenheit, welches Augenmerk auf den Vergleich zwischen Erwartungen und dem tatsächlichen Preis legt. Preisfairness basiert auf einer Bewertung von Transaktionsergebnissen, den Prozessen und den Umständen, die zu dem Ergebnis führen, während das Modell der Preiszufriedenheit Vergleichsvorgänge darstellt.[10] Beide Konstrukte stehen in einem Bezug zueinander und wirken positiv auf die allgemeine Zufriedenheit des Kunden.[11]

Weiter abzugrenzen ist Preisfairness von Preisvertrauen. Konsumenten vertrauen darauf, dass Anbieter sich trotz eines Informationsvorteils nicht selbstsüchtig verhalten.[12] Dieses Vertrauen kann sich durch stetige Erfahrungen im Zeitablauf bilden und wird durch die Preisehrlichkeit, d. h. durch die Preiswahrheit und -klarheit des Anbieters beeinflusst. Das Konstrukt der Preisfairness überschneidet sich mit dem Konstrukt des Preisvertrauens. Die Ehrlichkeit des Anbieters bildet die Schnittstelle.[13]

2.2 Konzeptioneller Rahmen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Konzeptioneller Rahmen Quelle: Eigene Darstellung

Die Abbildung veranschaulicht den konzeptionellen Rahmen dieser Arbeit. Dieses Modell illustriert alle direkten Effekte der Determinanten, welche Preisfairness auslösen und alle Konsequenzen, die aus empfundener Gerechtigkeit bzgl. des Preises resultieren Beginnend mit den Determinanten werden die Effekte im Folgenden näher beleuchtet: Die Preishöhe wirkt negativ auf die Preisfairness. Dieser Effekt wird durch die Preisinforma- tion, die Auswahlmöglichkeit wie auch durch das Preisimage des Geschäftes moderiert. Des Weiteren wirkt die Profitwahrnehmung als Mediator zwischen dem Effekt der Preishöhe auf die Preisfairness. Je höher der Preis, desto höher die Profitwahrnehmung und je geringer die Preisfairness. Der Effekt wird ebenfalls durch die Preisinformation moderiert.

Als weitere Determinante wirkt eine Preissteigerung negativ auf die Gerechtigkeitswahrneh- mung. Diese Beziehung wird durch Kostengründe, Nachfragesteigerungen, Gewinnverteilung des zusätzlichen Profits und durch die Höhe des Preisanstieges beeinflusst. Außerdem wirkt eine Preiserhöhung auf den Affekt eines Menschen, wobei die Stärke des Affektes abhängig von der Informationsquelle ist. Je größer dieser bei einer Preissteigerung ist, desto stärker wird der negative Zusammenhang beeinflusst.

Die Motivfairness ist positiv mit der Preisfairness verknüpft. Sie wird ihrerseits positiv durch eine empfundene Preispolitikfairness und durch die bisherige Zufriedenheit des Kunden mit dem Anbieter determiniert.

Neben den bereits genannten Determinanten wird auch der Einfluss der Preisdifferenzierung durch empirische Untersuchungen ausgiebig getestet, da sie eine entscheidende praktische Relevanz hat. Diese resultiert daraus, da Händler oftmals das gleiche Produkt oder die gleiche Leistung zu verschiedenen Konditionen anbieten. Preisunterschiede wirken negativ auf die wahrgenommene Preisfairness. Jedoch gibt es sehr viele Faktoren, welche diese negative Be- ziehung manipulieren. Zu ihnen zählt die Art und Weise der Bekanntmachung der Preisunter- schiede, die Höhe der Preisdifferenzen an sich, das bestehende Kundenverhältnis, der Kauf- zeitpunkt, die Qualitäts- und Leistungsunterschiede, die Rabatthöhe wie auch das Einsetzen von Coupons.

Als letzte Determinante ist die Verfahrensgerechtigkeit anzusehen. Mit welchem Verfahren ein Preis gebildet wird hat einen positiven Einfluss auf die Bewertung von jenem. Auch diese Wirkung wird durch verschiedenste Faktoren moderiert. Die Preisbildung, die Selbstverant- wortung des Käufers durch Mitbestimmung bei der Preisfestsetzung, die Interaktionsgerech- tigkeit und Priming Fairness[14] haben entscheidenden Einfluss auf die Beziehung. Neben den Determinanten bearbeitet dieses Schriftstück ebenfalls die Konsequenzen, die empfundene Preisfairness auslöst:

Wahrgenommene Preisgerechtigkeit wirkt negativ auf das Preisbewusstsein und positiv auf die Preisbeurteilung. Es handelt sich um direkte Effekte, welche durch keine weiteren Einflüsse moderiert wird.

Eine zusätzliche Konsequenz ist die Kaufabsicht, welche ebenfalls positiv von der Preisge- rechtigkeit beeinflusst wird. Diese Beziehung wird durch die Kundenzufriedenheit und durch die Information über ein faires Angebot beeinflusst. Je höher die Fairnessempfindung ist, des- to positiver ist die Haltung gegenüber dem Verkäufer, was wiederum die Kaufabsicht steigen lässt. Die Haltung gegenüber dem Verkäufer ist demnach ein Mediator zwischen dieser Ver- bindung.

Preisfairness wirkt neben den genannten Effekten ebenfalls positiv auf die Kundenzufriedenheit. Empfundene Zufriedenheit wirkt ihrerseits auf die Loyalität eines Kunden und auf die Kaufintention, das heißt, sie wird direkt beeinflusst, dient aber ebenfalls als Mediator. Zusätzlich (aus Gründen der Übersichtlichkeit in der Grafik nicht eingezeichnet) wirkt die Kundenzufriedenheit ebenfalls auf die Determinante Motivfairness.

Zuletzt sei der Effekt der Fairness auf die beobachtbaren Verhaltensweisen erwähnt. Beobachtbare Verhaltensweisen lassen sich weiter dimensionieren. Der Wechselwillen des Käufers wird negativ durch wahrgenommene Preisfairness beeinflusst. Diese negative Verbindung wird durch die Reziprozitätsnorm[15] und die Höflichkeit des Verkäufers beeinflusst. Daneben wirkt sich empfundene Gerechtigkeit bzgl. des Preises positiv auf das Kooperationsverhalten des Konsumenten während einer Verhandlung aus. Ein positiver Effekt der Preisgerechtigkeit auf die Wiederkaufabsicht des Konsumenten bei einem speziellen Händler kann ebenfalls bestätigt werden. Dieser Effekt wird durch die Kundenzufriedenheit moderiert. Als letzte Dimension des beobachtbaren Verhaltens sei die Weiterempfehlungsrate genannt, welche ebenfalls positiv mit der Preisfairness verknüpft ist.

2.3 Theorien zur Preisfairness

Auf Grund von theoretischen Grundlagen werden Hypothesen aufgestellt, welche in experi- mentellen Forschungen auf Korrektheit unterprüft werden. Die Wissenschaftler der identifi- zierten Studien nutzen jene Fundamente als Basis für ihre Behauptungen. Die drei häufigsten theoretischen Erklärungsansätze für die Entstehung von Preisfairnessbewertungen werden im Folgenden dargestellt. Sie decken spezielle Begründungen für das Empfinden von Unfairness auf.

2.3.1 Equity Theorie

Die Equity Theorie oder auch die Theorie zum Gleichheitsprinzip der Gerechtigkeit findet ihren Ursprung in der Sozialpsychologie. Adams erklärt, dass es zur empfundenen Fairness kommt, wenn das Output/Input Verhältnis in einer Austauschbeziehung von zwei Personen im Wesentlichen übereinstimmt. Steht das Verhältnis im Ungleichgewicht, so wird der Kunde die Situation unfair empfinden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Formale Darstellung von Equity und Inequity

Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Adams

Adams konzipierte diese Idee auf Grund von Befunden im Bereich der industriellen Entlohnung.[17] Dieses Modell wurde von Walster/Walster/Berscheid auf diverse soziale Interaktionen übertragen. In dem Zusammenhang eines Kaufes wird der Wert der erhaltenen Leistung und dessen ökonomischer und sozialer Nutzen durch das Output definiert. Input beschreibt in diesem Kontext den Kaufpreis und jeglichen wahrgenommenen Aufwand, der mit dem Kauf in Verbindung steht (Anfahrt, Informationskosten,…).[18]

Der Kunde setzt sein Verhältnis in Relation zu dem Verhältnis seines direkten (Verkäufers) oder indirekten (anderer Kunde) Interaktionspartners.[19] Da Konsumenten oftmals kein Wissen über den In- oder Output des anderen haben, mutmaßen sie, ziehen Rückschlüsse und stellen Annahmen an. Die verglichenen Verhältnisse basieren demnach auf subjektiver Wahrneh- mung.

Weiterhin nimmt die Equity Theorie an, dass bei empfundener Ungleichheit die Ausräumung jener angestrebt wird. Individuen versuchen einen Zustand der Gerechtigkeit herzustellen, falls sie die Austauschbeziehung als unfair empfinden. Beispielsweise verringert der Konsu- ment sein Input, indem er nur bereit ist, einen geringeren Kaufpreis zu zahlen oder er versucht sein Output zu maximieren, indem er höhere Serviceleistungen fordert. Ein Preisanstieg (In- puterhöhung) wird daher nur toleriert, wenn damit eine Outputerhöhung verbunden ist und somit das vorherige Verhältnis wieder hergestellt wird. Eine weitere Möglichkeit Gerechtig- keit in einer unfair empfundenen Situation wieder herzustellen, ist der Wechsel des Ver- gleichsmaßstabs. Die Theorie teilt die Auffassung, dass Menschen ihre Fairnessbewertung von einem Vergleich mit ähnlichen Individuen abhängig machen. Durch die Gegenüberstel- lung einer anderen Referenzgruppe (welche ein anderes Output-Input-Verhältnis als die bishe- rige Referenzgruppe hat) kann das Ungleichgewicht möglicherweise aufgehoben werden.

2.3.2 Dual Entitlement Theorie

Während die Equity Theorie die Gleichheit der Output-Input Verhältnisse betont, so legt die Dual Entitlement Theorie ihren Fokus auf das Anspruchsempfinden der Menschen. Diese Theorie ist mit der Equity Theorie eng verwandt und wurde von Kahneman/Knetsch/Thaler vor dem Hintergrund zweier Studien entwickelt.[20] Kern dieser Theorie ist, dass eine Refe- renzgröße als Prüfstein für die Beurteilung der Fairness dient. Eine Referenzgröße aus Sicht des Konsumenten kann beispielsweise der Kaufpreis sein, zu dem er das Produkt in der Ver- gangenheit erworben hat.[21] Beide Transaktionspartner empfinden einen Anspruch auf diese Referenzgröße. Der Kunde ist nicht gewillt mehr zu zahlen, und der Verkäufer besteht auf seinen Referenzprofit (basierend auf bspw. dem Gewinn, den er in der Vergangenheit erzielt hat). Diese Theorie vertritt ebenfalls die Ansicht, dass die Fairnessbeurteilung subjektiver Natur ist. Die Referenzgröße wird bspw. je nach Erfahrung des Kunden oder je nach Ver- gleichsmaßstab gebildet. Das Dual Entitlement Prinzip geht davon aus, dass Kunden den Er- trag von Unternehmensleistungen vergleichen und es als fair empfinden, wenn der zu leisten- de Kaufpreis mit dem dadurch generierten Profit des Unternehmers in etwa übereinstimmt.

Verschiedene Ereignisse können dieses Gleichgewicht stören. Eine Preiserhöhung führt zu einer Abweichung vom Referenzpreis des Konsumenten und eine Kostensteigerung bedroht den Referenzprofit des Anbieters. Werden im selben Augenblick beide Ansprüche der Ver- handlungspartner verletzt, so hat der Anspruch des Verkäufers Vorrang. Als Folge dessen kann eine Preissteigerung auf Grund von Kostenerhöhungen fair empfunden werden, da der Verkäufer seinen Referenzgewinn lediglich beibehält und nicht erhöht. Wächst hingegen der Gewinn des Unternehmens durch eine willkürliche Preissteigerung, so wird dies unfair emp- funden.

Während das Durchreichen von Kostensteigerungen an den Kunden akzeptiert wird, empfinden es Konsumenten im entgegengesetzten Fall ebenfalls fair, wenn Kostensenkungen nicht an ihn weitergegeben werden, die Preise gleich bleiben und der Profit des Unternehmens steigt. Dieser asymmetrische Effekt bleibt nicht unumstritten.[22] Kahnemann/Knetsch/Thaler weisen in diesem Zusammenhang auf den unveränderten Referenzpreis des Konsumenten hin. Da er in der Vergangenheit bereit war, diesen Preis zu zahlen wird er es auch in Zukunft sein, losgelöst davon, ob der Verkäufer seinen Gewinn erhöht. Kurzum: Steigen die Kosten, so ist eine Preissteigerung fair. Fallen die Kosten, so ist es legitim, wenn der Anbieter seine Preise beibehält und einen höheren Gewinn durchsetzt.[23]

Zieht man Schlussfolgerungen, so beurteilen Kunden die Fairness des Preisfestlegungsverfah- rens (vgl. Kapitel 4.1.5 Verfahrensgerechtigkeit) eines Verkäufers, um sich ein Urteil über Preisfairness zu bilden. Hinzukommend sind Kunden bereit, wahrgenommene Ungerechtig- keit zu bestrafen, indem sie z. B. einen anderen Verkäufer bevorzugen, der ihnen Konditionen entsprechend ihres Referenzpreises bietet. Da dies schädigend für den ungerecht wahrge- nommenen Verkäufer wäre, ist er gewillt, wahrgenommene Unfairness zu meiden.

2.3.3 Attributionstheorie

Im Zentrum dieser Theorie stehen kognitive Abläufe, in denen Menschen versuchen, Ursachenzuschreibungen für das eigene oder das Verhalten anderer Menschen zu tätigen. Der Sinn dieses Prozesses ist, eine Erklärung für ein beobachtbares Verhalten zu finden. Zurückführen lässt sich dieses Dogma auf die Arbeiten von Heider[24] und die Weiterentwicklungen von Folkes[25], Kelley[26] und Weiner[27]. Auch diese Theorie beschreibt ebenfalls mögliche Gründe für das Wahrnehmen von Preisfairness bzw. -unfairness.

Es wird davon ausgegangen, dass Menschen nicht lediglich beobachtbare Vorkommnisse wahrnehmen, sondern auch bestrebt sind die Ursachen für das Ereignis zu finden. Individuen versuchen, die Welt um sich herum zu erklären. Scheint eine Situation unklar, so suchen sie nach Argumenten, um sie zu verstehen, damit sie jene nachvollziehen und demnach beein- flussen können. Sie suchen nach Beweggründen für Ereignisse jeglicher Art. Betont sei, dass es sich um Spekulationen handelt, welche objektiv falsch sein können. Der Antrieb dafür liegt in dem Bestreben des Menschen, die Umwelt wirklichkeitsgetreu zu begreifen, um subjektiv angemessen auf die Ereignisse zu reagieren, die um sie herum geschehen.[28] Betrachtet man das Modell der Preisfairness in Bezug auf die Attributionstheorie, so suchen Menschen nach Ursachen für z. B. Preisänderungen. In der Realität ist es alltäglich, dass Kon- sumenten nicht über die Gründe einer Preisänderung informiert werden. Da sie ein Ereignis nachvollziehen möchten, suchen sie nach Motiven und bewerten jene als fair oder unfair. Werden Kunden einem höheren Preis ausgesetzt und bekommen keine Erklärung dafür, so mutmaßen sie über mögliche Gründe für das Anbieterverhalten. Die Spekulation kann positiv oder auch negativ ausfallen, je nachdem, in welcher Situation sich der Kunde befindet, welche Erfahrung er gemacht hat und welche Kognition er vornimmt. Verhaltensreaktionen seitens des Anbieters werden demnach in Bezug auf die Ursache beurteilt, welche der Konsument dem Verhalten zuschreibt. Folgernd können Preisänderungen fair oder unfair bewertet wer- den, je nachdem, welches Motiv hinter dieser Änderung vermutet wird.

3 Vorgehensweise

Es handelt sich bei den analysierten Studien dieser Arbeit ausschließlich um empirische, ex- perimentelle Studien. Nahezu alle Untersuchungen stammen entsprechend dem länder- und fächerübergreifenden Merkmal der Behavioral Pricing-Forschung aus englischsprachigen, wissenschaftlichen Journalen der Disziplinen Betriebswirtschaft und Psychologie wie z. B. dem Journal of Business Research und dem Journal of Economic Psychology. Lediglich zwei Arbeiten[29] stammen aus einer deutschen Fachzeitschrift (Marketing- Zeitschrift für Forschung und Praxis).

Die folgende Tabelle gibt einen Überblick aller identifizierten Studien. Jene alphabetisch nach Autoren systematisierte Übersicht, beinhaltet eine Darstellung der theoretischen Grundlagen, auf welchen die getesteten Hypothesen basieren, die Branche in welcher getestet wurde, wie auch die unabhängigen und abhängigen Variablen. Des Weiteren werden die Analyseverfahren und die Probandengröße dargelegt.

[...]


[1] Han/Yoon/Cameron 2001, S. 435.

[2] Vgl. Max Planck Gesellschaft 2009.

[3] Für weitere Informationen: http://www.fairness-stiftung.de/Index.htm.

[4] Für weitere Informationen: http://www.transfair.org/.

[5] Vgl. Focus Money Online 2009.

[6] Vgl. Homburg/Koschate 2005, S. 2.

[7] Diller 2000b, S.572.

[8] Die Begriffe Fairness und Gerechtigkeit werden im Folgenden bedeutungsgleich verwendet.

[9] Vgl. Kahneman/Knetsch/Thaler 1986b, S.729ff.

[10] Vgl. Diller 2000a, S. 168.

[11] Vgl. Diller 2000b, S. 167ff.

[12] Vgl. Diller 1999, S. 41f.

[13] Vgl. Diller 1997a, S. 760; Diller 1998, S. 266f.; Diller 2000a, S. 181ff.

[14] Maxwell/Nye/Maxwell 1999, S. 549; Priming: “Priming effects are achieved by highlighting for participants information that otherwise would not come to mind as quickly or strongly.” Unter Priming Fairness ist der Hinweis auf Fairness vor einer Verhandlung gemeint.

[15] Reziproziätsnorm= Gegenseitigkeit der Zugeständnisse. Bei einer Reziprozitätsnorm von 100% reagiert der- Verkäufer exakt im gleichen Maße, wie der Käufer. Erhöht Käufer sein Angebot um 10 Euro, so senkt Verkäufer seine Preisvorstellung ebenfalls um 10 Euro.

[16] In Anlehnung an Adams 1965, S. 280ff.

[17] Vgl. Adams 1963, S. 424ff.

[18] Vgl. Walster/Walster/Berscheid 1978, S. 18

[19] Vgl. Adams 1965, S. 276.

[20] Vgl. Kahneman/Knetsch/Thaler 1986a, 1986b.

[21] Vgl. Kahneman/Knetsch/Thaler 1986b, S. 730.

[22] Vgl. Dickson/Kalapurakal 1994, S. 431.

[23] Vgl. Kahneman/Knetsch/Thaler 1986b, S. 729ff.

[24] Vgl. Heider 1958.

[25] Vgl. Folkes 1988.

[26] Vgl. Kelley 1967.

[27] Vgl. Weiner 1985.

[28] Vgl. Raab/Unger 2005, S. 77.

[29] Hermann/Wricke/Huber 2000; Homburg/Koschate 2004.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Preisfairness - Zusammenfassung der aktuellen Forschung
Hochschule
Universität zu Köln
Note
1,7
Autor
Jahr
2009
Seiten
62
Katalognummer
V141595
ISBN (eBook)
9783640508693
ISBN (Buch)
9783640508914
Dateigröße
2277 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
In diese Diplomarbeit werden die aktuellen Forschungsergebnisse empirischer Studien in einem Modell zusammengefasst und erläutert. Besonderes Augenmerk wird darauf gelegt, was genau Preisfairness beeinflusst (Determinanten) und welche Konsequenzen empfundene Preisfairness oder -unfairness nach sich zieht. Es werden neben der Erklärung der gängigen allgemeinen Theorien der Preisfairness auch Umsetzungsempfehlungen für Forschung und Praxis abgegeben.
Schlagworte
BWL, Marktforschung, Marketing, Preisfairness, Uni Köln, Pricing, Behavioural Pricing
Arbeit zitieren
Sarah Kirchen (Autor:in), 2009, Preisfairness - Zusammenfassung der aktuellen Forschung , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141595

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