Lingua Tertii Imperii

Die Sprache des Nationalsozialismus anhand Klemperers LTI


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

24 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Periodisierung
1.2 Victor Klemperer

2 Sprachkritik
2.1 Ein sprachkritischer Ansatz
2.2 Sprachkritik im LTI

3 Sprache des Nationalsozialismus
3.1 Propaganda
3.2 Sprachliche Mittel der LTI
3.3 Stilelemente

4 Zusammenfassung

5 Bibliographie

1 Einleitung

1.1 Periodisierung

In der folgenden Arbeit soll es um die Sprache des Nationalsozialismus gehen. Zuerst möchte ich einen kurzen Überblick über die verschiedenen Perioden der Sprachentwicklung entwerfen, um diese Zeit besser einbetten zu können.

Die Sprache ist ein festgesetztes Kontinuum, welches keine Sprünge erlaubt, weil sonst ein Interruptus entstehen würde. Sie ist von äußeren und inneren Faktoren beeinflusst. Einerseits meine ich damit die sprachexternen Faktoren, welche die Geschichtsfaktoren sind, die die Gemeinschaft erfährt. Andererseits sind dies die sprachinternen Faktoren, die aufzeigen, wie sich das Neue in der Sprache widerspiegelt.

Um 200 – 500 nach Christus haben sich germanische Großstämme entwickelt, die während ihrer Völkerwanderung durch Europa Runen nutzten, um Lob, Tod und Leben zu symbolisieren. Um 500 nach Christus wurden sie auch langsam sesshaft und damit spricht man von der ersten Lautverschiebung, die das Indogermanische vom Germanischen abgrenzte. Aus dem Jahre 750 n. Chr. stammt die erste schriftliche Überlieferung. Den gesamten sprachlichen Zeitraum von 500 – 1500 n. Chr. benennt man als Altdeutsch. Daran schließt sich nun also die Epoche der Nationalsprachen mit Beginn des Neudeutschen. Ab ca. 1950 sprechen wir von der Gegenwartssprache. Doch soweit soll es in dieser Arbeit nicht gehen.

Ich möchte mich in meiner Hausarbeit auf den Zeitraum von 1933 - 45 beschränken und die Sprache des Nationalsozialismus mit Hilfe von Victor Klemperers Aufzeichnungen beleuchten, wozu ich mit einer kurzen Personenbeschreibung einsteigen will.

1.2 Victor Klemperer

Victor Klemperer wurde am 9. Oktober 1881 als das achte und jüngste Kind des Rabbiners Dr. Wilhelm Klemperer und seiner Ehefrau Henriette geb. Frankel geboren. Er besuchte das französische Gymnasium in Berlin, welches er ohne Abschluss verließ, weil seine Eltern ihn drängten, eine kaufmännische Lehre zu machen.

Trotzdem holte er 1902 in Landsberg sein Abitur nach, um dann in Berlin, München, Genf, Paris und Neapel Philosophie, Romanistik und Germanistik zu studieren.

1906 heiratete er Eva Schlemmer und trat 6 Jahre darauf zum zweiten Mal zum Protestantismus über. Als er dies nämlich 1903 zum ersten Mal tat, verschwieg er es und hatte demnach keine Dokumente, die dies bestätigten. Er promovierte 1912 und zwei Jahre später erlangte er die Habilitation. Nachdem er kurze Zeit als Lektor an der Universität Neapel unterrichtete, meldetet er sich 1915 freiwillig zum Kriegsdienst und leistete seinen Dienst an der Westfront und später bei der Militärzensur. 1920 wurde er zum ordentlichen Professor für Romanistik an die technische Universität Dresden berufen. Dort arbeitete er bis 1935, bis er auf Grund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums aus seiner Professur entlassen wurde. Das bedeutete, dass man Juden in den Ruhestand versetzte, weil ein so genannter Ariernachweis zu erbringen war und „als nicht arisch gilt, wer von nicht arischen, insbesondere jüdischen Eltern oder Großeltern abstammt.“[1]

Klemperer war zwar bereits zum Protestantismus konvertiert, jedoch änderte diese Konfession selbstverständlich nicht seine Abstammung. In Folge dessen widmete er sich seiner Arbeit über die „Geschichte der französischen Literatur im 18. Jahrhundert“, die erst nach Kriegsende in zwei Bänden erschien. Als sich die Situation für die Juden zu verschlechtern schien und ihnen der Zugang zu Bibliotheken untersagt wurde, stellte er die Arbeit an diesem Werk vorerst ein. Somit begann er mit dem Schreiben seiner berühmten und bereits verfilmten Tagebücher. Er schrieb während der Kriegsjahre mehrere Bücher und legte damit den Grundstein für die Abhandlung über die Sprache des dritten Reiches, der LTI – Lingua Tertii Imperii. Seine Notizen waren hauptsächlich lose Notizen, die erst später zu vollständigen Büchern zusammengefasst wurden. Im Jahre 1940 waren er und seine Frau gezwungen ihr Haus in Dresden zu verlassen und lebten daraufhin in verschiedenen Judenhäusern. Drei Jahre darauf wurde er als Hilfsarbeiter dienstverpflichtet. Bis zu der furchtbaren Bombardierung Dresdens durch die Alliierten in der Nacht vom 13. zum 14. Februar 1945 lebte er weiterhin in Dresden. In seinem Werk LTI beschreibt er diese Nacht folgendermaßen:

„Am Abend dieses 13. Februar brach die Katastrophe über Dresden herein:

die Bomben fielen, die Häuser stürzten, der Phosphor strömte, die

brennenden Balken krachten auf arische und nichtarische Köpfe, und derselbe

Feuersturm riß Jud und Christ in den Tod; wen er aber von den etwa 70

Sternträgern diese Nacht verschonte, dem bedeutete sie Errettung, denn im

allgemeinen Chaos konnte er der Gestapo entkommen.“[2]

In dieser Nacht jedoch gelang ihm und seiner Frau die Flucht. Über mehrere Monate hinweg flüchten Klemperers durch Sachsen und Bayern, um dann im Sommer 1945 wieder nach Dresden zurückzukehren. Die politische Situation derzeit war immer noch wackelig und so nutzte er die Zeit, um sein Buch zu beenden, welches 1947 unter dem Titel LTI erschien. Seine 1995 erschienenen Tagebücher umfassen die Jahre von 1918 bis 1959, in denen er Zeitgeschichte festhält. Das LTI ist deshalb zu einem wichtigen Dokument geworden, weil er darin verschiedenste Materialien verarbeitet, so nutzt er Reden, Gespräche und auch Gestiken. Nach dem Krieg kam es für ihn nicht in Frage in die westliche Zone zu siedeln, da er den Roten politisch näher war. Folglich trat er der KPD bei. Nach Kriegsende unterrichtete er wieder an verschiedenen Universitäten, mitunter auch an der EMAU in Greifswald. Neben seinem Beitrag zur deutschen Sprachgeschichte blieb er jedoch immer auch ein Romanist und setzte sich zu Zeiten der DDR stark für eine gute Stellung der französischen Sprache ein. Seine Frau Eva verstarb 1951 und er heiratete ein Jahr später erneut. Er selbst starb in seinem Schicksalsmonat Februar 1960 in Dresden.

2 Sprachkritik

2.1 Ein sprachkritischer Ansatz

Um die sprachliche Wirksamkeit der Nazis zu betrachten, sollte man auch die Theorie, die Sprachkritik, mit ins Feld ziehen. Die Sprachkritik ist ein Teil der Sprachwissenschaft und beschreibt nicht, sondern bewertet die Aspekte der Sprache. Sie beschreibt den Soll-Zustand im Gegensatz zum Ist-Zustand.

Wimmer sagt, dass

„jemandes Sprachgebrauch [dann] reflektiert, wenn dieser Jemand in der

Lage und bereit ist, in relevanten Situationen die Regeln seines eigenen

Sprachgebrauchs unter kommunikationsethischen Gesichtspunkten

zur Diskussion zu stellen.“[3]

Die Sprachkritik versucht in erster Linie zwischen wissenschaftlicher Beschreibung und ästhetischer Bewertung zu trennen. Deswegen ist diese auch sehr umstritten. Damit sie ihren wissenschaftlichen Charakter aber nicht verliert und zu subjektiv agiert, greift sie auf die bereits bestehenden Errungenschaften der Sprachwissenschaft zurück. Nun stellt sich dann aber die Frage, worauf die Fokussierung liegt – auf der Sprache selbst oder der Umsetzung, der Realisierung des Sprachgebrauchs.

Jürgen Schiewe weist hierzu dem bereits bestehenden Modell Saussures noch den Aspekt der sprachlichen Normen zu. Diese Normen sind die Verbindung zwischen der Bewertung und der Kritik von Sprachvarietäten und von daher von äußerster Wichtigkeit. Diese Normen sind in jeder Sprachgemeinschaft unterschiedlich, aber innerhalb dieser festgelegt. Die Sprachkritik hat sich innerhalb der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte natürlich verändert. Dadurch wird immer mehr ersichtlich, dass ihre Merkmale durchaus als eine Forderung an eine angemessene Sprachbewertung gesehen werden können. Diese Merkmale hat Schiewe einmal folgendermaßen zusammengefasst:

a) Sprachkritik ist auch Sprachgebrauchskritik und durch die Analyse real verwendeter Elemente aus dem sprachlichen Inventar auch immer Wortkritik.
b) Weil die kritisierten Elemente auf bestimmte „Sachen und Sachverhalte“ bezogen sind, werden auch diese sowie die Vorstellung von ihnen kritisiert.
c) Sprachkritik ist methodisch, weil die sprachwissenschaftlichen Erkenntnisse hinsichtlich sprachlicher Abläufe, Entwicklungen und Funktionen berücksichtigt werden.
d) Sie bewertet im Kontext der historischen oder aktuellen Sprachrealität, d.h., Erkenntnisse und Bewertungen werden nicht unreflektiert auf andere Sprachrealitäten und Zeiten übertragen.
e) Sie formuliert eine Idealvorstellung, die sich aus den Diskrepanzen zwischen Ist- Zustand und Soll-Zustand ergibt.
f) Der Idealvorstellung liegt ein klar bezeichnetes Motiv zugrunde. Dies kann politisch, soziologisch, ästhetisch oder anderweitig begründet sein.
g) Sprachkritik ist realistisch, d.h., die von der Sprachrealität vorgegebenen Grenzen werden akzeptiert und bei der Formulierung des Idealzustands berücksichtigt.
h) Sie ist konstruktiv, d.h., sie beschränkt sich nicht auf die Kritik des Ist-Zustands, sondern bietet gleichzeitig auch alternative Lösungsmöglichkeiten an.
i) Sie ist emanzipatorisch, d.h., sie versucht in der Bewertung der Sprache allen Mitgliedern der Sprachgemeinschaft gerecht zu werden.[4]

Nun betrachtet man also diese Merkmale und es stellt sich letztlich doch die Frage, worauf der Fokus der Betrachtung des Sprachgebrauchs liegt. Laut Polenz müssen das ohne Zweifel die Medien und die Politik sein, da sich der Mensch damit am meisten auseinandersetzen muss. Nicht zuletzt sind dies natürlich auch die Bereiche, denen sich der Nationalsozialismus stark bediente und da liegt auch Klemperers Ansatz.

Gerade die LTI stellt ein großes Phänomen dar, weil mit ihrer Hilfe Massen dazu bewegt wurden, zuzuhören und zu glauben. Sprache muss eben auch unter Berücksichtigung ihres historischen Kontextes gesehen werden.

Betrachtet man Sprache, so bezieht man auch den Kontext der Gesellschafts- und Sozialgeschichte ein, doch Hermanns behauptet, dass es wichtig ist, die Mentalität einzubeziehen. Das ist seiner Meinung nach wichtig, weil man dadurch auch den Sprecher berücksichtigt und dessen Motivation. Er beschreibt diese als die „ethischen, affektiven und kognitiven Dispositionen […] ihr Denken, Fühlen [und] Wollen“[5].

Das bedeutet also, dass sich die Meinung des Sprechers gegenüber der Sprache ändern und auch in das eigene Verhalten Einzug halten kann. Dieser Aspekt ist bezüglich der Sprache des Nationalsozialismus sehr wichtig, da zu klären wäre, welchen Einfluss der Sprachgebrauch auf die Handlungen der Menschen hatte und welche besondere Rolle die Propaganda dabei spielte.

2.2 Sprachkritik im LTI

In seinem Werk widmet Klemperer sich wie bereits erwähnt der Sprache des Nationalsozialismus und auch der Beeinflussungsmaschinerie, welches sich die Sprache zum stärksten Instrument erwählt hat.

Er betrachtet hierbei die Lexik, Semantik und auch die Gestik. So beschreibt er verschiedene Begebenheiten und Phänomene, bezieht seine Beobachtungen aber nicht zwangsläufig auf die Person an sich. Denn Sprache ist auch immer Reflektion der bestehenden Sicht der Welt und ist demnach auch Bestandteil des menschlichen Denkens. Sprache hat also einen nicht unerheblichen Einfluss auf das Denken der Menschen, die wiederum die derzeitige Gesellschaft formen.

Daraus müsste also folgen, dass eine Einwirkung auf die Sprache auch zu einer Manipulation des Denkens führen kann. Im Falle des Nationalsozialismus müsste das wiederum bedeuten, dass die Menschen, die Teil der ideologischen Gemeinschaft sind, auch durch die Sprache in ihrem Denkvermögen beeinflussbar sind.

[...]


[1] Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 11.04.1933, zu § 3 I

[2] Klemperer 1975, S. 330

[3] Wimmer 1994, S. 259

[4] Schiewe 1998, S. 26/27

[5] Hermanns 1995, S. 75-76

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Lingua Tertii Imperii
Untertitel
Die Sprache des Nationalsozialismus anhand Klemperers LTI
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald
Veranstaltung
Paradigmenwechsel in der deutschen Sprach- und Kommunikationsgeschichte
Note
1
Autor
Jahr
2008
Seiten
24
Katalognummer
V141590
ISBN (eBook)
9783640504879
ISBN (Buch)
9783640504978
Dateigröße
452 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lingua, Tertii, Imperii, Sprache, Nationalsozialismus, Klemperers
Arbeit zitieren
Linda Fährke (Autor:in), 2008, Lingua Tertii Imperii, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141590

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