Die römische Provinzialpolitik als Ursache für den Jüdischen Krieg in der Darstellung des Flavius Josephus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einführendes zu Josephus und seinen zwei Hauptwerken

3 Die Rolle der römischen Provinzialpolitik
3.1 Missachtung derjüdischen Sonderrolle durch die Kaiser Gaius und Nero
3.2 Unfuhigkeitder Statthalter
3.3 Unterschiede in der Bewertung der Ereignisse im Bellum Iudaicum undinden Antiquitates

4 Resümee

5 Quellenverzeichnis

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der Jüdische Krieg (66-70 n. Chr.) hatte für das jüdische Volk katastrophale Kon­sequenzen. Das geistliche und politische Zentrum Jerusalem war zerstört, der hei­lige Tempel war geplündert und schließlich niedergebrannt worden. Der jüdische Historiker Flavius Josephus hat in seinen Werken nicht nur den Krieg selbst aus­führlich beschrieben, sondern sich auch im besonderen Maße mit den Ursachen desselben beschäftigt. In dieser Arbeit soll nur der Aspekt herausgegriffen werden, inwiefern Josephus die römische Provinzialpolitik als Ursache für den Krieg ange­sehen hat. Hierbei werden insbesondere zwei Gesichtspunkte analysiert: inwiefern die Missachtung der jüdischen Sonderrolle durch die Kaiser Gaius und Nero als Kriegsursache anzusehen ist und wie Josephus die Verantwortlichkeit der römi­schen Statthalter am Ausbruch des Aufstandes einschätzt.

Für die Quellenanalyse werden die zwei Hauptwerke des Josephus herangezo­gen, das Bellum Iudaicum und die Antiquitates. Dabei ist auch die Frage von Be­deutung, ob sich Josephus Blickwinkel auf die Ereignisse über die Jahre hinweg verändert hat oder ob seine Grundhaltung die gleiche geblieben ist. Dieser Aspekt wird in Kapitel 3.3 angesprochen.

Die Literatur, die sich mit den Ursachen des Jüdischen Krieges beschäftigt, ist äußerst vielfältig. Für diese Arbeit war der Aufsatz von Per Bilde „The Causes of the Jewish War According to Josephus“[1] besonders hilfreich. Die Arbeiten von Martin Goodman und Ulrich Mell beschäftigen sich ebenfalls mit den Ursachen für den Krieg, allerdings stehen bei ihnen andere Faktoren als die römische Politik im Vordergrund.[2]

2 Einführendes zu Josephus und seinen zwei Hauptwerken

In diesem Kapitel soll es zunächst darum gehen, den Autor Flavius Josephus kurz vorzustellen. Auf eine ausführliche Biografie muss an dieser Stelle verzichtet wer­den. Die Darstellung möchte sich auf die Aspekte beschränken, die für das Ver­ständnis der verwendeten Quellen vonnöten ist.[3]

Flavius Josephus wurde als Joseph ben Matthia im ersten Regierungsjahr des Kaisers Caligula (37/38 n.Chr.) in Jerusalem geboren. Seine Familie gehörte zum Jerusalemer Priesteradel und war mit dem Herrschaftsgeschlecht der Hasmonäer verwandtschaftlich verbunden.[4]

Im Jüdischen Krieg kämpfte er zunächst auf der Seite der Aufständischen und war der Oberbefehlshaber in Galiläa. Schon zu dieser Zeit geriet er in Streit mit dem radikalen Flügel der Zeloten[5] unter Johannes von Gischala.[6] Nach der Erobe­rung von Jotapata im Jahr 67 geriet Josephus in römische Kriegsgefangenschaft. Nach eigener Aussage soll er Vespasian die Kaiserwürde vorhergesagt haben und daraufhin bevorzugt behandelt worden sein.[7] Nach Martin Hengel war daraufhin der „Bruch mit der Aufstandspartei endgültig.“[8] Er begleitete Titus im Jahr 70 nach Jerusalem und war folglich ein Augenzeuge der Belagerung der Stadt. Auf diesen Status beruft er sich auch in seinen Werken, um seine Glaubwürdigkeit zu unterstreichen.[9]

Josephus blieb während seines ganzen Lebens dem flavischen Kaiserhaus ver­bunden, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass er den Gentilnamen Flavius an­nahm. In seiner Lebensbeschreibung erwähnt er auch die zahlreichen Gunstbezeu­gungen, die er durch Vespasian, Titus und Domitian erhielt. Er bekam das römi- sehe Bürgerrecht, ein Jahresgehalt und Ländereien in Judäa, fur die er dann unter Domitian Steuerfreiheit erhielt.[10]

Josephus Werk über den Jüdischen Krieg entstand zwischen 75 und 79 in Rom und war Vespasian und Titus gewidmet. Josephus erwähnt, dass Titus das Werk sogar eigenhändig unterschrieben hätte.[11] Damit ist es offensichtlich, dass die Grundtendenz im Bellum ludaicum nur pro-römisch sein kann und die Schuld an dem Kriege zum großen Teil den Juden selber angelastet wird.[12] Die Absicht, die Josephus mit seinem Werk bezweckte, hat Martin Hengel präzise zusammenge­fasst: Der Bellum ludaicum soll „den Leser von der Berechtigung der jüdischen Niederlage und der Unüberwindlichkeit der römischen Macht überzeugen.“[13]

Die Antiquitates entstanden knapp zwanzig Jahre nach dem Bellum ludaicum[14] Sie beinhalten eine ausführliche Darstellung der Geschichte der Juden von der Entstehung der Welt bis zum Beginn des Jüdischen Krieges. Sie beschreiben eben­so wie der Bellum ludaicum die Ursachen, die zu dem Aufstand gegen die Römer geführt haben. Ob allerdings der Autor bei den Antiquitates eine andere Haltung einnimmt, soll an anderer Stelle diskutiert werden. Das Ziel, das Josephus mit die­ser Arbeit verfolgt, ist allerdings ein anderes als in seinem ersten Werk. Er will hier einem hellenistischen Leserkreis die Geschichte, die Kultur und die Religion der Juden näherbringen.[15]

Josephus ist zweifelsohne die Hauptquelle, wenn man sich mit den Ursachen des Jüdischen Krieges beschäftigt.[16] Dennoch darf man seinen Beteuerungen, er würde nur wahre Begebenheiten berichten, nicht vertrauen.[17] Wie Martin Hengel treffend bemerkt, war Josephus eher ein Tendenzschriftsteller als ein Historiker.[18]

Daher ist es bei der Quellenanalyse wichtig, immer wieder an die Absicht und an den Kontext zu erinnern, in dem die Werke geschrieben wurden.

3 Die Rolle der römischen Provinzialpolitik

3.1 Missachtung der jüdischen Sonderrolle durch die Kaiser Gaius und Nero

Die Juden genossen im Römischen Reich eine privilegierte Rechtsstellung. Augustus gewährte dem jüdischen Volk die Freiheit, nach ihren religiösen Geset­zen leben zu dürfen.[19] Dazu gehörte die Verfügung des Kaisers, dass die Gelder im Tempel nicht angetastet werden durften und die Juden vom Kaiserkult befreit wa­ren.[20] Josephus betont ausdrücklich, dass die Juden in dieser Zeit unter dem Schutz des Kaisers ihrer Religion unbehelligt nachgehen durften.[21]

Spätestens seit der Politik des Kaisers Gaius war aber diese Sonderrolle ge­fährdet. Josephus schildert insbesondere zwei von den Cäsaren ausgehende Maß­nahmen, die die jüdische Sonderstellung unterminierten und letztendlich den auf­ständischen Juden den Anlass für einen Krieg gegen Rom gaben.

Zum einen führt er eine Begebenheit aus dem Jahr 38 n.Chr. an, die in der Forschung als die Caligula-Krise bekannt ist.[22] Bereits damals schien ein Krieg zwischen Juden und Römern unausweichlich und er wurde, Josephus zufolge, nur durch das Eingreifen des syrischen Legaten und schließlich die Ermordung des Kaisers verhindert. Gaius Caligula hatte nämlich befohlen, ein Standbild von sich im Tempel von Jerusalem aufstellen zu lassen, angeblich verbittert darüber, dass „die Juden allein ihn so missachteten“[23]. Das Vorhaben war in den Augen der Ju­den ungeheuerlich, da es ihr Gesetz nicht gestattete, das Abbild eines Menschen oder eines Gottes an einer geweihten Stelle aufzustellen.[24] Die Kaiser hatten die­ses Gesetz bisher stets berücksichtigt, aber Gaius, der von Josephus als größen­wahnsinnig charakterisiert wird,[25] wollte sich nicht daran halten. Er befahl deswe­gen Petronius, dem Legaten von Syrien, mit einem Heer nach Jerusalem zu mar­schieren und die Statue im Tempel aufstellen zu lassen. Falls die Juden sich wei­gerten, sollte er das Land mit Krieg überziehen. Petronius zog daraufhin mit drei[26] Legionen und zahlreichen Hilfstruppen nach Judäa. Josephus berichtet nun, dass ihm eine große Menschenmenge entgegen gezogen sein soll beteuert habe, dass sie lieber in den Krieg ziehen und sterben als eine Übertretung des Gesetzes dul­den würde. Daraufhin habe Petronius eingelenkt und Gaius in einem Brief gebe­ten, von der Aufstellung der Statue abzusehen.[27] Dass Petronius diesen Brief schrieb, in dem er den Befehl des Kaisers infrage stellte - was für ihn nicht unge­fährlich war - wird von Philo bestätigt.[28] Josephus zufolge war aber Petronius so­gar bereit, sein Leben zu opfern, um einen Krieg zu vermeiden. Er soll eingesehen haben, dass der Wunsch des Kaisers ein „Verbrechen gegen die allmächtige Gott­heit sei“[29]. Diese Annahme habe Gott auch durch ein Wunder bestätigt.[30] Mary Smallwood kritisiert diese „fairy-tale elements“[31], die den Bericht des Josephus insgesamt unglaubwürdig machen würden. Dem ist nicht vollständig zuzustim­men. Es ist nachvollziehbar, dass Josephus durch die, im jüdischen Sinne, positive Überzeichnung des Petronius, den Leser davon überzeugen will, dass die Verant­wortung für diesen Beinahe-Krieg ausschließlich der „wahnsinnige“ Gaius trägt.

Es ist allerdings wahrscheinlich, dass ein Krieg zu diesem Zeitpunkt nur da­durch verhindert wurde, weil Gaius kurz darauf einem Mordkomplott zum Opfer fiel.

[...]


[1] Vgl. Bilde, Per: The Causes of the Jewish War According to Josephus. In: Journal for the Study ofJudaism (10)1979, S. 179-202.

[2] Vgl. Goodman, Martin: The Ruling class of Judaea. The origins of the Jewish Revolt against RomeA.D. 66-70. Cambridge 1993 undMell, Ulrich: Der Ausbruchdesjüdisch-römischen Krieges (66-70 n.Chr.) aus tempeltheologischer Perspektive. In: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte. 49(1997), Heft 2, S. 97-122.

[3] Für eine ausführlichere Biografie über Flavius Josephus siehe u.a. Laqueur, Richard: Der jüdi­sche Historiker Flavius Josephus. Ein biographischer Versuch auf neuer quellenkritischer Grundlage. Mit einem Nachwort zum Neudruck von Otto Michel. Darmstadt 21970 und Mason, Steve: Flavius Josephus und das Neue Testament. Tübingen / Basel 2000, S. 53-76.

[4] Vgl. Ios. vita 1-5.

[5] Die Zeloten waren eine „polit.-rel. Gruppe von Juden, die sich im 1. Jh. n. Chr. [...] gegen die röm. Herrschaft in Palaestina erhoben.“ (Wandrey, Irina: Zeloten. In: DNP. Bd. 12/2. Stuttgart / Weimar 2001, Sp. 727f.)

[6] Vgl. Ios. vita 134-150, sowie Ios. bell. Iud. II21, 1-10. Hinweis: In dieser Arbeit wird nur die Vita nach der Paragraphenzählung von Niese zitiert. Die anderen Werke des Josephus werden nach der Kapitelzählung zitiert.

[7] Vgl. Ios. bell. Iud. III 8, 7-9.

[8] Hengel, Martin: Die Zeloten. Untersuchungen zur jüdischen Freiheitsbewegung in der Zeit von Herodes I. bis 70 n.Chr (Arbeiten zur Geschichte des Spätjudentums und Urchristentums 1). Leiden/Köln 1961, S. 7.

[9] Vgl. ebd. praef. 1, sowie Ios. c. Ap. I 9.

[10] Vgl. los. vita 423-429.

[11] Vgl. los. vita 361 und 363. Die Datierung ist von Hengel übernommen, zur Begründung siehe Hengel: Zeloten, S. 7.

[12] Vgl. los. bell. lud. praef. 4; VI 5,4 und 8, 5.

[13] Hengel: Zeloten, S. 10f.

[14] Er vollendete die Arbeit an den Antiquitates im 13. Regierungsjahr Domitians (93 n.Chr.). Vgl. Ios. ant. Iud. XX 12, 1.

[15] Vgl. ebd. praef. 2.

[16] Neben Josephus nennen nur Tacitus (hist. V 9,3 und 10, 1) und Sueton (Vesp. 4) Gründe für den Aufstand.

[17] Vgl. Ios. bell. Iud. praef. 4, sowie Ios. c. Ap. I 9 u.a.

[18] Vgl. Hengel: Zeloten, S. 15.

[19] Siehe dazu auch: Baltrusch, Ernst A.: Pax Augusta versus bellum Iudaicum: Rom und Judäa im frühen Prinzipat. In: Hantos, Theodora / Lehrmann, Gustav Adolf (Hrsg.): Althistorisches Kol­loquium aus Anlass des 70. Geburtstags von Jochen Bleicken. Stuttgart 1998, S. 213-224. Hier S. 218.

[20] Vgl. Maier, Johann: Geschichte des Judentums im Altertum (Grundzüge 40). Darmstadt21989, S. 77.

[21] Vgl. Ios. ant. Iud. XVI. 6, 1-3,8.

[22] Vgl. Sasse, Markus: Geschichte Israels in der Zeit des Zweiten Tempels. Historische Ereignisse - Archäologie - Sozialgeschichte - Religions- und Geistesgeschichte. Neukirchen, Vluyn 2004, S. 297f

[23] Ios. Ant. Iud. XVIII. 8, 2. In dieser Arbeit werden für sämtliche direkte Zitate des Josephus die überarbeiteten Überset­zungen von Heinrich Clementz herangezogen.

[24] Vgl. los. bell. lud. II 10, 4.

[25] Vgl. ebd. II 10, 1, sowie Ios. ant. Iud. XIX 1, 2.

[26] Bei Ios. bell. Iud. II10, 1 sind es drei Legionen und bei Ios. ant. Iud. XVIII. 8, 2 zwei Legio­nen.

[27] Vgl. Ios. bell. Iud. II 10, 1-5 und Ios. ant. Iud. XVIII 8, 2-6.

[28] Vgl. Smallwood, E. Mary: The Jews under Roman rule. From Pompey to Diocletian (Studies in Judaism in late antiquity 20). Leiden 1976, S. 177.

[29] Ios. ant. Iud. XVIII 8, 5.

[30] Vgl. ebd. XVIII 8, 6.

[31] Smallwood: Jews, S. 174.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die römische Provinzialpolitik als Ursache für den Jüdischen Krieg in der Darstellung des Flavius Josephus
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg  (Department Geschichte)
Veranstaltung
Römische Außenpolitik von Caesar bis Mark Aurel
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V141512
ISBN (eBook)
9783640504763
ISBN (Buch)
9783640504626
Dateigröße
437 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Jüdischer Krieg, Flavius, Josephus, Provinzialpolitik, Rom, Judäa, Vespasian, Titus
Arbeit zitieren
Maja Hetmank (Autor:in), 2009, Die römische Provinzialpolitik als Ursache für den Jüdischen Krieg in der Darstellung des Flavius Josephus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/141512

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