Das Machtverständnis Michel Foucaults


Seminararbeit, 2003

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Alte Formen der Macht
a) Souveräne Macht
b) Vertragsmacht

2. Die Bio-Macht
2.1. Die Disziplinarmacht
2.1.1. Das Panopticon
2.2. Die Pastoralmacht

3. Fazit

4. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Das Ziel meiner Hausarbeit soll sein, eine Antwort auf die Frage: Was versteht Michel Foucault unter Macht? zu geben und die Entwicklung seines Machtverständnisses klar strukturiert darzustellen. Bevor ich mich aber auf das Machtverständniss Foucaults beziehe, möchte ich zunächst einmal klären, was unsere moderne Gesellschaft unter Macht versteht.

Ich selber denke bei dem Begriff ‘Macht’ an Unterdrückung; seinen eigenen Willen auch gewaltsam durchzusetzen; Autorität; Gehorsam; etwas Negatives. Dieses repressive Verständnis von Macht findet man auch in zahlreichen Enzyklopädien.

Eine Definition aus dem Brockhaus von 1965 lautet:

„Macht: Kraft, Gewalt, Stärke; die Möglichkeit, den eigenen Willen gegenüber dem Willen anderer durchzusetzen; Wirkungsmöglichkeit und Befehlsrecht.“

Eine weitere Definition aus dem Brockhaus von 1996 lautet:

„Macht ist die Summe aller Kräfte und Mittel, die einem Akteur (einer Person, einer Gruppe oder einem Sachverhalt, auch der Natur) gegenüber einem anderen Akteur zur Verfügung stehen.“

In jeweils beiden Definitionen spiegelt sich die Macht als etwas Gewaltsames, etwas sehr Negatives und sehr Autoritäres wieder. Die Macht, als etwas, das zwar in allen Lebensbereichen vorkommt, für die moderne Gesellschaft aber etwas Mißbilligendes und nichts Wünschenswertes ist. Auch der Soziologe Max Weber hat sich mit dem Machtbegriff auseinandergesetzt. In seinem Buch Wirtschaft und Gesellschaft[1] findet man einen von ihm selber definierten Machtbegriff: „ Macht bedeutet jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“ Weiter sagt er noch: „ Der Begriff ‘Macht’ ist soziologisch amorph. Alle denkbaren Qualitäten eines Menschen und alle denkbaren Konstellationen können jemand in die Lage versetzen, seinen Willen in einer gegebenen Situation durchzusetzen.“

Auch in dieser Definition ist wieder das schon zuvor genannte Verständnis der Macht zu erkennen. In dem ersten Teil wird nämlich die Macht von Weber unspezifisch bestimmt als anderer Begriffe wie Autorität, Gewalt, Herrschaft, Kraft, Überredung oder Zwang. Weiter weist er im zweiten Teil darauf hin, dass es ein Problem der Bestimmbarkeit der Macht gibt, wenn er schreibt, der Begriff sei soziologisch amorph. Was nach Webers Definition bedeutet, dass jeder Mensch Macht ausüben kann, um den eigenen Willen durchzusetzen! Anhand dieser Definition, welche die der Enzyklopädien unterstützt, ist klar zu erkennen, dass die moderne Gesellschaft Macht als etwas restriktives, etwas armes, etwas sehr negatives auffaßt.

Und an genau diesem Punkt setzt Foucault bei seiner Machtanalyse an. Er fragt sich nämlich, weshalb unsere Gesellschaft, und er bezieht sich nur auf die westliche Gesellschaft, überhaupt, die Macht auf eine so restriktive, so arme, so negative Art auffaßt. Denn von dieser Machtdefinition möchte er sich abwenden und hat deshalb eine Analyse der Macht entwickelt, um eine Richtung zu weisen, in der Macht nicht mehr als etwas negatives aufgefaßt wird, sondern Macht als Technologie begriffen wird![2]

Doch bevor sich Foucault auf die Macht als Technologie bezieht, versucht er zunächst einmal Gründe zu finden weshalb die westliche Gesellschaft keine andere Möglichkeit hatte, die Macht auf eine andere Art zu analysieren und als eine Technologie zu definieren. Und für Foucault ist die alte Form der Macht, die souveräne Macht und die Vertragsmacht, ausschlaggebend für die heutige Machtdefinition der westlichen Gesellschaft. Deshalb analysiert Foucault in seinem Buch ‘Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses’ als erstes die souveräne Macht und die Vertragsmacht um zu zeigen, daß die westliche Gesellschaft nie ein andere Analyse der Macht hatte als die des Rechts, des Systems der Gesetzte, wovon er sich aber gleichzeitig auch abwenden will.[3]

Deshalb werde ich in meiner Arbeit zunächst auf die Souveränitäts- und Vertragsmacht eingehen, die noch im 17. Jahrhundert die beherrschenden Machttechniken darstellten. Es folgt dann eine Einführung in Foucaults Machtverständnis, durch die Klärung des Begriffs der Biomacht und seines Verständnisses bezüglich seines Begriffs der modernen Disziplinarmacht. Anschließend daran, als ein Beispiel der modernen Disziplinarmacht, gehe ich dann auf das Panopticon ein, um die Mechanismen und Instrumente dieser Disziplinarmacht aufzuzeigen.. Danach werde ich mich auf Foucaults weiterentwickeltes Machtverständnis der Pastoralmacht beziehen, anhand dessen gezeigt werden soll, dass das Machtverständnis Foucaults nicht nur auf die Gesellschaft und das Individuum abzielt, sondern auch auf das Selbstverhältnis der Individuen. Zum Schluss fasse ich Foucaults Machtverständnis in einem Fazit zusammen.

1.1 Alte Formen der Macht

a) Souveräne Macht

Michel Foucault analysiert in seinem Buch ‘Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses’ verschiedene Machttechniken, doch zunächst die Macht des Souveräns. Hierbei handelt es sich um einen Machttypus, der sich grundlegend, wie oben schon angesprochen, von Foucaults Begriff der modernen Macht unterscheidet. Gleich am Anfang seines Buches bringt Foucault das Beispiel der ausführlich beschriebenen Vierteilung des versuchten Königsmörders

Damiens, der langsam gefoltert, gewürgt, gemartert und gevierteilt wird. Anhand dieses Beispiels zeigt Foucault schon die Brutalität der damaligen Strafpraxis auf.[4] Diese Marter ist für Foucault das Paradigma für die königliche Strafgewalt. Es bestand eine alleinige und ausschließliche Machtvollkommenheit, die Wahrheiten aufstellte, auf Seiten des Richters und des Souveräns. Somit hatte der Fürst oder König letztlich die alleinige Macht über die Strafe, die keines Falls der Menge gehören durfte ( vgl. ÜuS S.49), die er möglichst öffentlich sichtbar und grausam in einem ‘Theater der Hölle’ (vgl. ÜuS S.61) manifestierte. Die peinlichen Strafen waren also auch immer die Manifestationen der Macht, denn in jedem Verbrecher steckte ein Königsmörder, jedes Verbrechen griff immer auch das Gesetz selbst und den Souverän an. Dieser Gesetzesübertritt war für den Souverän ein kriegerischer Angriff auf seinen Körper, den er so nicht hinnehmen konnte. Denn diese, über den unmittelbaren Schaden hinausgehende Dimension der Tat bedurfte einer Wiedergutmachung. Durch die Maßlosigkeit der Strafe wurde der physische Triumph, die Wiederherstellung der Macht des Königs angezeigt. Der geschundene Körper des Verurteilten wurde zum sichtbaren, gebrandmarkten Zeichen souveräner Macht (vgl.ÜuS S.65). Somit hatte die Maßlosigkeit eine Rationalität, nämlich der Körper als zentrales Objekt. Die öffentliche Hinrichtung, indem sich der Fürst als Gerichtsherr und Kriegsherr in einem zeigte, hatte zwei Gesichter: Kampf & Sieg, wodurch in der rituellen Zergliederung des feindlichen Körpers die Übermacht des Souveräns demonstriert wurde (vgl. ÜuS S.67). Auch die Ermittlung des Verbrechens folgte einem Kalkül. Denn das gesamte Verfahren, das der Beweisführung dienen sollte, blieb geheim. Nicht einmal der Angeklagte selbst erfuhr etwas, da er von allem gänzlich ausgeschlossen wurde. Das gesamte Verfahren wurde also geheim von der Justiz durchgeführt und die Richter übernahmen die Ergebnisse für die Urteilsfällung ( vgl.ÜuS S.51-53). Doch gerade wegen der Geheimhaltung mussten strenge Regeln der Beweisführung eingehalten werden. Deshalb gab es verschiedene Arten von Beweisen, mit jeweils verschiedenen Werten und genauen Regeln ihrer Kombination ( vgl. ÜuS S.49-50). Das Geständnis aber galt als der stärkste Beweis, als Lebendiges mündliches Gegenstück zum schriftlichen Verfahren. Und da das Recht ein Geständnis verlangte, mußte es vom Verdächtigen erzwungen werden (vgl.ÜuS S.51-53). Die Folter war eine genau definierte Folge von kontrollierten und maßvollen Mitteln, um durch körperliche Schmerzzufügung ein Geständnis zu erpressen. Sie war als eine Art Zweikampf zwischen der Justiz und dem Angeklagten organisiert, aber auch als Zweikampf der Übermacht und der Wahrheit. Dieser Zweikampf basiert darauf, dass der Souverän darauf angewiesen war, dass jeder Beteiligte seine Rolle in dem Schauspiel gut spielte. Doch das war nicht immer der Fall. Denn es konnte in der Zuschauermenge zu Aufruhen kommen (vgl.ÜuS S.79f), wenn der Verbrecher z.B. bei dem Publikum Mitleid erregte, oder aber der Angeklagte verweigerte sein Geständnis und konnte unter Umständen sogar freikommen. In beiden Fällen wäre die Justiz der Verlierer, da sie ihre Macht nicht durchsetzen konnte und deshalb der harte Kampf der Justiz. Somit war die Marter und das Verbrechen, die Beweisführung und die Züchtigung im ganzen Verfahren eng miteinander verknüpft. Foucault sagt zusammenfassend : „ Die Marter ist in einem Durchbruch der Macht, feierlicher Abschluss der Ermittlungen und festlicher Triumph des Souveräns“(vgl.ÜuS S.74 Z.5f).

Anhand dieser Analyse der souveränen Macht, die mit der Machtdefinition der westlichen Gesellschaft gleich ist, will Foucault einerseits aufzeigen, weshalb die westliche Gesellschaft Macht als etwas Juristisches, Negatives auffasst, denn er sagt: „ Das Wachsen des Staates in Europa ist zum Teil durch die Entwicklung eines juristischen Denkens gesichert worden oder hat es jedenfalls zumindest als Instrument benutzt. Die königliche Macht, die Macht des Staates ist wesentlichen im Recht repräsentiert“(MF, MdM S. 26 Z.1f). Andererseits ist die souveräne Macht, wie schon erwähnt, grundlegend verschieden von Foucaults Machtverständnis und er will dadurch die Abgrenzung und Richtungsänderung zu seinem Machtverständnis skizzieren.

[...]


[1] Weber, Max: Wirtschaft und Gesellschaft Band 1

[2] Foucault, Michel: Die Maschen der Macht S.26 aus Freibeuter 63 (1995)

[3] Foucault, Michel: Die Maschen der Macht S. 26 aus Freibeuter 63 (1995)

[4] Foucault, Michel: Überwachen und Strafen. Die Geburt des Gefängnisses. F.a.M.1975 S.9-12

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Das Machtverständnis Michel Foucaults
Hochschule
Universität Münster  (Erziehungswissenschaften)
Veranstaltung
Konzepte und Methoden
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V14131
ISBN (eBook)
9783638196161
Dateigröße
588 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Machtverständnis, Michel, Foucaults, Konzepte, Methoden
Arbeit zitieren
Nina Klitzke (Autor:in), 2003, Das Machtverständnis Michel Foucaults, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14131

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