Entwicklungsgeschichte der Wohltätigkeitsclubs

Wohltätigkeitsclubs als zivilgesellschaftliche Akteure


Bachelorarbeit, 2009

71 Seiten, Note: 3


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Forschungsinteresse und zentrale Fragestellung
2.1 Die Freimaurer als institutionalisierte Sonderform

3. Hypothesen:

4. Die historische Entwicklung der Wohltätigkeitsclubs im 19. Jahrhundert mit ihren Wurzeln in den Vereinigten Staaten:

5. Entwicklungsgeschichte von Rotary International
5.1 Rotary im Nationalsozialismus
5.2 Strukturen und Denkweisen rotarischen Handelns
5.3 Verwaltungsstrukturen von Rotary International

6. Historie und Struktur von Lions International
6.1 Geschichte der Namens-, Emblemfindung von Lions International
6.2 Historische Umstände der Gründung von Lions
6.3 Die Person Melvin Jones
6.4 Organisationsstrukturen von Lions International

7. Geschichte und Struktur der Freimaurer als den Service Clubs verwandte Organisation
7.1 Unterscheidung Wohltätigkeitsclub / Freimaurer
7.2 Organisationsstruktur der Freimaurer weltweit:
7.3 Der Tempel:
7.4 Symbole der Freimaurerischen Arbeit
7.5 Die Organisation der Großlogen in Deutschland:

8. Die vier Grundprinzipien von Wohltätigkeitsclubs:
8.1 Die Vier Fragen Probe rotarischen Handelns

9. Potenzial und Handlungsspielraum von Service Clubs im Sinne einer „Non Profit“ Organisation als internationale Akteur am Beispiel von Rotarys „ Polio Plus“ Programm
9.1 Polio plus:

10. Schlussbemerkung und Ausblick

11. Abkürzungsverzeichnis

12. Abbildungsverzeichnis

13. Literaturverzeichnis
Wissenschaftliche Quellen:
Journalistische Quellen:

„He or she profits most who serves best!”[1]

Man holt das Meiste raus, wenn man sich gemeinschaftlich engagiert.

1. Einleitung

„Ein Service Club ist ein weltweiter Freundeskreis von Menschen aus unterschiedlichen Berufen, die aufgefordert sind, sich sozial zu engagieren“.[2]

Bei Wohltätigkeitsclubs üblicherweise auch mit dem Begriff Service Club (eng. Service Club) verbunden handelt es sich um konstituierte Gesellschaftsvereine, deren Mitglieder auf der Basis gemeinsamer Werte und Normenvorstellungen in freundschaftlicher Weise innerhalb des Clubs miteinander verbunden sind und die sich in selbstloser Art und Weise für karitative Belange anderer einsetzen.

Abbildung 1: Übersicht über die Traditionellen Wohltätigkeitsclubs

Die Abbildung gibt einen Überblick über die bekanntesten Wohltätigkeitsclubs, hierbei werden auch, siehe Zonta und Soroptimisten, reine Damenclubs berücksichtigt. In der vorliegenden Arbeit wird nicht auf alle im Detail eingegangen, dennoch sind die Zahlen der diversen Clubs als Referenzwerte heranzuziehen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Formen des Engagements sind vielfältig und variieren von Club zu Club. Es werden Themengebieten wie Humanität, Kultur und Bildung gleichermaßen gefördert. Insbesondere der Aspekt der Internationalität findet immer wieder seine Wiederholung.[3]

Die Organisation und die Ziele der einzelnen Clubs sind dachverbandsübergreifend nahezu identisch oder zumindest sehr ähnlich.

Dabei handelt es sich stets um karitative Zwecke im Bereich des Wohlfahrtsgedanken und um ein zentrales Managementsystem für die Koordinierung der Dachverbandgeschicke sowie die gemeinsamen Werbemaßnahmen. Lediglich die Freimaurer haben eine ideengeschichtlich begründete leicht abgewandelte Zielsetzung, die sich aber letztendlich in ähnlichen Ergebnisformen wie bei den üblichen Wohltätigkeitsclubs äußert.[4]

Die großen Dachverbände haben vielfältige Organisationsstrukturen, vielfach sind die Ebenen der Entscheidungsfindung, durch Autonomie der einzelnen Clubs, vertikal ausgeprägt.

Hierbei werden im Regelfall größere geographische Räume, vergleichbar mit Bundesländern in Deutschland oder im Falle Österreichs, Westösterreich und seiner osteuropäischen Nachbarn, in Administrationsgebiete (Distrikte) zusammengefasst.[5] /[6]

Unabhängig von der jeweiligen juristischen Situation des jeweiligen Sitzstaates weisen die Wohltätigkeitsclubs auf der „Club Ebene“ Strukturen auf, die in Teilen namentlich, in jedem Fall aber funktionstechnisch, den Vorstands- und Mitgliedstrukturen des deutschen und österreichischen Vereinsrechts entsprechen. Grundsätzlich werden alle Funktionen und Ämter auf der Basis des Ehrenamtes versehen.[7]

Eine Ausnahme hierzu bilden die administrativen Strukturen, insbesondere auf der Ebene des Dachverbandes. Hier werden zum Beispiel im Fall von Rotary International am Verwaltungsstandort des Dachverbandes in Genf Verwaltungskräfte hauptberuflich beschäftigt.[8]

Im Wesentlichen dominieren vier Clubs das internationale Geschehen. Zu nennen sind die vormals rein männlichen Clubs: Rotary und Lions, welche heute größtenteils auch Damen in ihren Reihen begrüßen. Bei den rein gleichgeschlechtlichen Damenclubs sind im wesentlichen Zonta und Soroptimisten zu nennen. Die jeweiligen Typen der Clubs vereinen in ihren Reihen die meisten Mitglieder.

Die Freimaurer nehmen eine Sonderstellung ein.

Ein gemeinsames Kriterium aller Wohltätigkeitsclubs und eben auch des Bundes der Freimaurer (siehe Geschichte und Struktur der Freimaurer als den Wohltätigkeitsclubs verwandte Organisation) ist das Vorschlagprinzip. Dies bedeutet, dass man sich nicht mittels Beitrittsformular um eine Aufnahme in einem Wohltätigkeitsclub bewerben kann.

Viel mehr ist es notwendig von einem oder mehreren Mitgliedern der jeweiligen Organisation innerhalb des Clubs vorgeschlagen zu werden. Dabei wird später dann derjenige aufgenommen bei welchem im Regelfall nach dem Prinzip der Einstimmigkeit keine Bedenken geltend gemacht worden sind.[9]

Um dem Anspruch der Variabilität hinsichtlich der konsistenten Verteilung der Berufsgruppen gerecht zu werden, müssen einerseits potentielle Mitglieder einer beruflichen Tätigkeit nachgehen, auf der anderen Seite sollen nicht mehr als eine gewisse Anzahl der Mitglieder derselben Berufsgruppe entspringen. Die Handhabung erfolgt so, dass jeweils nur zwei bis fünf Mitglieder derselben Klassifikation dem Club angehören. Hierbei spielt einerseits der Gedanke die Gesellschaft spiegelbildlich abzubilden eine große Rolle und andererseits gewährleistet die Vielfältigkeit der durch die Clubmitglieder ausgeübten Tätigkeiten eine Basis für konstruktive und gleichermaßen interessante Gespräche.[10]

Neben den beruflichen Voraussetzungen und dem Vorschlagprinzip werden große Maßstäbe an die sittliche und charakterliche Eignung des Aspiranten gestellt. Insbesondere aufklärerische Aspekte des hohen ethischen Verständnisses eines weit gefassten Toleranzgedankens sowie der aufrichtige Wille zum nachhaltigen karitativen Engagement sind existenzielle Notwendigkeiten für eine Mitgliedschaft in einem der oben genannten Clubs.

Als Vorurteil gilt, dass hohe Vermögenswerte notwendiges Kriterium seien, Mitglied eines Wohltätigkeitsclubs zu sein, dies ist nicht so. Jedoch finden sich in Vereinen dieser Art überwiegend gesellschaftliches Klientel des Bildungsbürgertums, meistens Akademiker mit einem entsprechenden Gehalt.

Das Clubleben gestaltet sich im Regelfall durch fixe Termine, welche normalerweise im Wochenrhythmus abgehalten werden. Bei einigen Wohltätigkeitsclubs finden die regelmäßigen Zusammenkünfte auch in größeren Zeitabständen statt. Darüber hinaus gibt es im besten Falle eine hohe Anzahl von Sonderveranstaltung, sowie vielfältige freundschaftliche Kontakte auf informeller Basis innerhalb und außerhalb des Clubs.[11]

Der Charakter dieser Veranstaltungen ist meistens geselliger oder kultureller Natur. Besonderen Status genießt das Vortragswesen, in dessen Zusammenhang die einzelnen Mitglieder auch unter Zuhilfenahme externer Referenten aus ihren vielfältigen beruflichen Hintergründen und persönlichen Interessen berichten und somit intellektuellen Anspruch für die gesamte Gemeinschaft schaffen.[12]

Hierbei gilt es am Erfahrungsschatz des anderen zu partizipieren.

Die einzelnen Mitglieder sind verpflichtet den Einladungen zu Veranstaltungen zu folgen. Dies geschieht im Regelfall durch eine so genannte Präsenzkontrolle, hierbei müssen die einzelnen Mitglieder einen prozentualen Anteil an der Menge der Gesamtveranstaltungen im Jahr besucht haben.[13] Dabei gibt es eine von Club zu Club variierende Prozentanzahl, die es zu erfüllen gilt. Oftmals sinken die Prozentwerte mit steigendem Alter der Vereinsmitglieder ab.[14] Der dahinter stehende Gedanke sieht ein, im Verhältnis zu den älteren, stärkeres Engagement der jüngeren Vereinsmitglieder vor. „Die Präsenzbefreiung obliegt formalen Bedingungen. Sie wird nur auf Antrag und „rotarischem Alter“ von über 85 Jahren (Lebensalter zzgl. Mitgliedsjahre bei Rotary) erteilt. (Artikel 8 der Einheitlichen Verfassung von Rotary Clubs)[15]

2. Forschungsinteresse und zentrale Fragestellung

Wohltätigkeitsclubs, welche besser unter dem Begriff des „Service Clubs“ bekannt sind, wirken in vielfältiger Art und Weise als Akteure in der Zivilgesellschaft.

Nicht nur als zivilgesellschaftliche Akteure, sondern auch als politisch wirkende Kraft sind sie spürbar. Doch so sehr „Non Profit“ Organisationen wie Rotary International oder aber Lions Club Teil unserer Gesellschaft sind, so ist auf der anderen Seite vieles über sie unbekannt und liegt für Außenstehende im Dunkeln.

„So schreibt die Junge Karriere in dem Artikel „Unter Löwen“, dass es bei den Wohltätigkeitsclubs nur indirekt um Einfluss und Geld gehe, davon hätten die meisten Mitglieder sowieso genug. Es gehe um Engagement, denn jede gute Tat fördere auch die Karriere.“[16]

2.1 Die Freimaurer als institutionalisierte Sonderform

Wenn man den Begriff des Wohltätigkeitsclubs aus seiner engeren Definition herauslöst, ist es unumgänglich die Freimaurerei in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen. Steht sie doch als Paradigma von Geheimbündelei und Verschwörung in der Gesellschaft. Über die Freimaurer ist auch heute trotz Verfolgung durch die Nationalsozialisten und weiterer Repressionen in der DDR kaum etwas bekannt.

So interessant und für Anhänger von Verschwörungstheorien faszinierend die Vorstellung von externen Interpretationen freimaurerischen Gedankengutes sein mag, so konträr stellt sich die Freimaurerei in ihrer existenten Eigenwerbung als auch ihrer Selbstbeschreibung da! Da jedoch das Selbstverständnis der Freimaurer in ihrem Anspruch an sich selbst weit über das eines üblichen Wohltätigkeit Clubs hinausgeht, sind diese getrennt zu behandeln.

Allen Wohltätigkeitsclubs gemeinsam ist das Prinzip des selbstlosen Handelns. Hierbei hat Rotary International mit „service above self“ (dt. selbstloses dienen) den zugleich einprägsamsten, als auch inhaltlich zutreffenden Leitgedanken geformt.

Abseits des Servicegedankens entstehen natürlich durch die vielfältigen Interaktionen der Clubmitglieder breite Netzwerke und berufliche Entwicklungsperspektiven. Von den einen als Mauschelei verschrieen, so wird doch die Netzwerkverflechtung von den Mitgliedern als freundschaftlicher Bund gesehen, welcher lediglich untereinander gepflegt und geachtet wird.

Anliegen vorliegender Arbeit soll sein, die Struktur der Wohltätigkeitsclubs und Logen in ihrer Bedeutung als politisches / gesellschaftliches Phänomen zu erfassen und den sphärischen Wirkungsgrad dieser Organisationen für den karitativen Bereich als auch für das soziale „Networking“ des einzelnen darzustellen.

In Kapitel vier wird die Geschichte der Wohltätigkeitsclubs vor dem Hintergrund ihrer Entstehung im 19. Jahrhundert, in den Vereinigten Staaten beleuchtet. Die Entstehungsgeschichte der Wohltätigkeitsklubs ist vor dem Hintergrund des aufkommenden Sozialdarwinismus zu beleuchten.

„Der Kampf um die Existenz, der Wettbewerb um Daseinschancen, ist die Grundtatsache des Gesellschaftslebens. Die Entwicklung der Gesellschaft ist das Ergebnis von Naturgesetzen, der Auslese, der Anpassung der Weitergabe.“[17]

Die Defizite einer Gesellschaft in der nicht das Ganze, sondern vielmehr der Einzelne als Individuum Berücksichtigung findet, bedingten als Folge eines ausgesprochen schwachen Staates, hinsichtlich Ausprägungen in Lebensbereichen, die die soziale Absicherung, als auch die gesellschaftliche Integration fördern, oder sicherstellen.

Bedingt durch oben genannte Defizite konnten die Wohltätigkeitsclubs zusammen mit Logen und ähnlichen Vereinigungen Optionen bieten, die besagten Lücken zu schließen und neue Freundesbünde zu schaffen.

Kapitel Nummer fünf behandelt die Entstehungsgeschichte von Lions International. Hierbei wird gesondert auf die besonderen Umstände der Zeit eingegangen. Weiterhin findet der von Rotary differierende Gründungsansatz Beachtung. Melvin Jones wird als Lions Gründer, wie auch als Freimaurer gesondert betrachtet.

Kapitel Nummer sechs beschäftigt sich mit der Geschichte und der Organisationsstruktur der Freimaurerei. „Freimaurerei, der alte europäische Bruderbund weltoffener Humanität, kann mittlerweile auf eine wechselvolle Geschichte von fast dreihundert Jahren zurückblicken.“[18]

Die Freimaurer haben und hatten immer einen Sonderstatus in der Gesellschaft, zu Zeiten von Mozart und Maria Theresia war es große Mode der Freimaurerei anzugehören, heute lassen sie sich als gesellschaftliche Randerscheinung ähnlich der, der Korporationen wahrnehmen.

Im Zeitalter des aufkommenden Faschismus, als auch später institutionalisiert im Dritten Reich, erfuhren die Freimaurer hingegen radikale Verfolgung. „1929 beginnt der erfolglose General Ludendorf den so genannten Vernichtungsfeldzug gegen die Freimaurer, Juden und Jesuiten, die er alle in einen Topf schmeißt.“[19]

Der Literat und Freimaurer Kurt Tucholsky schrieb in diesem Zusammenhang:

"Hast Du Angst, Erich? Bist du bange Erich?
Klopft dein Herz, Erich? Läufst du weg?
Wolln die Maurer, Erich - und die Jesuiten, Erich
dich erdolchen, - welch ein Schreck!
Diese Juden werden immer rüder.
Alles Unheil ist das Werk der .'..'. Brüder.
Denn diese Jesuiten, Erich - und die Maurer, Erich -
und die Radfahrer - die sind schuld
an der Marne, Erich und am Dolchstoß, Erich -
ohne die gäbe es keinen Welttumult.
Jeden Freitag spielt ein Kapuziner
mit dem Papste Skat - dazu ein Feldrabbiner;
auf dem Tische liegt ein Grand mit Vieren -
dabei tun sie gegen Deutschland konspirieren ...
Hindenburg wird älter und auch müder ...
alles Unheil ist das Werk der .'..'. Brüder."[20]

„Mussolini sprach nicht ungern von einer vatikanisch freimaurerischen Verschwörung gegen sein System. Unzählige Weltverschwörungstheorien, die heute noch gerne in Polen, Russland und Ungarn von faschistischen Bewegungen zitiert werden, sind Kindeskinder dieses alten Ungeistes.“[21]

So wechselhaft das Ansehen der Freimaurer im Wandel der Zeit gewesen ist, so konstant bleibt ihr Mythos der Verschwörung und der Geheimniskrämerei. Die Gründe für nach wie vor existente Vorurteile sollen in Kapitel Nummer sechs gleichsam mit der Geschichte der Freimaurerei dargestellt werden.

In Kapitel sieben wird auf die vier Grundprinzipien eingegangen, die allen in Abb. 1 aufgelisteten Wohltätigkeitsklubs gemeinsam sind. Hierbei handelt es sich um Handlungsmaxime der Clubs unter einzelnen Mitgliedern, die unter anderem dazu gedacht sind sich selbst gegenüber anderen abzugrenzen.

Auch hierbei steht die Freimaurerei in völligem Einklang mit den Prinzipien und geht dennoch darüber hinaus. „Zu den Maximen gehörte auch, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen und sich karitativ zu engagieren. Inzwischen sind viele Service-Clubs weltweit tätige Organisationen, die Millionenbeträge für humanitäre Zwecke aufbringen. Zu den gemeinsamen Prinzipien gehören: Ethik, Freundschaft, Service und internationale Verständigung.“[22]

Das Kapitel acht beschäftigt sich mit der Bedeutung von Wohltätigkeitsclubs als Akteure in der Gesellschaft und Politik. Hierbei steht die Frage im Vordergrund, inwieweit Clubs wie Rotary International, Lions, Kiwanis etc. als gesellschaftliche und politische Handlungsmacht wahrgenommen werden und welche theoretischen und praktischen Handlungsspielräume die Organisationen faktisch haben?

Hierbei sind sowohl politische, als auch gesellschaftliche Machtdimension zu erfassen. Insbesondere die Frage nach relativer Macht im Vergleich zur Tatsächlichen scheint interessant.

Weiterhin wird genauer auf die Rolle eines Wohltätigkeitsclubs als zivilgesellschaftlicher Akteur eingegangen. Dabei steht die Rolle von Wohltätigkeitsclubs als „Non Profit“ Organisationen im Mittelpunkt der Betrachtungen.

„Der deutsche „Non Profit“ Sektor gewährt über einer Million Menschen Arbeit und hat hierdurch einen Anteil von 2,3 % am Bruttoinlandsprodukt. Mit gutem Grund kann ihm deshalb eine starke wirtschaftliche Funktion beigemessen werden.“[23]

Abbildung 2: Logo von „Polio Plus“

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dies geschieht am Beispiel von Rotary International mit seinem Programm „Polio plus“, welches sinnbildlich für den breiten karitativen Ansatz der Wohltätigkeitsclubs insgesamt steht.

Rotary International startete 1979 in Asien auf den Philippinen ein Projekt mit der damals noch neuen Schluckimpfung gegen Polio und erreichte auf diese Weise binnen fünf Jahren 6 Millionen Kinder. Nach Ablauf der fünf Jahre wurde das Projekt erweitert und unter dem Namen „Polio Plus“ bis heute gestellt. Ziel dieser Bemühungen sollte die restlose und konsequente Beseitigung und Ausrottung der Kinderlähmung bis zum 100. Jubiläum von Rotary International im Jahr 2005 sein.

Überragende Anstrengungen haben die Rate der Neuinfektionen um 99% zurückgedrängt, mutmaßlich 650 Millionen $ wird die Organisation, nach Schätzungen, bis zum Abschluss des Projektes aus Spendenmitteln und Eigenmitteln bereitgestellt haben.[24]

In jüngster Zeit erhält Rotary bei seinen Bemühungen zusätzlichen Auftrieb durch das finanzielle und persönliche Engagement des ehemaligen Microsoft Chefs Bill Gates und seiner Frau Melinda, welche mit ihrer Stiftung 100 Millionen US-Dollar beigetragen haben. Hierbei sind mittlerweile weitere Summen in Aussicht gestellt.

„Die neue „Gates-Challenge“ und die Beiträge aus Großbritannien und Deutschland geben den Experten vor Ort die Gewissheit, dass wir sie nicht im Stich lassen.“[25]

3. Hypothesen:

Vorliegende Arbeit stützt zwei grundsätzliche Hypothesen:

1.

Neben Nationalstaaten, überstaatlichen Gebilden (Europäischen Union / GUS), dem Komitee des Internationalen Roten Kreuzes und etwa dem Heiligen Stuhl, als Objekte des Völkerrechts existieren weiterhin derivative Völkerrechtssubjekte.[26] Hierzu gehört allen voran die UNO. „Demgegenüber leiten die „derivativen Völkerrechtssubjekte“ ihre Völkerrechtsubjektivität von den „originären Völkerrechtsubjekten“ ab, die sie geschaffen und mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattet haben. Sie besitzen daher grundsätzlich nur „partielle Völkerrechtsubjektivität“, also die Fähigkeit, für bestimmte, durch die Gründungsverträge abgegrenzte Bereiche, Träger völkerrechtlicher Rechte zu sein.“[27]

Zu den derivativen Völkerrechtssubjekten gehören auch Wohltätigkeitsclubs und Freimaurer. Hierbei insbesondere Rotary International und Lions International. Deren völkerrechtliche Subjektivität ergibt sich als Axiom aus dem Umstand des Beobachterstatus und der dadurch bedingten Teilnahme an und in einem völkerrechtlichen Subjekt. Auf diesen Umstand basierend müssen NPOs / NGOs dieser Typologie als lokaler und globaler politischer Akteur betrachtet werden.

2.

Das Projekt „Polio Plus“ von Rotary International, eingebettet in die globalen Bemühungen von Nationalstaaten und der WHO, im Kampf gegen Polio „Global Polio Eradication Initiative“[28] beweist die quantifizierbare Wirkung des Einsatzes von ehrenamtlichem Humankapital.

Daher muss die völkerrechtliche Bewertung einzelner derivativer Völkerrechtsubjekte geprüft werden. „Auf dem Papier zählen San Marino und die Vereinigten Staaten von Amerika genauso viel. Diese partnerschaftliche Gleichberechtigung aller Völkerrechtssubjekte auf dem Boden des Völkerrechts wird jedoch in der Praxis durch politische und ökonomische Machtfaktoren oft unterlaufen.“[29]

Vor dem Hintergrund der Forderung nach völkerrechtlicher Gleichbehandlung, völkerrechtlichen Subjekten, erscheint es möglich für ausgewählte NPOs / NGOs völkerrechtliche Gleichstellung zu fordern, dies mit der Begründung der ungleich höheren globalen Handlungsfähigkeit und dem entsprechenden Handlungswillen.

4. Die historische Entwicklung der Wohltätigkeitsclubs im 19. Jahrhundert mit ihren Wurzeln in den Vereinigten Staaten:

Die Geschichte der Wohltätigkeitsclubs geht ins 19. Jahrhundert zurück. Vor dem Hintergrund eines sich etablierenden Sozialdarwinismus, suchte die intellektuelle Bevölkerung Gesellschaftsformen und Ausprägungen menschlicher Interaktion, die das soziale Gleichgewicht in der Gesellschaft verbessern sollten.

Im Falle des Sozialdarwinismus handelt es sich um eine sozialwissenschaftliche Theorie, welche sich in ihren Gedanken den Grundsätzen der Evolution nach Charles Darwin anschließt und seine Lehren in die Gesellschaft zu übertragen sucht. „Ein Beispiel für eine typisch biologistische ist der Sozialdarwinismus. Biologistische Argumentationsweise wirken oft verführerisch klar und überzeugend, bergen jedoch, wie hier gezeigt werden soll, erhebliche methodologische Gefahren: Sie sind reduktionistisch, implizieren einen naturalistischen Fehlschluss und verstoßen gegen das Prinzip der wissenschaftlichen Wertfreiheit.“[30]

Die Gründerväter und Anhänger des ursprünglichen Sozialdarwinismus und der Lehre waren Herbert Spencer, Edward Taylor sowie Lewis Henry Morgan. Ihre grundsätzliche Annahme fußte auf Darwins Lehre und stellte soziale Formationen, wie Gesellschaften, gleichberechtigt neben biologische Individuen. Dies hatte zur Folge, dass daraus die Annahme folgen muss, Gesellschaften seien, genauso wie biologische Lebensformen, Prozessen der Auslese und der Evolution unterworfen.

Die Annahme, dass schwache Gesellschaften den starken weichen müssten und sich das stärkere Individuum gegenüber dem Schwächeren, gemäß eines natürlichen Rechts durchsetzen würde, wurde besonders in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts stark instrumentalisiert. Dies sowohl von den Rechten als auch von den Linken.

Von Marx, welcher in der sozialdarwinistischen Lehre Ansätze zum sozialistischen Klassenkampf fand. So schrieb dieser in einem Brief an Friedrich Engels: „übrigens ist der Darwin den ich jetzt gerade lese, ganz famos. Die Teleologie war nach einer Seite hin noch nicht kaputt gemacht, das ist jetzt geschehen. Dazu ist es jetzt noch nie ein so großartiger Versuch gemacht worden, historische Entwicklung in der Natur nachzuweisen, und am wenigsten mit solchem Glück. Die plumpe englische Methode muss man allerdings in Kauf nehmen.“[31]

So plump Marx ihn auch fand, so praktisch ließen sich diese Thesen für die Lehren des Sozialismus vereinnahmen.

„Laut R. Hofstadter soll das darwinistische Denken auch auf das Denken der frühen orthodoxen Marxisten Einfluss gehabt haben; so hätte sich K. Marx gegenüber F. Engels auf Darwins Origin of Species als Basis für den Klassenkampf berufen. Auch Sozialisten wie Keir Hardie vertraten darwinistische Positionen. Auch gab es sozialistische Sozialdarwinisten wie Jack London und andere (...)
Liest man die Originalbriefe, begrüßen sowohl Marx als auch Engels als positiven Nebeneffekt an Darwins Werk die Zerstörung der Teleologie.“[32]

Noch freudiger wurden die Thesen durch Rassisten und durch die rechten Kräfte aufgenommen. Für die Vereinnahmung Darwins zur Legitimierung rassistischer Weltanschauungen bedurfte es nicht erst Hitler.

Chamberlain vollführte bereits einige Jahre früher den Bruch zum offenen Rassismus und zur instrumentalisierten Form von Darwins Lehren zur Erklärung der Überlegenheit im Sinne des Begriffs der Rasse.

„Bei ihm werden die „Gesetze der Tierzucht” zur fundamentalen Erklärung für die Überlegenheit einer „reinen Rasse”. Über diese Vermittlung wurde der Sozialdarwinismus zu einer der grundlegenden Strömungen der faschistischen Ideologie.

Durch seine Entwicklung zum Rassismus hat der Sozialdarwinismus heute jegliche Popularität verloren; in verschiedensten Ideologien beruft man sich allerdings immer noch[…]“[33]

Im Nationalsozialismus stellte der Sozialdarwinismus eine der grundlegenden Argumentationsbasen dar.

Abbildung 3: Verbindung zwischen Nationalsozialismus und Sozialdarwinismus

Die angeführte Grafik zeigt die Verquickung der sozialdarwinistischen Lehre mit dem nationalsozialistischen Weltbild. Dabei steht Deutschland als Nation statisch, als Rasse von überhöhter Qualität gleichberechtigt neben dem Individuum im Kampf und gesellschaftliche Vorherrschaft.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Unerlässlich in den Argumentationsstrukturen der Nationalsozialisten ist der sozialdarwinistische Begriff als fester Bestandteil der nationalsozialistischen Ideologie fest zementiert.

In Deutschland bildete sich die Gesellschaft für Rassenhygiene und fand viele Unterstützer in den Reihen der Wissenschaftler. „This included the German Society for Racial Hygiene, which at the time had 1,300 memebers and twenty local groups. Many of the members were academics, including some who were also functionaries in the Racial Political Office of the NSDAP.”[34]

[...]


[1] Rotary Geschichte

www.rotaryfirst100.org/leaders/sheldon/

[2] Portal zum Thema Wohltätigkeitsclubs

www.service-clubs.com/

[3] Internetpräsens des Lions Clubs Neustadt

Vgl. www.lionsneustadt.de/index.php?ID_KAT=23&LANG=DE&sess_v=438e205d751ae86320aa917f0e5195ef

[4] Internetauftritt der Freimaurer in der Schweiz

http://www.freimaurer.ch/freimaurerei/grundsaetze.shtml

[5] Rotary International Deutschland

rotary.de/was_ist_rotary/rotary_organisation.php

[6] Lions Disktrikt Westphalen a.d. Ruhr

www.leo-111-wr.de/leo-was-ist-das/die-leo-organisation/

[7] Rotary International

www.rotary.org/de/ServiceAndFellowship/ProjectResources/FindingVolunteers/Pages/FindingVolunteers.aspx

[8] Rotary International

www.rotary.org/de/AboutUs/ContactUs/InternationalOffices/Pages/ridefault.aspx

[9] Portal zum Thema Wohltätigkeitsclubs

www.service-clubs.com/

[10] Internetauftritt des Rotary Clubs Rudolfsstadt

Vgl. www.rotary-rudolstadt.de/rotary/index.html

[11] Internetauftritt des Round Table Clubs 133, Soest / Lippstadt

Vgl. Bsp. www.rt133.de/index.php?id=11

[12] Internetauftritt des Rotary Clubs Berlin Süd

www.rc-berlin-sued.de/ueber_uns/ueber_rotary/index.html

[13] Lions International Sektion Schweiz

www.lions-e.ch/dokumente2002/fitnesscheck_text.doc

[14] Internetauftritt des Rotary Diskrikts 1830

Vgl. www.rotary1830.org/ROCAS/ZurrotarischenPrsenzberechnung.pdf

[15] Internetauftritt des Rotary Diskrikts 1830

www.rotary1830.org/ROCAS/ZurrotarischenPrsenzberechnung.pdf

[16] Stehr, Christoph (2003): Unter Löwen, in: Junge Karriere, Nr. 09/03, S. 48 ff. in http://www.sebastian-gradinger.de/service_clubs/images/data/internet_service_clubs.pdf

[17] Friedrich, Jonas (1976): Geschichte der Soziologie - Aufklärung, Liberalismus, Idealismus, Sozialismus -

Übergang zur industriellen Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg, S. 257.

[18] Großloge der Altern Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland

www.freimaurerei.de/index.php?id=5

[19] Internetauftritt der Loge „Am Rauen Stein“, Hamburg

www.loge-arst.de/bibliothek/tempelbau.php

[20] Kurt Tucholski in http://www.textlog.de/tucholsky-verfolgungswahn.html

[21] Peter Stiegnitz, Gott ohne Kirche: Religion und Freimaurerei, EDITION VA bENE, Klosterneuburg; Auflage: 1 (September 2003)

[22] Internetauftritt der Zeitschrift Focus

www.focus.de/karriere/management/network/networking/service-clubs_aid_13297.html

[23] Vgl. Seibel, Wolfgang (1997): Der Nonprofit Sektor in Deutschland, in: Badelt, Christoph (Hrsg.):

Handbuch der Nonprofit Organisation. Strukturen und Management, Stuttgart, S. 20.

[24] Internetauftritt von Rotary International

Vgl. www.rotary.org/RIdocuments/de_pdf/psa_him3_supplementad_de.pdf

[25] Internetauftritt der Rotary Diskrikte Deutschland 1830-1900 und 1930-1950

w4.rotary.de/polioplus/aktuell/09-02-05_info_200MioChallange.php

[26] Werner Eichelberg, Völkerrechtssubjekte

Vgl. infofrosch.info/v/va/va_lkerrechtssubjekt.html

[27] Ipsen, § 4 II Rz.6. in Christoph Schärtl, Das Spiegelbildprinzip im Rechtsverkehr mit ausländischen Staatenverbindungen, Mohr Siebeck (18. Mai 2005), S. 70

[28] Internetauftritt der Rotary Diskrikte Deutschland 1830-1900 und 1930-1950

Vgl. w4.rotary.de/polioplus/Dokumente/GrundsatzpapierPfarr_1.pdf

[29] Werner Eichelberg, Völkerrechtssubjekte

infofrosch.info/v/va/va_lkerrechtssubjekt.html

[30] Zivil- und Wirtschaftsrecht im Europäischen und Globalen Kontext / Private and Commercial Law in a European and Global Context: Festschrift für ... Horn Zum 70. Geburtstag Am 18. August 2006, von Klaus Peter Berger (Herausgeber), Georg Borges (Herausgeber), Harald Herrmann (Herausgeber), Andreas Schlüter (Herausgeber), Ulrich Wackerbarth (Herausgeber), Rechtswissenschaften de Gruyter Verlags-GmbH; Auflage: 1 (Mai 2007)

[31] Internationale Kommunistische Strömung

de.internationalism.org/IKSonline2009_darwinarbeiterbewegung

[32] Politik sind Wir, politisches Diskussionsforum

www.politik-sind-wir.de/archive/index.php/t-1738.html

[33] Encarta online Lexikon

de.encarta.msn.com/encyclopedia_761579584/Sozialdarwinismus.html

[34] Michael Burleigh, Wolfgang Wippermann ,The Racial State: Germany 1933-1945, Cambridge University Press; Auflage: Reprint (7. November 1991)

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Details

Titel
Entwicklungsgeschichte der Wohltätigkeitsclubs
Untertitel
Wohltätigkeitsclubs als zivilgesellschaftliche Akteure
Hochschule
Universität Salzburg
Note
3
Autor
Jahr
2009
Seiten
71
Katalognummer
V140913
ISBN (eBook)
9783640523283
ISBN (Buch)
9783640523917
Dateigröße
1515 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklungsgeschichte, Wohltätigkeitsclubs, Akteure
Arbeit zitieren
Wendt-Dieter Frhr. von Gemmingen (Autor:in), 2009, Entwicklungsgeschichte der Wohltätigkeitsclubs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140913

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