Lebenswirklichkeiten hochbetagter Menschen - Ein morphologischer Beitrag für Bereiche der Geragogik und der Pflegeausbildung


Doktorarbeit / Dissertation, 2002

158 Seiten, Note: magna cum laude


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Das Altersideal
1.2 Forschungsinteresse, Intervention und Altersideal
1.3 Erziehungswissenschaft und Gerontologie
1.3.1 ,Erziehung‘ und ,Bildung‘ in der Geragogik
1.3.2 Geragogische Praxis: ausgewählte Beispiele
1.3.2.1 Biographiearbeit mit alten Menschen
1.3.2.2 Geragogik und Pflegeausbildung
1.4 Implikationen für die Fragestellung

2. Theorie und Methode der Untersuchung
2.1 Lebenswelten und Lebenswirklichkeiten
2.2 Lebenswirklichkeit als Wirkungseinheit: die morphologische Sichtweise
2.2.1 Gestaltbildung und –umbildung: Auffassungsweisen und Analyse
2.2.2 Die Wirkungseinheit als Bezugs- und Erklärungssystem
2.2.3 Darstellung des morphologischen Vorgehens: von den ,Phänomenen‘ zu den ,Erklärungen‘
2.3 Charakteristik des Untersuchungsmaterials

3. Lebenswirklichkeiten hochbetagter Menschen als Entwicklungsnotwendigkeit
3.1 Lebenswirklichkeiten alter Menschen: Vorannahmen
3.2 Erste Bilanz der Interviews: das Leben als Schnittmuster
3.2.1 Absetzbewegungen
3.2.2 Geschichtlichkeit
3.2.3 Erlebte Vorteile des Alters
3.2.4 Einschränkungen und Verluste
3.2.5 Zukunftsperspektiven
3.2.6 Sterben und Tod
3.3 Zusammenfassung: Identität und Entwicklung
3.4 Psychologisierung der Fragestellung

4. Das Spannungsfeld der Wirkungseinheit: Sein ist Werden
4.1 Die Gestaltfaktoren
4.1.1 „Form(en) bewahren“
4.1.2 „Unveränderlichkeit“
4.1.3 „Bewältigen“
4.1.4 „Bewertungen“
4.1.5 „Fügungen“
4.1.6 „Aufbrüche“
4.2 Das Konstruktionsproblem: Leben in der Schwebe

5. Typische Lebenswirklichkeiten im hohen Alter: Geschichten um Geschichte
5.1 Die Typisierungen
5.1.1 Die Biographen
5.1.2 Die Penaten
5.1.3 Die Erstarrten
5.1.4 Die Opfer
5.1.5 Die Kranken
5.1.5.1 Die aktiven Kranken
5.1.5.2 Die resignierten Kranken
5.1.6 Die ,jungen‘ Alten
5.2 Vergleich der Typisierungen: Schweben als Kunst
5.3 Exkurs: die Demenz als Schwebezustand

6. Lebenswirklichkeiten und geragogische Konzeptionen
6.1 Biographiearbeit in der Schwebe
6.2 Geragogische Arbeit mit dementen Menschen
6.3 Zergliedernde vs. verstehende Sichtweise: Konsequenzen für die Pflegeausbildung

7. Zusammenfassung

Literatur

Danksagung

Lebenslauf

Anhang: Prototypische Interviews zu den Typisierungen
Die Biographen
Die Penaten
Die erstarrten alten Menschen
Die Opfer
Die aktiven Kranken
Die resignierten Kranken
Die ,jungen‘ Alten

Anmerkung:

Der Arbeit liegt ein Materialband mit allen durchgeführten Interviews bei.

1. Einleitung

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Veränderungen

der Bevölkerungspyramide

Quelle: Statistisches Bundesamt

Seit einigen Jahren scheinen alte Menschen zunehmend ins Blickfeld von Politik und Öffentlichkeit zu geraten. Dabei kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, daß in diesem Zusammenhang vor allem die zukünftige Bevölkerungsentwicklung mit großer Sorge betrachtet wird. Der Rückgang der Geburtenrate und die Zunahme der älteren Menschen drehen die Bevölkerungspyramide (vgl. Abb. 1) auf den Kopf,[1] eine „dramatische demo-graphische Entwicklung”[2] bahnt sich an, immer weni-ger Menschen, die im Ar-beitsprozeß stehen, versorgen immer mehr alte Menschen. Die Sicherung der Renten ist ein regel-mäßig wiederkehrendes Pro-blem des Bundeshaushal-tes sowie ein immer aktuelles Wahlkampfthema. Auch die langanhaltende und intensive Debatte um die sog. Pflegeversicherung zeigte, daß die erwartete ,Überalterung‘ der Bundes-republik jetzt schon ihre Schatten vorauswirft und es wird befürchtet, daß durch die Alten „die Generatio-nensolidarität vor eine Bewährungsprobe”[3] gestellt wird.

Gleichzeitig bilden die alten Menschen jedoch auch einen nicht zu unterschätzenden Wirtschaftsfaktor: etwa 20% „der Verfügungseinkommen der Privathaushalte werden durch Privathaushalte gestellt, die diese über die Altersversorgung beziehen”.[4] Nicht nur die bekannten ,Kaffeefahrten für Senioren‘ haben Hochkonjunktur, immer mehr Angebote der Freizeitindustrie richten sich speziell an alte Menschen, da hier ein großes Potential an finanziellen Mitteln einerseits und Freizeit andererseits gesehen wird.[5]

Betrachtet man allein dieses politische und ökonomische Interesse, so nimmt es auch nicht Wunder, daß die alten Menschen immer häufiger im Mittelpunkt multidisziplinärer Forschung stehen. Waren es zunächst vor allem Mediziner, die sich mit den (pathologischen) Altersveränderungen auseinandersetzten[6], sind es heute auch Soziologen, Pädagogen, Psychologen, Pharmakologen, Biochemiker und zunehmend auch Gentechniker, die sich des Themas ,Alter‘ annehmen. Die Gerontologie als eigenständige Disziplin begann sich in Deutschland Ende der sechziger Jahre von der Geriatrie – als medizinischer Krankheitslehre des Alters – abzulösen und versuchte, die bisher gefundenen Daten und Fakten zu ordnen und sie in ein allgemeines Modell des Alterns einzubinden.[7]

Die gerontologische Wissenschaft hatte für alte Menschen über lange Zeit lediglich drei herausgehobene Entwicklungsstränge ,anzubieten‘:

1. das Defizit-Modell der geistigen Entwicklung,
2. die Aktivitätstheorie sowie
3. die sog. Disengagement-Theorie.

Während das Defizit-Modell Untersuchungsergebnisse der ersten Massen-IQ-Tests (z.B. des Army-Alpha) (Nachlassen der Intelligenzleistung ab dem ca. 20. Lebensjahr) verallgemeinerte, bezog sich die Aktivitätstheorie auf die Annahme, daß die Fähigkeit von alten Menschen, ihre Kontakte auch im Alter weiter aufrecht zu erhalten bzw. zu modifizieren (bspw. nach der Verrentung) zu einem optimalen Alterungsprozeß führe.[8] Die Disengagement-Theorie (1961, Cumming und Henry[9] ) widersprach der Aktivitätstheorie und berief sich dabei auf leicht beobachtbare Phänomene im sozialen Bereich: ältere Menschen scheinen die Tendenz zu haben, sich zurückzuziehen, sich allmählich aus den sozialen Bindungen ,hinauszuschleichen‘; der Wunsch nach dem Rückzug resultiere aus dem Streben der alten Menschen, sich auf diese Weise Freiräume zu verschaffen und sich nicht (mehr) den Normen der Gesellschaft unterwerfen zu müssen. Letztendlich führe dies jedoch – so eine andere Interpretation – zu Vereinsamung und zu menschenunwürdigen Lebensumständen. Diese Theorien wurden in letzter Zeit kritisiert, wobei einerseits die angewandten methodischen Verfahren hinterfragt wurden, andererseits Längsschnittstudien zu dem Ergebnis kamen, daß die Theorien in ihrer Absolutheit nicht den individuellen Lebensumständen der alten Menschen gerecht werden können.[10]

Aber auch die neuere gerontologische Forschung scheint nicht so recht zu wissen, was sie mit dem ungeheuren Datenmaterial, das sie bisher zur Erforschung des Alters zusammengetragen hat, anfangen soll. Zu dem biologischen und dem soziologischen Schicksal, unter dem das Alter lange Zeit gesehen wurde, kamen im Laufe der Zeit weitere ,Schicksale‘ hinzu: Altern wird inzwischen auch als ökonomisches, epochales sowie ökologisches Schicksal begriffen.[11]

Nun wird man jedoch zustimmen müssen, daß diese Beschreibung der Lebensaufgaben keine speziell gerontologische ist; mit diesen ,Schicksalen‘ haben bereits Säuglinge zu ,kämpfen‘. Dennoch scheint ein gewisser Sinn in der fast rein empirischen Betrachtungsweise des Alters zu stecken: „Die Tatsache, daß Altern zum Teil ein körperlich begründeter Vorgang ist, legt es nahe, gerade bei Alternsphänomenen im psychischen Bereich nach organischen, naturwissenschaftlich faßbaren Ursachen zu suchen, die man beherrschen kann, wenn man sie erst einmal kennt.“[12]

Wichtig scheint also eine Beherrschbarkeit des Alterns zu sein, wobei die Frage nach Eingriffen genau dann besonders wichtig zu werden scheint, wenn sich ,Altern‘ aus irgendwelchen Gründen heraus nicht so zu entwickeln scheint, wie man dies gerne hätte.

Über die Fragwürdigkeit und die Implikationen des Begriffs der Normalität ist bereits an anderen Stellen ausführlich diskutiert worden, es erscheint jedoch angebracht, nochmals den Aspekt des kulturellen Zwangs herauszustellen, der mit aller Schärfe auch die alten Menschen trifft: „Je differenzierter und ziselierter solche Lebensabschnitte und -stufen kodifiziert werden, desto mehr befindet sich das Individuum in der Lage, sich an einer wissenschaftlich festgelegten Normalität messen zu müssen. Ist die Lebensabwicklung korrekt? Wo bleibt die Krise in der Mitte des Lebens? Warum lungere ich in einer Entwicklungsstufe herum, die ich schon längst verlassen haben müßte? Schließlich: Wieso verwirren sich bei mir die Sterbestufen? Keine Ordnung im Lebenszyklus!“[13]

Letztendlich wird also den Menschen vorgezeichnet, wie ihr Alterungsprozeß vor sich zu gehen habe, damit er als ,erfolgreich‘ bezeichnet werden kann. Was genau aber als ,erfolgreiches‘ Altern wissenschaftlich definiert werden kann, bleibt ein Geheimnis bzw. wird lediglich mit ,psychophysischem Wohlbefinden‘[14] umschrieben, ein Terminus, der ebenfalls für das gesamte Leben zutreffen sollte.

1.1 Das Altersideal

Wie erfolgreiches Altern aussieht, kann jedoch im vorwissenschaftlichen Bereich erzählt werden; dieses Bild eines ,gelungenen‘ Alternsprozesses wirkt einerseits wie eine Karikatur, andererseits ist es wirksam in dem Sinne, daß es tatsächlich bestimmte professionelle Umgangsformen mit alten Menschen determiniert.[15] Wie sich inzwischen auch in zahlreichen Diskussionen und Wortbeiträgen der jeweiligen Auditorien auf Fortbildungen und Vorträgen zu diesem Thema herausstellte, ist dieses Altersideal keineswegs lediglich in den Vorstellungen des Pflegepersonals vorhanden, sondern scheint eine implizite kulturelle Übereinkunft darzustellen:

„Die idealen Alten zeichnen sich dadurch aus, daß sie nie in ein Heim zu gehen brauchen, also in irgendeiner Form von anderen abhängig werden, sondern sie verbringen den Winter auf Ibiza und den Sommer an der Nordsee. Diese Alten haben sich auf ihr Alter - irgendwie - vorbereitet und vorgesorgt, sich Interessen gesucht, die ihr Leben weitertragen. Sie haben nun endlich einmal die Zeit, alles machen zu können, was sie wollen, sei es Reisen, Lesen oder Weiterbildungen oder andere Hobbys, die sie ausfüllen.

Die Alten können jetzt, bedingt durch ihre reiche Lebenserfahrung, Wichtiges von Unwichtigem trennen, strahlen eine ruhige, heitere Gelassenheit und Autorität aus, der man sich anvertrauen und unterordnen kann. Beispiele hierfür sind die ,Mama‘ oder der Patriarch aus südlichen Ländern, die weisen Alten der indianischen oder fernöstlichen Kulturen, die in höchsten Ehren gehalten werden und über ein beinahe unerschöpfliches Reservoir an Geschichten, Tips und guten Ratschlägen verfügen. Diese drängen sie aber nicht auf, sondern sie äußern sie nur, wenn sie um Rat gefragt werden. Da der Umgang mit ihnen jedoch gerade deshalb so angenehm ist, werden sie auch häufig zu Rate gezogen und stehen deshalb mitten im Leben, ohne in Gefahr zu geraten, ignoriert oder gar abgeschoben zu werden.

Durch die Konzentration auf das Wesentliche leben die Alten ein erfüllteres, stringenteres Leben, sie brauchen sich nicht zu verzetteln und allem hinterherzulaufen, was Befriedigung zu versprechen scheint. Dadurch wirken sie wie ein Fels in der Brandung, sind zwar noch in, doch gleichzeitig auch irgendwie außerhalb oder über dem ständigen Bewegungsablauf des Lebens, sie brauchen nicht mehr an den kleinen Alltäglichkeiten teilzunehmen, sondern haben eher das große Ganze im Blick, was ihnen auch erlaubt, weiter zu schauen als es den jüngeren möglich ist. Dadurch sind die Alten in der Lage, alle anstehenden Probleme besser und schneller zu lösen, denn nichts menschliches ist ihnen unbekannt oder unvertraut, sie haben alles schon einmal gesehen oder erlebt und wissen darauf auch richtig und angemessen zu reagieren.

Durch ihre wohldosierte Aktivität ist es solchen Alten möglich, die ,Reste‘, die das Leben für sie übrig gelassen hat, zu erledigen. So ist es auch verständlich, daß sie ihren Tod akzeptieren und ihm gelassen entgegensehen, denn es bleibt ihnen nichts mehr übrig, als ein erfülltes Leben abzuschließen. Dabei wird der Tod als letzte ,Lebenserfahrung‘ beinahe schon gespannt und neugierig als etwas erwartet, was man noch nicht erlebt und erfahren hat. Die Alten können so die Angst vor dem Tod überwinden, sind tröstendes und anspornendes Beispiel für die Zurückgebliebenen, die nicht zu trauern brauchen, sondern sich abenteuerliche Geschichten aus dem Leben des Verstorbenen erzählen können. So können sich die idealen Alten sicher sein, im Gedächtnis der Nachwelt weiterzuleben und über ihren Tod hinauszuwirken: sie erlangen eine Form der Unsterblichkeit.“[16]

Die eben dargestellte Wunschvorstellung des Alterns ist durch ein Anwachsen gekennzeichnet, ein Immer-Mehr; der ideale Alte weiß alles, kennt alles, er hat keine Reste mehr übrig, die erledigt werden müßten. Hier wird eine Wachstumsideologie von Entwicklung und Leben insgesamt deutlich: Alt-Werden hat idealerweise mit ständigem Fortschritt, Mächtig-Werden, problemlosem Welt-Können zu tun. Es wird vom Leben erwartet, daß der Prozeß des Erwachsen-Werdens nie aufhört: älter zu werden bedeutet offensichtlich, immer erwachsener zu werden, am Ende ein ,Super-Erwachsener‘ zu sein, verglichen mit dem alle anderen Menschen immer noch kleine Kinder sind.

Im Prinzip könnte so ein Leben immer weitergehen: es würde nie langweilig, es gäbe immer etwas Neues. Dem idealen Alten ist es möglich, die Welt auf einen Nenner zu bringen, er lebt stringenter, er vereinheitlicht und homogenisiert, wo wir uns mit Problemen, ,Vielheiten‘ und Fragwürdigkeiten herumschlagen müssen. Dadurch wird der ideale Alte zu einer guten Gestalt und geht ohne Reste auf: er kann alles erledigen, und wenn es einmal nichts mehr zu erledigen gibt, stirbt er. Hier wird gleichzeitig der letzte Rest – quasi nebenbei – mit erledigt, der noch übrigbleiben könnte: die drohende Stagnation, die dann eintreten würde, falls man nichts mehr zu erleben hätte, wird durch den Tod abgewehrt. Der Tod erscheint hier also nicht als etwas Schreckendes, sondern als etwas Lockendes im Faustischen Sinne, der eine drohende Überlänge des Lebens, die mit einer endlosen Langeweile und Agonie einhergehen würde, verhindert. Und selbst der Tod wird ,gekonnt‘, denn der ideale Alte stirbt nicht, sondern er läßt uns zurück: er ist selbst weise genug, um zu wissen, wann er ,abzutreten‘ hat.[17]

Dieses Alters-Ideal erweist sich als äußerst stabile Konfiguration und ist sicherlich keine ,Erfindung‘ der letzten Jahrzehnte: das Wort alt (stammverwandt mit lat. altus = hoch, erhaben) bedeutete ursprünglich hochgewachsen[18] oder (aus der germanischen Sprachfamilie) erwachsen[19] und verweist damit schon in seinem Ursprung auf die erhoffte ,Gestalthöhe‘ im Alter.

Gleichzeitig löst das Ideal aber auch Ängste und Befürchtungen aus, denn die oft festgestellte Realität sieht – leider – anders aus: alte Menschen verfallen körperlich und geistig, sie werden multimorbid, wie dies von der Medizin umschrieben wird. Obwohl also das Ideal des Alters ziemlich genau beschrieben werden kann, hilft dieses ,Wissen‘ uns nicht weiter: wie wir ganz konkret eine solche Gestalthöhe zuwege bringen, bleibt im Dunkeln bzw. das Ideal (eben weil es ein Ideal ist) läßt uns daran zweifeln, ob wir den darin erhofften ,Sinn des Lebens‘ jemals erreichen können.[20]

1.2 Forschungsinteresse, Intervention und Altersideal

Wie bereits oben erwähnt, beanstandete zunächst vor allem die Gerontopsychologie seit Mitte der 70-er Jahre die ihrer Auffassung nach zu einfachen Alternsmodelle der ,klassischen‘ Gerontologie. Anfangs schien es der Forschung ,nur‘ um eine Widerlegung der Alterstheorien um Intelligenzabbau oder Disengagement zu gehen. Diese Ansätze wurden als zu biologistisch beurteilt, jedoch auch deshalb, weil sie „zunächst einmal nahezu alle Ansätze praktischer Altenarbeit in Frage“[21] stellen.

Die Aktivitätstheorie wurde, da ihre generalisierende Aussage nicht nachzuweisen war, modifiziert und durch das Konstrukt der Lebenszufriedenheit abgelöst.[22] Hierbei zeigte sich, daß vor allem die Möglichkeit der alten Menschen, auf als belastend empfundene Situationen adäquat reagieren zu können, ausschlaggebend für deren Lebenszufriedenheit war: bei erlebten, chronischen Mehrfachbelastungen konnten kaum noch Bewältigungsstrategien eingesetzt werden.[23] Diese bei alten Menschen anzutreffenden Belastungen beziehen sich auf Probleme in der Wohnsituation, auf ökonomische und familiäre Fragen sowie auf gesundheitliche Themen.[24] An solchen Stellen wird erfolgreiches und optimales Altern erschwert, evtl. sogar unmöglich; die Lebenszufriedenheit der alten Menschen ist demzufolge niedrig.

Um diesen ,falschen Entwicklungen‘ des Alterns entgegenzuwirken, wurden entsprechende Strategien entwickelt, die unter dem Stichwort der Interventionsgerontologie bekannt wurden.

Die Intervention umfaßt vor allem 4 Aufgabenbereiche:

- Entwicklungsmöglichkeiten sollen optimiert werden;
- Altersabbau und Krankheiten sollen präventiv behandelt werden;
- bereits eingetretene Störungen sollen korrigiert werden;
- Rehabilitationsmaßnahmen sollen eingeleitet werden.[25]

Parallel dazu wurden Interventionsstrategien entwickelt, die einerseits die Zielrichtung benannten (z. B. Remotivation, Resensibilisierung, Realitätsorientierung, Revitalisierung), andererseits die Verfahren spezifizierten, die dabei zur Anwendung kommen sollten (z. B. Gruppen-, Musik- oder Selbstbildtherapie, Realitätsorientierungs-Training).[26]

Da die Intervention bei den hochbetagten Menschen zum Einsatz kommen soll, die nicht erfolgreich alterten, entwickelte sich analog ein Therapie(zube-hör)markt, der beispielsweise dazu führte, daß laut den Informationen des Verlages zufolge, der die bundesweit größte Altenpflegemesse ausrichtet, die Zahl der an den Messen teilnehmenden Aussteller zwischen 1997 und 2001 von 546 auf 711 gestiegen ist.

Dies ist nicht erstaunlich, denn „von den 80- bis 85-Jährigen ist ein knappes Fünftel pflegebedürftig (davon 51 Prozent in Stufe II und III), von den 85- bis 90-Jährigen gut ein Drittel, im Alter ab 90 Jahren mehr als die Hälfte (55 Prozent), davon 64 Prozent schwer- und schwerstpflegebedürftig.“[27] Von den pflegebedürftigen alten Menschen werden ab dem 80sten Lebensjahr ca. 32%, ab dem 85sten Lebensjahr etwa 36% und ab dem 90sten Lebensjahr ca. 43% in stationären Einrichtungen versorgt.[28] In absoluten Zahlen ausgedrückt bedeutet dies, daß ca. 536000 ältere Menschen in Alten- und Pflegeheimen und nochmals etwa 1,27 Millionen Pflegebedürftige in ihrer eigenen Wohnung betreut werden.[29]

Für die Interventionsgerontologie ergibt sich also ein weites Tätigkeitsfeld, um ,Fälle falschen Alterns‘ korrigieren zu können, fast folgerichtig entwickelte sich die Gerontologie auf diese Weise zu einer Wissenschaft der stimmigen Alternsprozesse und tatsächlich läßt sich kaum ein neueres Werk auf dem Gebiet der Gerontologie finden, das nicht den einen oder anderen Hinweis auf ganz konkrete Umsetzungen in der Altenhilfe aufweist.[30] Man gewinnt den Eindruck, daß auf diesem Gebiet nicht geforscht werden kann, um Alltagserfahrungen ,nur‘ in wissenschaftliche Bezugssysteme zu überführen, sondern daß es sich um ideologische Forschung handelt, gezielt darauf ausgerichtet, Handlungsanweisungen für richtiges Altern zu erhalten und Fehlentwicklungen zu vermeiden. Genau wie die Altenpflege bei ihren ständigen Versuchen, ,Normalität‘ bei alten Menschen wiederherzustellen, implizit dem kulturellen Altersideal folgt[31], könnte vermutet werden, daß eine gesamte Forschungsrichtung relativ unhinterfragt einer Norm folgt, die ihr selbst nicht unbedingt bewußt ist oder – um es wissenschaftstheoretisch auszudrücken – die in ihrem Gegenstand nicht expliziert wird.

Kaiser bemerkt hierzu in Hinsicht auf die Gerontopsychologie: „Das Erkenntnisinteresse an Kontrolle und Beherrschung ist es, das die Gerontopsychologie (was ihren Gegenstandbereich, das Altern als psychologisches Problem, angeht) gleichzeitig faszinierend und fragwürdig macht.”[32] Und er fährt fort: „Psychologisches Altern nach dem Leitbild der Herstellung und quantifizierend und formalisierend zu untersuchen mit dem Ziel, Interventionswissen zu gewinnen, heißt, das gesamte Problem auf Teilaspekte zu verkürzen.”[33]

Die Strategien der Intervention wurden unter dem Begriff Aktivierende Altenpflege in die Praxis eingeführt; das Kranken‑ und vor allem das Altenpflegepersonal sollten in Alternsfragen höher qualifiziert werden, damit es mit präventiven bzw. rehabilitativen Mitteln den Altersprozeß aufhalten kann. Auffällig ist jedoch, daß trotz aller Bemühungen von Seiten der Forschung die Intervention beim ,Endverbraucher‘ so gut wie nicht ankommt, obwohl von Seiten der Wissenschaft der Praxis eine Machbarkeit des Alterns versprochen wird. Diese Verheißung müßte eigentlich von den Praktikern dankbar angenommen werden, denn die Arbeit mit geistig angeregten, realitätsorientierten und beweglichen Senior/innen ist ja ‑ auf lange Sicht ‑ wesentlich einfacher und angenehmer als der Mehraufwand, der am Anfang für Interventionsmaßnahmen bei den alten Menschen betrieben werden müßte.

Untersuchungen über die Einstellung der Pflegekräfte bzgl. der Interventionsmaßnahmen zeigen auch, daß diese ‑ zumindest bei ausgebildetem Fachpersonal ‑ bekannt sind und grundsätzlich positiv beurteilt werden.[34] Dennoch stößt die konkrete Umsetzung der aktivierenden Pflege generell auf Ablehnung: „Die Bewohner seien zu alt und zu abgebaut und im übrigen habe das Personal keine Zeit."[35]

Als Gründe für die Verweigerung des Personals werden von den Gerontologen einerseits dessen mangelhafte Berufsqualifikation angegeben[36] und andererseits, daß es das Personal weniger Zeit koste, selbst die Tätigkeiten (Waschen, Anziehen etc.) zu übernehmen, die eigentlich den alten Menschen abverlangt werden sollten oder daß vom Personal die Hilflosigkeit und Gebrechlichkeit eben akzeptiert wird.[37]

An dieser Misere ist das negative Altersbild des Personals schuld.[38] Um dies zu korrigieren, wird häufig vorgeschlagen, Aufklärungsarbeit über das ,richtige Bild' zu leisten und so das Personal zu aktivierender Pflege zu motivieren,[39] wobei jedoch immer wieder festgestellt wird, daß auch intensive Bemühungen, den Pflegekräften das richtige Bild von alten Menschen zu vermitteln, zwar nicht fehlschlagen, aber dennoch keine Motivation für die Aktivierung von multimorbiden alten Menschen nach sich ziehen.[40] Hingegen konnte nachgewiesen werden, daß die medizinischen Versorgung vom Personal als das Hauptaufgabengebiet der Altenpflege betrachtet wird,[41] eine Entwicklung, die sich durch die neueste Gesetzgebung in Bezug auf die zukünftige Altenpflegeausbildung noch verschärfen wird (vgl. Abschn. 1.3.2.2, S. 26).

Spätestens an dieser Stelle wird deutlich, daß die Auffassung einer eher naturwissenschaftlichen-medizinisch Betrachtung des Alterns und deren Vermittlung die Sicht auf andere mögliche Standpunkte verhindern. Von daher können Weiterbildungsangebote für das Personal über das richtige Bild von alten Menschen kaum funktionieren, wenn die Inhalte dieser Weiterbildungen an der vorgefundenen Praxis vorbeigehen.

Die sich daran anschließende Fragestellung müßte sich damit auseinandersetzen, welche Themen für die Praxis relevant sind. Wie die Erfahrungen gezeigt haben, scheint es wenig sinnvoll zu sein, die Weiterbildungen und den Altenpflegeunterricht ständig um eine Pathologie der Altersvorgänge und die Darlegung aller daran beteiligten Variablen kreisen zu lassen: die sich daraus ergebende Einstellung gegenüber alten Menschen führt eben zu einer Haltung, die eher das Defizit bei alten Menschen in den Mittelpunkt rückt – und es sogar dadurch erst herstellt.[42]

Das grundsätzliche Problem wäre also dasjenige der Angemessenheit sowohl der gerontologischen Forschung als auch ihrer Ergebnisse für ihren Gegenstand: den alten Menschen. Die bisherigen Forschungsinteressen müssen offensichtlich nicht unbedingt mit den Lebensinteressen der alten Menschen korrespondieren; der Versuch, alte Menschen zu optimieren, damit Entwicklungen von Seiten der Forscher als passend und stimmig erlebt werden, kann zu einem Bild von alten Menschen führen, das Abweichungen bereits da vermutet, wo die bevorzugte Entwicklungsrichtung von Seiten der alten Menschen aus betrachtet durchaus einen Sinn macht:

„Eine Frau im Alter zwischen 45 und 50 Jahren kommt in die Angehörigenberatung, weil sie sich, wie sie sagt, Sorgen um ihre Mutter mache. Die ginge nicht mehr aus dem Hause, sitze nur noch herum und habe sich aufgegeben. Sie möchte nun einen Rat haben, wie die alte Dame ,aktiviert‘ werden könne. Als allerdings die alte Dame ... in die Beratung eingeladen wurde und Gelegenheit hatte, ihre Sicht der Dinge darzulegen, entwickelte sich ein bemerkenswert anderes Bild von der Problemlage. Sie sagte:

,Meine Tochter macht sich Sorgen, weil ich nicht genug ausgehe. Sie schleppt mich ständig in der Gegend herum in der Hoffnung, daß ich plötzlich Lust auf ein reges Gesellschaftsleben bekäme. Nun, ich sage Ihnen gleich, daß ich nicht das geringste Interesse daran habe. Ich bin 84 Jahre alt. Ich habe Arthritis in allen Gelenken von den Augenbrauen abwärts. Das Sitzen tut mir weh, herumzugehen ist eine Qual und nur ein Sadist würde mich zwingen, in ein Auto einzusteigen. ... Junger Mann, ich habe meine zwei Ehemänner und, bis auf einen, alle meine Freunde überlebt. Folglich gibt es wenig Orte, die aufzusuchen es mich reizt. Ich kann überhaupt nur am Stock gehen und habe dabei das Gefühl, daß ich den anderen ein Schauspiel biete. Und das tut weh.

Bin ich so alt und schrecklich, daß ich meine letzten Jahre nicht damit verbringen darf, friedlich am Fenster zu sitzen, in meinen Büchern zu lesen, alte Fotographien zu betrachten und fernzusehen? Habe ich nicht das Recht auf Frieden?‘[43]

Eine Gerontologie, die solche Wirkungszusammenhänge untersucht, herausstellt und weitervermittelt, müßte sich tatsächlich gegen die Prinzipien einer naturwissenschaftlich orientierten Wissenschaftlichkeit stellen. Dabei genügt es nicht, darauf hinzuweisen, daß defizitäre Altersbilder nicht angemessen sind, sondern hier muß eine Sichtweise entwickelt werden, die versucht, sich ihrem Gegenstand verstehend anzunähern. Im Verstehen der komplexen Zusammenhänge des Alterns liegen die Chancen, diese Zusammenhänge auch zu sinnhaften und nachvollziehbaren Inhalten für die Aus- und Weiterbildung im gerontologischen Bereich zu machen. Es ist daher nicht ausreichend, sich um die Feinheiten der Didaktik zu bemühen, wenn die zu vermittelnden Inhalte weit entfernt von der vorgefundenen Realität sind. Letzteres ist jedoch weniger ein originäres Problem der Erziehungswissenschaften selbst, sondern eher ein Manko der ,zuliefernden‘ Forschung. Als Grundlage für die Vermittlung wäre daher die Wahl einer Herangehensweise sinnvoll, die sich sowohl an den Phänomenen orientiert als auch Erklärungen liefert, in denen sich die Komplexität des Gegenstandes wiederfindet. Als eine solche ,verstehende Psychologie‘ im Sinne Diltheys begreift sich die morphologische Psychologie, die sich explizit auf umfassende und nicht auf kausale Zusammenhänge beruft (vgl. Kap. 2).

Dilthey wies ebenfalls auf das enge ,Gefüge‘ zwischen Pädagogik und Psychologie hin, wenn er bemerkt: „So kann und wird Psychologie einmal die Grundlage der Pädagogik, Pädagogik einmal angewandte Psychologie sein ... .“[44]

Die hier vorliegende Untersuchung hat sich auch aus diesem Grunde das Ziel gesetzt, die pädagogischen und psychologischen Berührungspunkte innerhalb der Gerontologie herauszustellen und auf diese Weise eine Verbindung zwischen diesen Humanwissenschaften zu erreichen.

Im Folgenden wird zu zeigen sein, daß auch bereits innerhalb der Erziehungswissenschaften selbst eine Diskussion über die Angemessenheit der Forschung zu einer differenzierteren Sichtweise über die Bedürfnisse alter Menschen führte.

1.3 Erziehungswissenschaft und Gerontologie

Spätestens mit der 1962 erschienen Abhandlung „Das hohe Alter“[45] von Bollnow wurde die Forderung, eine systematische Form der Bildung von alten Menschen zu entwickeln, unter dem Terminus Gerontagogik Bestandteil der Erziehungswissenschaften. Bollnow selbst ging dabei weniger von einer Kompensation der biologisch determinierten Abbauprozesse im Alter aus, sondern sah die Aufgabe der Gerontagogik eher darin, den Menschen zu einer „richtigen Auseinandersetzung mit ihrem Alter und zu einer sinnvollen Erfüllung der darin gelegenen Möglichkeiten anzuleiten.“[46] Mieskes schlug 1970 vor, den von Bollnow eingeführte Begriff Gerontagogik durch Geragogik zu ersetzen;[47] beide Begriffe werden heute weitgehend synonym verwendet.

Mieskes unternahm 1971 einen ausführlicheren Versuch, den Gegenstand der Geragogik zu bestimmen. Geragogik ist demzufolge als „Wissenschaft von den pädagogischen Bedingungen, Begleiterscheinungen bzw. Folgen des Alterungsprozesses“[48] zu betrachten, ihre Aufgabe als Forschungsrichtung ist es, „Verhältnisse, Bedingungen und Entwicklungserscheinungen zu untersuchen, die am Vorgang des Alterns pädagogisch relevant sind“ sowie „Wege, Mittel und Methoden geragogischer Betreuung aufzuzeigen“.[49] Erscheinen diese Einlassungen noch als forschungsneutral, so wird doch in der von Mielkes herausgestellten Bedeutung der Geragogik für die Praxis deutlich, daß auch hier eher ein Interventionsgedanke zugrunde liegt: ihr Aufgabengebiet sei hier die „geragogische Prophylaxe, Individual- und Gruppenbetreuung“, um für eine „pädagogisch ,gesunde‘, d.h. optimale Gesamtsituation des alten Menschen Sorge“[50] zu tragen.

1.3.1 ,Erziehung‘ und ,Bildung‘ in der Geragogik

Die Erziehungswissenschaften haben vor anderen Humanwissenschaften einen entscheidenden Vorzug: ihre Zielgruppen waren nie so homogen, daß eine völlig einheitliche Grundkonzeption ausgebildet werden konnte. Aus diesem Grunde konnte sich einerseits eine theoretische und methodische Vielfalt entwickeln, die auf der anderen Seite jedoch auch bedauert wird.[51] Zumindest für diese ,neue‘ Zielgruppe der alten Menschen brachte jedoch die Offenheit des Gegenstandes Erziehungswissenschaft entscheidende Vorteile mit sich.

Schon allein die offensichtliche Notwendigkeit, einen eigenen Begriff für diesen Bereich einführen zu müssen, zeigt, daß nicht lediglich herkömmliche Strategien verwendet werden sollten, sondern daß hier bereits Grundfragen gestellt wurden, die die weitere Diskussion bestimmten. Augenscheinlich ,schickte‘ es sich nicht, den Terminus der Knaben-Führung auf alte Menschen anzuwenden; auch der Gedanke, alte Menschen ,erziehen‘ zu wollen oder zu müssen wird inzwischen fast vollständig abgelehnt, da „Erziehung sowohl wissenschaftlich als auch alltagssprachlich durch ein Kompetenzgefälle charakterisiert wird, das sich im Normalfall ... im Verhältnis vom Erwachsenen zum Kind bzw. Heranwachsenden konstituiert.“[52]

Die Idee der Intervention, die bei anderen gerontologischen Gegenständen immer mehr in den Vordergrund rückte und sich innerhalb der pädagogischen Wissenschaften eng an den Begriff der Erziehung anlehnte, wurde also zunächst fast völlig aus der Geragogik ,vertrieben‘. Diese Entwicklung kann wieder auf die ,Zielgruppendiskussion‘ zurückgeführt werden: die Vorstellung des Alters verträgt sich schlecht mit der Ansicht, daß auch hier noch ,gelenkt und geleitet‘ werden soll; dabei scheint es auch relativ gleichgültig zu sein, welche Definition von Erziehung im Vordergrund steht.

Die Aufgabe, der sich die Geragogik widmen sollte, wird daher häufig mit Alten-Bildung umschrieben. Damit tritt jedoch erneut ein Problem auf, denn so einig man sich in der Geragogik bzgl. der Ablehnung von Erziehungsprozessen ist, so uneins ist man sich über die Bedeutung und die damit verbundene ,Weite‘ des Bildungsbegriffes.

Die Auffassung, Bildung als einen rein kognitiven Prozeß zu betrachten, wird von den Vertretern eines eher ganzheitlich orientierten Vorgehens abgelehnt, da die Komplexität der Alternsprozesse keine „Verengung der Bildung auf intellektuellen Konsum“[53] verträgt. Um den vielschichtigen Anforderungen des Alters gerecht zu werden, sollte Bildung im Alter dagegen auch Beratung, soziale Arbeit und Formen der Therapie umfassen.[54]

Damit wurde jedoch genau das Altersbild erneut realisiert, das durch die ,Verbannung‘ der Erziehung aus der Geragogik eigentlich ausgeschlossen werden sollte: notwendig scheinende Beratungs- und Therapieangebote zeichnen das Alter per se als hilfs- und therapiebedürftig aus und tragen die Tendenz in sich, den alten Menschen zu entmündigen. Diese Gefahr wurde jedoch gesehen und entsprechend problematisiert: „Während der Sich-Bildende Subjekt in der Begegnung mit Welt ist, sind der Zu-Beratende und der Zu-Therapierende erleidende Objekte dieser pädagogischen Intervention.“[55] Die sich daran anschließende Frage, ob sowohl Beratung als auch Therapie tatsächlich einen ähnlichen Passivitätscharakter auf Seiten der Klient/innen nach sich ziehen müssen, wäre sicherlich berechtigt, da Beratungen ohne weiteres auch mit genuin pädagogischen Konzepten durchgeführt werden können und nicht den besonderen Bedingungen eines therapeutischen Settings unterliegen.

Im weiteren Verlauf der Auseinandersetzung um eine adäquate Form der Altenbildung entstanden mehrere Entwürfe, von denen drei Konzeptionen besonders hervorgehoben werden können, da sie in den typischen Angeboten der Geragogik wiederzufinden sind:

„1. Altersbildung als alterspezifische Bildung. Für diese Form der Altenbildung ist es von besonderer Wichtigkeit, die Lernvoraussetzungen älterer Menschen exakt zu erforschen ... .

2. Altenbildung als individuelle, kompensatorische Bildung, wobei alte Menschen als Problem- bzw. Randgruppen definiert werden. Das Ziel dieser Altenbildung besteht hier prinzipiell in dem Abbau von – unterstellten oder vorhandene – Defiziten. Diese Art der Altenbildung will ,verpaßte Chancen in Jugend und jüngerem Erwachsenenalter‘ kompensieren.

3. Altenbildung als Aufklärung der älteren Lernenden über gesellschaftliche Prozesse der Zuschreibung und Stigmatisierung. Bildungsziel ist hier die Aufklärung über das gesellschaftlich konstruierte Problem ,Alter‘. Folglich sind Bildungsziele wie Kritikfähigkeit und Auseinandersetzung mit widerständigen Realitäten, die Entwicklung einer neuen bzw. authentischen Identität festzustellen.“[56]

Auch wenn im letzten Konzept erneut Tendenzen zur Intervention deutlich werden, so wird hier zumindest versucht, an den Bedürfnissen der alten Menschen selbst anzuknüpfen, ohne bereits im Vorfeld den Alten selbst Defizite zu unterstellen: die Rede über „das gesellschaftlich konstruierte Problem ,Alter‘“ gibt zumindest deutliche Hinweise darauf, daß auch die Gesellschaft ,Defizite‘ im Umgang mit dem Alter haben könnte.

In diesem konzeptionellen Zusammenhang besonders erwähnenswert ist die u.a. von Dohmen herausgestellte Programmatik des ,lebenslangen Lernens‘.[57] Das lebenslange Lernen umfaßt selbstverständlich auch die Phase des Alters und hebt dabei besondere Aufgaben gerade für diese Lebensspanne heraus: „Lebenslanges Lernen in einer sich rapide ändernden Gesellschaft bedeutet die Auseinandersetzung mit zentralen gesellschaftlichen Fragestellungen und ist Voraussetzung zur kritischen Mitverantwortung und gesellschaftlicher Partizipation älterer Menschen.“[58]

Durch die Ansicht, daß nicht unbedingt nur altersspezifische Inhalte integraler Bestandteil der Altenbildung sein müssen und sollen, kann eine Verbindung zu denjenigen Lebensthemen hergestellt werden, die von Klafki unter dem Begriff der Schlüsselprobleme subsumiert wurden.[59] Diese Orientierung des Bildungsbegriffs an konkreten Lebenssituationen und -aufgaben verweist nicht nur allein auf eine Erhöhung von Kompetenzen und Qualifikationen, sondern umfaßt ebenso erziehungswissenschaftliche Ideale, die mit den Schlagworten Mündig-keit sowie Emanzipation umrissen werden können und ebenfalls bei der Bildung im Alter Berücksichtigung finden[60].

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß sich innerhalb der Geragogik Vorstellungen und erziehungswissenschaftliche Konzepte herausgebildet haben, die Bildung im Alter unter folgenden Prämissen durchführen:

- keine unreflektierte Übernahme gängiger pädagogischer Konzepte;
- Recht auf lebenslange Bildung;
- Orientierung an den Schlüsselproblemen der Zielgruppe;
- Hilfsangebote, die nicht primär interventionistisch ausgerichtet sind.

1.3.2 Geragogische Praxis: ausgewählte Beispiele

Die eben beschriebene theoretische und begriffliche Vielfalt innerhalb der Geragogik führte in ihrer konkreten Umsetzung zu einer entsprechenden Fülle von Angeboten, die den alten Menschen gemacht werden. Eierdanz bemerkt hierzu, es sei „ein inflationärer Umgang mit dem Etikett Altersbildung zu beobachten: Jeder Seniorennachmittag mit Lichtbildvortrag, jeder Seniorentanznachmittag, jedes Gedächtnistraining wird flugs zu einer Veranstaltung der Altenbildung erklärt.“[61]

Zudem beschäftigt sich eine lange, noch heute andauernde Kontroverse mit der Zuordnung der Geragogik zur Sonderpädagogik bzw. Heilpädagogik, was ebenfalls Konsequenzen in der Praxis nach sich zog. Die Argumente, die für eine solche Einteilung sprechen, lassen sich recht kurz zusammenfassen: es wird der Geragogik entgegengehalten, vor allem die Behinderten unter den alten Menschen nicht erreichen zu können. Dabei wird im Extremfall davon ausgegangen, daß bereits das Vorliegen des Phänomens ,Alter‘ genügt, um als behindert zu gelten.[62] Dieser Standpunkt wurde zwar aus leicht nachzuvollziehenden Gründen scharf kritisiert,[63] aber in ,abgemilderter‘ Form immer wieder aufgegriffen: so macht z.B. Skiba der Geragogik den Vorwurf, durch den weitgehenden Ausschluß des Personenkreises von behinderten alten Menschen stehe „ihre Integrationsfähig- und –willigkeit ... zur Debatte.“[64] Die Heilpädagogik, selbst als eigenständiges Berufsbild aus der Betreuung von behinderten Menschen heraus entstanden, war in der Lage, sich sehr schnell den ,theoretischen‘ Überbau der Geragogik anzueignen und auf ihre eigene praktische Erfahrung zu übertragen. Die hierbei zu beobachtende ,Praxis-trifft-passende-Theorie-Mentalität‘ führte teilweise zu einer überstürzten Übernahme pädagogischer Konzepte, deren Diskussion innerhalb der Erziehungswissenschaft selbst noch nicht abgeschlossen war. So lassen sich auch in der aktuellen, heilpädagogisch geprägten geragogischen Literatur deutliche Hinweise dafür finden, daß der Begriff der Geragogik synonym für die (notwendig erscheinende) Erziehung der alten Menschen gebraucht wird.[65]

Dementsprechend kann festgestellt werden, daß in Teilbereichen der Geragogik trotz – oder gerade wegen – der noch offenen Diskussionen die Praxis die Theorie ,überholt‘ hat. Die grundsätzlich gesehene Notwendigkeit der Altenbildung führte zu einer fast unübersehbaren Schwemme von teilweise methodisch unterlegten, teilweise auch ,nur gutgemeinten‘ Bildungsangeboten für ältere Menschen. Beginnend beispielsweise mit speziellen Seniorenangeboten der Volkshochschulen über Seniorenbüros und der Einrichtung von Erzählcafés griffen auch die Kommunen und Landkreise diese ,neuen‘ Ideen auf und machten sie zum integralen Bestandteil der Altenpolitik.[66]

Viele dieser Angebote scheitern jedoch bereits an der mangelnden Teilnehmerzahl. Es ist leicht einsehbar, daß Bildungsangebote, die „am grünen Tisch formuliert oder von einem Anbieter-Sendungsbewußtsein geprägt“[67] wurden, nicht auf regen Zulauf hoffen dürfen, wenn im Vorfeld nicht hinterfragt wird, ob die entsprechenden Themen bei der Zielgruppe überhaupt Interesse hervorrufen.[68]

Etliche Vorschläge für die Bildungsarbeit mit alten Menschen ziehen sich jedoch durch die ganze moderne gerontologisch-geragogische Literatur und haben teilweise schon den Status eigenständiger Verfahren innerhalb der Altenarbeit erlangt. Hierzu gehören vor allem die intensive Auseinandersetzung mit Themen, die besondere Relevanz für diese Zielgruppe zu besitzen scheinen, im Mittelpunkt des geragogischen Handelns soll also die „Lebensbedeutsamkeit von Angeboten“[69] stehen.

Zur Veranschaulichung seien hier einige dieser Themen aufgeführt:

Körpererfahrung, Biographie/Geschichte, Gesundheit/Ernährung/Versorgung, Zeit/Leben, Glaube/Sozialerfahrung, Geographie/Natur.[70]

Diese Begriffe sollen weiter aufgeschlüsselt werden, z.B. werden für den Bereich Glaube/Sozialerfahrung folgende Unterteilungen vorgeschlagen: Armut/ Reichtum, Gebet, Kirche, Religionen, soziales Leben, Sprache, Sternzeichen[71]. Selbstverständlich wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, daß die Themenkataloge beliebig erweitert werden können,[72] es wird jedoch nicht ersichtlich, warum ausgerechnet diese Inhalte lebensbedeutsam speziell für alte Menschen sein sollen, sondern es findet sich lediglich ein Hinweis, daß sich die Inhalte in „Pflegeheimen bewährt haben“[73]. Hier kann vermutet werden, daß ein empirischer Pragmatismus vorliegt, der relativ theorieungeleitet die persönliche Erfahrung zu einem Impetus geragogischen Handelns erhebt, wobei jedoch die tatsächliche Wirksamkeit dieses Vorgehens nicht allein aus diesem Grunde in Frage gestellt werden soll.

1.3.2.1 Biographiearbeit mit alten Menschen

Ein Teilbereich der obigen Aufzählung allerdings stellt einen der Eckpfeiler der geragogische Arbeit dar und wurde auch aufgrund seiner langen ,Tradition‘ wissenschaftlich genauer hinterfragt: die biographische Arbeit mit alten Menschen gehört inzwischen zum ,Standardrepertoire‘ der Geragogik.

Die Biographiearbeit beruft sich auf einen relativ kurzen Aufsatz von Butler, der 1963 veröffentlicht wurde[74] und in dem die ,Lebensrückschau‘ (life review) als ,natürlich auftretender‘ (naturally occuring) Bestandteil des höheren Lebensalters beschrieben wird.[75] Dieses Phänomen kann sich, je nach individueller Ausgangssituation, als ein produktiver, das Leben bereichernder Prozeß gestalten, es kann jedoch auch zu psychischen Krankheiten führen, falls die Beschäftigung mit den eher negativen Aspekten der Vergangenheit im Vordergrund steht.[76] Als Grund für die intensive Beschäftigung mit der Vergangenheit nimmt Butler die Konfrontation der alten Menschen mit ihrem nahenden Lebensende an.[77]

Eine 1993 durchgeführte empirische Überprüfung ergab, daß sich die Thesen von Butler nur zu einem Teil nachweisen ließen: die Lebensrückschau scheint zwar bei einigen der untersuchten alten Menschen eine Rolle zu spielen (ca. 41 % der befragten 80 – 100jährigen Menschen bejahten eine entsprechende Frage); dieses Ergebnis rechtfertigt sicherlich nicht, von ,einem natürlich‘ (im Sinne von ,unabwendbaren‘) auftretenden Prozeß zu sprechen.[78]

Die Biographiearbeit wird heute überwiegend zusammengesehen mit der Bewältigung von Krisen und Spannungen, die im Laufe eines Lebens entstanden sind. In der Erinnerungsarbeit sollen diese problembeladenen Situationen aufgegriffen, bearbeitet und geklärt werden. Dieses Verfahren erinnert auf den ersten Blick an tiefenpsychologische Theorien und psychotherapeutische Verfahren,[79] ist jedoch nicht explizit auf das Erkennen von unbewußten Konflikten ausgerichtet, sondern soll eher entlastend wirken. Auf diese Funktion der Entlastung von alten Menschen durch die Schaffung einer narrativen Kultur in der Altenarbeit weist vor allem Petzold schon seit Jahrzehnten hin.[80] Gleichzeitig stelle die „Entwicklung einer narrativen Kultur ... ein ,naturwüchsiges Antidot‘ gegen Persönlichkeitsabbau und Identitätsverlust im Alter“[81] dar.

Diese Auffassung wird in der einschlägigen geragogischen Fachliteratur ebenfalls vertreten und mit entsprechenden didaktischen Aufbereitungen für die Umsetzung in die Praxis versehen; so empfiehlt Skiba z. B., das Hauptthema Biographie/Geschichte mit den Bereichen Arbeit und Beruf, Eltern, Geburt(en), Heirat, Krieg, Namen sowie Schule zu unterlegen.[82]

Die Biographiearbeit mit älteren Menschen soll konkret u.a. folgende positive Auswirkungen mit sich bringen:

- Interessenfindung: frühere Talente, Hobbys und Interessen können erinnert und wiederbelebt werden;
- Verbindungen zwischen der Geschichte und dem individuellen Lebensweg können nachgezeichnet werden: der Mensch erlebt sich als eingebunden in geschichtliche und soziale Zusammenhänge;
- Wechsel der persönlichen Perspektive: vor allem in der Gruppenarbeit erfahren ältere Menschen Sichtweisen von den anderen Teilnehmer/innen, die dazu führen können, die eigene, ,festgefahrene‘ Meinung zu bestimmten Themen zu überprüfen und evtl. zu revidieren;[83]
- Sinngebung und Aussöhnung: hier wird die oben beschriebene Aussage von Butler in das Konzept mit einbezogen; die Teilnehmer/innen sollen die Möglichkeit erhalten, der eigenen Lebenserinnerung einen ,Sinn‘ zu geben und sich mit den positiven, aber auch den negativen Seiten ihrer Biographie auseinanderzusetzen um aus der Retrospektive heraus eine eher aufbauende Bilanzierung des Lebens zu erreichen;[84]
- Unterstützung bei gegenwärtig vorliegenden Problemen sowie bei Trauerarbeit: auch bei aktuellen Trauerfällen und bei Problemen – etwa bei einsetzender Pflegebedürftigkeit – stellt die Biographiearbeit ein Hilfsmittel dar, indem z. B. frühere Möglichkeiten der Problembewältigung erinnert werden und auf diese Weise Ressourcen freigesetzt werden, die momentan scheinbar nicht zur Verfügung stehen.[85]

Die detaillierte Darstellung einer mit einer Gruppe von zehn alten Menschen (mit einer Altersspanne von 69 bis 90 Jahren) durchgeführten Biographiearbeit, die sich über sechs Sitzungen à 1,5 Stunden erstreckte, findet sich bei Weingandt.[86] Weingandt orientierte sich bei der Auswahl der Themen an den Vorschlägen von Skiba (Namen, Geburtsort/Schule, Schulzeit, Berufwahl, Beruf und Arbeitsstelle, Freizeitgestaltung).[87] Der Ablauf der Sitzungen wurden protokolliert und anschließend auf folgende Bereiche hin untersucht:

,System‘ (Fragen nach dem Konzept und nach dem Interesse der Teilnehmer/innen an dem Erinnerungsaustausch),

,Prozeß‘ (Fragen nach Gruppendynamik, Unterschiede zwischen Planung und Ablauf der Sitzungen) sowie

,Ergebnis‘ (Resonanz bei den Teilnehmer/innen, Unterschiede und Gemeinsamkeiten bei den Ergebnissen im Hinblick auf Literatur zur Biographiearbeit).[88]

Neben den Protokollen wurden zur Auswertung auch halbstandardisierte Interviews herangezogen, die mit den Gruppenmitgliedern durchgeführt wurden und nach den sechs Sitzungen stattfanden.[89] Weingandt kommt bei ihrer abschließenden Beurteilung der Biographiearbeit zu folgendem Resultaten:

Systemevaluation: insgesamt wurden besonders gern Themen aufgegriffen, die mit entsprechendem Materialien (Bilder, Gegenstände) unterlegt wurden; teilweise wurde von den Teilnehmer/innen die Befürchtung geäußert, daß ein zu intensiver Erinnerungsaustausch auch bedeuten könne, daß man zu sehr in der Vergangenheit lebe;

Prozeßevaluation: hier konnte häufiger beobachtet werden, daß die Teilnehmer/innen gern in ihren Erinnerungen aus der Kindheit und früheren Jugend ,hängenblieben‘, was teilweise dazu führte, daß die vorbereiteten Themen nicht in der ganzen Breite bearbeitet werden konnten; einige Themen waren durch eine Zurückhaltung der Teilnehmer/innen bzw. durch eine ,Zähigkeit‘ bei der Bearbeitung gekennzeichnet (z. B. Namen, Schule, Berufe);

Ergebnisevaluation: die Äußerungen der Teilnehmer/innen zu den Sitzungen waren insgesamt positiv; neben gruppendynamischen Prozessen (Verständnis und Akzeptanz, Kontaktmöglichkeiten etc.) konnte der in der Literatur genannte ,erlebte Zusammenhang zwischen der Geschichte und dem eigenen Lebensweg‘ als erwiesen angenommen werden (z. B. Berufswahl unter Kriegseinfluß); erwähnt wurde zudem, daß die Gruppenmitglieder an den Treffen ,Spaß‘ hatten und ihnen einen hohen ,Unterhaltungswert‘ zuschrieben.[90]

Dieses Resultat ist, verglichen mit den in der Literatur herausgehobenen ,Versprechungen‘, was Biographiearbeit leisten könne, etwas ,dünn‘. Abgesehen von der Frage, auf welche Weise komplexe Konstrukte wie z. B. Sinngebung operationalisiert und damit empirisch überprüfbar gestaltet werden können, scheint die konkrete Umsetzung der Biographiearbeit zunächst nicht ,offensichtlich‘ zu den Ergebnissen zu führen, die von ihr geplant werden.

Dies könnte mit den ,überzogenen‘ Erwartungshaltungen zusammenhängen, die an die Biographiearbeit mit älteren Menschen geknüpft werden: die Frage wäre, ob tatsächlich immer ein Wechsel der persönlichen Perspektive oder Sinngebungen und Aussöhnungen stattfinden müssen, wenn in der Praxis ausführlichere Gespräche mit alten Menschen über deren Lebensweg stattfinden.

1.3.2.2 Geragogik und Pflegeausbildung

Nach der Definition von Mieskes ist es ebenfalls Aufgabe der Geragogik, Ausbildungsinhalte und Weiterbildungen für diejenigen Berufe anzubieten, die sich mit alten Menschen auseinandersetzen; dazu gehören insbesondere Geragogen, aber auch beispielsweise Sozialpädagogen.[91] Als eigenständiger Studiengang wird seit ca. 1993 ,Soziale Arbeit mit älteren Menschen / Geragogik‘ an der Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel angeboten; als Abschluß dieser Studienrichtung ist SozialarbeiterIn/-pädagogIn mit entsprechendem Schwerpunkt vorgesehen.[92] Die Ziele der Studiums werden folgendermaßen formuliert:

„Studenten/innen der Geragogik sollen am Ende ihrer Ausbildung in der Lage sein,

- die Lebenslagen älterer Menschen im Kontext gesellschaftlicher Strukturen, biographischer Erfahrungen und sozialer Netzwerke zu verstehen,
- deren Ressourcen kooperativ und lebensweltlich tragfähig zu sichern,
- selbständig das für sein/ihr jeweiliges Handlungsfeld benötigte theoretische und praktische Wissen zu erarbeiten,
- problemorientiert zu denken sowie planvoll innovative Strategien zur Lösung sozialer Probleme zu entwickeln und zu erproben.“[93]

Als integraler Bestandteil der Vertiefungs- bzw. Aufbaustudiengänge ,Gerontologie‘, wie sie z. B. an den Universitäten Vechta, Dortmund oder Heidelberg angeboten werden, finden sich ebenfalls geragogische Inhalte: so beinhaltet der Ergänzungsstudiengang Gerontologie der Universität Vechta die Bereiche Bildung im Alter sowie biographisch orientierte Altenbildung wieder.[94]

Auch in der Ausbildung der Altenpflegekräfte selbst wurde zunehmend Wert auf die Vermittlung geragogischer Grundbegriffe und Inhalte gelegt. Vergleicht man ältere und neuere Lehrwerke für die Altenpflege, so sind deutliche Unterschiede sowohl in der Gewichtung des Lehrstoffes als auch der Terminologie auszumachen.

So wird noch im Jahre 1990 unter der Kapitelüberschrift „Bildung wagen“ in einem Standardwerk folgender ,Merksatz‘ herausgehoben: „Altenbildung wird verstanden als ein ganzheitliches Lernen, das selbstbestimmt ist, das sich im Austausch mit anderen vollzieht und irgendwie in das eigene oder gesellschaftliche Leben eingreift, es unterstützt oder verändert“.[95] Abgesehen davon, daß der Begriff ,Ganzheitlichkeit‘ in keiner Veröffentlichung zur Altenpflege fehlen durfte,[96] zeigt vor allem die Verwendung des Adverbs irgendwie, daß zu dieser Zeit in der Pflegeausbildung noch keine genaue Vorstellung und wenig Hintergrundwissen über den ,Sinn‘ der Geragogik vorhanden war.

Die folgenden Jahre hingegen brachten einen regelrechten Boom an Aufsätzen, Büchern und Pflegehilfsmitteln hervor, die unter dem Gebiet der Geragogik subsumiert werden können. Eine Untersuchung des Kuratoriums Deutsche Altershilfe ergab beispielsweise, daß von über 1600 ausgewerteten Beiträgen aus Pflegefachzeitschriften nahezu 20% den Gegenstand ,existentielle Erfahrungen des Lebens’ zum Inhalt haben.[97] Dieses Thema ist Bestandteil eines der insgesamt dreizehn Bereiche der sog. AEDL (Aktivitäten und existentielle Erfahrungen des Lebens). Die AEDL sind Teil eines Pflegekonzeptes, das sich eng an den Bereichen des alltäglichen Lebens orientiert und überprüft, ob alte bzw. kranke Menschen auf den Gebieten der Mobilität, Motorik, Körperhygiene, Ernährung oder sozialer Kommunikation Hilfebedarf aufweisen.[98] Speziell der Punkt existentielle Erfahrungen des Lebens wird eng zusammengesehen mit geragogischen Konzepten: Biographiearbeit, Bearbeitung und Auflösung von Lebenskrisen, Auseinandersetzung mit Sterben und Tod sind damit zentrale Bestandteile der Pflege selbst geworden.[99] Daß diese Entwicklung dringend notwendig war, zeigt z. B. ein älteres Psychologielehrbuch für die Altenpflege, das auf 260 Seiten die Begriffe Sterben und Tod für nicht erwähnenswert hält.[100]

Die Altenpflege verstand sich lange Zeit als sozialpflegerischer Beruf und setzte sich damit von der Krankenpflege deutlich ab. Damit standen früher Bereiche in der Altenpflege im Vordergrund, die weniger die körperliche Pflege, sondern eher den betreuenden Aspekt im Umgang mit den alten Menschen betonten. Bedingt durch diesen Umstand wurden innerhalb der Altenpflege Konzepte entwickelt, die zwar einerseits der Intervention (Stichwort ,falsches Altern‘) dienen sollten, auf der anderen Seite jedoch auch geragogisch-gerontologische Vorstellungen transportierten.[101]

In jüngster Zeit wird diese Auffassung von Altenpflege kritisch hinterfragt. Der ,Dritte Bericht zur Lage der älteren Generation in der Bundesrepublik Deutschland: Alter und Gesellschaft‘ beschäftigt sich eingehender mit der Notwendigkeit, bundeseinheitlich geregelte Ausbildungsinhalte für die Altenpflege einzuführen, da diese momentan noch in der Hoheit der Länder liegt. Die Sachverständigenkommission konstatiert hierzu: „Eine Gesetzgebungskompetenz des Bundes im Sinne der Ziffer 19 des Art. 74 GG setzt voraus, dass Altenpflege als Heilberuf definiert ist. Davon ist, so die Befürworter einer bundesgesetzlichen Regelung, infolge demographischer und epidemiologischer Daten sowie struktureller Bedingungen auszugehen: Altenpflegerinnen betreuen bereits gegenwärtig fast ausnahmslos kranke alte Menschen und werden in Zukunft zunehmend mit Multimorbidität und Schwerstpflegebedürftigkeit – als typischen mit Hochaltrigkeit korrelierenden Komponenten – konfrontiert sein.“[102]

Das Altenpflegegesetz wurde bereits 1999 verabschiedet, dann jedoch ausgesetzt, da Bayern eine einstweilige Verfügung gegen das Gesetz beim Bundesverfassungsgericht erwirkte.[103]

Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes fiel im Oktober 2002 zugunsten der bundeseinheitlichen Ausbildung; das Altenpflegegesetz wird im August 2003 in Kraft treten. In welche Richtung die Altenpflegeausbildung dann tendieren wird, kann an § 3 des Gesetzes abgelesen werden. Dieser Paragraph regelt die Kenntnisse und Fertigkeiten, die in der Altenpflege verlangt werden: es wird hierbei festgelegt, daß in Zukunft „die sach- und fachkundige, den allgemein anerkannten pflegewissenschaftlichen, insbesondere den medizinisch-pflegerischen Erkenntnissen entsprechende, umfassende und geplante Pflege“[104] im Vordergrund steht.

Erst die Abschnitte 8 und 9 (von insgesamt 10 aufgeführten ,Schlüsselquali-fikationen‘) berühren sozialpflegerische Gesichtspunkte, nämlich „die Be-treuung und Beratung alter Menschen in ihren persönlichen und sozialen Angelegenheiten“ sowie „die Hilfe zur Erhaltung und Aktivierung der eigenständigen Lebensführung einschließlich der Förderung sozialer Kontakte“.[105]

Damit ändert sich das Selbstverständnis der Altenpflege radikal. Dies zeigt sich ebenfalls an den Inhalten der neuesten Literatur für die Altenpflegeausbildung. Die medizinische Grundversorgung und die Behandlungspflege stehen im Vordergrund, Sterben und Tod werden zu ,pflegerischen Maßnahmen‘, die eher als eine Karikatur denn als eine Auseinandersetzung mit diesen schwierigen Themen anmuten:

„Pflegerische Maßnahmen

Ziel: der sterbende Mensch äußert verbal/nonverbal Wünsche und Vorstellungen

- Zuhören, nonverbale Reaktionen beobachten, um den Sterbenden richtig zu verstehen
- Mit dem Sterbenden hoffen. Ihn unterstützen, seine positiven und negativen Gefühle und Aggressionen auszudrücken
- Ihn unterstützen, wo erwünscht, sich mit Gott, mit den Menschen und sich selbst zu versöhnen
- Mit ihm den Sinn seines Lebens sehen und seine Vorstellung über ein Leben nach dem Tod mit einbeziehen ...
- Die eigene Hilflosigkeit annehmen
- Selbst innerlich vom Sterbenden loslassen.“[106]

Selbstverständlich wird nicht erwähnt, wie es dem Pflegepersonal gelingen kann, zu diesem ,abgeklärten‘ Umgang mit sterbenden alten Menschen kommen zu können. Die neue und folgerichtig auf medizinische Verrichtungen bezogene Sichtweise der Altenpflege läßt wenig Raum für geragogische Betrachtungen, die sich eher um Individualität, Identität oder Ausgestaltungsmöglich-keiten des Lebensraumes im Alter drehen.

Alter wird hier faktisch mit einem medizinischen Defizitbegriff zusammengebracht und konsequent umgesetzt: der Versuch, Alter behandeln zu wollen, obwohl dessen Tendenz zur Unbehandelbarkeit feststeht,[107] führt eher zu einer Altenpflege, die auf einfache, naturwissenschaftlich orientierte ,Wenn-Dann-Bezüge‘ denn auf komplexere Zusammenhänge setzt.

1.4 Implikationen für die Fragestellung

Die Themen Altern, Verfall, Auflösung und Tod sind in jeder Kultur problematisch und rufen jeweils ganz spezifische Umgehensweisen damit hervor. Da unsere Gesellschaft vor allem durch den Glauben an technologische Machbarkeiten geprägt ist, wird dementsprechend versucht, Alterungsprozesse ebenfalls zu beeinflussen bzw. sogar aufzuhalten: es entwickelt sich im Laufe der Zeit ein Zwang zur Behandlung auch in Bereichen, die nicht mehr behandelbar sind. Das kulturelle Maßsystem, das dieses Altersideal hervorbringt, läßt die ,realen Alten‘ als grundsätzlich defizitär erscheinen, als unganz;[108] dies scheint auch durch die vorherrschende Gerontologie und die sich daraus ableitende Interventionsindustrie bestätigt zu werden, auch wenn Teilbereiche der gerontologischen Forschung noch um Altersbilder ,ringen‘, die den alten Menschen im Mittelpunkt sehen.

Die Geragogik als eine Humanwissenschaft, die am Subjekt und dessen Intentionen ansetzt, sieht sich hier mit der Aufgabe konfrontiert, trotz der zunehmenden naturwissenschaftlichen Fokussierung des Alterns Konzepte zu entwickeln, die nicht mehr besonders populär zu sein scheinen. Die Anwendung geragogischer Verfahren durch die Heilerziehungspflege, die sich – wie bereits erwähnt – vor allem mit behinderten und kranken alten Mensche beschäftigt, kann hier als Beispiel herangezogen werden, wie trotz einer medizinisch-naturwissen-schaftlichen Sichtweise Möglichkeiten entwickelt werden können, die nicht sofort in Behandlungspflege ,ausarten‘.

In der hier vorliegenden Arbeit soll daher untersucht werden, inwieweit geragogische Perspektiven, beispielsweise also die Biographiearbeit, bei alten Menschen Erfolg haben könnten. Dabei stehen jedoch nicht die konkreten Konzeptionen im Vordergrund, sondern die Hypothesen und Annahmen über die alten Menschen, in denen dieses Vorgehen als sinnvoll erachtet wird.[109]

Die Klärung, ob Biographiearbeit z. B. tatsächlich identitätsbewahrend sein kann, könnte mit verschiedenen Verfahren herbeigeführt werden. Für diese Untersuchung wurde der Weg gewählt, in einem weitgehend offenen Austausch die hochbetagten Menschen zu befragen, wie sie ihr Alter erleben. Dieses Vorgehen knüpft an den Entwurf einer interpretativen Gerontopsychologie an, wie sie von Kaiser beschrieben wurde.[110] Das bedeutet gleichzeitig, die ,Erzäh-lungen‘ der befragten Menschen als Antworten auf seelische Entwicklungsnotwendigkeiten des Alterns selbst zu begreifen, die nicht in Kategorien wie ,besser – schlechter‘ oder ,gelungen – nicht gelungen‘ eingeteilt werden können; hier sollen also keine neuen Interventionsmaßnahmen entwickelt werden.

Selbstverständlich resultieren die Lösungen, die von alten Menschen für die Entwicklungsaufgaben gefunden werden, aus dem Zwang heraus, sich mit verändernden Zuständen und seelischen ,Verfassungen‘ auseinandersetzen zu müssen. Damit kann auch gleichzeitig ein ,Scheitern‘ an dieser Aufgabe verbunden sein, dies zu beurteilen ist jedoch nicht das Ziel der Untersuchung; eher liegt der Sinn darin, dieses Scheitern zu erklären: „Vernünftig oder wissenschaftlich über Sachen urteilen, das heißt ..., sich nach den Sachen selbst zu richten, bzw. von den Reden und Meinungen auf die Sachen selbst zurückzugehen, sie in ihrer Selbstgegebenheit befragen und alle sachfremden Vorurteile beiseitetun.“[111]

Damit kann sich die Psychologie als Hilfswissenschaft der Geragogik erweisen und durch ihre Ergebnisse dazu beitragen, die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen der geragogischen Arbeit sowie ihrer zugrundeliegenden Thesen genauer abzustecken. Dies kann dazu führen, nicht nur in der Praxis, sondern auch in der Ausbildung ein nicht ausschließlich defizitär erscheinendes Alterbild zu vermitteln.

2. Theorie und Methode der Untersuchung

„Die vornehmste Aufgabe des Psychologen, zu deren Lösung ihn seine Aufgabe immer mehr befähigt und ermutigt, besteht in der unbeirrbaren Bemühung um den Aufweis der Komplexität seelischer Vorgänge. Insofern ist er in erster Linie ein Anwalt der Vielfalt menschlicher Innerlichkeit im Kampf gegen ihre Standardisierung zugunsten eines glatten Verlaufs der äußeren Dinge.“[112]

Dieser Anspruch wird durch die nomologische Psychologie nicht mehr eingelöst. Obwohl man sich einig ist, daß Altern ein komplexer Prozeß sei, werden relativ kleine ,Einheiten‘ aus diesem Prozeß herausgelöst und für sich untersucht. Auf diese Weise erhält man sicherlich genaue Einzelergebnisse, die jedoch gerade durch ihre Isoliertheit nur noch sehr bedingt die Komplexität des Alterns beschreiben können.

Dieses Dilemma führt dazu, daß – wie bereits erwähnt – ein immer breiteres ,Wissen‘ um Alternsvorgänge angehäuft wird, das sich aber zu keinem Gesamtbild vereinigen läßt. Erschwerend kommt die Forderung hinzu, daß sich gerontologische Forschung im interdisziplinären Bereich abzuspielen habe.[113] Das beinhaltet zugleich die Überzeugung, daß der eigene wissenschaftliche Gegenstand nicht ,genügend komplex‘ ist, um zu ,komplexen‘ Aussagen über das Altern zu kommen. Selbstverständlich ist das Alter ein Lebensabschnitt, der von verschiedenen Wissenschaften und Richtungen erforscht werden muß; das Problem liegt in der Inkompatibilität der Zugänge, Methoden und Auffassungen von den verschiedenen Gegenständen.[114] Natürlich besitzt beispielsweise die Medizin mit der Geriatrie ein eigenes altersspezifisches Fach (das die Psychosomatik allerdings weitgehend ausschließt), jedoch ebenso selbstverständlich ist es Aufgabe der Psychologie, über die Auswirkungen der altersbedingten Krankheiten im Erleben der alten Menschen – und nicht in den physiologischen Gegebenheiten – Auskunft zu geben.

2.1 Lebenswelten und Lebenswirklichkeiten

Das Konzept der Lebenswelten, wie es von Husserl entworfen wurde, ist während der letzten Jahrzehnte vor allem von den Sozialwissenschaften in die jeweilige wissenschaftliche Gegenstandsbildung integriert worden. Damit sollte ein phänomenologisches Gegengewicht gebildet werden, das dem ,Wirklichkeitsschwund‘[115] innerhalb der Sozialwissenschaften Rechnung tragen sollte. Dennoch existieren innerhalb des Husserl´schen Konzeptes etliche ,Reste‘, die zu langdauernden Grundsatzdebatten führten. Ein Problem war Husserls Unterscheidung der Lebenswelt in ,konkrete Lebenswelt‘, ,relative Sonderwelt‘ sowie Lebenswelt als ,Weltkern‘, als „Welt der schlichten intersubjektiven Erfahrung“[116]. Die Kritik an Husserl entzündete sich vor allem an der Dichotomie des Begriffs ,Weltkern‘: einerseits soll er eine konkrete, individuell geschichtliche Universalität umschreiben, andererseits wird er von Husserl als die Universalität schlechthin gedeutet, die vor aller Erfahrung liegt.[117] Der Widerspruch stellt sich nach Wadenfels wie folgt dar: „ ... sofern die Lebenswelt konkretgeschichtlich ist, ist sie kein universales Fundament, und insofern sie ein solches ist, ist sie nicht konkret-geschichtlich“.[118]

Für diese Untersuchung wurde daher der Begriff der Lebenswirklichkeit gewählt. Er soll verdeutlichen, daß sich in der Auseinandersetzung des Seelischen (durch das Erleben) mit der Realität eine seelische Wirklichkeit aufspannt, die weder durch das Seelische noch durch die Realität allein erklärt werden kann. Es ist eine ,Zwischenwelt‘, die sich in dem Konzept der Wirkungseinheiten der morphologischen Psychologie Salbers wiederfindet.[119] Diese Zwischenwelten tragen der morphologischen Theorie Rechnung, daß sich – bedingt durch die Struktur des Seelischen – im Umgang mit der Wirklichkeit psychologische Konstruktionen aufweisen lassen, die weder durch einen Subjektivismus noch einen Objektivismus erfaßt werden können. Durch den Binarismus der Wirkungseinheit kann die Re-Konstruktion des seelischen Geschehens im Zusammenhang mit der von ihr aufgefaßten und anverwandelten Realität vollzogen werden, wobei gleichzeitig auch die Wirklichkeit Seelisches zu Umbildungen und Anverwandlungen ,auffordert‘.

Auch wenn dieser Begriff während der letzten Jahre – durch die Sozial- und gerade auch die Pflegewissenschaften – teilweise überstrapaziert wurde und nur selten umgesetzt werden konnte: durch diese Annahme der Ganzheitlichkeit des seelischen Geschehens wird die Annährung an den Gegenstand der Untersuchung einerseits einfacher, andererseits aber auch komplexer. Einfacher deshalb, weil kein operationalisiertes, auf bestimmten Faktoren beruhendes Untersuchungssetting benötigt wird, komplexer deshalb, weil eine ganzheitliche Betrachtungsweise Auswertungen und Interpretationen nach sich ziehen muß, die anders als mathematisch-statistische Verfahren ,funktionieren‘.

2.2 Lebenswirklichkeit als Wirkungseinheit: die morphologische Sichtweise

Als Gegenstand der Psychologie wird im allgemeinen das menschliche Verhalten und Erleben gesehen. Damit ist die Grenze der Übereinkunft innerhalb der Psychologie auch schon erreicht.[120] Aus den unterschiedlichen wissenschaftlichen Sichtweisen heraus entwickelten sich dementsprechend unterschiedliche Auffassungen und Theorien über die Psyche, die in ihrer jeweiligen Abgrenzung wenig Gemeinsames aufzuweisen haben. Jüttemann beschreibt die daraus resultierenden psychologischen Systeme als geschlossene Behälter, „die unverbunden nebeneinander stehen und deren Inhalte (additiv) zunehmen können, ohne daß sich dadurch an der Qualität der Inhalte oder an der Form der einzelnen Behälter etwas ändert.“[121]

Die Auseinandersetzungen innerhalb der Psychologie sind eng verbunden mit der grundlegenden Frage, ob sich Psychologie geistes- oder naturwissenschaftlich zu orientieren habe. Alle sich daran anschließenden Debatten (Tiefenpsychologie vs. Behaviorismus, qualitative vs. quantitative Methode, projektive vs. objektive Testverfahren, Psychoanalyse vs. Verhaltenstherapie etc.) lassen sich aus dieser ersten Frage ableiten.

Psychologie als wissenschaftlicher Gegenstand ist offensichtlich nicht a priori gegeben, sondern der Gegenstand entwickelt sich, indem psychologische Tatbestände erfaßt und klassifiziert werden. Dies ist jedoch keine methodisch neutrale Operation: „In praxi ist immer schon der Ort, an dem man Seelisches aufsucht, und die Art, in der man dabei vorgeht, von einer Meinung darüber bestimmt, wo das Seelische in seiner „wahren” Gestalt am besten aufzufinden sei ... .”[122] Die Erörterungen um wissenschaftliche oder unwissenschaftliche psychologische Theorien ist demzufolge irreführend: jede psychologische ,Richtung‘ systematisiert und klassifiziert entsprechend ihrer Sichtweisen und der sich daraus ableitenden Methode und deren Verfahren.

Die eigentlich entscheidende Frage, die sich daran anschließt, müßte lauten, wie umfassend und weit seelisches Geschehen von den einzelnen Richtungen erfaßt werden kann, wo also die Systeme – aus ihrer Gegenstandsbildung heraus – Grenzen setzen (müssen). Eine dieser Grenzen wurde bereits angedeutet: sie zeigt sich dort, wo die psychischen Gegebenheiten als zu komplex und unüberschaubar erscheinen, um mit den üblichen nomologischen Verfahren erfaßt werden zu können.

Die morphologische Psychologie begreift sich im Gegensatz dazu als eine Psychologie, die in ihrer Auffassungsweise des Seelischen ausdrücklich in der Tradition Diltheys steht: „Die Natur erklären wir, das Seelenleben verstehen wir.”[123] Das Postulat einer verstehenden Psychologie birgt einige Besonderheiten, die sich von den ,üblichen‘ Vorannahmen und dem Setting einer naturwis-senschaftlich orientierten psychologischen Untersuchung unterscheiden.

2.2.1 Gestaltbildung und –umbildung: Auffassungsweisen und Analyse

Die Grundannahme der psychologischen Morphologie besteht darin, daß sich seelische Phänomene in Gestalten organisieren. Dabei geht die morphologische Gestalttheorie über die rein figuralen Gestalten der ,klassischen‘ Gestaltpsychologie hinaus[124], indem sie die Gestaltgesetzmäßigkeiten zwar als ordnende Gesichtpunkte begreift, durch die Seelisches seine Form gewinnt, jedoch gleichzeitig betont, daß sich Seelisches in Gestaltung und Umgestaltung ,ereignet‘.[125]

Das bedeutet, daß im Seelischen keine ,Endgestalt‘ im Sinne der Sanderschen Aktualgenese existiert[126], sondern daß im Kern jeder Gestaltbildung bereits ihre Umbildung mitgedacht werden muß.[127] Im anschaulichen Kontext verweist dies auf die alltägliche Erfahrung, daß Seelisches nicht plötzlich stehenbleiben kann oder daß im Erleben keine ,Sprünge‘, sondern Übergänge zwischen den Gestalten bestehen; auch die ,Kühle und Ferne‘ der Endgestalt in der Aktualgenese[128] ist bereits ein Hinweis auf deren Umgestaltung und Weiterentwicklung.

Gestalten werden in der Morphologie nicht nur als erste phänomennahe Ordnungsprinzipien verstanden, sondern sind auch Erklärungsletztheiten. Die Versalität, die seelisches Geschehen durch Bildung und Umbildung erfährt, ist nicht ,grenzenlos‘. Die oben angesprochenen Gesetzmäßigkeiten strukturieren die Gestaltbildung und sind damit selbst als Grundgestalten (oder Gestaltfaktoren) Erklärungen für seelische Zusammenhänge.

Das bedeutet für die konkrete Analyse des Seelischen, daß die in den Phänomenen anzutreffenden ganzheitlichen Zusammenhänge bewahrt und aufgegriffen werden können. Durch die Grundgestalten wird die Konstruktion des jeweiligen seelischen Geschehens sichtbar, wobei die Konstruktion als eine bewegliche Ordnung betrachtet wird: ein jeweils spezifisches Zueinander der Faktoren gibt der zu untersuchenden Wirkungseinheit ihre typische ,Färbung‘ (s.u.).

Das Prinzip, daß Gestalten Erstes und Letztes sind, fordert eine spezifische Analysetechnik, die eine bewegliche Ordnung adäquat erfassen und abbilden kann. Das Verfahren, das die morphologische Psychologie anwendet, ist das des Austauschs. Der Beweis führt hier nicht über die einlinige Beziehung, die sich in der klassischen Hypothesen-Falsifikation-Regel der Popperschen Wissenschaftstheorie wiederfindet. Austausch meint einen Prozeß, der kreisförmig vom Phänomen auf Erklärungen zugeht und von den Erklärungen wieder auf die anschaulichen Gegebenheiten zurückkommt. Auf diese Weise werden die Sinnzusammenhänge, die in den Phänomenen vorhanden sind, in den Erklärungen sichtbar und ,legen‘ das Phänomen aus[129].

Damit ist auch gleichzeitig die Beliebigkeit der Interpretation ausgeschlossen, denn die Erklärungen müssen sich zwanglos in den Phänomenen nachweisen lassen.

Die Vorgehensweise in dieser Untersuchung orientiert sich an den eben beschriebenen Grundannahmen. Von daher muß eine Methode gewählt werden, die eine dem Gegenstand entsprechende Beweglichkeit besitzt. Diese wird von der qualitativen Methode und ihren spezifischen Verfahren – hier der Tiefeninterviews und der Beschreibung – am ehesten garantiert.

Der Begriff des Tiefeninterviews ist in der Psychologie nicht eindeutig definiert. Es existiert eine Reihe synonymer Begriffe wie „qualitatives, intensives, detailliertes, gesprächsweises, formloses, nicht strukturiertes, klinisches, zentriertes Interview“.[130] Von daher ist es sinnvoll, festzuhalten, was in dieser Untersuchung unter Tiefeninterview verstanden wird.

Wichtigstes Kennzeichen ist zunächst die Offenheit, mit der sich diese Form des Interviews von standardisierten Befragungen abgrenzt. Gerade in Forschungsbereichen, in denen ein Gegenstand weiter entwickelt werden muß bzw. die eigenen Vorannahmen über den Bereich der Hypothesenbildung noch nicht hinausgekommen sind, muß die Beweglichkeit der Tiefeninterviews gewährleistet sein. Diese Beweglichkeit beweist sich nicht erst in der Auswertung, sondern schon in der Durchführung der Interviews selbst. Sie bezieht sich auf die Offenheit des eigenen Interviewleitfadens (es wäre ein Artefakt und würde dem Sinn des Verfahrens geradezu widersprechen, wenn nur ,gewollte‘ Äußerungen protokolliert würden) wie auch auf das Verfolgen-können von überraschenden Wendungen oder auf das Bemerken von neuen Zusammenhängen, die in die eigene Hypothesenbildung mit eingebaut werden können.

Aber daneben ist auch das Gegenteil möglich: gerade schwierige, sehr persönliche Themen – und hierzu gehören sicherlich Gespräche über Altern und Tod – führen dazu, daß Auslassungen und Brüche in den Interviews auftreten. Dies muß nicht dazu führen, daß Hypothesen verworfen werden, sondern hier ist genaueres Nachfragen notwendig. Dies ist selbstverständlich nicht immer einfach, denn der Sinn dieser Abwehr liegt gerade darin, daß bestimmte Zusammenhänge verborgen bleiben sollen, da sonst Gestalten in Brechungen geraten könnten. Die Grundübereinkunft zwischen den Beteiligten, nämlich ein Interview durchzuführen, darf dabei nicht durch zu provokante Fragen gefährdet werden.

Die oftmals dynamische Situation des Tiefeninterviews ergibt sich auch daraus, daß der Interviewpartner die Möglichkeit bekommt, in dem intensiven Gespräch seine Lebenszusammenhänge Revue passieren zu lassen und damit auch ein Stück weit durchzuarbeiten; hierdurch können sich Klärungen oder Einsichten über sich selbst einstellen.[131] Dies gehört zwar nicht zu den erklärten Zielen des Verfahrens, führt jedoch dazu, daß teilweise darauf gedrungen wird, weitere ,Gespräche‘ durchführen zu wollen; eine Analogie zu therapeutischen bzw. ,therapieähnlichen‘ Situationen ist durchaus feststellbar.

[...]


[1] vgl. z. B. Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen [MAGS] (Hrg.) (1991): Politik für ältere Menschen, 2. Landesaltenplan für Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf, S. 122

[2] Wolters: ,,Das Alter ist keine Krankheit”, Neue Westfälische Zeitung, 12. Sept. 1994

[3] Bundesministerium für Familie und Senioren (Hrg.) (1993): Erster Altenbericht der Bundesregierung, Bonn S. 5

[4] Goeschel, A.: Die Bedeutung der Älteren für die Regionalverteilung und Regionalwirkung des Sozialtransfers, in: Deutsches Zentrum für Altersfragen e.V. [DZA] (Hrg.) (1989): Die ergraute Gesellschaft, Berlin S. 289; diese Angabe bezieht sich auf das Jahr 1985

[5] vgl. Dieck, M: Die Alterspopulation: unverzichtbar als Konsumentengruppe, aber eine untragbare Last für das Sozialleistungssystem? in DZA 19892 S. 324

[6] vgl. de Beauvoir, S. (1972): Das Alter, Reinbek, S. 17ff.

[7] vgl. Lehr, U. (1991): Psychologie des Alterns, Heidelberg/Wiesbaden, S. 33 f

[8] vgl. ebd. S. 241f

[9] vgl. ebd. S. 243

[10] vgl. Lehr 1971, S. 220

[11] vgl. Lehr, U. (1979): Gero-Intervention - das Insgesamt der Bemühungen, bei psycho-physischem Wohlbefinden ein hohes Lebensalter zu erreichen, in: Lehr, U. (Hrsg.): Interventionsgerontologie, Darmstadt, S. 7

[12] Kaiser, H.-J. (1989): Handlungs- und Lebensorientierungen alter Menschen, Bern, S.35

[13] Gronemeyer, R (1992): Elemente sozialer Infantilisierung alter Menschen, in: Deutsches Zentrum für Altersfragen (Hrsg.): Die ergraute Gesellschaft, Berlin, S. 439 - 437

[14] vgl. Lehr 1979, S. 7f.

[15] vgl. Horak, R. (1988) Psychologische Untersuchung über das Bild der alten Menschen im Blick ihrer Pfleger, unveröffentl. Diplomarbeit Köln, sowie Horak, R. (1989): Jenseits der Altenpflege? in Zwischenschritte 2/1989, Köln, S. 5 - 22

[16] Horak, R (1998): Entwicklungsnotwendigkeiten des Alters, in: Dammer, I., Franzkowiak, P.: Lebensentwurf und Verwandlung, Bonn, S. 145 f.

[17] vgl. Horak 1988, S. 32

[18] vgl. Haas, R (1991): Das Alter in Sprache, Mythen und Dichtung, in: Geriatrie Praxis 12/, S. 26

[19] vgl. Kluge, F. (1999): Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin, New York,

[20] vgl. Horak 1988, S. 37

[21] Lehr 1971, S. 220

[22] vgl. Thomae, H. (1983): Alternsstile und Alternsschicksale – Ein Beitrag zur Differentiellen Gerontologie, Bern, S. 59ff.

[23] vgl. Lehr 1971, S. 247f

[24] vgl. Thomae 1983, S. 86ff.

[25] vgl. Lehr 1979, S. 8

[26] vgl. Lehr 1979, S.21 ff. sowie z. B. Köther, I., Gnamm, E. (1990): Altenpflege in Ausbildung und Praxis, Stuttgart, S. 172ff.

[27] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hrsg.) (2001): Dritter Bericht zur Lage der älteren Generation, Berlin, S. 83

[28] vgl. ebd. S. 85

[29] vgl. Care konkret 15/2, April 1999

[30] exemplarisch: Petzold/Petzold (1992): Lebenswelten alter Menschen, Hannover, S. IX, Pinquart, M. (1998): Das Selbstkonzept im Seniorenalter, Weinheim, S 1f., vgl. hierzu auch Kaiser 1989, S. 14

[31] vgl. Horak 1988, S. 47ff

[32] Kaiser 1989, S. 3

[33] ebd.

[34] vgl. Schützendorf, E. (1984): Keine Zeit für aktivierende Hilfe?, in: AH 3/1984, Hannover, S. 63f.

[35] ebd. S. 63

[36] vgl. ebd. S. 64

[37] vgl. Lehr 1985, S. 270

[38] vgl. ebd.

[39] vgl. ebd. S. 248 oder Schützendorf 1984, S. 66

[40] vgl. Schützendorf 1984, S. 63

[41] vgl. Horak 1988, S. 54

[42] vgl. Horak 1988,. S. 48

[43] Weakland, J. H., Herr, J. J. (1984): Beratung älterer Menschen und ihrer Familien, Bern, S. 285

[44] Dilthey, W. (1888): Über die Möglichkeiten einer allgemeingültigen pädagogischen Wissenschaft, in: Nicolin, F. (Hg.) (1969): Pädagogik als Wissenschaft, Darmstadt, S. 40

[45] Bollnow, O. F.: Das hohe Alter. In: Neue Sammlung, 2 (1962), S. 385-396

[46] ebd., S. 386

[47] vgl. Mieskes, H. (1970): Geragogik – Pädagogik des Alters und des alten Menschen, in: Pädagogische Rundschau 24, S. 89 – 101; dieser Vorschlag sollte aus sprachökonomischen Gründen im deutschen Sprachraum für Einheitlichkeit innerhalb der bereits vorliegenden Termini Pädagogik und Andragogik sorgen; der Begriff Geragogik selbst wurde bereits 1965 von Petzold in die Literatur eingeführt, vgl.: Petzold, H. G. (1965). Géragogie - nouvelle approche de l'éducation pour la viellesse et dans la viellesse. Publications de L'Institut St. Denis 1, 1-16

[48] Mieskes, H. (1971): Geragogik – ihr Begriff und ihre Aufgaben innerhalb der Gerontologie, in: Aktuelle Gerontologie 1, S. 279

[49] Mielkes 1971, S. 283

[50] ebd.

[51] vgl. exemplarisch: Tenroth, H.-E. (1988): Geschichte der Erziehung, Weinheim, S. 12

[52] Hinze, U. (2002): Reflexive Gerontagogik, Norderstedt, S. 19 f, vgl auch Dilthey 1969, S. 52

[53] Veelken, L. (1989): Seniorenstudium – ein Beispiel für Kompetenz im Alter, in: Rott, C., Oswald, F. (Hrsg.): Kompetenz im Alter, Beiträge zur III. gerontologischen Woche in Heidelberg vom 2. bis 6. Mai 1988, Vaduz, S. 78

[54] vgl. als einen der Hauptvertreter dieser Richtung Petzold, H. (1985): Mit alten Menschen arbeiten – Bildungsarbeit, Psychotherapie, Soziotherapie, München

[55] Schneider, K. (1993): Alter und Bildung: eine gerontologische Studie auf allgemeindidaktischer Grundlage, Bad Heilbrunn, S. 45

[56] Dewe, B. (1996): Zum Stand geragogischer Konzeption und Forschung – Was heißt Teilnehmerorientierung, in: Stadelhofer, C. (Hrsg.): Kompetenz und Produktivität im dritten Lebensalter, Bielefeld, S. 236f

[57] vgl. Dohmen, G. (1996): Das lebenslange Lernen – Leitlinien einer modernen Bildungspolitik, Bonn

[58] Stadelhofer, C. (1997): Von der Rezeption zur Aktion – Neue Aufgaben und neue Wege im Seniorenstudium, Universität Ulm, zit. nach: Hinze 2002, S. 36

[59] vgl. z.B.: Klafki, W. (1990): Abschied von der Aufklärung? Grundzüge eines bildungstheoretischen Gegenentwurfs, in: Krüger, H.-H. (Hg.): Abschied von der Aufklärung – Perspektiven der Erziehungswissenschaft, Opladen, S. 91-104.

[60] vgl. Unkelbach-Romussi, G. (1997): Grundlinien einer Didaktik und Methodik der Altersvorbereitung, Frankfurt/Main, S. 13

[61] Eierdanz, J. (1992): Bildung für das Alter oder gegen das Altern? in: Glaser, H., Röbke, T. (Hrsg.): Dem Alter einen Sinn geben – Wie Senioren kulturell aktiv sein können, Heidelberg, S. 168

[62] vgl. Hinze 2002, S. 39

[63] vgl. z.B. Klingenberger, H. (1992): Ganzheitliche Geragogik: Ansatz und Thematik einer Disziplin zwischen Sozialpädagogik und Erwachsenenbildung, Bad Heilbrunn, S. 85

[64] Skiba, A. (1996): Fördern im Alter – Integrative Geragogik auf heilpädagogischer Grundlage, Bad Heilbrunn, S. 9

[65] vgl. z.B. Schaller, A. (2000): Methodenlehre für die Altenpflege, Hagen, S. 85

[66] vgl. z.B. MAGS (1991), s. auch Abschn. 3.1

[67] Decker, F. (1995): Bildungsmanagement für die neue Praxis, Lichtenau, S. 203f

[68] aus eigener Anschauung und eher als anekdotenhaftes Geschehen denn als ,Beweis‘: die Volkshochschule in Solingen bemühte sich 1986 ebenfalls, Seniorenkurse einzurichten. Man ging dabei sogar soweit, daß die Kurse in den Altenheimen abgehalten werden sollten, um den alten Menschen die Teilnahme zu erleichtern. Die den Senioren angebotenen Themen lauteten: ,Stammt der Mensch vom Affen ab?‘ oder ,Die Zugvögel als Frühlingsboten‘. Die Resonanz war gleich Null.

[69] Skiba 1996 S. 114

[70] vgl. ebd. S. 6f

[71] vgl. ebd.

[72] vgl. ebd. S. 77

[73] ebd.

[74] Butler, R.N. (1963): The Life Review: An Interpretation of Reminiscence in the Aged, in: Psychiatrie, Vol. 26, S. 65 - 76

[75] vgl. ebd. S. 66

[76] vgl. ebd. S. 68f

[77] vgl. ebd. S. 67

[78] vgl. Merriam, S. B. (1993): Butler´s Life Review: How Universal is it? in: International Journal of Aging and Human Development, Vol. 37 (3), S. 170

[79] vgl. z.B. Freud (1914): Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten, in: GW Bd. X, S. 126 - 136

[80] vgl. Petzold, H. G (1981): Grundfragen der menschlichen Kommunikation im Lebensverlauf, in: Gestalt-Bulletin 1/2, S. 54 - 69

[81] Petzold, H. (1992): Soziale Gruppe, „social wolds“ und „narrative Kultur“ alter Menschen und gerontotherapeutische Arbeit, in: Petzold/Petzold, S. 206

[82] vgl. Skiba 1996 S. 6, vgl. z.B. auch: Wingchen, J. (2001): Geragogik – Von der Interventionsgerontologie zur Seniorenbildung, Hagen, S. 266ff. oder Schaller 2000 S. 91ff.

[83] vgl. Blimlinger, E. et al. (1996): Lebensgeschichten – Biographiearbeit mit alten Menschen, Hannover, S. 49ff.

[84] vgl. Osborn, C. et al. (1997): Erinnern – Eine Anleitung zur Biographiearbeit mit alten Menschen, Freiburg/Breisgau, S. 10f.

[85] vgl. Bliminger 1996 S. 106f.

[86] vgl. Weingandt, B. (2001): Biografische Methoden in der Geragogik – qualitative und inhaltsanalytische Zugänge, Köln (Kuratorium Deutsche Altershilfe)

[87] vgl. ebd. S. 42ff.

[88] vgl. ebd. S. 32f.

[89] vgl. Weingandt 2001, S. 35f.

[90] vgl. ebd. S. 77ff.

[91] vgl. Mieskes 1971 S. 283

[92] vgl. Studienberatung Fachhochschule Braunschweig-Wolfenbüttel,

Internet: http://www.fh-wolfenbuettel.de/fb/s/geragogik/konzept.htm, Seitenaufruf am 17.11.2002

[93] vgl. ebd.

[94] vgl. Ergänzungsstudiengang Gerontologie, Universität Vechta,

Internet: http://www.uni-vechta.de/institute/gerontologie/, Seitenaufruf am 17.11.2002

[95] Köther/Gnamm 1990, S. 134, Hervorh. durch Verf.

[96] vgl. Horak, R. (1993): Das Elend mit der Ganzheitlichkeit – Einige Bemerkungen zu einer ,Worthülse‘ in der Pflege, unveröffentl. Manuskript: Vortrag auf dem Altenpflege-Kongreß in Hannover

[97] vgl. Benner-Wenig, S. et al. (1993): Vom Pflegeproblem zur Pflegeliteratur, in: KDA (Hrsg.): Forum Sozialstation, Sonderausgabe 1, Köln, S. 20 - 24

[98] vgl. Kuratorium Deutsche Altershilfe (1996) (Hrsg.): Rund ums Alter. Alles Wissenswerte von A bis Z. München, S. 228; die AEDL wurden zuerst von Roper in die Pflegewissenschaft eingeführt, später von Krohwinkel erweitert, vgl. Krohwinkel, M. (1993): Der pflegerische Beitrag zur Gesundheit in Forschung und Praxis, Baden-Baden

[99] vgl. z.B. Grond, E. (1993): Gegen das stumpfsinnige Schweigen, in: Altenpflege 1/93, S. 31

[100] Susen, G. (1985): Lehrbuch der Altenpflege – Psychologie, Hannover

[101] vgl. vor allem Wingchen 2001

[102] Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend 2001, S. 98

[103] u.a. mit der Begründung, daß die Zugangsvoraussetzungen für die Altenpflege zu hoch seien (Realschulabschluß)

[104] Bundesgesetzblatt 2000, Teil 1, Nr. 50, S. 1514

[105] ebd.

[106] Völkel, I., Ehmann, M. (2000): Spezielle Pflegeplanung in der Altenpflege, München, S. 243f. Es mutet fast zynisch an, wenn in einem Beispiel zur individuellen Pflegeplanung bei einer sterbenden alten Frau als Pflegeziel angegeben wird: „Sie entwickelt keine Komplikationen“, vgl. ebd. S. 245

[107] vgl. Horak 1988, S. 47f.

[108] vgl. Horak 1998, S. 156

[109] Man könnte es auch anders ausdrücken: das Wort irgendwie sollte aus der Erklärung verschwinden, wenn es um die Darstellung und die Wirksamkeit von geragogischen Maßnahmen geht, vgl. oben, S. 27

[110] vgl. Kaiser 1989

[111] Husserl, E. (1980): Ideen zu einer reinen Phänomenologie und phänomenologischen Philosophie, Tübingen, S. 35

[112] Thomae, H. (1977): Psychologie in der modernen Gesellschaft, Hamburg, S. 14

[113] vgl. z.B. Lehr 1990, S. 14

[114] „Eine für alle in der Gerontologie zusammengeschlossenen Fächer gemeinsame und verbindliche Fragestellung kann es nicht geben, weil es kein einheitliches, fachübergreifendes Denkmodell über den gesamten Gegenstandsbereich gibt.” Kaiser 1989, S. 5

[115] vgl. Kiwitz, P.: Das Lebensweltkonzept und seine Bedeutung für die Sozialwissenschaften, in: Petzold/Petzold 1992, S. 17

[116] Husserl, E. (1954): Die Krisis der europäischen Wissenschaften und die transzendentale Phänomenologie, den Haag, S. 136

[117] vgl. Wadenfels, B. (1985): In den Netzen der Lebenswelt, Frankfurt/M, S. 20, sowie Süsske, R. (1983): Skizzen zum Rekurs auf die „Lebenswelt“ in der Phänomenologie Edmund Husserls, Manuskript Villigst, S. 11

[118] Wadenfels 1985 S. 20

[119] vgl. Salber, W. (1981): Wirkungseinheiten, Köln

[120] Streng behavioristisch ausgelegte Definitionen schließen bereits das ,Erleben‘ aus, vgl. z.B. Laucken/Schick (1978): Einführung in das Studium der Psychologie, Stuttgart, S. 21

[121] Jüttemann, G.: Systemimmanenz als Ursache der Dauerkrise „wissenschaftlicher“ Psychologie, in: Jüttemann, G. et al (1991): Die Seele, Weinheim, S. 341

[122] Salber, W. (1974): Der psychische Gegenstand, Bonn, S. 5

[123] Dilthey, W. (1924): Ideen über eine beschreibende und zergliedernde Psychologie, in: Gesammelte Schriften, Bd.V, Leipzig, S. 144

[124] vgl. z.B. Metzger, W. (1999): Gestaltwahrnehmung, in Metzger, W.: Gestaltpsychologie FfM, S. 322 - 345

[125] vgl. Salber, W. (1965): Morphologie des seelischen Geschehens, Ratingen, S. 36

[126] vgl. Sander: F.: Experimentelle Ergebnisse der Gestaltpsychologie, in: Sander/Volkelt (1962): Ganzheitspsychologie, München, S. 73 - 112

[127] dies impliziert gleichzeitig auch die Überdetermination seelischen Geschehens

[128] vgl. Sander 1962 S. 111

[129] die Nähe des Verfahrens zum ,hermeneutischen Zirkel‘ bzw. der ,hermeneutischen Spirale‘ ist unverkennbar

[130] Ahren, Y. (1976): Gemeinschaftsleben als Konstruktionsprobleme, Phil. Diss., Köln, S. 21

[131] vgl. Dellen, R. (1977): Studieren als Lebensform, Köln, S. 115

Ende der Leseprobe aus 158 Seiten

Details

Titel
Lebenswirklichkeiten hochbetagter Menschen - Ein morphologischer Beitrag für Bereiche der Geragogik und der Pflegeausbildung
Hochschule
Carl von Ossietzky Universität Oldenburg  (Erziehungswissenschaften 1)
Note
magna cum laude
Autor
Jahr
2002
Seiten
158
Katalognummer
V14083
ISBN (eBook)
9783638195782
Dateigröße
1193 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lebenswirklichkeiten, Menschen, Beitrag, Bereiche, Geragogik, Pflegeausbildung
Arbeit zitieren
Rolf Horak (Autor:in), 2002, Lebenswirklichkeiten hochbetagter Menschen - Ein morphologischer Beitrag für Bereiche der Geragogik und der Pflegeausbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/14083

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