Der Eheprozess Lothars II.


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

22 Seiten, Note: 2,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Die Geschehnisse chronologisch geordnet

3 Die wichtigsten Protagonisten
3.1 Lothar II. und seine Familie
3.2 Die Päpste Nikolaus I. und Hadrian II.
3.3 Theutberga und Waldrada

4 Zu den vorgebrachten Argumenten
4.1 Inzest und Ehebruch
4.2 Unfruchtbarkeit
4.3 Votum
4.4 bereits bestehende Ehe mit Waldrada

5 Zusammenfassung

6 Quellen-und Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Anno dominicae incarnationis DCCCLVI. Lotharius rex Thietbirgam reginam sibi in matrimonium iunxit; ex qua coniunctione maxima ruina non illi solum, sed etiam omni regno eius accidit, sicut in subsequntibus luce clarius apparebit.”[1]

Im Jahr der göttlichen Menschwerdung 856 nahm König Lothar die Königin Thietbirga zur Ehe, aus dieser Verbindung entsprang nicht nur für ihn, sondern auch für sein ganzes Reich großes Unheil, wie sich im folgenden sonnenklar zeigen wird.

Diese Quelle stammt aus der Weltenchronik Reginos von Prüm und gibt, nicht ganz korrekt was die Jahreszahlen betrifft, wieder, was sich in den folgenden Jahren dieser Ehe ereignen sollte. Allerdings geschah die Hochzeit wohl eher 855, siehe Kapitel 2.

„[...]Lotharius rex, cogentibus suis, uxorem quam abiecerat recipit, nec tamen ad torum admittit, sed custodiae tradit.“[2]

König Lothar nahm auf Drängen der Seinigen die Gemahlin, welche er verstoßen hatte, wieder auf; er behandelte sie aber nicht wie seine Gemahlin, sondern ließ sie in Gewahrsam halten.

So bezeichnete der Verfasser der Annales Bertiani, der westfränkischen Annalen, die Geschehnisse des Jahres 858 im Königreich Lothars II. Was die Quelle wiedergibt, aber in der Übersetzung schleierhaft verhüllt bleibt, ist die Bedeutung des Wortes „torum“. Dass es sich dabei um das eheliche Lager handelt kommt nicht heraus, wohl aber gibt die Übersetzung das wieder, was prinzipiell damit gemeint ist, nämlich dass Lothar II. Probleme in bzw. mit seiner Ehe hatte.

„[…] Et Lotharius rex Ripuariorum legitimam uxorem suam, sororem Hugberti clerici, iniusta occasione reliquit. Quam postea eodem anno predictus germanus illius accepit in sua. Rex vero concubina, cuius amore uxorem reliquit, publice usus est.“[3]

Und Lothar, der König der Ripuarier, verließ seine rechtmäßige Gemahlin, die Schwester des Klerikers Hugbert, ohne gerechte Anlass. Diese nahm nachher in demselben Jahr ihr eben genannter Bruder bei sich auf. Der König aber hielt es öffentlich mit dem Kebsweib, der zu Liebe er die Gemahlin verließ.

Die vorangegangen Quellenzitate zeigen einen Überblick über die Darstellungsweise einiger Ereignisse des „lothringischen Ehestreites“ oder des Eheprozesses Lothars II. Zudem enthalten sie bereits einige wichtige Informationen über die Ereignisse , die hoffentlich neugierig genug gemacht haben, um die vorliegende Arbeit vollständig zu lesen und dadurch einen Einblick in die Situation des Frankenreichs Mitte des 9. Jahrhunderts, aber auch einen Einblick in familiäre Strukturen der Karolinger, sowie des weltlichen und kirchlichen Eherechtes der genannten Zeit zu gewinnen und außerdem von der Emanzipation eines Papstes zu lesen, deren Entwicklung schließlich im Investiturstreit des 11. Jahrhunderts gipfeln sollte.

Die Arbeit hat das Ziel zu zeigen, was während des Ehestreites geschah, wer die einzelnen Protagonisten waren und warum Lothar II. letztendlich gescheitert ist mit dem Versuch ,zu Gunsten einer anderen Frau und deren Sohn von ihm, eine gültige Muntehe trennen bzw. für ungültig erklären zu lassen.

2 Die Geschehnisse chronologisch geordnet

Der folgende Abschnitt soll darüber Auskunft geben, was sich in den mehr als 12 Jahre andauernden Streitigkeiten ereignete ohne die Motive der einzelnen Protagonisten ,sowie die vorgebrachten Scheidungsgründe genauer zu betrachten. Dies erfolgt in den Kapiteln 3 bzw. 4.

Zunächst aber erst einmal einige grundsätzliche Vorüberlegungen und Bemerkungen.

Durch die Dreiteilung des Reiches 855 tat Lothar I. seinen Sprösslingen nur bedingt Gutes. Lothar II., welcher das Mittelreich erhielt wurde durch diese Teilung und dadurch, dass er auf Unterstützung und Fürsprecher in dem von ihm initiierten Eheprozess angewiesen war, zum Spielball seiner Onkeln ,Ludwig des Deutschen, Karls des Kahlen und seinen Brüdern Karl von der Provence und Ludwig II., der die Herrschaft über Italien und die Kaiserwürde erhalten hatte. Vor allem waren es die beiden Oheime und sein Bruder Ludwig, die ihm zusetzten und mit denen er wechselnde Allianzen schloss.

Ludwig der Deutsche, erhielt durch den Vertrag von Verdun 843 , wie sein Cognomen verrät, den östlicheren Teil des Reichs Karls des Großen, in dem er über germanische Stämme herrschte[4],während Karl der Kahle in Aquitanien regierte.

Als Lothar I. am 29. September 855[5] verstarb teilte er sein Reich folgendermaßen auf: Er befand dass Ludwig II. mit Italien und der Kaiserwürde schon genug ausgestattet sei, überließ seinem jüngsten Sohn Karl ein „Regnum in den Rhonelanden mit dem Schwerpunkt in der Provence“[6]. Lothar II. dagegen erhielt die nördlichen Gebiete von den Westalpen bis zur Nordsee. Zu diesem Zeitpunkt soll er da schon zwei Jahre Umgang mit Konkubinen gehabt haben[7], was nach Regino von Prüm usus gewesen ist.[8]

Schieffer vertritt hier die These dass Lothar II. bereits vor der Heirat mit Theutberga mit Waldrada in einer Friedelehe zusammenlebte, denn er schreibt über Ereignisse im Oktober 855, nachdem Lothar zum König akklamiert worden war: „Offenbar der Festigung seiner Position nach Süden hin diente der folgenschwere Entschluss des jungen Königs, anstelle seiner bestehenden Friedelehe mit Waldrada( wohl aus moselländischem Adel) eine rechtsförmliche Muntehe mit Theutberga, der Schwester des Abtes Hukbert von Saint-Maurice d´ Agaune aus dem Haus der Bosoniden[9] und wichtigsten Machthabers zwischen Jura und Alpen, einzugehen.“[10] Die Ehe war zwar erst 854 geschlossen[11] worden ,doch war er sie schon offenbar 857 leid, da er seine Gemahlin Theutberga verstieß.[12] Letha Böhringer hingegen nennt als Hochzeitszeitraum die Zeit zwischen dem 26.Oktober und dem 9. November 855.[13] Schieffer erwähnt hier in diesem Zusammenhang auch wenigstens vier Kinder, die der König mit Waldrada hatte , darunter einen Sohn namens Hugo. Konecny hingegen spricht nur davon dass Lothar „ wegen der Eheschließung mit Theutberga […] vielleicht eine andere Verbindung gelöst, zumindest wurde dies im Laufe der „Ehestreites“ behauptet“.[14] Sie sieht auch die Verstoßung Theutbergas in einem Kontext mit dem Unwillen, Hukberts Verhalten weiterhin zu tolerieren. Dieser hatte möglicherweise Druck auf Lothar II. ausgeübt, da Hukbert ein engerer Berater Lothars war und sein Prinzipat sich zwischen Ludwigs II. und Lothars befand[15]. Möglicherweise wurde als Begründung damals schon das angeführt, was auf der zweiten Synode zu Aachen 860 angeführt wurde, nämlich ein inzestuöses Verhältnis Theutbergas mit ihrem Bruder Hukbert.[16] Durch einige Gebietsabtretungen Lothars an seine Brüder war dieser nach 858, sonst hätte er nicht gegen ihn im eigenen Lande kämpfen können, in das Reich Karls des Kahlen übergegangen[17], und dort durch eine Schenkung Karls sozial aufgestiegen, da er zum Bischof von Tours gemacht wurde.[18] Die Verstoßung sei erfolgt wegen dem Umgang mit Konkubinen.[19]

858 jedenfalls nahm Lothar Theutberga wieder auf, sei es auf „Drängen der Seinigen“[20], oder dadurch dass ein Streiter für Theutberga das Gottesurteil des Kesselfangs bestanden hatte, wie Hinkmar von Reims behauptete[21] und wofür Schieffer sich auch ausspricht. In diesem Jahr war es auch, dass Lothar gegen Hukbert zu Felde zog.[22] Man hatte Theutberga vorgeworden mit Hukbert Inzest begangen zu haben und das daraus resultierende Kind mittels eines Trankes abgetrieben zu haben.[23] Die nächsten zwei Jahre passierte in der Scheidungsangelegenheit wohl nichts was von Bedeutung gewesen ist, da nichts überliefert ist.

860 fanden dann zu Aachen zwei Synoden statt. Konecny vermutet, dass die dort betriebene Scheidungspolitik als Reaktion auf die Sympathie Karls für Lothars Feind, Hukbert, erfolgte.[24] Das wäre logisch, da Lothar ihn ja 858 militärisch nicht besiegen konnte. Laut Konecny war die Zielsetzung dieser beiden Synoden hauptsächlich Hukbert durch die vorgebrachten Vorwürfe zu diskreditieren und zu verleumden, was auch durch entstandene Schriften erreicht werden sollte.[25] Die beiden Synoden fanden unter der Federführung der Erzbischöfe Gunthar von Köln und Thietgaud von Trier statt. Es wurden von Theutberga Schuldbekenntnisse erpresst[26], welche sie aber bald wiederrief, nachdem sie zu ihrem Bruder in das Reich Karls geflohen war.[27] Außerdem legte sie in Aachen ein öffentliches Gelübde ,mit dem Inhalt dass sie in ein Kloster eintreten werde, ab[28]. Allerdings waren nicht viele kirchliche Amtsträger in Aachen erschienen, die zwei Erzbischöfe, sowie zwei Bischöfe und zwei Äbte.[29] Nachdem sie zu ihrem Bruder ins Reich Karls geflohen war, tat sie aber auch noch etwas Anderes, was viel weitreichendere Konsequenzen hatte, als sich zu dem Zeitpunkt jemand hätte träumen lassen: Sie appellierte an Papst Nikolaus I (858-867). Noch etwas weiteres geschah in diesem Jahr: Hinkmar, Bischof von Reims, begann und vollendete sein Werk „De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae“- auf Anfragen einiger lothringischer Großen und deshalb zum Teil verfasst in einem Frage-Antwort-Stil.

Die erste Synode fand sich am 9. Januar 860 in Aachen ein. Lothar zeigte sich ob seiner anderen Sünden reuig und erwähnt traurig den Wunsch seiner Gemahlin ins Kloster gehen zu dürfen. Danach tritt Theutberga auf, wiederholt Lothars Worte und erlaubt ihrem Beichtvater, Erzbischof Gunthar von Köln, vorzutragen, was sie ihm in einer Beichte anvertraut hatte.[30] Die anwesenden Bischöfe befinden, dass man ihrem Wunsch stattgeben möge. Auf der zweiten Synode vom Februar 860 wiederholte Theutberga ihr Geständnis, indem sie ein Schriftstück aufsetzte, in dem sie zugab von Hukbert zum Inzest gezwungen worden zu sein. Nachdem Theutberga geflohen war[31] und sich an den Papst gewandt hatte, tat dies auch Lothar II., wohl in der Absicht die Urteilssprüche bestätigen zu lassen.[32]

Im April 862 kam es zu einer weiteren Synode in Aachen, da die Angelegenheit durch die Flucht Theutbergas noch nicht völlig zu seiner Zufriedenheit gelöst worden war. Die anwesenden Bischöfe erlaubten ihm sich neu zu verheiraten, da die bestehende Ehe annuliert worden war. Wiederum wandte sich Lothar schriftlich an den Papst mit der Bitte um Zustimmung oder zumindest Billigung[33], doch ohne dessen Antwort abzuwarten heiratete Lothar Ende desselben Jahres dann Waldrada[34]. Damit könnte er einen Erben haben, wenn Hugo für legitim erklärt werden würde. Jedoch hatte ihm Karl, der zusammen mit dem Papst eine „größere synodale Neuberatung“[35] in Savonnieres von Lothar gefordert hatte, dieses Versprechen abgenommen. So mögen einem die nun folgenden Ereignisse weniger überraschend vorkommen.

[...]


[1] Reginonis cronica ad 856.

[2] Annales Bertiani ad 858

[3] Annales Fuldenses ad 861.

[4] Schieffer, Rudolf: Die Karolinger. Stuttgart, Berlin, Köln ³2000. S.149ff.

[5] Konecny, Silvia: Die Frauen des karolingischen Königshauses. Die politische Bedeutung der Ehe und die Stellung der Frauen in der fränkischen Herrscherfamilie vom 7.bis zum 10. Jahrhundert (= Dissertationen der Universität Wien 132.) Wien 1976.S. 103.

[6] Schieffer , S.152.

[7] Esmyol, Andrea: Geliebte oder Ehefrau? Konkubinen im frühen Mittelalter(=Beihefte zum Archiv für Kulturgeschichte 52). Köln 2002. S. 159.

[8] Reginonis chronica ad 864.

[9] eine hochadelige Familie, die noch im 9. Jahrhundert Könige in Burgund der Provence stellte

[10] Schieffer: , S.153.

[11] Reginonis chronica ad 856

[12] Schieffer: S.159.

[13] Böhringer, Letha(Hrsg.): De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae (=MGH Conc. IV Supplementum I. Hinkmar von Reims, De divortio Lotharii regis et Theutbergae reginae.) Hannover 1992, S.5.

[14] Konecny, S.104.

[15] ebd., S.105.

[16] ebd., S.106.

[17] Konecny, S.105.

[18] Annales Bertiani ad 862.

[19] Annales Bertiani ad 857.

[20] Annales Bertiani ad 858.

[21] Böringer, Letha(Hrsg.): De divortio..,Sp. 659 ff. und sp. 680 ff.

[22] Schieffer, S.160.

[23] Böhringer, Letha(Hrsg.): S. 7.

[24] Konecny, S. 107.

[25] Ebd.

[26] Annales Bertiani ad 860.

[27] Ebd.

[28] Bauer, Thomas: Rechtliche Implikationen des Ehestreites Lothars II.: Eine Fallstudie zu Theorie und Praxis des geltenden Eherechts in der späten Karolingerzeit. Zugleich ein Beitrag zur Geschichte des frühmittelalterlichen Eherechtes. In: ZRG. Ka 111(1994). S.48.

[29] Betz, Karl-Ulrich: Hinkmar von Reims, Nikolaus I. Pseudo Isidor. Fränkisches Landeskirchentum und römischer Machtanspruch im 9. Jahrhundert. Bonn 1965 , S.84.

[30] Böhringer, S.9.

[31] die Annales Xantenses erwähnen dies erst für das Jahr 861.

[32] Konecny, S.108.

[33] ebd.,S. 109.

[34] Schieffer, S.160.

[35] ebd.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Der Eheprozess Lothars II.
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl für mittelalterliche Geschichte unter Einbeziehung der Landesgeschichte)
Veranstaltung
Partnerschaftskonzepte im Wandel. Die Ehe im Früh – und Hochmittelalter
Note
2,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
22
Katalognummer
V140827
ISBN (eBook)
9783640484447
ISBN (Buch)
9783640484607
Dateigröße
444 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Eheprozess, Lothars
Arbeit zitieren
Robert Kerlin (Autor:in), 2005, Der Eheprozess Lothars II., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140827

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Eheprozess Lothars II.



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden