Amerika und Großbritannien: Diplomatie der Suezkrise


Seminararbeit, 2007

24 Seiten, Note: 2.0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

I. “Suez had many loosers…” - Die Bedeutung der Suezkrise
I.I Hintergrund der Suezkrise: „[…] to bring Nasser to his senses.“

II „There is a need for clarification between us.”
II.II Anthony Edens Dilemma

III. Resümee: Suez had many losers

IV. Quellenverzeichnis

V. Literaturverzeichnis

I. “Suez had many loosers…” - Die Bedeutung der Suezkrise.

I doubt that any delegate ever spoke from this forum with as heavy a heart as I have brought here tonight. We speak on a matter of vital importance, where the United States finds itself unable to agree with three nations with whom it has ties, deep friendships, admiration, and respect, and two of whom constitute our oldest, most trusted and reliable allies. The fact that we differ with such friends has led us to reconsider […] our position with the utmost care […]. Even after that […], we still find ourselves in disagreement.1 2

In seiner Rede vor der Hauptversammlung der Vereinten Nationen ging John Foster Dulles, amerikanischer Außenminister unter Präsident Dwight D. Eisenhower, in die „offene Opposition zu Großbritannien und Frankreich.“3 Er bezeichnete beide Länder als Amerikas älteste und verlässlichste Verbündete, doch selbst darauf könnte die amerikanische Politik am Gipfel der Suez-Krise keine Rücksicht nehmen. Die israelisch-britisch-französische Militäraktion gegen Ägypten sollte, wie die obigen Worte bereits andeuten, „in einem politisch- diplomatischen Desaster“4 enden. Zwar hatte man von amerikanischer Seite bereits seit Monaten besorgt auf die emotionale wie auch aggressive Haltung der Franzosen gegenüber dem Ägyptischen Staatspräsidenten Gamal Abdel Nasser geschaut5, doch dachte man einen Angriff, zumindest zum jetzigen Zeitpunkt, ausschließen zu können.6 Hinzu kam, dass die Vereinigten Staaten von Amerika nicht über die Pläne ihrer Verbündeten informiert wurden.7

Besonders enttäuscht zeigten sich Präsident Eisenhower und sein Außenminister Dulles von England. Wie David Watt betont, war das Verhältnis beider Länder seit dem zweiten Weltkrieg geprägt von einer „natural and immemorial affinity“8, einer natürlichen und lange zurückreichenden Partnerschaft. Nun jedoch fühlte man sich hintergangen, die Krise um den Suez-Kanal im Nahen Osten war, wie es William Roger Louis trefflich formuliert, „zu einer Krise in den britisch-amerikanischen Beziehungen geworden“. 9 Mehr noch: Die Suezkrise sollte für Großbritannien und Frankreich zu einer „diplomatischen Demütigung“10 werden, die USA veranlassten die Regierung um Premierminister Robert Anthony Eden die Kampfhandlungen gegen Nasser einzustellen. Dies geschah durch eine Reihe politischer, diplomatischer, aber vor allem ökonomischer Druckmittel, die die USA gegen Großbritannien und Frankreich einsetzte.11

Zwar war man von amerikanischer Seite darauf bedacht, direkte Sanktionen zu vermeiden und das nach der Suez Krise zerrüttete Verhältnis zu seinen westlichen Partnern so schnell wie den Gegebenheiten möglich zu reparieren12, doch kommt man nicht umhin festzustellen, dass die Konsequenzen dieser Krise endgültig das Ende der eurozentrischen Weltpolitik bedeuten sollten.13 Wie Scott Lucas schreibt, beschädigten die Franzosen und die Briten nicht nur ihre Bindungen zu der arabischen Welt: „[…] A Partnership of equals between Washington and London in the Middle East was now out of question. [Furthermore] Britain also lost the moral high ground before the United Nations and world opinion […].”14 Ulrich Pfeil stimmt dem zu, wenn er ebenfalls betont, dass nun die USA sowie die Sowjetunion jene Plätze “der ehemaligen Kolonialmächte”15 im Nahen Osten sowie auf der Bühne globaler Politik einnahmen.

„The United States would be left dominating the world stage, having taken a stand against its friends on grounds of principle“16 - Großbritannien scheiterte als ehemalige Weltmacht, unabhängig von den Vereinigten Staaten seine weltpolitischen Interessen durchzusetzen, die USA manifestierten sich auf Kosten ihrer Verbündeten endgültig als die neue Großmacht.17 Die Suezkrise stellte also ohne Zweifel einen Wendepunkt in der Weltpolitik dar. Großbritannien wurde die Kluft zwischen internationalem Anspruch und tatsächlicher nationaler Stärke deutlich vor Augen geführt. Weder Wirtschaft noch Militärmacht waren den Verhältnissen einer einst führenden Großmacht angemessen18, für London galt in Zukunft, dass „ohne eine zumindest stillschweigende Tolerierung durch die USA […] ein Rückgriff auf gewaltsame Mittel außerhalb des britischen Territoriums nicht mehr möglich [war].“19

Für die Briten war der Schuldige an der Misere schnell gefunden. John Foster Dulles habe die englische Politik in die Irre geführt und „die englisch- amerikanischen Beziehungen vergiftet“20 . Er trage demnach die Schuld an dem Suez-„Fiasko“21. Eden hatte in Folge nur noch wenige Worte für den amerikanischen Außenminister übrig, und diese waren nicht die freundlichsten.22 Doch warum hatte sich der englische Premierminister auf die „einzigartige Verschwörung zum Krieg“23 zusammen mit Frankreich und Israel überhaupt eingelassen? Warum versuchte man, durch die „cullusion with France and Israel“24 ein Motiv für das gewaltsame Eingreifen gegen Ägypten zu konstruieren? Und wie konnte es überhaupt zu einem solchen Missverständnis zwischen Eden auf der einen und Eisenhower sowie Dulles auf der anderen Seite kommen? Stimmt es, wenn Hermann Finer schreibt, dass Dulles seinem Partner aus Europa monatelang eine klare Aussage zu den Problemen im Nahen Osten schuldig blieb und diese folglich seine unpräzisen Formulierungen fehl interpretierten?25 Oder war lediglich, wie unter anderem Scott Lucas hervorhebt, der Zeitpunkt für eine Intervention besonders günstig, da die Sowjetunion sich auf den Ungarn-Aufstand konzentrierte und die amerikanische Regierung auf den Höhepunkt des Präsidentschafts-Wahlkampfes zusteuerte?26 Wie Anthony Adamthwaite es auf den Punkt brachte: „What went wrong?“27

Die Seminararbeit wird dieser Frage im Folgenden etappenweise nachgehen. Zunächst gilt es herauszufinden, wie Gamal Abdel Nasser und seine Politik im Nahen Osten von den USA wie auch Großbritannien bewertet wurde. Wie reagierten die Regierungen Großbritanniens und der Vereinigten Staaten auf die Verstaatlichung des Kanals und wie kam diese überhaupt zustande? Sobald dieser Punkt geklärt ist, wird es unumgänglich sein, die Interessen und Prioritäten in der jeweiligen Nahost-Politik herauszustellen und miteinander abzugleichen. Welche Unterschiede gibt es hier zwischen den USA und Großbritannien und welche Konsequenzen mögen sich aus vermeintlichen Differenzen ergeben? Wie war es in Anbetracht dessen um die Kommunikation zwischen den Regierungen beider Länder bestellt? Gibt der offizielle Austausch Aufschluss über das Vorgehen der Amerikaner und Briten in der Suez-Frage?

Als vornehmlicher Quellenband wird der Arbeit die Foreign Relations of the United States28 zugrunde liegen, deren Dokumente die Entscheidungen der amerikanischen Politik auf höchster Ebene protokollieren und wichtige Informationen darüber geben können, wie der diplomatische Austausch der USA mit seinen europäischen Partnern verlief. Auch Eisenhowers zweibändiger Rechenschaftsbericht über die Vorgänge der Suezkrise Waging Peace wird an entscheidenden Stellen herangezogen werden.

II.I Hintergrund der Suezkrise: „[…] to bring Nasser to his senses.“

Die israelische Invasion des Gazastreifens und der Sinai-Halbinsel am 29. Oktober sollte den Gipfelpunkt der Suezkrise einleiten.29 30 Großbritannien und Frankreich begannen am 31. Oktober die Kanalzone sowie strategische Punkte zu bombardieren, wenige Stunden nach Ablauf eines an Ägypten wie angebglich auch an Israel gerichteten Ultimatums31. Bereits am 6. November stellten die Briten das Feuer ein, nach erheblichem Druck von Seiten der Amerikaner, die weder von den Briten noch von den Franzosen über deren Pläne informiert worden waren.32 Die Suezkrise wurde zum Sinnbild für die Differenzen in politischer Wahrnehmung sowie nationalen Interessen der Westmächte.33 Ihr „diplomatischer Gambit“34 jedoch begann bereits ein gutes halbes Jahr früher mit Nassers Entscheidung am 26. Juli 1956, den Suezkanal zu verstaatlichen. Wie kam es zu diesem Beschluss des ägyptischen Staatspräsidenten? Laut Robert Bowie war Nassers Reaktion das Ergebnis eines bedeutenden Politikwechsels ihm gegenüber:

Between the making of the offer to help Egypt finance the Aswan Dam on 16 December 1955 and its withdrawal on 19 July 1956 there was a general shift in policy toward Nasser by both the United States and Britain.35

In der Tat reagierte Nasser mit der Verstaatlichung des Suezkanals unmittelbar auf den Rückzug der westlichen Finanzierungshilfe für den Assuan- Staudamm. Entsprechend kontrovers ist dieser auch in der Forschungsliteratur diskutiert. Wie zum Beispiel Maier-Walser schreibt, versuchte Nasser Ost und West in ihrem Buhlen um Einfluss im Nahen Osten gegeneinander auszuspielen. Indem man die finanzielle Hilfe für das Staudammprojekt zurückzog wollte man Nasser klar machen, dass die USA nicht bereit waren sich ausnützen zu lassen. Zudem sollte verdeutlicht werden, dass die Sowjetunion ihren monetären Versprechen wohl keine Taten folgen lassen würde.36 Wie im Folgenden aufgezeigt wird, liegen die Gründe für die einschneidende Entscheidung etwas tiefer.

Die Literatur verweist hier auf eine handvoll Erklärungsmöglichkeiten.

Andrew Berding betont eine Notiz von John Foster Dulles, in der er hervorhebt, man laufe Gefahr die restlichen Verbündeten im Nahen Osten vor den Kopf zu stoßen. Die an Ägypten gerichtete Hilfe erwecke den Eindruck, dass gerade die Länder von amerikanischer Hilfe profitieren, die sich nicht eindeutig zu den Vereinigten Staaten bekennen, ja sogar eine gewisse antagonistische Haltung ihr gegenüber einnehmen. Der Waffenhandel mit den Sowjets sowie die Anerkennung des kommunistischen China wurden demnach als besonders antiwestlich eingestuft. Außerdem verweigerte der amerikanische Kongress, die erforderlichen Geldmittel zur Verfügung zu stellen.37

[...]


1 Mohamed H. Heikal, Cutting the Lion’s Tail. Suez through Egyptian Eyes. London, 1986, S. 201.

2 Statement by the Secretary of State (Dulles) in the General Assembly, November 1, 1956. In: Paul E. Zinner (Hrsg.), Documents on American Foreign Relations 1956. New York, 1957, Dok. Nr. 108, S. 346- 348, hier S. 346 f.

3 Roscoe Drummond/ Gaston Coblentz, Duell am Abgrund. John Foster Dulles und die amerikanische Außenpolitik 1953-1959. Köln/ Berlin, 1961, S. 197.

4 Reinhard Meier-Walser, Die Eskalation der Suez-Krise im Herbst 1956. Politische Studien 409, Sept./Okt. 2006, S. 5 - 30, hier S. 1.

5 Vgl. Dwight D. Eisenhower, Waging Peace. 1956-1961. London, 1965, S.36.

6 Ulrich Pfeil, Die Suezkrise. Aus Politik und Zeitgeschichte 17/18, April 2006, S. 32 - 38, hier S. 35.

7 William Roger Louis, Dulles, Suez, and the British. In: Richard H. Immerman (Hrsg.), John Foster Dulles and the Diplomacy of the Cold War. Princeton, 1990, S. 133- 158, hier S. 152.

8 David Watt, Introduction: The Anglo-American Relationship. In: William Roger Louis/ Hedley Bull (Hrsg.), The Special Relationship. Anglo-American Relations since 1945. Oxford, 1986, S. 1 - 17, hier S. 1.

9 William Roger Louis, Die Vereinigten Staaten von Amerika und die Auflösung der europäischen Kolonialreiche. John Foster Dulles und die Suez-Krise des Jahres 1956. In: Wolfgang J. Mommsen (Hrsg.), Das Ende der Kolonialreiche. Dekolonisation und die Politik der Großmächte. Frankfurt am Main, 1990, S. 168 - 194, hier S. 191. Vgl. auch: Andrew H. Berding, Dulles on Diplomacy, New Jersey, 1965, S. 194.

10 Pfeil, Suezkrise, S. 36. Vgl. auch: Cameron Watt, Demythologizing the Eisenhower Era. In: In: William Roger Louis/ Hedley Bull (Hrsg.), The Special Relationship. Anglo-American Relations since 1945. Oxford, 1986, S.65 - 86, hier S. 65.

11 Vgl. Meier-Walser, Eskalation der Suez-Krise, S. 22. Vgl. auch: Keith Kyle, Suez. London, 1991, S. 500.

12 Vgl. Robert R. Bowie, Eisenhower, Dulles, and the Suez Crisis. In: William Roger Louis/ Roger Owen (Hrsg.), Suez 1956. The Crisis and its Consequences. Oxford, 1989, S. 189 - 214, hier S. 212.

13 Vgl. Meier-Walser, Eskalation der Suez-Krise, S. 24. Vgl. auch: Pfeil, Suezkrise, S.36.

14 Scott Lucas (Hrsg.), Britain and Suez. The lion’ last roar. Manchester/ New York, 1996, S. 114.

15 Pfeil, Suezkrise, S. 36.

16 Heikal, Cutting the Lion’s Tail, S. 188.

17 Vgl. Scott Lucas, Divided We Stand. Britain, the US and the Suez Crisis. London 1991, S. 324f.

18 Saki Dockrill, Britain’s Retreat from East of Suez. The Choice between Europe and the World? Basingstoke, 2002, S. 23. Vgl. auch Lucas, The lion’s last roar, S. 113ff.

19 Lehmkuhl, Ursula, Vom Umgang mit dem Niedergang. Strategien der Sicherung britischer Machtpositionen in der internationalen Politik vor und nach Suez. In: Winfried Heinemann/ Norbert Wiggershaus (Hrsg.), Das internationale Krisenjahr 1956. Polen, Ungarn, Suez. München, 1999, S. 589 - 613, hier S. 605.

20 Roger Louis, Auflösung der Kolonialreiche, S. 168f.

21 Drummond/ Coblentz, Duell am Abgrund, S.182.

22 Vgl. Hugh Thomas, The Suez Affair. London, 1966, S. 82.

23 Jost Dülffer, Atomkrieggefahr 1956? Die Suez- und Ungarn-Krise. In: Ders. (Hrsg.), Im Zeichen der Gewalt. Frieden und Krieg im 19. und 20. Jahrhundert. Köln 2003, S. 219-237, hier S. 223.

24 Avi Shlaim, The Protocol of Sèvres 1956. Anatomy of a War Plot. International Affairs 73, 1997, S. 509 - 530, hier S. 528.

25 Vgl. Herman Finer, Dulles Over Suez. The Theory and Practive of his Diplomacy. Chicago 1964, S. 7f.

26 Vgl. Lucas, Divided, S. 243.

27 Anthony Adamthwaite, Suez Revisited. International Affairs 64, 1988, S. 449 - 464, Hier S.451.

28 Foreign Relations of the United States, 1955 - 1957, Bd. XVI: Suez Crisis July 26 - December 31, 1956. Washington, D.C. 1990.

29 Message fom Prime Minister Eden to President Eisenhower, July 27, 1956. In: Ebd., Dok. Nr. 5, S. 9 - 11, hier S. 10.

30 Vgl. Pfeil, Suezkrise, S.35f. vgl. auch: Selwyn Ian Troen/ Moshe Shemesh, The Suez-Sinai Crisis, 1956: Retrospective and Reappraisal, London 1990, S. 7 - 12.

31 Vgl. Avi Shlaim, The Protocol of Sèvres, S. 528.

32 Roger Louis, Auflösung der Kolonialreiche, S. 187ff. Vgl. auch: Keith Kyle, Suez. London, 1991, S. 500.

33 Vgl. Roger Louis, Dulles, Suez, and the British, S.145.

34 Finer, Dulles Over Suez, S. 3.

35 Robert R. Bowie, Eisenhower, Dulles, and the Suez Crisis, S. 190.

36 Vgl. Meier-Walser, Eskalation der Suez-Krise, S.7.

37 Andrew H. Berding, Dulles on Diplomacy, S. 6f. Vgl. Auch: Donald Neff, Warriors at Suez. Vermont, 1988, S. 257.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Amerika und Großbritannien: Diplomatie der Suezkrise
Hochschule
Universität zu Köln
Note
2.0
Autor
Jahr
2007
Seiten
24
Katalognummer
V140805
ISBN (eBook)
9783640513178
ISBN (Buch)
9783640511259
Dateigröße
521 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amerika, Großbritannien, Diplomatie, Suezkrise
Arbeit zitieren
Christoph Haeberlein (Autor:in), 2007, Amerika und Großbritannien: Diplomatie der Suezkrise, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140805

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