Das Grundgesetz

Besitzt es heute, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, die notwendige Legitimität?


Seminararbeit, 2009

19 Seiten, Note: 1,0

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriff der Legitimität

3. Die Entstehung und Legitimation des Grundgesetzes
3.1 Der Parlamentarische Rat
3.2 Nachträgliche Legitimation

4. Fortwährendes Provisorium

5. Verfassungsreform statt neue Verfassung

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Das gesamte Deutsche Volk bleibt aufgefordert, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden.1

Dieser Auszug aus der ehemaligen Präambel des Grundgesetzes wurde am 03. Oktober 1990 neu gefasst, doch auch zu Recht? Hat das deutsche Volk in freier Selbstbestim-mung die Einheit und Freiheit vollendet, oder wurde es ihm viel mehr vorgesetzt, ohne Mitbestimmungsrecht, ohne Einwirkungsmöglichkeiten?

Auch zum nunmehr zwanzigsten Jahrestag der Wiedervereinigung kommt es immer wieder erneut zu Diskussionen über die Notwendigkeit einer neuen Verfassung. Das Grundgesetz selbst sieht mit Artikel 146 seine eigene Ablösung vor, und dennoch scheint es bisher keinen Bedarf gegeben zu haben. Wird damit eventuell sogar die Legi-timität der Verfassung hintergangen, oder ist es falsch den Artikel mit dem gesamtdeut-schen Volk in Verbindung zu bringen? Besitzt das Grundgesetz nach der Wiedervereini-gung überhaupt die Legitimität, die für eine demokratische Verfassung erforderlich ist, oder war die Legitimation von Beginn an fraglich? Eventuell war sie auch schlicht un-möglich, da die Verfassung auf Grundlage eines Auftrages der Besatzungsmächte, und nicht aus dem freien Willen des deutschen Volkes erfolgte. Diese und weitere Fragestel-lungen sollen im Rahmen der Hausarbeit untersucht werden.

Um eine einheitliche Ausgangsbasis für die Untersuchung erhalten zu können, wird eine Begriffsbestimmung der Legitimität am Anfang stehen. Der Beginn dieser Arbeit entsteht demnach aus dem Anspruch, sich über die Bedeutung des Begriffs klar zu werden, ohne die das Ziel eines Urteils über die Legitimität des Grundgesetzes nicht erreicht werden kann. Deshalb sollen verschiedene Ansätze und Sichtweisen zur Erklä-rung dieser betrachtet werden. Darauf folgend wird auf die Entstehungsgeschichte, und vor allem den dabei aufgetretenen Problemen, eingegangen. Die Kenntnis der Geschich-te ist die Voraussetzung, um aktuelle Debatten und vorangegangene Diskussionen über-haupt verstehen zu können. Von der Verfassungsgebung des Parlamentarischen Rates 1949, bis hin zu den ersten beiden Bundestagswahlen 1949 und 1953 wird der Grün-dungsprozess des Grundgesetzes auf seine Rechtmäßigkeit hin beleuchtet. Im dritten Teil dieser Hausarbeit wird anschließend auf die Bedeutung der Wiedervereinigung für die Legitimität des Grundgesetzes eingegangen. Es soll dargestellt werden, warum es lediglich Verfassungsänderungen gab, und keine gesamtdeutsche, vom Volk legitimierte Verfassung. Die daraus folgenden Konsequenzen werden ebenfalls Gegenstand dieser Untersuchung sein. Dabei wird veranschaulicht, inwiefern Forderungen nach einer neu-en Konstitution Anklang finden. Im Anschluss wird ein Blick auf die Reformen helfen, den Verzicht auf eine neue Verfassung zu verstehen. Mit dieser Arbeit wird das Ziel ver-folgt, einen Überblick über verschiedene Ansätze zu erhalten, die die Debatte um die Legitimität des Grundgesetzes prägen, sowie ein Urteil über die Legitimität des Grund-gesetzes zu entwickeln. Abschließend wird versucht ein Fazit aus dieser Hausarbeit zu ziehen. Allerdings kann an dieser Stelle schon angemerkt werden, dass ein eindeutiges Ergebnis nicht zu erwarten ist, da eine differenzierte Betrachtung für die Wahrung der Objektivität unumgänglich ist.

2. Begriff der Legitimität

Um das Grundgesetz auf seine Legitimität hin überprüfen zu können, ist es notwendig, im Vorfeld den Begriff der Legitimität zu definieren.

In sprachlicher Hinsicht kommt der Begriff aus dem Lateinischen von „legiti-mus“, welcher seinen Ursprung im lateinischen Wort „lex“ findet, und so viel wie „rechtmäßig“ und „gesetzmäßig“ bedeutet. Legitimität entsteht dabei durch den Prozess der Legitimation, also der Rechtfertigung2, welche aus einem ungestörten, sozialen Lernprozess hervortritt3. Inhaltlich bezeichnet „Legitimität“ die Qualität, die einem so-zialen System nach der Überzeugung einer Geltungsvorstellung zukommt4. Dabei lässt sie sich als eine generelle Bereitwilligkeit auffassen, „inhaltlich noch unbestimmte Ent-scheidungen innerhalb gewisser Toleranzgrenzen hinzunehmen“5. Die Legitimitätsbe-gründung hingegen ergibt sich aus einer positiven „Rekonstruktionsfähigkeit“. Dem-nach müssen Handlungen und Sachverhalte auf „Akzeptanz,- und Geltungsgründe“ po-sitiv zurückgeführt werden können6.

Bereits im Mittelalter wurde über die Rechtmäßigkeit der Herrschaft nachge-dacht. So führte Thomas von Aquin rationale Kriterien für die Legitimität weltlicher Herrschaft aus. Nach ihm existiert eine gerechte Regierung, wenn sie nicht am Eigen-wohl ausgerichtet sei, und die Gesellschaft zum Gemeinwohl hinbewege7. Die starke christliche Prägung im Mittelalter erklärt, dass viele Denker dieser Zeit die ursprüngliche Legitimität der Herrschenden in Gott begründeten8.

Heute unterscheidet man zwischen zwei unterschiedlichen Dimensionen der Le-gitimität, der normativen sowie der deskriptiven Dimension9. Die Politikwissenschaft richtet sich dabei vorrangig auf Letztere, in der die Legitimität als messbarer „Grad der Anerkennung politischer Herrschaft“ gilt10. Diese Anerkennung basiert nach Luhmann auf einem Lernprozess, bei der der Einzelne seine Prämissen ändert, und Entscheidun-gen annimmt. Er stellt allerdings auch heraus, dass die Legitimität weniger auf der frei-willigen Anerkennung beruht, sondern viel mehr darauf, „verbindliche Entscheidungen als Selbstverständlichkeit“ anzusehen11.

Max Weber war es, der den Begriff erstmals in einen Zusammenhang mit Staat und Herrschaft brachte. Damit trug er wesentlich zum heutigen Verständnis der Legiti-mität bei12. Weber unterscheidet drei „reine“ Typen legitimer Herrschaft, mit der Auf-fassung, dass der Legitimationsgrund das einzige Merkmal darstelle, wonach sich Herr-schaften klar voneinander unterscheiden ließen13. Demnach beruhe die „legale Herr-schaft“ auf dem Vertrauen an die Legalität gesetzter Ordnungen. Als „traditionelle Herr-schaft „ist das Festhalten an jeher gültigen Gewohnheiten, Sitten und Bräuchen“ nach Weber festgelegt. Ein dritter Typ wird von ihm als „charismatische Herrschaft“ be-zeichnet, und beschreibt eine Vorbildlichkeit von Personen und die von ihnen geschaf-fenen Ordnungen14. Bei Webers Typisierung ist festzustellen, dass er die demokratische Legitimation in Verbindung mit seinem „charismatischen Legitimationstypus“ bringt 15. Aber gerade darauf dürften nach Sternberger demokratische Verfassungssysteme nicht beruhen16. Da die Ausbildung der Legitimation innerhalb der jeweiligen Verfassung des Staates umrissen ist, müsse das Grundgesetz demnach zwingend eine demokratische Legitimität besitzen17.

Johannes Winckelmann ergänzt Weber und meint, dass allein der Legitimitäts-glaube nicht als Legitimationsgrundlage legaler Herrschaft genüge. Demzufolge seien nur diejenigen Normen legitimiert, welche auch mit dem formalen Rechtsprinzip ver-einbar wären18.

Zusammenfassend kann man feststellen, dass es für den Begriff der Legitimität keine allein stehende Definition geben kann. Auch wenn eine inhaltlich einheitliche Präzisierung wünschenswert wäre, ist diese aufgrund der umfassenden Standpunkte lei-der nicht möglich. Aus den Sichtweisen verschiedener Denker wurde allerdings an die-ser Stelle der Begriff zumindest umrissen, um eine Grundlage für die weitere Untersu-chung der Legitimität des Grundgesetzes zu erhalten. Außerdem wurde die Schwierig-keit der Diskussionen und Debatten um das Grundgesetz erkennbar. Wo es keine exakte Begriffsbestimmung gibt, kann es demnach auch leicht zu unterschiedlichen Ansichts-punkten und Interpretationen kommen.

Neben der Begriffsbestimmung sei im nächsten Abschnitt auch auf die histori-schen Hintergründe einzugehen, mit denen ein Diskurs überhaupt sein Fundament er-hält. Zu diesem Zweck wird ein Blick auf den Parlamentarischen Rat sowie auf die an-schließenden ersten beiden Wahlen geworfen.

3. Die Entstehung und Legitimation des Grundgesetzes

3.1 Der Parlamentarische Rat

Der Prozess bis zum Grundgesetz war durch verschiedene Verfahren geprägt, die bei einer Legitimitätsanalyse im Rahmen dieser Arbeit ebenfalls untersucht werden müssen. Eine prägende Veränderung der alliierten Besatzungspolitik fand 1948 mit der Londoner Sechsmächtekonferenz statt. Auf ihr erörterten die Westmächte die Frage nach einer deutschen Verfassung. Als Resultat ging aus der Konferenz ein Verfassungsauftrag für den westdeutschen Teilstaat hervor, welcher den Grundstein für den Weg hin zum Grundgesetz legte19. Daraufhin erhielten die westdeutschen Ministerpräsidenten am 01.

[...]


1 Gemäß der Präambel des Grundgesetzes von 1949.

2 Vgl.Schliesky, Utz, Souveränität und Legitimität von Herrschaftsgewalt. Die Weiterentwicklung von Begriffen der Staatsrechtslehre und des Staatsrechts im europäischen Mehrebenensystem, Tübingen 2004, S. 150.

3 Vgl. Luhmann, Niklas, Legitimation durch Verfahren, 3. Aufl., Neuwied 1995, S.35.

4 Vgl. Schröder,Wolfgang M., Grundrechtsdemokratie als Raison offener Staaten. Verfassungspolitik im europäischen und im globalen Mehrebenensystem, Berlin 2003, S. 66.

5 Luhmann, Legitimation, S.28.

6 Vgl. Schröder, Grundrechtsdemokratie, S. 68.

7 Vgl. Schliesky, Legitimität, S. 185.

8 Vgl. Althoff, Gerd, Herrschaftslegitimation. Mittelalterliche Vorstellungen über die Ausübung von Herrrschaft, in: Ders./Goetz, Hans Werner/Schubert, Ernst, Menschen im Schatten der Kathedrale. Neu-igkeiten aus dem Mittelalter, Darmstadt 1998, S.60.

9 Vgl. Schliesky, Legitimität, S. 151.

10 Vgl. Würtenberger, Thomas, Art. Legalität, Legitimität, in: Görres-Gesellschaft (Hrsg.), Staatslexikon, 7., völlig neu bearb. Aufl., Bd. 3, S.878.

11 Vgl. Luhmann, Legitimation, S. 33-34.

12 Vgl. Anter, Andreas, Max Webers Theorie des modernen Staates (= Beiträge zur Politischen Wissenschaft, Bd. 82), Berlin 1995, S. 64-65.

13 Vgl. Fitzi, Gregor, Max Webers politisches Denken, Konstanz 2004, S. 130 - 135.

14 Ebd., S. 175.

15 Vgl. Weber, Max, Wirtschaft und Gesellschaft. Grundriss der verstehenden Soziologie, 5., rev. Aufl., Tübingen 1980, S.140 ff..

16 Vgl. Schliesky, Legitimität, S. 155.

17 Vgl. Schliesky, Legitimität, S.163.

18 Vgl. Habermas, Jürgen, Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus, 3. Aufl,, Frankfurt am Main 1975, S. 137.

19 Vgl. Feldkamp, Michael F., Der Parlamentarische Rat 1948-1949. Die Entstehung des Grundgesetzes, Göttingen 1998, S. 15-16.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Das Grundgesetz
Untertitel
Besitzt es heute, 20 Jahre nach der Wiedervereinigung, die notwendige Legitimität?
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Politikwissenschaft)
Veranstaltung
Das politische System der Bundesrepublik Deutschland
Note
1,0
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V140749
ISBN (eBook)
9783640478972
ISBN (Buch)
9783640479092
Dateigröße
459 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundgesetz, GG, Legitimation, Legitimität, Wiedervereinigung, Verfassung
Arbeit zitieren
Anonym, 2009, Das Grundgesetz, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140749

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