Die Lex Gabinia (67 v.Chr.)


Hausarbeit (Hauptseminar), 1999

27 Seiten, Note: 1


Leseprobe


1. Einleitung

Außerordentliche Imperien wie die lex Gabinia des Jahres 67 v.Chr. waren Verfassungsimprovisationen, die nicht erst in der späten römischen Republik auftraten. Bereits in der klassischen Republik im zweiten und dritten Jahrhundert gebrauchte man sie, wenn keine qualifizierten, regulären Funktionsträger für Heerführungsaufgaben zur Verfügung standen. Obwohl das Phänomen daher nicht etwas gänzlich Neues darstellt, muß betont werden, daß die sog. imperii extraordinaria in erster Linie in der späten römischen Republik eine große Rolle spielten. Ihre Besonderheit ergibt sich zu dieser Zeit vor allem aus ihrer Häufigkeit und ihrem Umfang. Der Einflußbereich der lex Gabinia, mit der 67 Cn. Pompeius Magnus[1] betraut wurde, umfaßte das gesamte Mittelmeer mitsamt der Küstenstriche bis 75 km landeinwärts. Nicht nur diese Gegebenheit veranlaßte in Roms Innenpolitik eine heftige Diskussion unter den Senatoren, zumal das Gesetz per Plebiszit verabschiedet werden sollte.

Um die Tatbestände sicher rekonstruieren zu können, ist man zunächst von den überlieferten Quellen abhängig. Für unser Problem stellt sich diese Situation als äußerst günstig dar: Während zu früheren Aktionen gegen die Seeräuber nur sehr wenige, dürftige Quellen existieren, kann im Falle der lex Gabinia auf ein umfangreiches, teilweise zeitgenössisches Repertoire zurückgegriffen werden. Zu den antiken Autoren gehören im wesentlichen APPIAN, CICERO, DIO CASSIUS, LIVIUS, PLUTARCH oder VELLEIUS PATERCULUS. Gelegentlich stößt man innerhalb der Überlieferungen jedoch auf Unstimmigkeiten in der Darstellungsweise oder der Chronologie.

Moderne Forscher wie BOAK, CHRIST, DRUMANN/ GROEBE, GELZER, HEUSS, JAMESON, MEIER, MOMMSEN, RIDLEY oder THOMMEN sind sich einig, daß die lex Gabinia einen neuen Präzedenzfall herstellte, der die Maßstäbe des mos maiorum höher setzte, und somit einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Verfall der Republik bedeutete. Um diese These zu untersuchen, erscheint es mir sinnvoll, zunächst die genauen Umstände der Beschlußfassung und anschließend den endgültigen Umfang des Gesetzes zu rekonstruieren. Damit will ich die politische Brisanz verdeutlichen und die damit zusammenhängende innenpolitische kontrovers geführte Diskussion. Resümierend gehe ich im nachhinein auf die außerordentlichen Elemente der lex Gabinia ein, damit der „systemsprengende“ Charakter zum Ausdruck kommt.

2. Zur Beschlußfassung der lex Gabinia

Die Rechte des Volkstribunats, die unter der Diktatur Sullas 82-79 v.Chr. abgeschafft worden waren[2], wurden bereits 70 v.Chr. in dem Konsulat des Pompeius und Crassus wiederhergestellt. Laut GELZER war die entsprechende Forderung bereits 76 in Rom erhoben worden und hatte sich bis zum Jahre 70 erheblich gesteigert.[3] Pompeius kündigte sein popularistisch ausgerichtetes Vorhaben kurz nach seiner Rückkehr aus Spanien an. Er ließ sich vom Senat die Erlaubnis erteilen, ohne zuvor eine ordentliche Magistratur bekleidet zu haben, sich zur Konsulwahl zu stellen[4] und gewann mit dem Wahlspruch „Alles für das Volk“ die Zustimmung der Wählerschaft. Nun darf man jedoch nicht den Fehler begehen und Pompeius ausschließlich Eigennutz vorwerfen, da er drei Jahre nach seinem Konsulat von der wiederhergestellten tribunizischen Gewalt in Form der lex Gabinia enorm profitierte. DRUMANN/ GROEBE sehen in dem Antrag ebenso eine Notwendigkeit: Zum einen fehlte es an Gleichgewicht, da den Optimaten sowohl die Verwaltung, die Gesetzgebung als auch die Repetundengerichte unterstanden; zum anderen – und zusätzlich – sei der Senat durch „Schlechtigkeit“ und „Unfügsamkeit“ entartet gewesen.[5] Mit letzterer Charakterisierung wird zweifellos die mangelnde Bereitschaft des Senats angeklagt, aus eigenen Stücken heraus das Seeräuberproblem zu bekämpfen bzw. zu lösen. Denn das Jahr 67 stellt lediglich den Gipfelpunkt einer langen militärischen – wenn auch eher halbherzig – betriebenen Auseinandersetzung dar:

Zur Wahrung römischer Interessen und aus rein defensiver Natur heraus intervenierten die Römer als noch junge Großmacht 229/28 in Illyrien. Aufgrund der Forderungen römischer und griechischer Kaufleute, die den Seeweg entlang der östlichen Adria nutzten, besaß man zwar durchaus wirtschaftliche Interessen, nämlich die eines regen Geld- und Warenverkehrs. Expansionistische Beweggründe für einen Krieg hatte Rom jedoch nicht. In den nächsten 100 Jahren schenkte Rom dem Piratenwesen im östlichen Mittelmeer keinerlei Aufmerksamkeit. Erst im Jahre 102 wurde dann der Prätor M. Antonius mit der Aufgabe betraut, gegen Kilikien und somit gegen die Seeräuber, die dort immer mehr Zulauf fanden, Krieg zu führen. Formell gesehen, war dies jedoch nicht so sehr eine Maßnahme gegen die Piraten selbst, sondern vielmehr gegen einen anderen Staat. Die Einrichtung der Provinz Kilikien war ein Resultat dieses Feldzuges. Dennoch konnte das Seeräuberproblem nicht als abgeschlossen betrachtet werden, zumal in den darauffolgenden Jahren eine Konjunktur der Piraterie stattfand. Allein an der spärlichen Quellensituation läßt sich in der römischen Außenpolitik ein offenkundliches expansionistisches Desinteresse und mangelndes Engagement erkennen. Der nur fragmentarisch überlieferte Gesetzestext zur lex de piratis aus dem Jahre 100 spricht ebenso für diese Vermutung: In Form einer Absichtserklärung zur Sicherung der Meere, die aber keine umfangreichen militärischen Aktionen vorsah, und die zusätzlich nur ein Teilbereich dieses Gesetzes ausmachte, bewahrte Rom seinen Status quo. In den Jahren 96 und 92 fanden unter Sulla weitere Aktionen statt, 84 durch Murena, 78-74 durch Servilius Vatia mit der Einrichtung der Provinz Kyrenes 75 und durch das imperium infinitum des M. Antonius Creticus in den Jahren

74-71.[6] Zu vielen dieser Ereignisse existiert nur ein dürftiges Quellenangebot[7] ; daher ist zu vermuten, daß der Enthusiasmus immer noch als relativ halbherzig bezeichnet werden kann. Die Charakterisierung DRUMANN/ GROEBEs scheint insofern zumindest hinsichtlich des Piratenunwesens treffend zu sein.

Bei der Betrachtung der Beschlußfassung im Januar des Jahres 67 ist zunächst festzuhalten, daß sie auf seriöse, republikanische Quellen zurückgeht. Somit ist es möglich, den Ablauf relativ detailliert wiederzugeben, wenn die Reihenfolge bestimmter Geschehnisse auch manchmal unklar bleibt. DIO CASSIUS und PLUTARCH berichten, daß der Volkstribun Aulus Gabinius in einer Senatsverhandlung einen Antrag stellte, einen einzigen Befehlshaber mit unbeschränkter Vollmacht aus dem Kreis der ehemaligen Konsuln zu wählen, der die Seeräuber bekämpfen solle (Dio, 23, 4; Plut. Pomp. 25). Der Name des Pompeius wurde in diesem Gesetzesantrag zwar nicht ausdrücklich genannt, es war jedoch offenbar, daß ausschließlich dieser gemeint war.[8] PLUTARCH nennt Gabinius einen engen Vertrauten des Pompeius (Plut. Pomp. 25). DRUMANN/ GROEBE unterstellen sogar, daß Pompeius den Tribun nicht nur angestiftet, sondern auch geleitet habe, den Gesetzesentwurf nach seinem Plan zu gestalten. Außerdem sei Gabinius finanziell gelockt worden.[9] Spätere Quellendarstellungen, z.B. die des Appian oder des Velleius, nennen Pompeius zusammen mit dem ersten Antrag der lex Gabinia (App. Mithr., 428; Vell. 31, 2). Mit großer Sicherheit geschieht dies aufgrund des zeitlichen Abstands, der bestimmte Fakten miteinander verschmelzen läßt. In der Tat verhandelte man in der Curie, als habe die rogatio ihn selbst, Pompeius, genannt: „the choice of Pompey was a certainty“.[10]

[...]


[1] Im folgenden nur noch Pompeius. Ebenso werden von mir sämtliche erwähnten Personen mit ihrem

„Rufnamen“ benannt.

[2] Die Maßnahmen Sullas ließen dem Volkstribunat lediglich das ius auxilii zugunsten der römischen

Bürger. Das Antragstellungsrecht von Gesetzen, die Interzession bei Magistratshandlungen und zu

Senatsbestimmungen wurden ihm genommen.

[3] Vgl. Gelzer (1984), 56.

[4] GELZER und MEIER rechtfertigen diese außergewöhnliche Zustimmung des Senats damit, daß man

einem zurückkehrenden Sieger jetzt noch viel weniger aus seiner Sonderstellung verdrängen konnte.

Somit wurde er von der lex annalis befreit. (Vgl. Gelzer (1984), 57. Dazu auch Meier (1980), 289.

[5] Vgl. Drumann/ Groebe (1964), 401f.).

[6] Vgl. Pohl (1993), 280fff. Ders. befaßt sich intensiv mit den römischen Militätaktionen gegen die Piraten

vor der lex Gabinia, die ich hier nur kurz beleuchten kann.

[7] Bulin (o.J.) legt dar, daß sogar Probleme bei der Datierung und hinsichtlich des Urhebers der lex de

piratis

existieren (vgl. 16f.).

[8] Vgl. Christ (1993), 251.

[9] Vgl. Drumann/ Groebe (1964), 414. Dazu auch: Christ (1993), 251.

[10] Boak (1918), 12.

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Lex Gabinia (67 v.Chr.)
Hochschule
Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover  (Historisches Seminar)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
1
Autor
Jahr
1999
Seiten
27
Katalognummer
V1407
ISBN (eBook)
9783638108744
Dateigröße
421 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pompeius, Seeräuberkrieg, Lex Gabinia, Römische Revolutionszeit, späte römische Republik
Arbeit zitieren
Miriam Riekenberg (Autor:in), 1999, Die Lex Gabinia (67 v.Chr.), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1407

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