Vom 100. ins 1000. - Faszination Etymologie

Praktisches etymologisches Arbeiten mit ausgewählten Rechtswörtern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

12 Seiten, Note: 1-


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1 Urteil

2 Meineid

3 Bestechung

4 Betrug

5 Mord

6 Diebstahl

7 Einbruch, Hausfriedensbruch

8 Körperverletzung

9 Ehe, Ehebruch

10 Schluss

11 Bibliographie

Einleitung

Will man die Faszination von Etymologie erfahren, muss man lediglich ein etymologisches Wörterbuch zur Hand nehmen und eintauchen in die Welt der Sprachentwicklung. Schnell wird man vom 100. ins 1000. geführt. Von einem Wort wird man zum nächsten verwiesen, welches wiederum Verwandtschaft zu einem weiteren aufweist, zu dem man ein sehr ähnliches findet, was in seiner Etymologie einmal etwas ganz anderes bedeutete und folglich den Weg zu einem weiteren Wortfeld aufspannt. Faszinierend ist das und spannend und man kann sich darin zur Unterhaltung lange treiben lassen. Für eine konkrete Arbeit kann man sich aber auch sehr schnell in den Netzen der Wortgeschichten verlieren. Deshalb ist es sinnvoll, sich einen bestimmten Rahmen zu stecken oder am besten gleich nur einen ganz genau definierten Bereich zu untersuchen – die Definition eines solchen wird sich schon als schwierig genug erweisen.

Ich habe mich für diese Arbeit für den Bereich der Rechtswörter entschieden. Dies birgt einige Vorteile: Rechtsprechung und Gesetzgebung haben durch ihren normativen Charakter den Drang aufgezeichnet zu werden. Es sollten sich also gute Datenlagen ergeben. Außerdem ist bei technischen Wörtern der Bedeutungsrahmen meist sehr genau definiert. Passenderweise ist Sprachgeschichte immer auch Sprachwandel und folglich eng mit den Kategorien Bedeutungsrahmen und Technisierung verbunden.

In dieser Arbeit werde ich mich mit bei der Beschäftigung mit der Materie im genannten Rahmen besonders auffallenden Wörtern beschäftigen. Dabei habe ich solche ausgewählt, die anschaulich Zusammenhänge, Entwicklungen und Verschiebungen von Wortformen und Wortbedeutungen abbilden. Darüberhinaus ist jedem Abschnitt eine Analyse des morphologischen Wandels einzelner Wortformen angehängt. Hier habe ich mich ebenfalls auf besonders auffällige und typische Phänomene konzentriert, da eine umfassende morphologische Etymologie jedes Beispiels die im vorgegebenen Umfang der Arbeit mögliche Anzahl dieser zu stark eingeschränkt hätte.

1 Urteil

Zentral für jedes Rechtssystem ist das, was am Ende eines Rechtsprozesses heraus kommt: Ein Urteil. Dementsprechend möchte ich bei meinen Untersuchungen mit den in der germanischen, bzw. deutschen Geschichte hierfür verwendeten Begriffen beginnen. Zugleich lassen sich wie erhofft, schon bei diesem ersten Begriff neben morphologischen Wandlungen auch semantische Veränderungen erkennen, die weit über den eigentlichen Begriff hinaus gehen.

Vom g. *dōma für „Setzung, Zustand“[1] und dem g. *dailijan für „teilen“[2] erhält sich bis ins Althochdeutsche die sprachliche Ausdrucksform ahd. tuome irteilen für „Urteil sprechen“[3]. Vergleichbares findet sich im Altsächsischen mit as. domos ādēlian[4]. Ebenso wie im as. findet sich im ahd. aber auch schon das Einzelwort ahd. urteil (as. urdēli)[5]. Darüberhinaus tritt hier auch schon die verbale Vereinfachung ahd. irteilen, welche aber noch einen sehr technischen Bedeutungsrahmen einnimmt auf.[6] Im Fortschreiten der Sprachgeschichte verfestigt sich diese Vereinfachung, so dass im Mittelhochdeutschen nurmehr mhd. urteil bzw. mhd. urteilen geläufig sind.[7] Letzteres hat sich dabei offensichtlich als Verbalform des Nomens gebildet, wohingegen die noch im ahd. gebräuchliche Form ahd. irteilen, die das ahd. tuome mitdenkt, überflüssig bzw. für die Sprecher unsinnig wurde, da mhd. urteilen eben kein Nomen mehr mitdenkt. Auch die Technisierung verändert sich bei diesem Beispiel im Laufe der Sprachgeschichte. Im heutigen Neuhochdeutschen kann alltagssprachlich jeder über jeden urteilen, so dass die ausschließliche Technisierung des Begriffes offensichtlich abgenommen hat.

Weitergehend bemerkenswert ist auch die Entwicklung von ahd. tuom. Konnte es wie beschrieben im ahd. noch als eigenständiges Nomen stehen, so wird es in der Folge zunehmend zum nhd. –tum Konfix reduziert (vgl. mhd. –tuom[8] ).

Neben diesen semantischen bzw. lexikalischen Wendungen der Sprachgeschichte, ist auch ein Blick auf den morphologischen Wandel meines Beispiels einträglich. So ist beispielsweise der Wechsel von g. /ō/ zu ahd. /uo/ sehr typisch zu beobachten. Um einen „Zusammenfall mit den Reflexen von“[9] g. /au/ zu verhindern, welches sich im ahd. zu /ou/ bzw. /ō/ entwickelt[10] wird ein phonologischer Schub ausgelöst, welcher das ursprüngliche /ō/ schließlich zu /uo/ werden lässt. Die Veränderung von g. *dōma zu ahd. tuom folgt diesem Muster. Bereits sehr früh im mhd. wurde dieser und ihm ähnliche Diphthonge wieder monophthongiert,[11] so dass mhd. –toum in nhd. –tum mündet.

Eine weitere klassische Phonemveränderung findet zwischen g. /ai/ und ahd. /ei/ bzw. as. /ē/ statt. G. /ai/ entwickelt ein Allophone /ε:/ vor /r w und X/. Dieses entwickelt sich im ahd. zu /ē/ und spaltet sich somit vom Rest des g. /ai/ Phonems ab, welches sich zu ahd. /ei/ entwickelt.[12] Bei g. daili liegt eben kein /r w oder X/ nach /ai/ vor, wodurch die Entwicklung zu ahd. irteilen folgerichtig ist. Diese Regel lässt sich auch an meinem folgenden Beispiel nachvollziehen. Zuvor lässt jedoch aufmerken, dass as. ādēlian mit seinem /ē/ offensichtlich die Regel umkehrt bzw. anderen Regeln folgt, welche zu näherer Betrachtung einladen, den Rahmen dieser Arbeit jedoch sprengen würden. Hier sei dieser Unterschied des as. nur angemerkt, was im Übrigen auch bei meinem nächsten Beispiel zu tun ist.

2 Meineid

Etymologisch interessant bei diesem Beispiel ist zunächst, dass aus zwei g. Wörtern ein nhd. Wort entstanden ist, ohne dass dabei wie bei Urteil eines ganz verschwunden wäre. Aus g. *maina für „gemein, falsch“[13] und g.*aiþa[14] entwickelte sich ahd. meineid und schließlich nhd. Meineid, wobei noch zu mhd. Zeit mit mhd. meiner eit zwei Worte möglich waren.[15] Im ags. hatte mæne āð schon früh technische Bedeutung.[16] As. mēnēth[17] zeigt daneben eine frühe Verschmelzung der beiden Wortbestandteile.

[...]


[1] Köbler, S 411

[2] ebd., S. 403

[3] Kluge, URTEIL*

[4] ebd.

[5] ebd.

[6] ebd.

[7] Köbler, S. 423

[8] Kluge, -TUM

[9] Szulc, S. 97

[10] ebd., S. 96

[11] ebd., S.149

[12] Szulc, S. 96

[13] Kluge, MEINEID

[14] Köbler, S. 97

[15] Kluge, MEINEID

[16] Munske, S. 63f

[17] ebd., S. 272

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Vom 100. ins 1000. - Faszination Etymologie
Untertitel
Praktisches etymologisches Arbeiten mit ausgewählten Rechtswörtern
Hochschule
Universität des Saarlandes  (Germanistik)
Veranstaltung
Etymologie
Note
1-
Autor
Jahr
2009
Seiten
12
Katalognummer
V140674
ISBN (eBook)
9783640488353
ISBN (Buch)
9783640488513
Dateigröße
446 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Etymologie, Einführung, praktische Anwendung, Lautgesetze, Beispiel, Rechtswörter, Missetat, Ehebruch, Mord, Betrug, Hausfriedensbruch, Einbruch, Urteil, Meineid
Arbeit zitieren
Andreas Hackert (Autor:in), 2009, Vom 100. ins 1000. - Faszination Etymologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140674

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