Identitätskonflikte auf Martinique und Guadeloupe


Bachelorarbeit, 2006

62 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die historische Entwicklung der französischen Antillen
2.1 Von den Anfängen der Kolonisierung bis zur Einführung der Sklaverei
2.2 Die Zeit der Sklaverei
2.3 Die französische Revolution auf Martinique und Guadeloupe
2.4 Die Abschaffung der Sklaverei

3. Die Gesellschaft als Kollektiv von Individuen
3.1 Das Paradoxon des sozialen Individuums
3.2 Der Identitätsbildungsprozess

4. Antillanische Identität im Spiegel der Geschichte
4.1 Selbst- und Fremdbilder in und aus der Pflanzergesellschaft
4.2 Das Phänomen der Métissage

5. Kreolisierung und Einwanderung nach
5.1 Die Inder
5.2 Einwanderer aus Ostasien
5.3 Syrer und Libanesen
5.4 Interethnische Beziehungen
5.4.1 Die Haltung der Schwarzen gegenüber den Indern
5.4.2 Die Beziehung zwischen Békés und Indern
5.4.3 Das Spannungsverhältnis zwischen Schwarzen und Weißen

6. Das frankokaribische Selbstverständnis
6.1 Négritude
6.2 Antillanité
6.3 Créolité
6.4 Die Sprache als identitätsbildender Faktor
6.5 Ergebnisdarstellung einer Studentenbefragung

7. Schlussgedanken

8. Quellenverzeichnis

1. Einleitung

Die karibischen Inseln und deren Bewohner sind seit je her Objekt zahlreicher Umschwünge, die sich auf kultureller, sozialer und wirtschaftlicher Ebene abspielen. Dies ist in erster Linie auf den kontinuierlichen Einfluss der Europäer zurückzuführen, in deren Augen die Antillen nach wie vor einen Raum zu Verwirklichung von Eigeninteressen darstellen. Geradezu symbolisch hierfür steht die Ausbeutung natureller und menschlicher Ressourcen, so wie sie während der Kolonisierung statt gefunden hat. Mit der Abschaffung der Sklaverei in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wurde schließlich die Grundlage für eine schrittweise Loslösung vom Einfluss der Kolonialmächte geschaffen, was in vielen Fällen bis zur Erklärung der Unabhängigkeit führte. Die Antilleninseln Martinique und Guadeloupe konnten jedoch nie vollständig aus dem Schatten der Kolonialmacht heraustreten. Im Jahre 1946 wurden sie zu „Départements d’Outre Mer“ (DOM) und damit zu einem Teil der französischen Republik. Diese Zugehörigkeit bedeutete für die Inseln eine fast uneingeschränkte Abhängigkeit gegenüber der Pariser Regierung, welche auch die Ebenen der identitätsprägenden Faktoren Sprache und Kultur betraf. Obwohl die französischen Antillen mittlerweile auf bestimmten Gebieten über eine gewisse Teilsouveränität verfügen, ist das Verhältnis der Antillaner zum „Mutterland“ nach wie von dem Gefühl der Abhängigkeit geprägt. Die omnipräsente Dominanz Frankreichs ist in allen Bereichen des öffentlichen Lebens wahrzunehmen. Strebt ein Antillaner eine Karriere in Wirtschaft oder Politik an, dann muss er zwangsläufig die französischen Kulturstandards übernehmen, welche oft im Widerspruch zu seiner eigentlichen „Ich-Identität“ stehen. Der sich daraus ergebende Identitätskonflikt steht charakteristisch für das Problem antillanischer Selbstfindung. Um dem antillanischen Volk zur Entwicklung einer würdevollen „Wir-Identität“ zu verhelfen, hat es sich ein kleiner Kreis antillanischer Schriftsteller und Intellektueller zu Aufgabe gemacht, mit dem Verfassen von Identitätskonzepten eine Ausgangsbasis für die Selbsterfassung zu schaffen.

Es gilt jedoch zu prüfen, ob bzw. inwiefern diese Konzepte tatsächlich eine geeignete Identifikationsbasis für die Bevölkerung Martiniques und Guadeloupes bieten, und damit langfristig das Entstehen von Identitätskonflikten verhindern können.

Die historischen Umstände, welche zur Entstehung der heutigen Gesellschaften Martiniques und Guadeloupes geführt haben, stellen deren Mitglieder vor zahlreiche Hindernisse bezüglich ihrer kollektiven Identifizierung.1

Der erste Teil dieser Arbeit widmet sich daher einer ausführlichen Darstellung der geschichtlichen Hintergrunde, welche die beiden Inseln zu französischen Überseedepartements werden ließen. Dabei soll insbesondere auf die Zeit der Kolonisierung und der Sklaverei eingegangen werden, in der ein Menschenbild entstand, dessen Existenz als eine Hauptursachen für die Entstehung antillanischer Identitätskonflikte gilt. Im weiteren Verlauf soll auf die Struktur des hier zu behandelnden Identitätsträgers eingegangen werden: Auf einen sozialpsychologischen Exkurs folgt die Untersuchung identitätsprägender Ereignisse, und deren Auswirkungen auf die Konstitution der antillanischen „Wir-Identität“. Am Ende der Arbeit werden schließlich die Identitätskonzepte erläutert, welche zusammen mit der kreolischen Sprache zum Selbstverständnis der Antillaner beitragen.

2. Die historische Entwicklung der französischen Antillen

Als Christoph Kolumbus Ende des 15. Jahrhunderts im Auftrag der spanischen Krone die karibische Inselgruppe erforschte1, konnte wohl noch niemand ahnen, was für eine Bedeutung dieser Akt einmal für die zukünftige Entwicklung dieser Region haben würde. Schließlich begann mit der Ankunft der Europäer auf amerikanischem Boden eine lange Periode grausamer Unterdrückung und Gewaltherrschaft. Die Eroberungszüge der europäischen Kolonialmächte basierten zu jener Zeit auf dem Wunsch nach einer weltweiten Christianisierung, sowie auf dem Gedanke der Förderung des königlichen Wohlstandes. Was die französischen Antillen betrifft, so waren sie dabei Austragungsort eines ständigen Machtkampfes zwischen herrschender und beherrschter Klasse, welcher sich wie ein roter Faden durch die antillanische Geschichte zieht.

2.1 Von den Anfängen der Kolonisierung bis zur Einführung der Sklaverei

Nachdem die Spanier unter der Führung Kolumbus’ mehrere Entdeckungsreisen unternommen hatten, errichteten sie in der Karibik ihre ersten Siedlungen. Mit der Zeit begannen auch die Engländer, sowie die französischen und niederländischen Kolonialmächte damit, sich für die Eroberung der Antillen zu interessieren. Dabei standen, neben der Schwächung des übermächtigen Spaniens, vor allem die wirtschaftliche Nutzung der naturellen Ressourcen, sowie handelspolitische Absichten im Vordergrund. Die Vorherrschaft in der Karibik sollte durch heftige Seegefechte zwischen den europäischen Kolonialmächten entschieden werden.

Die Kolonialisierung der Antillen durch die Franzosen begann mit der Besiedlung der Insel St. Christoph im Jahre 1625. Das nur 176 km² messende Eiland wurde jedoch schon zwei Jahre zuvor von den Engländern zur Hälfte in Besitz genommen. Die französischen Eindringlinge unter der Führung des Schiffsleutnants Pierre Belain d’Esnambuc waren also dazu genötigt, sich die Insel mit den englischen Eroberern zu teilen.2 Das Vorhaben des französischen Leutnants, auf den Antillen Siedlungen zu errichten, sollte sehr bald in die Tat umgesetzt werden. Die Kolonisierungspläne fanden ihre Verwirklichung mit der Gründung der 1635 von Kardinal Richelieu gegründeten Compagnie des Iles d’Amérique.3 Damit wurde für die Franzosen die Grundlage für die Kolonisierung der kleinen Antillen geschaffen.

Noch im selben Jahr begannen sie mit der Besiedlung Martiniques und Guadeloupes. Für die landwirtschaftliche Nutzung der beiden Inseln, sollten innerhalb von 20 Jahren 4000 Siedler vom französischen Festland angeworben werden.4 Außerdem plante man, die karibischen Ureinwohner als Arbeitskräfte einzusetzen. Als eine große Hilfe erwiesen sich die Siedler St. Christophs, welche schon an die extremen klimatischen Bedingungen gewöhnt, und daher mit der Bewirtschaftung tropischer Gebiete vertraut waren. Aufgrund ihrer langjährigen Erfahrung und Inselkenntnis übergab man an zwei dieser Siedler das Oberkommando für die Kolonisierung. Es handelte sich hierbei um Jean du Plessis und Charles Liénard.

Im Juni 1635 ging die französische Flotte in „Fond Laillet“ auf Martinique vor Anker. Nach einem kurzen Aufenthalt von nur drei Tagen zogen sie direkt nach Guadeloupe weiter.5 Dort angekommen, stellte sich für du Plessis die Frage nach dem richtigen Umgang mit dem dort lebenden Volk der Kariben.6 Aufgrund seines toleranten und anpassungsfähigen Wesens gelang es ihm, in „relativer“ Harmonie mit ihnen zu leben. Liénard hingegen zeigt sich weniger versöhnlich. Sein Verhältnis zur indigenen Bevölkerung war eher spannungsgeladen.7 Für die ersten Siedler war das Leben auf den Inseln eine schmerzliche Erfahrung. Sie hatten unter großen Hungersnöten und Epidemien zu leiden, weshalb sie von der Großzügigkeit der Kariben abhängig waren, die sich mit den Erträgen aus ihren Pflanzungen am Leben hielten. Obwohl sie die Siedler an ihrer Ernte teilhaben ließen, begann Liénard damit, die Pflanzungen von seinen Leuten besetzen8 zu lassen, wodurch sich das Verhältnis zur den Kariben noch zusätzlich verschärfte. Als den Kariben klar wurde, dass sich die Franzosen langfristig auf ihren Inseln niederlassen wollen, fühlten sie sich bedroht, und die anfängliche Gastfreundschaft wandelte sich immer mehr in Misstrauen und Feindseeligkeit.9 Die Konflikte zwischen Franzosen und Eingeborenen nahmen zu. Letztere besaßen die für die für die Siedler so wichtigen Böden, ohne die keine landwirtschaftliche Nutzung stattfinden, beziehungsweise die herrschende Hungernot nicht bekämpft werden konnte. Man war sich darüber im Klaren, dass die Kolonisierung von nun an kriegerische Maßnahmen erforderte. Obwohl sie durch ihre Lebensmittelversorgung vielen Franzosen das Leben gerettet hatten, führte Liénard auf Guadeloupe einen grausamen Krieg gegen die Kariben, welche sich in Guerillas organisierten und den Gegner mit gezielten Attacken empfindlich trafen. Die andauernde Bekämpfung der Kariben führte sogar so weit, dass dieses Volk beinahe komplett ausgerottet wurde. Heutzutage gibt es auf den Das Zusammentreffen mit den Kariben schildert Nicolas (1996: S.52) hingegen als eher positiv. Er beschreibt sie als „…Caraïbes qui n’auraient pas marqué d’hostilité. “.

Antillen nur noch ein einige hundert Kariben, welche sich auf den Inseln Dominica, St. Vincent, sowie auf Marie-Galante befinden.10

Zu dieser Entwicklung trugen vor allem auch die Machtwechsel innerhalb der Führung der Compagnie des Îles d’Amérique bei. Liénard und du Plessis wurden durch Charles Houël ersetzt, der für sein hartes Vorgehen gegen die Kariben bekannt war. Während auf Guadeloupe Kriegsstimmung herrschte, versuchte man auf Martinique den Konflikt mit einer Teilung der Insel beizulegen. Dort wurde inzwischen Jacques Dyel du Parquet zum Lieutenant - Gouverneur ernannt.11 Der Teilungsvertrag sicherte den Kariben die dem Atlantik zugewandte Inselhälfte, während sich die französischen Siedler der Karibikküste bemächtigten. Die drohende Gefahr eines Krieges konnte vorerst abgewannt werden, was zumindest auf Martinique für einen eher „friedlichen“ Ablauf der Kolonisierung sorgte. Dieser Zustand hielt jedoch nicht sehr lange an. Auf den umliegenden Inseln gab es immer öfter Angriffe gegen die Kariben, wobei auch deren Häuser geplündert und ihre Frauen vergewaltigt wurden. Diese wiederum reagierten mit Massakern an Franzosen. Der Krieg forderte zahlreiche Opfer auf beiden Seiten. Für den Zuckeranbau benötigten die aus Frankreich kommenden Siedler immer größere Landflächen, weshalb man beschloss, die Kariben von den Inseln zu vertreiben. Als diplomatisch erwies sich in diesem Zusammenhang der Gouverneur Aubert, dem im Anschluss an Poincy die Vertretung auf Guadeloupe überlassen wurde. Es gelang ihm 1641 bei einem Abstecher auf Dominica, mit den Kariben einen Friedensvertrag auszuhandeln. Dieser beinhaltete die Forderung, dass die Kariben von nun an auf Dominica und St. Vincent in Frieden leben dürfen. Mit dieser Übereinkunft wurde gleichzeitig die Grundlage für eine profitable Kolonisierung Guadeloupes geschaffen. Schließlich ging es darum, Guadeloupe zur „Capitale des Iles du Vent“12 zu machen. Auf Martinique war von derlei Friedensbemühungen jedoch noch nichts zu spüren. Dort breitete sich langsam der Gedanke aus, die Kariben von der ihnen zugesicherten Inselhälfte zu vertreiben. Die militärisch weit überlegenen Franzosen lieferten sich mit den Kariben zahlreiche blutige Gefechte. Ein Beispiel dafür ist das Massaker von 1658, bei dem eine Gruppe von 15 Kariben bei ihrem Aufenthalt in der Nähe St. Pierre den Tod fand.13 Der Ort an dem das Massaker statt fand, trägt heute den Name „Tombeau des Caraïbes“. Innerhalb weniger Monate wurden sämtliche Kariben Martiniques entweder getötet, oder zur Flucht auf die Nachbarinseln gezwungen. Damit waren stand auch auf Martinique der Kolonisierung nichts mehr im Wege.

2.2 Die Zeit der Sklaverei

Inzwischen war man mit der Bepflanzung der Inseln immer weiter fortgeschritten. Der Zuckerrohranbau hatte sich mittlerweile auch in der französischen Karibik durchgesetzt, wohingegen der Tabakanbau immer mehr an Bedeutung verlor. Daraus entwickelte sich ein dem Produktionsprozess angepasstes Gesellschaftsmodell: die „société d’habitation“. Da es auf den Inseln im Gegensatz zum französischen Festland nur wenige Adelige gab, machte sich die Klassenzugehörigkeit vor allem am Ausmaß des Wohlstandes fest. An der Spitze dieser ökonomischen Hierarchie standen die Kolonialherren bzw. die „grands blancs“, welche größtenteils aus der Bourgeoisie der nordfranzösischen Hafenstädte stammten. Sie waren der Handelspolitik der „Compagnie des Iles d’ Amérique“ unterstellt, die sie mit der Bewirtschaftung großer Ländereien beauftragte. Zur Unterhaltung dieser „habitations“14, benötigte man zahlreiche Bedienstete. Die Klasse der „grands blancs“ bestand aus einigen wenigen wohlhabenden Familienklans, in welche man entweder geboren wurde, oder in sie hineingeheiratet hatte.

Der Großteil der europäischen Siedler stammte jedoch aus den ärmeren Schichten der französischen Gesellschaft. Die Überseekolonien waren ein Anziehungspunkt für gescheiterte Existenzen. Die ausgefeilte Propagandamaschinerie der „Compagnie des Iles d’Amérique“ weckte in vielen die Hoffnung auf ein besseres Leben in der Karibik. Dort angekommen, wurden sie jedoch schnell eines Besseren belehrt: Ein Dreijahresvertrag verpflichtete sie zur Abarbeitung ihrer Reisekosten unter härtesten Bedingungen. Den „grand blancs“ unterstellt, fristeten sie als „engagés“ ein jämmerliches Dasein.15 Seite an Seite mit den ersten aus Afrika eingeschifften Sklaven arbeiteten sie auf den Plantagen und „habitations“ Guadeloupes und Martiniques.16 Bald reichte jedoch die Anzahl der freiwilligen „éngages“ nicht mehr aus, um den Bedarf an Arbeitskräften zu decken. Man verschiffte deshalb auch Herumtreiber und jugendliche Kleinkriminelle. Hinzu kamen flüchtige Protestanten, welche im katholischen Frankreich mit einer harten Bestrafung zu rechnen hatten.17 Nach Erfüllung des Dreijahresvertrages hatten die „petits blancs“ die Möglichkeit, ein Stück Land zu bewirtschaften, was ihnen teilweise kostenfrei zur Verfügung gestellt wurde. Manche ließen sich darauf ein, wobei sie sich oft der Hilfe von ein oder zwei schwarzen Sklaven bedienten. Der Großteil jedoch von ihnen machte entschloss sich jedoch für eine Rückkehr nach Frankreich. So kam es, dass die Zahl der „engagés“ zwischen 1671 und 1678 um ca. vier Fünftel sank. Die Anzahl der Neuzugänge an afrikanischen Sklaven nahm hingegen in beträchtlichem Maße zu.

Der Grundstein für die Verschleppung von Afrikanern auf die französischen Antillen, wo sie schließlich als Sklaven auf den Plantagen arbeiten sollten, wurde im Prinzip schon mit der Ankunft Kolumbus’ in der Karibik gelegt. Schon allein die Grundhaltung der spanischen Eroberer gegenüber dem Volk der Kariben, ließ auf die potentielle Bereitschaft zu solch einer Tat schließen.18 Da sich die wenigen übrig gebliebenen Kariben nicht für die harte Arbeit auf den Feldern eigneten, suchte man nach Alternativen. Daher beschlossen die Franzosen, dem Beispiel der Spanier und Portugiesen zu folgen, indem sie schwarze Sklaven19 von den Küsten Westafrikas kauften. Ein „commerce triangulaire“ zwischen Europa, Afrika und den kleinen Antillen sollte den französischen Handelsherren die erhofften Gewinne einbringen. Die Anzahl der deportierten Sklaven stieg bald bis in die Hunderttausende.20 Neben den gesundheitlichen Belastungen hatten die Afrikaner, welche nun zu Sklaven waren, unter den Folgen der „déracinement“21zu leiden.

Diese Sklaven standen am untersten Ende der Hierarchie der Pflanzergesellschaft. Sie wurden somit von den weißen Siedlern in jeder Hinsicht dominiert. Je nach körperlicher Beschaffenheit, Alter und Geschlecht dienten sie den Franzosen in den entsprechenden Arbeitsbereichen. Dabei erging es im Allgemeinen den Haussklaven besser als den Sklaven, die für die harte Arbeit auf dem Feld bestimmt waren. Besonderes „Glück“ hatten die Afrikaner, die nicht für die Sklavenarbeit missbraucht wurden. Diese „libres de couleur“ waren meist Mulatten, d.h. die Kinder von weißen Siedlern und schwarzen Sklavinnen. Normalerweise wurden die Kinder der Sklavinnen selbst zu Sklaven und dem „Besitzer“ dieser Sklavin unterstellt. Wenn dieser jedoch der Vater des Kindes war, verzichtete er jedoch normalerweise auf die Anwendung dieses Gesetzes. Die Mulatten waren zwar in diesem Fall von der Sklavenarbeit befreit22, konnten jedoch aufgrund ihrer Hautfarbe und den damit verbundenen Stigmatisierung niemals den Status eines Franzosen erreichen. In der Pflanzergesellschaft galt die weiße Hautfarbe als Privileg. Schwarze wurde als minderwertige Wesen angesehen. Diese Ansicht war übrigens auch unter der schwarzen Bevölkerung weitestgehend verbreitet, was einerseits eine Komplexbildung, und andererseits eine Glorifizierung des weißen Franzosen zur Folge hatte. Je heller die Hautfarbe, desto größer waren auch die Chancen auf einen gesellschaftlichen Aufstieg. In der Hoffnung ein weniger schwarzes Kind zu gebären, ließen sich viele dunkelhäutige Frauen auf eine Beziehung mit einem französischen Siedler ein.23 Eheschließungen zwischen Weißen und Schwarzen waren anfangs zwar eher selten, kamen jedoch seit Beginn der Kolonialisierung vor.

Die unmenschlichen Arbeits- und Lebensbedingungen, denen ein Sklave zu jener Zeit ausgesetzt war, fanden schließlich ihren Ausdruck in dem im Jahre 1685 veröffentlichten Code Noir24, einem Gesetzestext der das Verhältnis zwischen Sklavenhalter und Sklave festlegen sollte. Es wäre falsch zu glauben, dass das die Sklaven sich ihrem grausamen Schicksal einfach fügten. Die erste Widerstandsbewegung entwickelte sich schon 1654, als man sich mit den Kariben in Saint-Pierre (auf Martinique) zusammenschloss um gegen die französischen Besatzer Hierzu ein Auszug des C.N.: „…obligation de baptiser et d’instruire les esclaves dans la religion catholique; interdiction de faire travailler les dimanche et fêtes, condamnation à deux milles livres de sucre les hommes libres qui auront eu des enfants avec des esclaves (confiscation de l’esclave et des enfants adjugés à l’hôpital), l’esclave ne peut se marier sans l’autorisation du maître, les enfants nés d’une esclave sont esclaves L’esclave ne peut rien posséder qui ne soit à son maître, son témoignage en justice n’a pas de valeur, il ne peut citer en justice ; s’il frappe son maître ou sa maîtresse ou leurs enfants, il sera puni de mort ; même châtiment s’il frappe un homme libre...le maître qui tue un esclave peut être poursuivi. Les esclaves sont meubles : ils doivent suivre le sort de leur Habitation, en cas de vente, de succession. Les maîtres âgés de vingt ans pourront affranchir leurs esclaves qui pourront jouir des mêmes droits dont jouissent les personnes nées libres, etc. “ Zitiert in Nicolas (1996: S. 174). abzutreten. Von da an gab es immer wieder Sklavenrevolten. Die „marrons“, so die Bezeichnung für aufständige Sklaven, nutzten außerdem das Mittel der Flucht um gegen die herrschende Unterdrückung zu protestieren und ihr Leben, soweit dies möglich war, in Freiheit zu führen. Das nur schwer zugängliche und von dichtem Urwald bewachsene Innere der Inseln, bot für die flüchtigen Sklaven ein geeignetes Versteck. Die „marronage“ war jedoch für den Sklaven ein riskantes Unternehmen. Der Code Noir legitimierte sogar die Tötung des Sklaven im Falle eines dritten Fluchtversuches.

Zu Beginn des 18. Jahrhunderts gab es auf den kleinen Antillen weit mehr Sklaven und „noirs libres“ als weiße Siedler.23 Mit der Ausdehnung des Sklavenhandels steigerten sich sowohl die Gewinne der französischen Handelskompanien, als auch die Profite der Sklavenhändler selbst. Dadurch, dass den Siedlern immer mehr Arbeitskräfte zu Verfügung standen, konnte man sich auf den profitablen Anbau von Zuckerrohr und Indigo konzentrieren. In wirtschaftlicher Hinsicht war das 18. Jahrhundert für die Franzosen eine Ära großer Erfolge. Während einer 30 Jahre langen Periode des Friedens hatte sich die wirtschaftliche Situation stabilisiert. Der Handel florierte, und die Bevölkerungszahlen der französischen Antillen hatten sich innerhalb dieses Zeitraums verfünffacht. Mit dem Aufkommen der Kriege zwischen Franzosen und Engländern erlitt diese Entwicklung jedoch erste Rückschläge. Der 7-jährige Krieg (1756-1763) hinterließ auch in der Karibik, dem Austragungsort europäischer Konflikte, seine Spuren. Im Kampf gegen die Franzosen gelang es den Engländern 1759 Guadeloupe für sich in Besitz zu nehmen.24 Im Jahre 1762 folgte schließlich die Eroberung Martiniques. Durch den Pariser Friede waren die beiden Inseln jedoch schon ein Jahr später wieder im Besitz der Franzosen. Zunächst galt es, das System der Sklaverei dort wieder zu festigen. Bei diesem Vorhaben standen der französischen Kolonialmacht jedoch die gesellschaftlichen Umbrüche in Frankreich im Wege, welche den Beginn einer Revolution ankündigen sollten. Die aufklärerischen Gedanken der Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit fanden ihren Weg über den Atlantik, bis ins Bewusstsein der Sklaven Guadeloupes und Martiniques.

2.3 Die französische Revolution auf Martinique und Guadeloupe

Obwohl der Bildungsstand unter der schwarzen Bevölkerung aufgrund der Versklavung relativ niedrig war, nahmen sie die revolutionären Ideen auf um sich über ihre Situation bewusst zu werden. Durch den regen Schiffsverkehr war man in der französischen Karibik über alles informiert, was in der französischen „Métropole“ vor sich ging. Schritt für Schritt kam in ihnen die Hoffnung auf, wieder die freiheitlichen Rechte genießen zu können, die sie einmal vor ihrer Entführung aus Afrika besaßen.25 Es ging ihnen dabei zunächst eher um das Erlangen von politischen Rechten (Wahlrecht, Recht auf Parteigründung…) als um eine völlig neue Gesellschaftsordnung. In diesem Bestreben wurden sie teilweise von pro-revolutionären „petit colons“ unterstützt.26 Während es auf den Antillen vereinzelt zu Sklavenaufständen kam, wurde in Paris vor allem mit politischen Mitteln für die Abschaffung der Sklaverei gekämpft. Eine wichtige Rolle spielte dabei die „Société des Amis des Noirs“, welche es sich zum Ziel gesetzt hatte, mithilfe schriftlicher Veröffentlichungen die Sklavenbefreiung voranzutreiben, und sie damit an der Revolution teilhaben zu lassen.27 Laut Abenon vernachlässigten sie allerdings das wesentliche Problem der Sklaven, nämlich die Nichtrespektierung ihrer Menschenrechte.28 Der Grund dafür lag in der einfachen Tatsache, dass man, selbst in gebildeten Kreisen, die Schwarzen nicht als vollwertige Menschen ansah, sondern eher als eine Art affenartige Wesen, die man erst noch erziehen müsse. Infolgedessen traute man ihnen nicht zu, mit einer Abschaffung der Sklaverei und dem damit verbundenen Freiheitsstatus umgehen zu können. Es sei notwendig, so die Haltung der „Société des Amis des Noirs“, die Schwarzen auf ihre Freiheit vorzubereiten.29

Die Nachricht vom Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 erreichte Martinique aufgrund der großen Entfernung erst ca. 2 Monate später. Dort begann die Revolution mit einem Sklavenaufstand in St Pierre, dem kulturellen Zentrum Martiniques, wo die Publikationen der „Société des Amis des Noirs“ großen Anklang gefunden hatten. Unter den Sklaven wurde Hoffnung auf eine Befreiung immer größer. Davon zeugt z. Bsp. der Inhalt eines der vielen Bittbriefe, der an den Gouverneur Vioménil gerichtet waren:

„Nous terminons nos réflexions, en vous déclarant que la nation entière des esclaves noirs réunie ensemble ne forme qu’un même vœu, qu’un même désir pour l’indépendance, et tous les esclaves d’une voix unanime ne font qu’un cri, qu’une clameur pour réclamer une liberté qu’ils ont justement gagnée par un siècle de souffrances et de servitudes ignominieuses. “30

In ihrem Streben nach Freiheit lehnten sich immer mehr Sklaven gegen die aus Multatten und Weißen bestehende Oberschicht auf. Aus kam zu zahlreichen blutigen Auseinandersetzungen, welche sich im Juni 1790 sogar zu einem Bürgerkrieg zuspitzten. Auf Guadeloupe verlief die Revolution, zumindest in ihren Anfängen, weniger gewaltsam. Die Ereignisse in Paris führten dort zu einer Reihe politischer und wirtschaftlicher Forderungen, welche das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Basse-Terre und Pointe-à-Pitre betrafen. Die „Assemblée coloniale“ reagierte darauf mit einer umfangreichen Verwaltungsreform, welche ohne nennenswerte Konflikte durchgesetzt wurde. Über die Ereignisse auf Martinique informiert, witterte man auch auf Guadeloupe die Chance auf eine Sklavenbefreiung. Auch hier formierten sich aufständische Gruppen, sich anfangs sogar an den Kämpfen in St. Pierre beteiligten. Die Sklavenbewegung breitete sich auf Guadeloupe sehr schnell aus. Man organisierte sich vor allem in den Kommunen Capesterre, de Goyave und de Petit-Bourg. Nicht nur die schwarzen Sklaven, sondern auch die Mulatten beteiligten sich am diesem Revolten.31

[...]


1 Im psychoanalytischen Wörterbuch „Vocabulaire de la Psychoanalyse“ wird der Begriff „Identifizierung“ folgendermaßen definiert: „Processus psychologique par lequel un sujet assimile un aspect, une propriété, un attribut de l’autre et se transforme, totalement ou partiellement, sur le modèle de celui-ci. La personnalité se constitue et se différencie par une série d’identifications. “ Siehe Lagache (1990 : S.187).

1 Auf Guadeloupe stieß Kolumbus erst am 4. November 1493 im Laufe seiner zweiten Entdeckungsreise. Da er seine Reise zunächst in Richtung große Antillen fortsetzte, erreichte er Martinique erst ca. 10 Jahre später, am 15. Juni 1502.

2 Vgl. Devèze (1977: S.141).

3 Diese Handelgesellschaft entsprang aus der Umwandlung der 1626 gegründeten „Compagnie de Saint- Christoph“. Diese wiederum entstand aus einer Absprache zwischen dem Pirat Belain d’Esnambuc und Kardinal Richelieu, der sich von dem Vorhaben der Besiedlung und Missionierung St Christophs überzeugen ließ. Dabei stand vor allem der Handel mit dem französischen Festland (Richelieu setzte hauptsächlich auf den Tabakanbau), sowie die Möglichkeit einer besseren Bekämpfung der spanischen Flotte im Vordergrund. Im Sinne der europäischen Expansionspolitik galt es die Vorherrschaft in der Karibik zu gewinnen, und die Spanier bekämpfen zu können, die sich auf den Karibikinseln für die Weiterreise nach Peru versorgten bzw. selbst ihre Kolonien auf den Antillen errichten wollten. Vgl. Abenon/Dickinson (1993: S.122), Devèze (1977: S.142), Butel (2002: S.25) und Nicolas (1996: S.53).

4 Das Anwerben von Siedler stellte sich als einfach und unkompliziert heraus. Die ländliche französische Bevölkerung hatte eine naive und romantisierte Vorstellung vom Siedlerdasein in der Karibik; ein Bild dass durch die propagandaartige Anwerbung der Franzosen vermittelt wurde. Die neuen Kolonien wurden zur Projektionsfläche für die Hoffnungen der französischen Bevölkerung, welche noch unter den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Religionskriege zu leiden hatte.

5 Zu den Gründen für diesen frühzeitigen Aufbruch gibt es widersprüchliche Angaben. Butel (2002: S.27/28) und Nicolas (1996: S.52) sind der Meinung, dass die Franzosen die Insel für zu bergig hielten, und deshalb mit der Besiedlung Guadeloupes beginnen wollten. Anders äußert sich jedoch Fortuné (2000: S.86f), der die Feindseeligkeit der Kariben als Grund für die frühzeitige Abreise der Siedler angibt: „Là, ils furent surpris de l’incroyable résistance que leur opposèrent les Caraïbes, aussi bien sur terre que sur mer avec leurs frêles embarcations. Les Caraïbes trouvèrent aussi un soutien dans les serpents qui infestaient l’île et qui effrayèrent les arrivants. Les nouveaux venus levèrent donc l’ancre et prirent le large. Madinina, décidément, allait-elle rester indépendante et en marge de ces remous qui secouaient invariablement toutes les Caraïbes ?“.

6 Der Kulturkontakt zwischen der karibischen Urbevölkerung und den Europäern, war seit der Ankunft letzterer in der Karibik ein schwieriges Unternehmen. Für die Spanischen Eroberer stand vor allem die Suche nach Gold im Vordergrund. Ein ernsthaftes Interesse für die karibische Kultur war nicht vorhanden. Die kulturbedingten Missverständnisse häuften sich und wurden zum Mitauslöser zahlreicher Konflikte. Zu Anfang empfingen die Kariben die europäischen Neuankömmlinge jedoch noch freundlich und hilfsbereit. So erlebt der Piratenkapitän Charles Fleury bei seiner Ankunft in einer martinikanischen Eingeborenensiedlung folgendes: „ ….et ainsi abordèrent à terre où ils furent fort humainement reçus desdits sauvages, qui les menèrent dans leurs cases, où ils les firent tant manger que la plupart ne purent revenir. “ Siehe Moreau (2002 : S.108).

7 Folgendes Zitat beschreibt die Haltung de l’Olives gegenüber den Kariben: „Voulant faire la guerre aux Caraïbes, il prétexta le vol d’un hamac, vol d’alleurs largement compensé par le dépôt de vivres et de valeurs correspondante, pour ouvrir les hostilités et ce malgré les interventions de du Plessis et du P. Breton. “ Siehe Abenon (1992: S.27).

8 Vgl. Butel (2002: S.31).

9 Vgl. Fortuné (2000: S.88) und Nicolas (1996: S.55). 7

10 Vgl. Abenon und Dickinson (1993: S. 130).

11 Du Parquet war der Neffe d’Esnambucs. Dieser überließ ihm kurz vor seinem Tod im Juli 1636 alle Besitzrechte für Martinique.

12 Siehe Abenon (1992: S. 29).

13 Vgl. Nicolas (1996: S. 83).

14 Als „habitations“ bezeichnete man die großen Anwesen, auf denen die „grands blancs“ lebten und herrschten. Sie stellten sowohl deren Wohnsitz dar, als auch eine Produktionsstätte, die durch Sklavenarbeit betrieben wurde. Neben dem Haus des Siedlers, befanden sich dort außerdem die bescheidenen Hütten der Sklaven, sowie Mühlen, Zuckerfabriken oder andere Betriebe.

15 Zu den Lebensbedingungen der „engagés“: „Il habite une case en bois ou de torchis couverte de feuilles de palmiste ou de canne. Le vêtement est fruste : veste et culotte de toile grise. Ils vont pieds nus ; quand il y a des souliers, ils sont réservés pour la messe du Dimanche et pour les fêtes. La nourriture se compose de cassave, de bananes, de patates et d’un peu de viande salée. En cas de pénurie dans l’île, les maîtres en profitaient pour réduire les rations. L’engagé travaille du lever au coucher du soleil…“ Vgl. Nicolas (1996: S. 62).

16 Nach Chaleau (1973: S.39) waren die große Mehrheit der Sklaven Afrikaner. Unter ihnen fanden sich jedoch kurzweilig auch Brasilianer und von den Kariben ausgelieferte Gefangene. Diese ersten Kontakte zwischen französischen Siedlern und Sklaven kündigten die eine neue Stufe eines Kreolisierungsprozesses an, der seine Ursprünge in der Entdeckung Amerikas und dem damit verbundenen Zusammentreffen von weißen Siedlern und Eingeborenen Kariben und Arawaks hat. Dieser Begriff wird von Bernabé, Chamoiseau und Confiant in ihrem „Eloge de la créolité“ (1993: S.30f) folgendermaßen erläutert: „…le processus de créolation, qui n’est pas propre au seul continent américain (ce n’est donc pas un concept géographique) et qui désigne la mise en contact brutale, sur des territoires soit insulaires, soit enclavés, - fussent-ils immenses comme la Guyane et le Brésil - de populations culturellement différents : aux Petits Antilles, Européens et Africains Réunis en général au sein d’une économie plantationnaire, ces populations sont sommées d inventer de nouveaux schèmes culturels permettant d’établir une relativecohabitation entre elles. “ Aus dem am Ende des Zitats erwähnten Zusammenleben verschiedener Völker, in unserem Fall dem der Franzosen und Westafrikaner, entwickelte sich das „Créole“, eine Mischsprache aus europäischen und afrikanischen Sprachelementen, welche auch heute noch auf den Antillen (vor allem im Nähebereich) gesprochen wird.

Die gemeinsame Erfahrung der Arbeit auf den „habitations“ erzwang einen beidseitigen Kulturkontakt. Damit leisteten die französischen „engagés“ zweifellos einen Beitrag zur antillianischen Kultur. Vgl. Abenon und Dickinson (1993: S.132).

17 Vgl. Nicolas (1996: S.61).

18 Kolumbus schildert seinen Eindruck von den Kariben folgendermaßen: „… ils feront de bons serviteurs. ils sont bons pour être commandés, pour qu’on les fasse travailler, planter ou faire ce qu’on voudra….on leur apprendra à s’habiller et à accepter nos coutumes. “ Zitiert in Devèze (1977: S.40). Gegenüber anderen Urvölkern scheint Kolumbus ähnliche Absichten zu haben. So schreibt Abenon (1992: S.14): „Quand Christoph Colomb découvrit Hispaniola, le pacifisme de la population taïno, de même origine que les Arawaks, son accueil ouvert furent interprétés comme des signes rendant facile la conversion et la réduction en esclavage de ses Indiens“.

19 Unter ihnen befanden sich hauptsächlich Gefangene, die gegen das dort geltende Gesetz verstoßen hatten. Sie wurden gegen Waren eingetauscht, welche die Franzosen aus ihren großen Handelshafen (vor allem Nantes und Bordeaux) mitgebracht hatten. Als der Bedarf an Sklaven stieg wurden sie massenweise von den ortsansässigen Chefs gefangen genommen und verkauft.

20 Dieser enorme Bedarf an Sklaven hatte vielerlei Ursachen: Zunächst starb ein großer Teil der Sklaven auf der langen Seereise. Diejenigen, die auf den kleinen Antillen ankamen, litten oft unter schweren Krankheiten. In den ersten Jahren der Kolonisierung starb mehr als die Hälfte der Neuankömmlinge. Die extremen Arbeitsbedingungen hatten zur Folge, dass die Sklaven im Durchschnitt nach zehn Jahren Arbeit verstarben. Außerdem zählten Martinique und Guadeloupe zu den Inseln mit der höchsten Männerrate. Was die Frauen betrifft war die Kindersterblichkeit hoch und die Empfänglichkeitsrate niedrig.

21 zu dt. „Entwurzelung“: Die Entführung der Afrikaner aus ihrem Herkunftsland kam einer seelischen Vergewaltigung gleich. Man entriss sie ihrem gewohnten kulturellen und sozialen Umfeld zwang ihnen das System der Pflanzergesellschaft auf. Vgl. hierzu Kap. 4: „.Antillanische Identität im Spiegel der Geschichte“.

22 Ein anderes Mittel um in der Pflanzergesellschaft als freier Schwarzer zu leben war ein einfacher Freikauf. Auch das Hervorstechen durch besondere Taten konnte eventuell eine Freilassung zur Folge haben. Vgl. Butel (2002: S. 158).

23 Vgl. Schnepel (2004: S.44).

24 Der von Colbert vor seinem Tod verfasste Code Noir regelte das Verhältnis zwischen Siedlern und Sklaven und war juristisch wirksam. Er beinhaltete die Rechte und Pflichten eines Sklaven gegenüber seinem Herren. Dabei betrachtete man den Sklaven als eine Art „Besitz“, über welchen man den Regeln des C.N. entsprechend verfügen konnte. Als Eigentum seines Herren war der Sklave dazu gezwungen, sich an dessen Anweisungen zu halten. Bei Regelverstößen erwarteten ihn harte Strafen. Obwohl der C.N. den Sklaven gewisse (vor allem religiöse) Rechte einräumte, war er im Grunde ein zutiefst menschenverachtendes Dokument.

23 Auf Guadeloupe im Jahre 1699 machten die Weißen nur noch ca. ein Drittel der Gesamtbevölkerung aus. Ähnlich sah es 1700 auf Martinique aus (nur 6 506 Weiße bei einer Gesamtbevölkerung von 21 579). Vgl. Abenon/Dickinson (1993: S.142).

24 Abenon (1992: S.70) stuft die Besetzung Guadeloupes durch die Engländer als sehr wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung der Insel ein. So tat man alles, um den Handel mit Europa voranzutreiben. Beispielsweise wurde damit begonnen, die durch die zahlreichen Konflikte zerstörten Gebäude wieder aufzubauen. Außerdem leistete man der Zuckerproduktion einen enormen Vorschub, indem man 40 000 Sklaven aus Afrika importieren ließ.

25 Vgl. Abenon und Dickinson (1993: S. 161).

26 Vor allem auf Guadeloupe konnten sich viele der „petit blancs“ mit den Idealen der französischen Revolution identifizieren. Sie hegten sogar eine gewisse Feindschaft gegenüber den „grand blancs“, die dieser neuen Bewegung im Wege standen und an den alten Werten festhielt. Trotz der gemeinsamen Sympathie für die revolutionäre Bewegung war das Verhältnis zwischen den „petit blancs“ und den „noirs libres“ in der Regel spannungsgeladen. Der Grund dafür war eine gewisse Konkurrenz zwischen beiden Gruppen, was die Führung im Handwerksbereich anging. Auf Guadeloupe traten die freien Schwarzen jedoch seltener als Geschäftsleute auf als auf Martinique, weshalb dieser Konflikt dort weniger ausgeprägt war. So kam es, dass die französische Revolution auch viele Anhänger auf Guadeloupe hatte, was soweit führte, das die „petit blancs“ den Gedanke einer relativen Gleichbehandlung der schwarzen Bevölkerung akzeptierten. Vgl. Abenon (1992: S.78).

27 Obwohl die Sklaven in der Regel Analphabeten waren und keines dieser Werke lesen konnten, erfuhren sie indirekt von den revolutionären Ideen der „Société des Amis des Noirs“. Dies geschah entweder durch den Kontakt mit den Schwarzen, die nach einem Aufenthalt in Frankreich auf die Inseln zurückkehrten, oder aber auch durch das Mitverfolgen der Diskussionen ihrer Herren. Vgl. Nicolas (1996: S.227).

28 Siehe Abenon (1992: S.79).

29 Vgl. Abenon/Cauna/Chauleau (1989: S.94).

30 Zitiert in Ebd. S.148.

31 Vgl. Abenon (1992: S.86).

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Identitätskonflikte auf Martinique und Guadeloupe
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
62
Katalognummer
V140114
ISBN (eBook)
9783640497164
ISBN (Buch)
9783640496914
Dateigröße
662 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Martinique, Guadeloupe, Identitäten, DOM-TOM, DOM, Kolonialherrschaft, 19. Jahrhundert, Sklaverei, Unabhängigkeit, Frankreich, Antillen, Konflikte
Arbeit zitieren
Felix Zimmermann (Autor:in), 2006, Identitätskonflikte auf Martinique und Guadeloupe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140114

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