Hesiods Erga als wirtschaftshistorische Quelle


Hausarbeit, 2009

17 Seiten, Note: 2+


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1. Einleitung

2. Der Dichter Hesiod: Leben und Werk
2.1. Vita
2.2. Das Werk von Hesiod

3. Das Ökonomische in den Erga
3.1 Hintergründe der Entstehung von diesem Gedicht
3.2 Hesiods Thesen und Ratschläge
3.2.1 Die Thesen
3.2.1.1 Die These 1: Die Rolle der Armut und die zwei Eris
3.2.1.2 Die These 2: Arbeit als Strafe
3.2.1.3 Die These 3: „Recht als Abhilfe gegen die Not“
3.2.1.4 These 4: „Arbeit als Abhilfe gegen die Not“
3.2.2 Hesiods Praktische Ratschläge…..
3.2.2.1 Die Bedeutung der Nachbarschaft. Vom Geben und Nehmen
3.2.2.2 Die Sparsamkeit und das richtige Einteilen der Vorräte...…
3.2.2.3 Verlässlichkeit und Vertrauen
3.2.2.4 Die Verschuldung von Bauern
3.2.2.5 Oikosteilung
3.2.2.6 Arbeitskalender und die bäuerlichen Arbeiten
3.2.2.6.1 Herbst
3.2.2.6.2 Winter
3.2.2.6.3 Sommer
3.2.2.6.4 Seefahrt
3.2.2.7 Die Wahl einer guten Ehefrau

4. Schluss

Quellen- und Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die archaische Epoche war eine Zeit der „stürmischen Entwicklung“[1] der griechischen Welt, in der die Hellenen – im 8. Jahrhundert noch ein „ziemlich weit zurückgebliebenes Volk am Rande der Kulturwelt“[2] – zum Ende des 6. Jh. alle am meisten entwickelten Zivilisationen jener Zeit in jederlei Hinsicht – d.h. kulturell, ökonomisch, politisch und auch militärisch – aufgeholt und sogar überholt haben.[3] Die griechische Wirtschaft erlebte seit dem ausgehenden 8. Jh. v.Chr. einen „gewaltigen Aufschwung“.[4]

Diese ökonomische Entwicklung führte logischerweise zu der Entstehung der Überlegungen über die Wirtschaft,[5] denn ein entwickeltes praktisches Handeln kann generell nicht auf Dauer ohne theoretisches Wissen auskommen. Ein der ältesten Texte, die eine große Anzahl ‚ökonomischer‘ Feststellungen zum Thema bäuerliches Leben enthält,[6] ist das epische Gedicht des boiotischen Dichters Hesiod Werke und Tage (griech. Erga kai hemerai).[7]

Die Auseinandersetzung mit diesem Werk ist der Gegenstand dieser Arbeit. Ich werde den Versuch unternehmen, am Beispiel dieses Gedichtes zu schildern, was das vortheoretische Wissen der Griechen von der Wirtschaft in der archaischen Zeit darstellte; dabei werde ich nach Möglichkeit anhand der mir zur Verfügung stehenden Fachliteratur auf den historischen Kontext summarisch eingehen, um die möglichen Hintergründe der Entstehung einzelner Gedanken zu erklären.

2. Der Dichter Hesiod: Leben und Werk

2.1 Vita

Alle Angaben zu Hesiod sind autobiographisch und stammen aus seinen beiden ersten Werken, der Theogonie und den Erga.[8] Als seine Lebenszeit wird etwa die Zeit zwischen 740 und 670 v. Chr. angenommen, geboren war er in der Siedlung Askra in Boiotien im Mittelgriechenland, gestorben auch in Askra.[9]

Von seinem Vater ist nur bekannt, dass er ein „Ostgrieche“[10] war und zwar aus Kyme in Aiolien an der Westküste Kleinasiens stammte.[11] „Er hatte Seehandel getrieben“[12], war aber nicht erfolgreich: Hesiod schreibt in den Erga 635-640, sein Vater habe Kyme wegen „bitterer Armut“[13] verlassen und sich dann in Askra niedergelassen.[14] Da lebte er als Bauer und hat einiges Vermögen erworben, das er seinen beiden Söhnen, Hesiod und Perses, hinterließ.[15] Es gibt Gründe anzunehmen, dass dieses Vermögen erheblich war.[16]

Es ist bekannt, dass Hesiod „in seiner Jugend Schafhirt am Abhang des [Berges] Helikon“[17] war; später bestellte er das vom Vater ererbte Land.[18] Die Dichtungskunst hatte er höchst- wahrscheinlich von den wandernden Dichtern (Rhapsoden) erlernt.[19] Seit etwa 720 trat er selbst als Rhapsode auf.[20]

2.2 Das Werk von Hesiod

Hesiod war ein bäuerlicher Dichter[21] und gilt als der Schöpfer der neuen Gattung des Sach-Epos (im Unterschied zum Heroen-Epos von Homer).[22] Er sah seine Aufgabe nicht darin, die fiktionalen Geschichten über die uralten Helden zu erzählen[23], sondern „Wahres zu kün-

den“,[24] im Auftrag der Musen die Menschen zu belehren[25] und ihnen den „Willen des Zeus“[26] zu verkünden.

Insgesamt gilt Hesiod als der Autor von vier großen Werken: der ‚Theogonie‘, den ‚Werken und Tagen‘(gr. Erga kai hemerai, lat. Opera et dies), dem ‚Frauenkatalog‘ (gr. Ehoien, lat. Catalogus o. Echoeae) und dem ‚Schild‘ (gr. Aspis, lat. Scutum). Die Echtheit der ersten beiden Texte ist gesichert, der ‚Schild‘ gilt größtenteils als unecht, was den ‚Frauenkatalog‘ angeht, so ist die Autorschaft von Hesiod bestritten.[27]

„Die ca. 1200 Verse umfassende Theogonie (Götterentstehung) stellt in der myth. Form die Entstehung der Welt und die Abfolge der Göttergenerationen dar.“[28] Das Gedicht ist genealogisch (nach den Göttergenerationen und -geschlechtern) strukturiert.[29] Im Unterschied zu seinen anderen Werken werden in den Erga mehrere Themen behandelt, u. a. das der Gerechtigkeit.[30] Im ‚Frauenkatalog‘ werden die sterblichen Frauen aufgeführt, die sexuelle Beziehungen mit den Göttern hatten; aus diesen Verbindungen gingen die Heroengeschlechter hervor. Der ‚Schild‘ erzählt von dem Kampf zwischen Herakles und dem Sohn von Ares Kyknos und beschreibt sehr ausführlich den Schild des Herakles.[31]

3. Das Ökonomische in den Erga

3.1 Hintergründe der Entstehung von diesem Gedicht

In den Erga beschreibt Hesiod das bäuerliche Leben aus seiner (beschränkten) Perspektive eines Bauers.[32] Im Gedicht finden sich zahlreiche Aussagen zu verschiedenen ökonomischen Themen, von denen die meisten die Regeln der Landarbeit und das bäuerliche Leben betreffen, es kommen aber auch allgemeinere Feststellungen (Thesen) vor. Anlass zum Schreiben dieses Gedichtes war der Rechtsstreit zwischen Hesiod und seinem Bruder Perses um das väterliche Erbe,[33] also eine rechtlich-ökonomische Angelegenheit. Ich halte es für nötig, zunächst diesen Fall hier kurz darzulegen, weil es meiner Meinung nach für das bessere Verständnis dieses Textes wichtig ist, den Hintergrund der Entstehung zu kennen.

Hesiod schildert den folgenden Zustand in seinem Gedicht[34]: Bei der Erbteilung sollte Perses

ihn (wohl durch die Bestechung der Richter, die Hesiod „geschenkfressende Könige“[35] nennt) übervorteilt haben.[36] Er ist aber schnell verarmt und will nun durch einen neuen Prozess noch einen Teil von Hesiods Besitz an sich ziehen. Hesiod, der nach der ersten Erbteilung schlechte Erfahrungen mit den korrupten (?) Richtern hat, will den Prozess lieber vermeiden und den Streit durch einen gerechten Vergleich beenden.[37] Er wendet sich mit diesem Gedicht an seinen Bruder (und gleichzeitig auch an die ganze Menschheit) und versucht ihn von der Bereicherung durch ungerechte Prozesse abzuraten (und gleichzeitig die Menschheit über die gerechte Lebensweise aufklären).[38]

3.2 Hesiods Thesen und Ratschläge

Die allen von Hesiod in Erga gemachten Feststellungen zu den Phänomenen, die direkt oder indirekt mit der Wirtschaft zu tun haben, kann man meines Erachtens in zwei Kategorien einteilen. Die erste (kleinere) Gruppe bilden die allgemeinen Thesen, die alle ökonomischen Aktivitäten betreffen. Sie legen die Prinzipien dar, nach denen diese Aktivitäten funktionieren, bzw. Faktoren, die sie beeinflussen. Die zweite Gruppe besteht aus zahlreichen praktischen Ratschlägen zu den einzelnen konkreten Tätigkeiten, wie etwa Saisonhandel.

Folgendes ist dabei zu beachten: Wie ich oben erwähnt habe,[39] schildert Hesiod das Leben eines kleinen Landbesitzers, der auf Land lebt,[40] fern von der (ihm fremden) städtischen Zivilisation, wo die adligen „Gabenfresser“[41] herrschen, die seine Gegenspieler sind.[42] Obgleich er eine gute ‚Ausbildung‘ durch die Musen genossen hat, ist er ein ungebildeter Bauer geblieben. Er war kein Wissenschaftler, der systematisch vorgeht und kein Philosoph, der nach der Erkenntnis strebte. Demensprechend ist seine Perspektive die eines religiösen, aber ungebildeten Bauern, der über seine Erfahrungen berichtet[43] – mehr können wir von ihm auch nicht erwarten.

[...]


[1] Fritz Gschnitzer, Griechische Sozialgeschichte von der mykenischen bis zum Ausgang der klassischen Zeit, Wiesbaden 1981, S. 49.

[2] A. a. O., S. 48.

[3] Vgl. a. a. O., S. 48f. Vgl. auch Wolfgang Schuller, Frauen in der griechischen Geschichte, Konstanz 1985, S. 24f.

[4] Vgl. Johannes Hasebroek, Staat und Handel im alten Griechenland. Untersuchungen zur antiken Wirtschaftsgeschichte, Hildesheim 1966, S. 45.

[5] Es ist hier festzustellen, dass es in der altgriechischen Sprache keinen Terminus Wirtschaft gab, denn die Griechen hatten keine Vorstellung von dem Phänomen, das wir heutzutage als ‚Wirtschaft‘ bezeichnen, sondern nur von den einzelnen Tätigkeiten. Vgl. Austin, Gesellschaft, S. 8f u. Renate Zopffel, Einleitung, in: Aristoteles, Oikonomika. Schriften zu Hauswirtschaft und Finanzwesen, übers. und erl. von Renate Zoepffel, Berlin 2006, S. 49-402, hier S. 360-364. Daraus lässt sich folgern, dass es sich um „wahres wirtschaftliches Denken oder ökonomische Analyse“(Austin, Gesellschaft, S. 9) nicht handeln kann, vgl. ebd. u. a. a. O., S. 149.

[6] Mit der oben beschriebenen Entwicklung kann Hesiods Epos vielleicht nur begrenzt in Verbindung gebracht werden, weil es auf die Anfangsphase dieser Prozesse anzusetzen ist.

[7] Vgl. Gschnitzer, Sozialgeschichte, S. 48.

[8] Vgl Walter Marg, Der Dichter, in: Hesiod, Sämtliche Gedichte, 2. Aufl., Zürich/München 1987, S. 7-10, hier S.

7.

[9] Vgl. Schönberger, Nachwort, in: Hesiod, Erga kai hemerai – Werke und Tage, gr.-dt., ed. Otto Schönberger, S. 99-117, hier S. 99f.

[10] H. Fränkel, Dichtung und Philosophie des frühen Griechentums. Eine Geschichte der griechischen Epik, Lyrik und Prosa bis zur Mitte des fünften Jahrhunderts, 3. Aufl., München 1976, S. 104.

[11] Vgl. Marg, Dichter, S. 7.

[12] Ebd. Auch der Name ‚Hesiodos‘, der heißt „der, welcher sich über die Wege (Reisen?) freut“, ist vielleicht eine Anspielung auf die Tätigkeit seines Vaters, vgl. G. Arighetti, DNP 5, Stuttgart/Weimar 1998, Sp. 506-510, hier Sp. 506, s. v. Hesiodos.

[13] Hes. erg. 637, in: Hesiod, Sämtliche Gedichte.

[14] Arighetti, DNP 5, Sp. 506.

[15] Vgl. Marg, Dichter, S. 7 u. Schönberger, Nachwort, S. 99.

[16] Vgl. Klaus Seybold, J. von Ungern-Sternberg, Amos und Hesiod. Aspekte eines Vergleichs, in: K. Raaflaub, E. Müller-Luckner (Hrsg.), Anfänge politischen Denkens in der Antike. Die nahöstlichen Kulturen und die Griechen, München 1993, S. 215-241, hier S. 219f.

[17] Schönberger, Nachwort, S. 99.

[18] Vgl. ebd. u. Arighetti, DNP 5, Sp. 506.

[19] Vgl. Schönberger, Nachwort, S. 99.

[20] Vgl. ebd.

[21] Vgl. dazu z. B. Austin, Gesellschaft, S. 48.

[22] Vgl. Schönberger, Nachwort, S. 100.

[23] Vgl. Hes. theog. 25-29, in: Hesiod, Sämtliche Gedichte.

[24] Hes. theog. 28. Das ‚Wahre‘ erfährt Hesiod von Musen, vgl. dazu Schönberger, Anmerkungen, in: Hesiod, Werke und Tage, S. 65-90, hier S. 65.

[25] Vgl. Schönberger, Nachwort, S. 100f u. Seybold, Amos und Hesiod, S. 220f.

[26] Vgl. Hes. erg. 661.

[27] Vgl. Arighetti, DNP 5, Sp. 506f.

[28] Kai Brodersen, Z. Bernard (Hrsg.), Metzler Lexikon Antike, 2., überarb. u. erw. Aufl., Stuttgart/Weimar 2006, S. 245.

[29] Vgl. Arighetti, DNP 5, Sp. 507.

[30] Vgl. a. a. O., Sp. 508f u. Schönberger, Nachwort, S. 110.

[31] Vgl. Arighetti, DNP 5, Sp. 508f.

[32] Vgl. Austin, Gesellschaft, S. 25 u. 48.

[33] Vgl. a. a. O., S. 42. Dieser Prozess war offensichtlich nur ein der wirklichen Motive, das Gedicht zu schreiben, ein anderes wäre dann seine Überzeugung, die Menschheit belehren zu müssen. Vgl. Schönberger, Nachwort, S. 102f.

[34] Vgl. Hes. erg. 27-41.

[35] Hes. erg., 39. Diese „Könige“ waren die lokalen adligen Großgrundbesitzer, die von den früheren (echten) Königen die Funktion der Rechtsprechung übernommen haben. Vgl. Schönberger, Anmerkungen, S. 66f. Hesiod nennt die Richter bestechlich, obwohl es seit homerischer Zeit das Privileg der Adligen war, die Gaben für rechtsprechende Entscheidungen zu nehmen, vgl. ebd. und auch Hom. Il. 9, 154f. Zur Rechtsordnung der homerischen und archaischen Zeit vgl. Gschnitzer, Griechische Sozialgeschichte, S. 41f u. 73ff. Zum Verhältnis zwischen der Adelsherrschaft und Monarchie vgl. u. a. P. Spahn, Mittelschicht und Polisbildung, Frankfurt am Main/Bern/Las Vegas, S. 38-46 u. J. Hasebroek, Griechische Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte bis zur Perserzeit, Hildesheim 1966, S. 34.

[36] Hes. erg. 35-41. Vgl. auch Marg, Erläuterungen zu den Erga, in: Hesiod, Sämtliche Gedichte, S. 341-374, hier S. 342f.

[37] Vgl. Marg, Erläuterungen, S. 342f.

[38] Vgl. Schönberger, Nachwort, S. 102f.

[39] Vgl. S 3.

[40] Vgl. Hasebroek, Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte, S. 33.

[41] Hes. erg. 39.

[42] Vgl. Marg, Erläuterungen, S. 350, Gschnitzer, Sozialgeschichte, S. 60-63 u. Hasebroek, Wirtschafts- und Gesellschaftsgeschichte, S. 36.

[43] Meine Auslegung des Artikels von G. Arighetti, vgl. ders., DNP 5, Sp. 506-510.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Hesiods Erga als wirtschaftshistorische Quelle
Hochschule
Universität Kassel  (FB 5, Alte Geschichte)
Veranstaltung
Ökonomische Theorien in der Antike
Note
2+
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V140038
ISBN (eBook)
9783640502783
ISBN (Buch)
9783640503094
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Griechische Wirtschaftsgeschichte, Hesiod, Erga, Ökonomische Theorien in der Antike, Archaisches Griechinland, Archaische Epoche, Wirtschaftsgeschichte
Arbeit zitieren
Wadim Immel (Autor:in), 2009, Hesiods Erga als wirtschaftshistorische Quelle, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/140038

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