Der List auf der Spur

Zum Listhandeln der Frauen in „Schampiflor“ und „Der Ritter mit den Nüssen“


Hausarbeit, 2007

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

1. Der Tatbestand zweier Mären

2. Frauen im Märe: Listhandeln oder nur ein Missverständnis?
2.1 „Schampiflor“ und die Entdeckung der List
2.2 Die Kunst der List in „Der Ritter mit den Nüssen“

3. Abschließender Vergleich beider Mären

Anhang: Bibliographie

1. Der Tatbestand zweier Mären

In den Versnovellen des späteren l3. und des l4. Jahrhunderts erscheint eine „Welt [...], in der neben den Rittern die Bürger, Kaufleute, Bauern, Schüler und Pfaffen, die listig-treulosen Ehefrauen samt ihren gewissenlosen Mägden, die Kupplerinnen und Dirnen auftreten und in trivialen Situationen und unbeschönigten Verhaltungsweisen vorgeführt werden [...]“[1]. In den Mären „Schampiflor“ und „Der Ritter mit den Nüssen“ werden vor allem diese „listig-treulosen Ehefrauen“[2] vorgeführt, in ihrer ganzen Durchtriebenheit und ihrem Einfallsreichtum, jeder noch so verfahrenen Situation zu entrinnen. Doch werden sie eigentlich wirklich „vorgeführt“[3]? Oder stehen nicht viel eher diejenigen, auf deren Kosten die Treulosen davonkommen, am Ende peinlich berührt und in ihrer Ehre entblößt da, wie bei „Schampiflor“, oder ahnungslos gefoppt wie in „Der Ritter mit den Nüssen“? Wie schaffen es diese Frauen immer wieder, den Kopf aus der Schlinge zu ziehen? Und sind sie wirklich so verdorben, wie es den Anschein hat? Schampiflor etwa ziert sich eine ganze Weile, ehe sie auf das ausgeklügelte Angebot der Kupplerin eingeht. Und „Der Ritter mit den Nüssen“ könnte doch seine Gattin einfach nur allzu sehr vernachlässigt haben?

Wir horen fagen mange wunder,

daz uf erden noch darunder

fich behutet nieman me

vor li ftiger vrouwen fpe.[4]

Hält das Märe „Schampiflor“ mit seiner Ankündigung, die beinahe einer Androhung gleichkommt, was es verspricht? Und wie ist es in „Der Ritter mit den Nüssen“ tatsächlich um die Listigkeit der Frau bestellt, an der gleich zu Anfang ein Exempel statuiert wird?

Man fol vrouwen fprechen guot;

er ist f^lec fwer daz tuot.

fumlich vrouwen kunnen vil.

Davon vernemet ein bi fpil,

wie ein ritter wart betrogen;

daz wil ich fagen ungelogen.[5]

Es soll im Folgenden darum gehen, das Listhandeln der Frau exemplarisch am Beispiel des Märes „Schampiflor“ und des Märes „Der Ritter mit den Nüssen“ zu untersuchen, d.h. genauer an den Personen der Kupplerin und Schampiflor sowie der Frau des Ritters. Dabei wird auch auf die jeweilige Motivation des Handelns und die unterschiedlichen Konsequenzen für die Beteiligten Bezug genommen.

2. Frauen im Märe: Listhandeln oder nur ein Missverständnis?

2.1 „Schampiflor“ und die Entdeckung der List

Was der Leser zuerst über Schampiflor zu hören bekommt, ist außerordentlich schmeichelhaft: sie ist hübsch, trägt schöne Kleider und ist die Frau eines ebenfalls sehr attraktiven, vermögenden Mannes, der gar „der fchon fte man den al paris ie gewan“[6] genannt wird. Vielleicht erweckt dieses beinahe schon mysteriöse Zusammenfallen so vieler vorteilhafter Umstände bei dem einen oder anderen bereits Misstrauen, wirft möglicherweise die Frage auf, weshalb sich eine Dame wie Schampiflor allein auf dem Beripont die Zeit vertreibt und nicht etwa in Begleitung ihres Mannes ist. Doch wird eine solche Fragestellung vom Märe nicht weiter verfolgt, ebensowenig wie vom ambitionierten Königssohn Rupart. Dieser lässt sich nicht von der Tatsache abhalten, dass Schampiflor sich in festen Händen befindet, ist er doch ohnehin auf „verholne minne“[7] aus. Die Verwicklung nimmt ihren Lauf und so kommt es zu einer ersten Begegnung zwischen der von Rupart beauftragten Kupplerin und Schampiflor. In diesem Märe „ist das traditionelle Figurenensemble - Ehefrau-Ehemann-Nebenbuhler – durch Nebenfiguren erweitert, deren Funktion die von ,Helfern‘ [...] ist“[8]. Die ,Helferin‘ Ruparts ist hier also die Kupplerin, die auch sogleich sogleich ihren größten Trumpf ausspielt, indem sie „ge¦mid und ture ri¦en und anders kleinotes genuc“[9] vor der noch ahnungslosen Schampiflor ausbreitet.

Bereits in dieser Handlungsreihenfolge kann ein Indiz für absichtsvolles Listhandeln gesehen werden, wenn man davon ausgeht, dass die Kupplerin Schampiflor nicht sogleich mit ihrem Anliegen verschrecken will. Das wiederum würde bedeuten, dass die Alte sich bewusst ist, mit Schampiflor an einen eher schwierigen Fall geraten zu sein, denn die Frau eines Mannes, der in dem Ruf steht, der schönste von ganz Paris zu sein, dürfte aus kupplerischer Sicht als eher ,schwer vermittelbar‘ gelten. In der Art und Weise des Vorgehens der Kupplerin äußert sich darüber hinaus ein enormes Maß an ,Menschenkenntnis‘, um diesen diffusen Begriff als das Wissen um den der Situation und der Person angemessenen Umgang mit Menschen zu gebrauchen. Die Kupplerin wirft ihren ,Köder‘ in Form von Schmuck aus, um Schampiflor in ihrer Rolle als Frau mit all ihren Neigungen und auch Schwächen zum Erliegen zu bringen. Doch da hat sie zunächst die Rechnung ohne die Tugend gemacht, oder zumindest ohne eine gewisse Widerspenstigkeit Schampiflors, sich selbst Schwächen und Bedürfnisse einzugestehen. Hier kommt zum Vorschein, was schon Wolfdietrich Rasch für die Versnovelle festgestellt hat, nämlich „dass die Menschen in den Versnovellen so geschildert werden, ,wie sie wirklich sind‘. Nicht gerade völlig verdorben und durchaus schlecht, aber voller Schwächen und meist widerstandslos gegen Versuchungen“.[10] Die Kupplerin gibt dementsprechend ihr Bestes, beschreibt Rupart mit schmeichelnden Worten und in den höchsten Tönen. Sie nutzt dafür interessanterweise dasselbe Vokabular wie vormals der Passant, den Rupart nach Schampiflor ausfragte. So werden sowohl Bilamor, der Gatte Schampiflors, und Rupart mit den Adjektiven „hove fch,, rich und milde“[11] bzw. „hove¦ch, riche, mild“[12] belegt. Dem Text ist nicht zu entnehmen, dass Rupart die Kupplerin an seinen Informationen über Schampiflors Umfeld teilhaben lässt, jedenfalls nicht mehr als für ihre Aufgabe notwendig. Das macht die Angelegenheit noch interessanter, denn die Kupplerin scheint somit instinktiv die ,richtigen‘ Worte zu finden, um Schampiflor sozusagen standesgemäß zu betören. Die guten Worte bringen die Kupplerin ihrem Ziel jedoch nicht näher, denn nach einigem Hin und Her, in dessen Verlauf die Alte in Bezug auf ihr Anliegen konkreter wird, gibt ihr Schampiflor nachdrücklich zu verstehen, dass sie kein Interesse an etwas hat, das sie schon längst besitzt, nämlich „riche kleider, fchonen man, wolleben, vroude“[13]. Das tut sie so energisch, dass dem Leser unwillkürlich das Sprichwort „Getroffene Hunde bellen“ in den Sinn kommen mag. Schampiflor nimmt das Gesuch der Kupplerin als höchste Anmaßung auf und ist sehr erbost. Das äußert sich in bösartigen Drohungen der Alten gegenüber: „ganc von mir fnel,, oder man zer fleget dir din vel!“[14]. Noch ist Schampiflor also scheinbar darauf bedacht, ihrem Gatten treu zu bleiben und dementsprechend allen Versuchungen zu widerstehen. Die heftigen Drohungen sind als Gefühlsausbrüche vielleicht daraus abzuleiten, dass Schampiflor die Absage nicht eben leicht gefallen sein könnte. Nicht umsonst begann die Kupplerin ihre Anfrage mit dem Ausbreiten der Schmuckstücke vor Schampiflor.

Auch sonst scheint die Alte mit allen Wassern gewaschen zu sein, nimmt sie doch vor dem Gespräch Schampiflor das Versprechen ab, ,offen‘ reden zu dürfen. Schampiflor kann sie deshalb nicht für ihre Dreistigkeit bestrafen und wirkt in ihrer Empörung nur umso hilfloser. So kommt die Kupplerin zwar mit dem Schrecken davon, ihrem Ziel aber nicht näher. Ob die darauffolgenden Handlungen der Alten aus der Verzweiflung heraus motiviert sind oder berechnender List zuzuschreiben sind, ist nicht auf den ersten Blick zu beantworten. Jedenfalls hält sie Rupart, den Königssohn auf Freiersfüßen, offensiv und gerade deshalb sehr geschickt hin, indem sie ihm den planmäßigen Verlauf des Auftrags versichert. Bleibt ihr etwas anderes übrig als zu lügen? Über die Konsequenzen des Scheiterns, die von Rupart ausgehen könnten, lässt sich nur mutmaßen. Den Drohungen Schampiflors ist jedoch deutlich zu entnehmen, dass ein erneuter Besuch der Kupplerin nicht ohne Risiko für die alte Frau wäre. Doch scheint diese zu allem entschlossen, denn sie kehrt zu Schampiflor zurück. Dieses so unerhörte Verhalten bringt schließlich die unvermittelte und doch für den Verlauf der Handlung unabdingbare Wendung. Schampiflor erliegt der Versuchung. Nach einem geschickt eingefügten retardierenden Moment, in dem die Alte gerade im Begriff ist zu gehen, gibt Schampiflor schließlich - und man darf wohl auch sagen endlich - ihre Zusage zu dem delikaten Arrangement. Worauf es ihr dabei jedoch ankommt, wird schnell klar, denn Schampiflor ist sogleich mit konkreten Forderungen bei der Hand: „„ge fmide guldin, edel gar von werke, von ge¦teine, gurtel, vingerlin,vur fpan reine, houbetgezierde, gut ge floufe"[15] begehrt sie als Gegenleistung fur ihre Liebesdienste.

[...]


[1] Rasch, Wolfdietrich: Realismus in der Erzählweise deutscher Versnovellen des l3. und l4. Jahrhunderts. In: Das Märe. Die mittelhochdeutsche Versnovelle des späteren Mittelalters. Hrsg. von Karl-Heinz Schirmer. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft l983. S. l5.

[2] Ebd.

[3] Ebd.

[4] Neues Gesamtabenteuer. Das ist Fr. H. von der Hagens Gesamtabenteuer in neuer Auswahl. Die Sammlung der mittelhochdeutschen Mären und Schwänke des l3. und l4. Jahrhunderts. Hrsg. von Heinrich Niewöhner. 2. Auflage bearbeitet von Werner Simon mit den Lesarten besorgt von Max Boeters und Kurt Schacks. Dublin und Zürich: Weidmann l967, S. 63.

[5] Ebd., S. l72.

[6] Ebd., S. 64.

[7] Ebd.

[8] Jonas, Monika: Der spätmittelalterliche Versschwank. Studien zu einer Vorform trivialer Literatur. Innsbruck: Institut für Germanistik der Universität l987. S. 65.

[9] Neues Gesamtabenteuer. S. 65.

[10] Rasch, Wolfdietrich: Realismus in der Erzählweise deutscher Versnovellen des l3. und l4. Jahrhunderts. S. l5.

[11] Neues Gesamtabenteuer. S. 65.

[12] Ebd., S. 66.

[13] Ebd.

[14] Ebd., S. 66.

[15] Ebd., S. 67.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Der List auf der Spur
Untertitel
Zum Listhandeln der Frauen in „Schampiflor“ und „Der Ritter mit den Nüssen“
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Germanistik)
Veranstaltung
Mitteldeutsche Mären
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V139832
ISBN (eBook)
9783640500918
ISBN (Buch)
9783640500796
Dateigröße
564 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
List-Handeln, Märe, Mittelhochdeutsch, Frauen, Der Ritter mit den Nüssen, Schampiflor
Arbeit zitieren
Franziska Rosenmüller (Autor:in), 2007, Der List auf der Spur, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139832

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