Erstellung eines Bewertungsrasters für Facharbeiten im Unterrichtsfach Deutsch der Sekundarstufe II

Theoretische Konzeption und didaktisch-methodische Umsetzung


Bachelorarbeit, 2009

41 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einführung und Problemstellung

2. Schreiben in der Sekundarstufe II
2.1 Der freie Aufsatz
2.2 Kreatives Schreiben
2.3 Abgrenzung zur Facharbeit

3. Prozess- und Produktorientierung im Aufsatzunterricht

4. Die Bedeutung der Facharbeit
4.1 Die Facharbeit in den Bundesländern
4.2 Erwartungen an ein Bewertungsraster
4.2.1 Objektivität
4.2.2 Reliabilität
4.2.3 Validität

5. Problem der Beurteilung – Bewertungsraster als Möglichkeit
5.1 Gefahren, Probleme und Störfaktoren der Beurteilung
5.2 Schreibblockaden und Überarbeitung
5.3 Messinstrumente und Bewertungssysteme
5.3.1 Die Mehrfachbeurteilung nach globalem Ersteindruck
5.3.2 Kriterienkataloge – Das Zürcher Textanalyseraster
5.4 Ein Kriterienkatalog für Facharbeiten
5.5 Die Prozessorientierung im Bewertungsraster

6. Möglichkeiten und Grenzen der Bewertungsraster

7. Literaturverzeichnis

1. Einführung und Problemstellung

Bewertungen und Beurteilungen gehören zu den alltäglichen Vorgängen, die wir, sei es bewusst oder unbewusst, vornehmen, um beispielsweise Situationen, Gegenstände oder Personen auf Nutzen, Gefahren oder den Gebrauch hin zu prüfen. Dabei greift man auf Erfahrungswerte, Kriterien, Erwartungen, Normen etc. zurück, die schließlich zur Entscheidung beitragen. Betrachtet man die Begriffe ‚Bewertung‘ und ‚Beurteilung‘ einmal genauer, so ließe sich sowohl eine begriffliche Gewichtung herstellen als auch eine sich daraus ergebende Abfolge. Den Wert einer Sache einzuschätzen heißt, diesen Vergleichbarem gegenüberzustellen. Die Bewertung könnte demnach eher aus dem Sprachgebrauch des Kaufmännischen stammen und enthält eine subjektive Seite, da jemand anderes eine abweichende Wertigkeit ausmachen könnte. Das Beurteilen hingegen ist vielmehr im juristischen Sprachgebrauch beheimatet. Ein Urteil bringt den Eindruck der Endgültigkeit mit sich. Dabei wird eine Situation hervorgerufen, die nicht so leicht veränderbar zu sein scheint bzw. rückgängig zu machen ist.[1] Eine Bewertung ist zunächst ein ordnender, vergleichender Prozess, auf den schließlich eine Beurteilung folgt, die einen entscheidenden, festlegenden Vorgang darstellt. Folgen und Konsequenzen, die aus dieser Abfolge resultieren, können unterschiedlicher Gewichtung sein. Ein sich im Nachhinein als Fehlkauf herausstellender Hauskauf zieht in der Regel größere Konsequenzen nach sich als ein Zug während einer Schachpartie, der im weiteren Verlauf zur eigenen Niederlage führt. Problematischer wird es außerdem auch dann, wenn bei einer Bewertung und Beurteilung einer Leistung Folgen für Dritte entstehen und man selbst einerseits den Bewertungs- bzw. Beurteilungsvorgang erklären und rechtfertigen muss.

In der schulischen Praxis fallen Bewertungen und Beurteilungen häufig in einer Leistung zusammen. Dabei bewertet der Lehrer den Beitrag eines Schülers oder einer Schülerin beispielsweise als ‚hilfreich“, ‚zutreffend‘ oder in ähnlicher Weise. Anschließend erteilt er dafür eine Note und schließt somit die Beurteilung ab.[2] Zensuren erscheinen Lehrkräften häufig als ein Produkt subjektiver Wahrnehmung.[3] Besonders im Unterrichtsfach Deutsch kann man Unsicherheiten bei Schülerbewertungen beobachten, weil es keine naturgegebene richtig-oder-falsch Konstellation gibt, wie z.B. in der Mathematik. Lehrerinnen und Lehrer im Deutschunterricht begeben sich dabei in eine schwierige Situation, einerseits haben sie unter den gegebenen Umständen keine andere Wahl als Zensuren zu geben, andererseits ist die eigene Situation im Urteilsprozess unklar. Aufgrund der Umstände, in die Schülerinnen und Schüler durch die Benotungen geraten können, sei es in positiver oder in negativer Hinsicht, kommt der Gewissheit des Lehrers, bei der Benotung jedes Schülers objektiv, zuverlässig und gerecht zu handeln, eine große Bedeutung zu. Verschiedene Studien zur Aufsatzbewertung haben gezeigt, dass Schüleraufsätze, die von mehreren Beurteilern benotet wurden, mit Zensuren der kompletten Notenskala versehen wurden.[4] Dadurch wird nicht nur Lehrerinnen und Lehrern vor Augen geführt, wie unterschiedlich Erwartungen, Vorstellungen und Empfindungen gerade bei der Aufsatzbewertung oder allgemein bei schriftlichen Arbeiten sein können. Eine vollkommen genaue Übereinstimmung unter Lehrkräften bei der Beurteilung schriftlicher Arbeiten wird weder erwartet noch kann sie überhaupt realisierbar sein. Die Richtlinien und Lehrpläne der Sekundarstufe II für den Deutschunterricht benennen als Grundsätze der Lernerfolgsüberprüfungen u.a., dass „[…] Umfang der Kenntnisse, die methodische Selbstständigkeit in ihrer Anwendung sowie die sachgemäße schriftliche und mündliche Darstellung“[5] bewertet werden sollen und ferner „[…] bei der schriftlichen (…) Darstellung in allen Fächern auf sachliche und sprach-liche Richtigkeit, auf fachsprachliche Korrektheit, auf gedankliche Klarheit und auf eine der Aufgabenstellung angemessene Ausdrucksweise zu achten“[6] ist. Interpretations- und Handlungsspielraum bei der Bewertung werden bereits damit geschaffen.

Die vorliegende Bachelorarbeit befasst sich mit den Problemen, Kriterien und Vor-gängen bei der Bewertung von Facharbeiten im Unterrichtsfach Deutsch der Sekundar-stufe II. Aufgrund des Auftrages an den Unterricht in der Sekundarstufe II, „[…] Er-ziehung und Unterricht in der gymnasialen Oberstufe sollen zu einer wissenschaftspropädeutischen Ausbildung führen […]“[7] , spielt gerade die Facharbeit in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle. Sie ersetzt in bestimmten Bundesländern während des ersten Halbjahres der Jahrgangsstufe 12 nicht nur eine oder mehrere Klausuren, sondern macht die Schülerinnen und Schüler mit ersten Formen und Prinzipien wissenschaftspropädeutischen Lernens bzw. Arbeitens vertraut.[8] Die Facharbeit bildet damit einen bedeutenden Anknüpfungspunkt zwischen Schulzeit und universitärer Ausbildung.

Die drei Gütekriterien beachtend – Objektivität, Validität und Reliabilität – wird im Laufe dieser Arbeit ein Bewertungsraster für Facharbeiten im Unterrichtsfach Deutsch entwickelt, mit dessen Hilfe Lehrerinnen und Lehrer zu einer konstanten und für alle Beteiligten aufschlussreichen Beurteilung gelangen können. Zuvor wird im ersten Teil das Schreiben in der Sekundarstufe II im Allgemeinen betrachtet. Darüber hinaus beleuchtet dieser Teil didaktische Methoden, Schreibprozesse und wissenschaftliche Erkenntnisse über Aufsätze und Aufsatzarten hinsichtlich des Nutzens für ein erfolgversprechendes Bewertungsraster. Die Bedeutung der Facharbeit aus schulischer und universitärer Sicht steht im Fokus des zweiten Teils. Dabei werden weitere Erwartungen und zu berücksichtigende Punkte an ein Bewertungsraster formuliert. Das Problem der Beurteilung bildet den dritten und damit den Hauptteil dieser Arbeit. Gefahren, Probleme und Störfaktoren vor, während und nach der Beurteilung, die Vorstellung verschiedener bereits bestehender Bewertungsraster sowie der Kriterienkatalog bilden den Inhalt dieses Abschnittes. Abschließend werden die Ergebnisse diskutiert und in einem Fazit zusammengefasst. Allerdings muss nicht das ausgearbeitete Bewertungsraster oder ein fertiger Kriterienkatalog das Ziel der Beschäftigung mit der Problematik der Aufsatzbewertung sein, sondern bereits die Kenntnis über Wege, Möglichkeiten und Grenzen zu beständigen und hilfreichen Bewertungsmöglichkeiten zu gelangen bilden einen vielversprechenden Lösungsansatz.

2. Schreiben in der Sekundarstufe II

Dem Schreiben kommt auch in der Sekundarstufe II weiterhin eine gewichtige Rolle zu. Auch wenn mit Beginn der Oberstufe vorausgesetzt wird, dass die Entwicklung allgemeiner schriftsprachlicher Fähigkeiten als abgeschlossen gilt,[9] stellt sich das Schreiben ebenfalls in der Sekundarstufe II weiterhin als Lernmedium dar.[10] Da nach Beendigung der Schullaufbahn dieser Prozess nicht abgeschlossen ist, weil er ebenso zur Universitäts- oder Berufsausbildung zählt, dort in spezifischer Weise sogar ausgebaut wird, darf man dieses Medium nicht vernachlässigen. Formen des Schreibens in der Sekundarstufe II betreffen gestalterisches Schreiben, welches von Texten ausgeht. Dazu gehören u.a. das Erzählen und Schildern sowie das Aufgreifen literarischer und pragmatischer Schreibformen. Die Arbeit mit poetischen und pragmatischen Texten umfasst u.a. das Exzerpieren, Zusammenfassen, Analysieren, Vergleichen und Interpretieren. Erörterungen unterschiedlichster Fragestellungen bilden eine eigene Schreibsparte wie auch das propädeutische Schreiben.[11] Otto Ludwig hat jedoch die neue Expertise der Kultusminister Konferenz (KMK) zur Situation des Deutschunterrichts in der Sekundarstufe II kritisiert, da darin propädeutische Aufgaben des Deutschunterrichts keine Rollen spielen.[12] Almut Hoppe hat bezüglich der Schreibkompetenz, die Schülerinnen und Schüler erwerben sollen, zehn markante Fähigkeiten festgelegt. Dazu gehören u.a. sowohl richtig, gekonnt und flüssig zu formulieren, den Stoff sowie das Material logisch und hilfreich zu ordnen bzw. zu gliedern als auch bei der Gedanken- und Argumentationsentwicklung ein gewisses Maß an Stringenz, Intersubjektivität und Folgerichtigkeit zu erlangen.[13] Die genannten Kriterien sind insofern von Bedeutung, als dass dem Deutschunterricht hinsichtlich des Ziels der Studierfähigkeit der Schülerinnen und Schüler eine bedeutende Rolle zukommt.[14] Der Lehrplan Deutsch benennt eine Vielzahl von Zielen für den Schreibunterricht in der Oberstufe. Darin wird angeführt, dass im Laufe des Deutschunterrichts „[…] für die sach- und themenbezogenen Schreibvorgänge des Faches selbst und anderer Fächer unterschiedliche Schreibformen eingeübt werden müssen“.[15]

Die Betonung, dass Schreibende für sich und ebenso für andere sprachlich handeln, wenn sie Sachverhalte darlegen, Textaussagen, Literatur, Sach- und Medientexte zusammenfassen, analysieren sowie interpretieren und Protokolle etc. erstellen, legt den Wert von Schreibkompetenzen fest.[16] Diese werden durch entsprechende Schreib-übungen während der Oberstufe erreicht. Darüber hinaus unterscheiden die Lehrpläne Deutsch drei, dem Lernbereich Schreiben untergeordnete Funktionen. Das Schreiben in kommunikativer Absicht, das Schreiben in heuristischer Absicht und das freie Schreiben. Für jeden der drei Schreibmethoden werden eigene Ziele formuliert. Die gesellschaft-liche Partizipation, das Kennenlernen von Wirkungsweisen und Funktion unterschied-licher Textformen, sowie Fähigkeiten zu Verarbeitung, Darstellung und Wiedergabe von Informationen stellen die Ziele des kommunikativen Schreibens dar. Das heuris-tische Schreiben soll hingegen die Schülerinnen und Schüler dazu ermächtigen, Erkenntnis- und Verstehensprozesse zu fördern, eigene Standpunkte vertreten zu können und Prozesse sowie Texte sich selbst zu eröffnen und bewusst werden zu lassen. Im freien Schreiben werden Schülerinnen und Schüler zum experimentellen Umgang mit der Sprache und eigenen Texten ermuntert.[17]

Obwohl ferner das Schreiben laut Lehrplan „[…] Freiräume für divergentes Denken bieten, den Ausdruck von Subjektivität ermöglichen und helfen (soll), einen persön-lichen Stil zu finden“[18], kritisiert Jürgen Baurmann die Lehrplankonzeption zur Schreibentwicklung dahingehend, dass jüngere Schreiblerner freier, ungebundener und subjektiver schreiben dürfen, ältere hingegen sich gedanklich-sprachlich diszipliniert und objektiv zu verhalten haben.[19] Bei Angelika Steets werden die Lehrpläne aufgrund der mangelnden Beachtung neuester Entwicklungen in der Schreibforschung kritisiert. Das Schreiben in der Oberstufe erfahre dort sowohl eine unklare Stellung in Hinsicht auf das wissenschaftspropädeutische Arbeiten, als auch eine „[…] Degradierung zur Arbeitstechnik […]“ und „[…] die grundlegende Tendenz aller Lehrpläne, Schreiben als »sekundäre Sprachform« zu definieren.“[20] Die Lehrplanfassung von Nordrhein-Westfalen hat im aktuellen Entwurf auf den angesprochen Mangel reagiert und zusätzlich zu den Zielen und Aufgabenschwerpunkten im Bereich Schreiben das Lehr-/Lernziel „Schreiben als Prozess“[21] hinzugefügt. Darin wird betont, dass das Schreiben sich mehr an den Denk- und Entscheidungsprozessen orientiert als an Textmustern und dessen Normen.[22] Damit ist ein Anknüpfungspunkt an aktuelle Tendenzen und Richtungen der Schreibdidaktik gegeben. Diese nimmt zunehmend alternative Konzepte, vorwiegend aus den Vereinigten Staaten, in den Blick. Grundgedanken aus „Schreiben als Prozess“ der Lehrpläne und Richtlinien Deutsch NRW – die Orientierung an Denk- und Entscheidungsprozessen – finden sich auch in den von den Schreibdidaktikern formulierten, Vorschlägen zum Aufsatzunterricht wieder. Diese rücken, anstelle der Beherrschung einiger Textformen, die „[…] Ausbildung von Schreibfähigkeiten ganz anderer Art […]“[23] zunehmend in den Vordergrund.

Um einen Überblick über unterschiedliche Schreib- und Aufsatzformen zu gewinnen und dadurch eine erste Bestimmung des Schreibens in der Oberstufe, sowie einer Abgrenzung zur Facharbeit zu erhalten, werden im Folgenden einige ausgewählte Aufsatzformen vorgestellt. Nicht alle Ansätze scheinen aktuell noch für den Schreibunterricht – insbesondere den der Sekundarstufe II – geeignet. Dennoch können sie für bestimmte Phasen in einer Unterrichtsreihe zur Facharbeit als methodische Übung interessant sein.

2.1 Der freie Aufsatz

Bereits im ausgehenden 19. Jahrhundert von der Reformpädagogik als Gegenpol zum gebundenen Aufsatz eingeführt, ist der freie Aufsatz noch heute Teil der Grundschul-pädagogik.[24] Lange Zeit bedeutete der Aufsatzunterricht die Einübung lateinischer Stilvorgaben und das Verfassen von Schulaufsätzen bestand aus dem Kopieren vorgegebener Muster. Die Entwicklung des eigenen Stils, das Aufgreifen von Fragen und Problemen in den Schreibaktivitäten stellten keinen Gegenstand im Aufsatzunterricht dar.[25] Einige Reformer im 19. Jahrhundert, vorwiegend Volksschullehrer, entwickelten einen neuen Ansatz, in dem den Kindern der größtmögliche Freiraum geboten wurde. Im Mittelpunkt stand nicht mehr der zu vermittelnde Stoff, sondern das Kind. Die Form des gebundenen Aufsatzes ablehnend, forderten die Aufsatzreformer einen Aufsatzunterricht, „[…] der frei von allen äußeren Zwängen und Vorgaben ist.“[26]

Im freien Aufsatz sind der Kreativität der Schülerinnen und Schüler keine Grenzen gesetzt. Ferner entscheiden sie über Themen- und Stoffauswahl, über Gliederung und Umfang sowie über die Zeit des Schreibens und über die Verwendung der Sprache.[27]

2.2 Der kommunikative Aufsatz

Der vom freien Aufsatz bekannte Ansatz des Schreibens ohne vorgegebene Muster wurde ebenfalls im kommunikativen Aufsatz aufgegriffen und weiterentwickelt. In den 1970er Jahren setzte die sogenannten „kommunikative Wende in der Sprachwissenschaft“ ein.[28] Die Entwickler eines Konzeptes zum kommunikativen Aufsatzunterricht – Wolfgang Boettcher, Jean Firges, Horst Sitta und Hans Josef Tymister – forderten „[…] »reale Schreibanlässe« in der Schule und damit die Beendigung eines »So-tun-als-ob-Schreibens«“.[29] Das bedeutet ein Verfassen von Texten an „[…] wirkliche Leser […]“.[30] Den Schülerinnen und Schülern soll bei der kommunikativen Aufsatzdidaktik bewusst sein bzw. werden, dass sie nicht ausschließlich bzw. vorrangig für sich selbst schreiben, so wie es im freien Aufsatz der Fall ist, sondern ihr Text genauso an Leser adressiert ist, die eventuell andere Erfahrungen, Meinungen, Einstellungen oder Wertungen besitzen. Demnach steht im Mittelpunkt dieses Ansatzes nicht der Übungs-charakter zum schriftlichen Verfassen, sondern der kommunikative Aspekt des Textes selbst, der auf die Leser einwirkt.[31] Des Weiteren gerät beim kommunikativen Aufsatz auch das größere Umfeld des Schreibens in den Blick. Sowohl die Situation und der Sinn, in dem geschrieben wird, das Bewusstsein, personengerichtet zu verfassen, als auch die damit einhergehenden möglichen Konsequenzen, welche daraus entstehen können, veranlassen die Schülerinnen und Schüler zu einem reflektierenden und verantwortlichen Umgang mit dem eigenen Schreibprodukt.[32]

2.3 Kreatives Schreiben

Das kreative Schreiben umfasst eine Vielzahl von Schreibmöglichkeiten. Um diesen Aspekt näher zu definieren, ist es in Anbetracht der Vielfältigkeit und Uneinheitlichkeit des Konzeptes einfacher, jene Kriterien zu benennen, die nicht zum kreativen Schreiben gezählt werden. Der in diesem Zusammenhang größte Unterschied, auch zum kommunikativen Schreiben, ist, dass es hierbei nicht um die Umsetzung oder Bewältigung von Kommunikationssituationen geht oder um die Reorganisation von Normen und Fakten, auch keine Ausrichtung an Aufsatzgruppen angestrebt wird.[33] Nachdem es ab den 1970er-Jahren eine Entwicklung durchgemacht hat, begreift sich das kreative Schreiben heute als Alternative zum traditionellen Aufsatzunterricht. Dabei unterscheidet es sich vom freien Schreiben, bei dem vorausgesetzt wird, dass bereits „[…] etwas vorhanden ist, über das man schreiben möchte […]“[34], darin, dass nun im und beim Schreiben etwas Neues entsteht. Darüber hinaus ist das kreative Schreiben nicht mehr nur an die Institution Schule gebunden. Außerhalb der Schule findet es in Workshops, privaten Schreibvorgängen und im begrenzten Rahmen auch im akademischen Unterricht Anwendung.[35] Tendenzen und Ausführungen des kreativen Schreibens können unterschiedliche Formen annehmen. Als Beispiele sind Sprach- und Schreibspiele zu nennen. Fritz Winterling hat fünf Ziele und Kompetenzen formuliert, die Schülerinnen und Schüler durch Sprach- und Schreibspiele erreichen sollen. Dazu gehören (1) sprachliche Normsysteme und Äußerungen zu erkunden, (2) diese experimentell in Frage zu stellen, (3) die Normsysteme durch andere zu ersetzen, (4) systematische Produktivität ohne Vorgabenbindung zu erreichen und (5) dadurch sprachliche Mittel der Kommunikation zu prüfen.[36] Der Verlauf, der durch die fünf Punkte verdeutlicht wird, findet sich vereinfacht bei Kaspar H. Spinner wieder, wenn er sagt, „[…] dass man nicht nach vorgegebenem Plan schreibt, sondern sich in gewisser Weise von der Sprache forttragen lässt.“[37]

2.4 Abgrenzung zur Facharbeit

Die Einordnung der Facharbeit in eine Textform stellt sich insofern als problematisch dar, als dass sie nicht ohne weiteres einem konkreten Muster zugeordnet werden kann. Sie bildet eine wissenschaftspropädeutische Textart, die in der Form auch nur der Facharbeit zugeordnet werden kann. Beim neuen Genre der Facharbeit gibt es keine bekannte oder feste Form mit erwartetem Inhalt bzw. erwartetem Vorgehen, wie bei einer Textinterpretation oder beispielsweise einem Gedichtvergleich. Sie integriert mehrere Textformen in sich, die vom Schulaufsatz über Bestandteile der Interpretation, Analyse und Erörterung bis zu einer fachwissenschaftlichen Hausarbeit führen.[38] Sie ist zwar an das fachwissenschaftliche Arbeiten angelehnt, wird aber nicht auf die Form einer Erörterung bezogen. Genauso könnten unter Umständen gestalterische Formen bzw. Aufgaben Gegenstand einer Facharbeit sein.[39] Von den oben vorgestellten Arten steht sie jedoch dem Grundgedanken des kommunikativen Schreibens am nächsten. Die Facharbeit richtet sich ebenfalls in kommunikativer Absicht an eine Leserschaft, die über eigene Erfahrungen und Kenntnisse verfügt. Ferner betrifft die Beschäftigung mit und für eine Facharbeit nicht nur den Schreibprozess selbst, sondern auch das Umfeld. Ähnlich dem kommunikativen Schreiben sollen die Schülerinnen und Schüler Arbeitszeit selbst organisieren, für andere Leser geeignet formulieren und mögliche Folgen aus dem Geschriebenen erahnen. Dennoch stellen insbesondere der Umfang, das im Ansatz verlangte wissenschaftliche Arbeiten – hierbei ist vor allem das Zitieren hervorzuheben – und fachgerechtes Formulieren Schülerinnen und Schüler vor eine besondere Aufgabe.[40] Dass es sich hierbei nicht um eine Aufgabe handelt, die innerhalb einer Unterrichtsreihe vorbereitet werden kann, zeigt sich in der Appell von Klösel und Lüthen, die eine Festlegung verbindlicher Leitelemente ab dem 7. Schuljahr fordern. Diese sollen dem Erwerb von Arbeitstechniken hinsichtlich der Anforderungen einer Facharbeit dienen.[41] In diesem Zusammenhang greifen sie auch die Option einer Minifacharbeit in der Jahrgangsstufe 11 auf, die auch im Lehrplan Deutsch der Sekundarstufe II NRW formuliert ist. Dadurch könne bereits bestimmte Vorbereitungen hinsichtlich der umfangreicheren Facharbeit in der 12 getroffen und benötigter Kenntnisbedarf über Organisations- und Recherchetechniken gedeckt werden.[42]

Inwiefern Schreibarten und Schreibaufgaben wie das freie, kreative und kommunikative Schreiben in Vorbereitung auf Teile bzw. Ansprüche einer Facharbeit behilflich sind, wird im späteren Verlauf herausgearbeitet.

[...]


[1] Vgl. Michael Jachmann: Noten oder Berichte? Die schulische Beurteilungspraxis aus der Sicht von Schülern, Lehrern und Eltern, Opladen 2003, S. 17-18.

[2] Vgl. Ebd., S. 17.

[3] Vgl. Christine Schwarzer u.a.: Praxis der Schülerbeurteilung. Ein Arbeitsbuch, München 1977, S. 7.

[4] Als sehr umfangreich ist in diesem Zusammenhang folgende Studie zu bezeichnen: Jürgen Grzesik/Michael Fischer.: Was leisten Kriterien für die Aufsatzbeurteilung? Theoretische, empirische und praktische Aspekte des Gebrauchs von Kriterien und der Mehrfachbeurteilung nach globalem Ersteindruck, Opladen 1985.

[5] Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, herausgegeben von: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, Frechen 1999, S. 65.

[6] Ebd., S. 65.

[7] Ebd., S. XI.

[8] Vgl. Frank Schindler: Empfehlungen und Hinweise zur Facharbeit in der gymnasialen Oberstufe, herausgegeben vom Landesinstitut für Schule und Weiterbildung, 2. Auflage, Bönen 1999, S. 5.

[9] Vgl. Angelika Steets: Schreiben in der Oberstufe – Überlegungen zu einer wissenschaftspropä-deutischen Schreibausbildung. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 1999/3, S. 399.

[10] Vgl. Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, herausgegeben von: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, Frechen 1999, S. 12.

[11] Vgl. Wilhelm Matthiessen: Umgang mit Texten in der Sekundarstufe II. In: Michael Kämper van den Boogaart (Hrsg.): Deutschdidaktik. Leitfaden für die Sekundarstufe I und II. Berlin 2003, S. 128.

[12] Vgl. Otto Ludwig: Entwicklungen der schulischen Schreibdidaktik und ihr Bezug zum akademischen Schreiben. In: Konrad Ehlich/Angelika Steets (Hrsg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen, Berlin 2003, S. 247.

[13] Vgl. Almut Hoppe: Kernfach Deutsch: Anspruch und Wirklichkeit – Defizit und Leistung; zum Stellenwert des Faches Deutsch. In: Mittleilungen des Deutschen Germanistenverbandes, Heft 2, 2001, S. 222ff.

[14] In den Einheitlichen Prüfungsanforderungen (EPA) im Fach Deutsch vom Mai 2002 heißt es: Die Vereinbarung zur Gestaltung der gymnasialen Oberstufe in der Sekundarstufe II (…) schreibt dem Fach Deutsch eine grundlegende Aufgabe zu. Durch die Vermittlung fachlicher Inhalte und Methoden sowie durch den Bezug zur Lebenswelt leistet das Fach einen wesentlichen Beitrag zum Erwerb von Grundfertigkeiten für Studium und Beruf.“

[15] Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, herausgegeben von: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, Frechen 1999, S. 12.

[16] Vgl. Ebd., S. 12.

[17] Vgl. Ebd., S. 13-14.

[18] Ebd., S. 14.

[19] Vgl. Jürgen Baurmann: Schreibforschung und aufsatzunterricht: ein nicht-verhältnis oder…? In: Hans P. Krings/Gerd Antos (Hrsg.): Textproduktion. Neue Wege der Forschung, Trier 1992, S. 116-117.

[20] Angelika Steets: Schreiben in der Oberstufe – Überlegungen zu einer wissenschaftspropädeutischen Schreibausbildung. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, Heft 3, 1999, S. 399-400.

[21] Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, herausgegeben von: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, Frechen 1999, S. 15.

[22] Vgl. Ebd., S. 15.

[23] Otto Ludwig: Entwicklungen der schulischen Schreibdidaktik und ihr Bezug zum akademischen Schreiben. In: Konrad Ehlich/Angelika Steets (Hrsg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen, Berlin 2003, S. 241.

[24] Vgl. Ebd., S. 241.

[25] Vgl. Hans Herbert Wintgens: Aufsatzunterricht. In: Rudolf W. Keck/Uwe Sandfuchs/Bernd Feige (Hrsg.): Wörterbuch der Schulpädagogik. Ein Nachschlagewerk für Studium und Schulpraxis, 2. Auflage, Regensburg 2004, S. 38.

[26] Otto Ludwig: Entwicklungen der schulischen Schreibdidaktik und ihr Bezug zum akademischen Schreiben. In: Konrad Ehlich/Angelika Steets (Hrsg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen, Berlin 2003, S. 241.

[27] Vgl. Hans Herbert Wintgens: Aufsatzunterricht, in: Rudolf W. Keck/Uwe Sandfuchs/Bernd Feige (Hrsg.): Wörterbuch der Schulpädagogik. Ein Nachschlagewerk für Studium und Schulpraxis, 2. Auflage, Regensburg 2004, S. 38.

[28] Vgl. Otto Ludwig: Entwicklungen der schulischen Schreibdidaktik und ihr Bezug zum akademischen Schreiben. In: Konrad Ehlich/Angelika Steets (Hrsg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen, Berlin 2003, S. 243.

[29] Hans Herbert Wintgens: Aufsatzunterricht. In: Rudolf W. Keck/Uwe Sandfuchs/Bernd Feige (Hrsg.): Wörterbuch der Schulpädagogik. Ein Nachschlagewerk für Studium und Schulpraxis, 2. Auflage, Regensburg 2004, S. 39.

[30] Otto Ludwig: Entwicklungen der schulischen Schreibdidaktik und ihr Bezug zum akademischen Schreiben. In: Konrad Ehlich/Angelika Steets (Hrsg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen, Berlin 2003, S. 243.

[31] Vgl. Ebd., S. 244.

[32] Vgl. Otto Ludwig: Der Schulaufsatz. Seine Geschichte in Deutschland, Berlin, New York 1988, S. 453.

[33] Vgl. Claudia Winter: Traditioneller Aufsatzunterricht und kreatives Schreiben. Eine empirische Vergleichsstudie, Augsburg 1998, S. 17.

[34] Otto Ludwig: Entwicklungen der schulischen Schreibdidaktik und ihr Bezug zum akademischen Schreiben. In: Konrad Ehlich/Angelika Steets (Hrsg.): Wissenschaftlich schreiben – lehren und lernen, Berlin 2003, S. 243.

[35] Vgl. Ebd., S. 243.

[36] Vgl. Claudia Winter: Traditioneller Aufsatzunterricht und kreatives Schreiben. Eine empirische Vergleichsstudie, Augsburg 1998, S. 18.

[37] Kaspar H. Spinner: Kreatives Schreiben. In: Praxis Deutsch 20 119/1993, S. 22.

[38] Vgl. Angelika Steets: Schreiben in der Oberstufe – Überlegungen zu einer wissenschaftspropä-deutischen Schreibausbildung. In: Mitteilungen des Deutschen Germanistenverbandes, 1999/3, S. 411.

[39] Vgl. Wilhelm Matthiessen: Umgang mit Texten in der Sekundarstufe II. In: Michael Kämper van den Boogaart (Hrsg.): Deutschdidaktik. Leitfaden für die Sekundarstufe I und II. Berlin 2003, S. 137.

[40] Vgl. Ebd., S. 411.

[41] Vgl. Horst Klösel/Reinhold Lüthen: Die Facharbeit – ein wichtiges Element in der gymnasialen Oberstufe. In: Praxis Deutsch 164, 2000, S. 62-63.

[42] Vgl. Richtlinien und Lehrpläne für die Sekundarstufe II – Gymnasium/Gesamtschule in Nordrhein-Westfalen. Deutsch, herausgegeben von: Ministerium für Schule und Weiterbildung, Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen, 1. Auflage, Frechen 1999, S. 43. und 67.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Erstellung eines Bewertungsrasters für Facharbeiten im Unterrichtsfach Deutsch der Sekundarstufe II
Untertitel
Theoretische Konzeption und didaktisch-methodische Umsetzung
Hochschule
Universität Bielefeld
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
41
Katalognummer
V139237
ISBN (eBook)
9783640471423
ISBN (Buch)
9783640471089
Dateigröße
599 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erstellung, Bewertungsrasters, Facharbeiten, Unterrichtsfach, Deutsch, Sekundarstufe, Theoretische, Konzeption, Umsetzung
Arbeit zitieren
Nicolai Meyer (Autor:in), 2009, Erstellung eines Bewertungsrasters für Facharbeiten im Unterrichtsfach Deutsch der Sekundarstufe II , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139237

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