Fragebogeneffekte

Nachweis eines Kontexteffekts im Fragebogen der Studie "Soziale Erwünschtheit" der TU Dresden


Hausarbeit, 2009

12 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Überblick über Fragebogeneffekte
2.1. Kognitionspsychologischer Ansatz
2.2. Reihenfolgeeffekte
2.2.1. Fragereihenfolgeeffekte
2.2.2. Antwortreihenfolgeeffekte
2.3. Effekte der numerischen Werte an den Antwortvorgaben
2.4. Skaleneffekte

3. Nachweis eines Kontexteffekts
3.1. Ausprägung und Ursachen
3.2. Einfluss eines demografischen Merkmals auf die Ausprägung

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Fragebogeneffekte sind unliebsame Verzerrungen, die jeder Sozialwissenschaftler vermeiden möchte. In der methodenpraktischen Übung des Sommersemesters 2009 nahm ich als Seminarteilnehmer an der Erhebung einer computergestützten Telefonbefragung teil, und zwar als Interviewer. In der Übung interessierte uns unter anderem, ob durch den von uns genutzten Fragebogen ungewünschte Effekte auftreten. In dieser Hausarbeit werde ich einen Überblick über mögliche Fragebogeneffekte geben. Mit Hilfe des kognitionspsychologischen Ansatzes werde ich zeigen, wie solche Effekte zu Stande kommen und welche Folgen sie im Denken der Befragten haben (Kapitel 2). Auf diesen theoretischen Überlegungen aufbauend, werde ich einen Kontexteffekt in dem Fragebogen, mit dem die Erhebung der Studie "Soziale Erwünschtheit" im Wintersemester 2008/09 und im Sommersemester 2009 von der Technischen Universität Dresden durchgeführt wurde, nachweisen. Dazu nehme ich den T- Test und beschreibe die Ausprägung des Effektes. Anschließend erläutere ich mögliche Ursachen für den Effekt. Am Ende des Kapitels gehe ich auf den Einfluss eines demografischen Merkmals der Befragten auf die Ausprägung des Kontexteffekts in dieser Studie ein (Kapitel 3).

2. Überblick über Fragebogeneffekte

Fragebogeneffekte können die Antworten, die Befragte in einem Interview geben, beeinflussen und damit die erhobenen Daten verzerren. Zu den Fragebogeneffekten zählen Reihenfolgeeffekte, Effekte der numerischen Werte an den Antwortvorgaben und Skaleneffekte.[1] Im Folgenden sollen diese Effekte erläutert werden. Ich gehe dabei auf den kognitionspsychologischen Ansatz zu Beantwortungsprozessen von Fragebogenfragen[2] ein.

2.1. Kognitionspsychologischer Ansatz

Wenn Befragte eine Frage beantworten, dann laufen in ihrem Gehirn verschiedene Denkprozesse ab. Im kognitionspsychologischen Ansatz wird der Fragebeantwortungsprozess als vierstufig dargestellt.[3] Befragte müssen alle vier Schritte absolvieren, um eine Frage beantwortet zu haben.[4] Im ersten Schritt geht es für den Befragten darum, "die Frage zu interpretieren, um zu verstehen, was gemeint ist."[5] Darauf folgend muss der Befragte in einem zweiten Schritt seine Antwort generieren. Hier hat er zwei Möglichkeiten. Entweder er nimmt eine vorher gespeicherte Antwort aus seinem Gedächtnis zu Hilfe oder er bildet eine neue Antwort. Bei Neubilden einer Antwort, sollte er alle relevanten Informationen aus dem Gedächtnis abrufen, die nötig sind, um die gestellte Frage zu beantworten. Danach muss er sich entscheiden, wie er die abgerufenen Informationen benutzen möchte und stellt seine Antwort zusammen. Im Dritten Schritt muss der Befragte, gleichgültig, ob er eine schon gespeicherte Antwort noch einmal aus seinem Gedächtnis aktiviert hat oder eine neue Antwort gebildet hat, seine Antwort formatieren. Das Formatieren ist notwendig, damit die Antwort, die im zweiten Schritt generiert wurde, auf die Frage mit ihren Antwortkategorien passt. In einem vierten Schritt editieren viele Befragte ihre Antwort noch einmal, um zum Beispiel sozial erwünscht oder übereinstimmend zur Situation zu antworten. Die editierte Meinung wird ausgesprochen.[6] Während der vier Schritte im Beantwortungsprozess kann es zu Verzerrungen kommen, das heißt Befragte könnten eine Antwort geben, die nicht ihren wahren Gedanken entspricht.[7] Ein Grund dafür sind die Fragebogeneffekte, welche im Folgenden erläutert werden.

2.2. Reihenfolgeeffekte

Befragte antworten unterschiedlich, je nachdem in welcher Reihenfolge ihnen Antworten oder Fragen präsentiert werden. Die Reihenfolge beeinflusst, welche Antworten gegeben werden.[8] Zu unterscheiden sind innerhalb der Reihenfolgeeffekte der Fragereihenfolgeeffekt und der Antwortreihenfolgeeffekt.

2.2.1. Fragereihenfolgeeffekt

Durch eine bestimmte Reihenfolge der Fragen wird der Fragereihenfolgeeffekt hervorgerufen und er wiederum bewirkt Kontexteffekte. Das bedeutet, dass die Befragten auf eine Frage anders antworten, wenn eine bestimmte vorhergehende Frage beantwortet wurde. Die Kontexteffekte können in Form von Assimilations- oder Kontrasteffekten auftreten:

Der Grundgedanke derartiger Kontexteffekte lautet verkürzt gesagt, dass die Befragten bei der Ermittlung des Frageverständnisses zu einem einzelnen Item die Bedeutungsinhalte vorrangehender Items mit berücksichtigen, indem sie den Bedeutungsgehalt der vorangehenden Items entweder in die evaluative Dimension für das aktuelle Item inkorporieren (Assimilationseffekt) oder eben gezielt nicht berücksichtigen (Kontrasteffekt).[9]

Der kognitive Grund, warum Befragte den Bedeutungsgehalt eines Items auf ein nächstes Item transformieren[10], hängt mit dem Gedächtnis zusammen. Im zweiten Schritt des kognitionspsychologischen Antwortprozesses bilden Befragte eine Antwort. Dazu müssen sie zu der gestellten Frage Informationen aus dem Gedächtnis aktivieren.[11] Die vor kürzester Zeit und damit am besten erreichbare Information wird am ehesten aktiviert.[12] Und das sind im Falle einer Befragung die Informationen, die schon zur vorhergehenden Frage aktiviert werden mussten. Aus diesem Grund kann die vorhergehende Frage den Beantwortungsprozess zur aktuellen Frage im zweiten Schritt des Modells beeinflussen. Werden die Fragen eines Fragebogens rotiert, ist zu erwarten, dass Befragte ihnen völlig neue Bedeutungsinhalte zuschreiben.[13] Im dritten Kapitel dieser Hausarbeit soll gezeigt werden, dass durch eine Fragenrotation in einem Fragebogen tatsächlich Kontext- bzw. Fragereihenfolgeeffekte nachgewiesen werden können. Der Effekt wird an dem oben erwähnten Fragebogen der Studie "Soziale Erwünschtheit" der Technischen Universität empirisch nachgewiesen.

2.2.2. Antwortreihenfolgeeffekte

Das Antwortverhalten von Befragten unterscheidet sich, je nachdem in welcher Reihenfolge die Antwortkategorien einer Frage präsentiert werden. Der Unterschied zu den Fragereihenfolgeeffekten besteht darin, dass nicht verschiedene Fragen den Effekt hervorrufen, sondern eine Frage mit verschiedenen Antwortkategorien.[14] Die Ursache des Effektes liegt in der Aufmerksamkeitsverteilung. Es tritt in Fragebögen nämlich ein PrimacyEffekt auf, bei dem den "Antwortkategorien, die am Anfang einer Liste von Antwortkategorien präsentiert werden, deutlich mehr Aufmerksamkeit, als [den] Kategorien in der Mitte der Liste [gegeben wird]."[15] Der Antwortreihenfolgeeffekt stellt eine Verzerrung auf der ersten und zweiten Stufe des kognitionspsychologischen Ansatzes dar. Im ersten Schritt wird die Interpretation der Frage[16] verzerrt, weil der Befragte den Antwortkategorien am Anfang der Liste mehr Aufmerksamkeit widmet.[17] Im zweiten Schritt ist es so, dass sich bei der Neubildung der Antwort, die höhere Aufmerksamkeit für bestimmte Antwortkategorien bemerkbar macht, weil diese Antwortoptionen vor kürzester Zeit im Gedächtnis gespeichert wurden und somit am besten abrufbar sind.[18] Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird sich der Befragte an eine der ersten Antwortkategorien erinnern und diese eher in seine Antwort einbeziehen.[19]

2.3. Effekte der numerischen Werte an den Antwortvorgaben

Eine Frage beinhaltet Antwortvorgaben, die zum Beispiel Zahlen oder Zahlenspannen sein können. Der Befragte muss sich für eine Antwortvorgabe entscheiden. Die numerischen Werte, mit denen die Antwortvorgaben bezeichnet werden, können das Antwortverhalten eines Befragten beeinflussen. So ist es zum Beispiel ein Unterschied, ob ein Befragter etwas auf einer Skala von 1 bis 10 oder auf einer Skala von -5 bis 5 bewerten muss. Der Befragten richtet sich beim Antworten an der numerischen Bezeichnung der Skala aus.[20] Die Ursache dieses Effektes liegt darin, dass die Frage im ersten Schritt des kognitionspsychologischen Antwortprozesses interpretiert wird:

Befragte interpretieren das Antwortkontinuum von -5 bis 5 derart, dass der Wert 0 den neutralen Mittelpunkt (nicht erfolgreich) repräsentiert, wohingegen -5 das Gegenteil von Erfolg - also z. B. Misserfolg - symbolisiert. Im Vergleich deuten Befragte, die die gleiche Frage mit den Werten 0 bis 10 präsentiert bekommen, den linken extremen Punkt (also den Wert 0) als Abwesenheit von Erfolg und nicht als Misserfolg."[21]

Weil die Antwort also in Abhängigkeit davon gegeben wird, wie die Frage interpretiert wird, kann eine veränderte Interpretation zu einer veränderten Antwort führen. Die numerischen Werte der Antwortkategorien beeinflussen die Interpretation und damit das Antwortverhalten.

[...]


[1] vgl. Fuchs, Marek (2008). Kognitive Prozesse und Antwortverhalten in einer Internet-Befragung.

[2] Der kognitionspsychologische Ansatz wird von vielen Psychologen thematisiert. Diese Seminararbeit wird auf Erläuterungen von Norbert Schwarz und Fritz Strack aufgebaut (in: (1991). Context Effects in Attitude Surveys. Applying Cognitive Theory to Social Research).

[3] vgl. Strack, Fritz & Leonard Martin (1987). Thinking, judging and communicating. A process account of context effects in attitude surveys. Grafik 2.1.

[4] vgl. Schwarz, Norbert & Fritz Strack (1991). Context Effects in Attitude Surveys. Applying Cognitive Theory to Social Research. S. 33.

[5] ebd. S. 33.

[6] vgl. ebd. S. 33.

[7] vgl. ebd. S. 32.

[8] vgl. Fuchs, Marek (2008). Kognitive Prozesse und Antwortverhalten in einer Internet-Befragung. S. 28ff. S. 35ff.

[9] ebd. S. 36.

[10] vgl. ebd. S. 37.

[11] vgl. Schwarz, Norbert & Fritz Strack (1991). Context Effects in Attitude Surveys. Applying Cognitive Theory to Social Research. S. 36.

[12] vgl. ebd. S. 36.

[13] vgl. Fuchs, Marek (2008). Kognitive Prozesse und Antwortverhalten in einer Internet-Befragung. S. 36.

[14] vgl. ebd. S. 28.

[15] ebd. S. 28.

[16] vgl. Schwarz, Norbert & Fritz Strack (1991). Context Effects in Attitude Surveys. Applying Cognitive Theory to Social Research. S. 33.

[17] vgl. Fuchs, Marek (2008). Kognitive Prozesse und Antwortverhalten in einer Internet-Befragung. S. 28.

[18] vgl. Schwarz, Norbert & Fritz Strack (1991). Context Effects in Attitude Surveys. Applying Cognitive Theory to Social Research. S. 36.

[19] vgl. ebd. S. 36f.

[20] vgl. Fuchs, Marek (2008). Kognitive Prozesse und Antwortverhalten in einer Internet-Befragung. S. 30f.

[21] ebd. S. 31.

Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Fragebogeneffekte
Untertitel
Nachweis eines Kontexteffekts im Fragebogen der Studie "Soziale Erwünschtheit" der TU Dresden
Hochschule
Technische Universität Dresden  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
CATI-Übung
Note
2
Autor
Jahr
2009
Seiten
12
Katalognummer
V139149
ISBN (eBook)
9783640489022
ISBN (Buch)
9783640489190
Dateigröße
477 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Fragebogeneffekte, Nachweis, Kontexteffekts, Fragebogen, Studie, Soziale, Erwünschtheit, Dresden
Arbeit zitieren
Stefanie Ender (Autor:in), 2009, Fragebogeneffekte, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139149

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