Southern Chaos Orchestra Bob

Der Umgang der Wikipedia mit fiktiven Artikeln – Ein Erfahrungsbericht


Hausarbeit, 2008

36 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Projektideen
2.1. Inhalt und Referenzen des fingierten Artikels

3. Hypothesen

4. Verlaufsdarstellung
4.1. Edits am Artikel
4.2. Das Reviewverfahren
4.3. Die Löschdiskussion

5. Bewertung und Analyse exemplarischer Diskussionsbeiträge

6. Exkurs: Folgeprojekt „Silly Willy Jazz“

7. Überprüfung der Hypothesen

8. Zusammenfassung und Ausblick: „Wie kompetent ist Wikipedia?“

Anhang

Anhang 1 - Benutzer: Gerold Mensing

Anhang 2 - Southern Chaos Orchstra Bob (Version 1.0)

Anhang 3 -Artikellogbuch

Anhang 4 - Southern Chaos Orchestra Bob (Version 1.6)

Anhang 5 - Reviewdiskussion

Anhang 6 - Loschdiskussion

Anhang 7 - Folgeprojekt: Silly Willy Jazz

1. Einleitung

Im Verlauf der Einführung in die Struktur und die Machtverhältnisse innerhalb der Wikipedia im Projektseminar „Wikipedia: Kategorie Musik“ eröffnete sich die Frage, wie die aktiven Benutzer dieser Plattform - im weiteren Verlauf „Wikipedianer“ genannt - mit Vandalismus umgehen und die Qualität von Artikeln überprüfen.

Die Existenz von Computerprogrammen, die Artikel gezielt auf ihre Wortwahl und eindeutige Strukturmuster auf Vandalismus hin überprüfen, grenzt meine eigene Fragestellung auf den Faktor Mensch in der größten Online-Enzyklopädie der Welt ein. Exemplarisch sei hier die deutsche Version herausgegriffen, da sie für das Seminar und den zu informierenden Anwenderkreis als relevant gilt. Die Aufgabe stellte sich nun für mich herauszufinden, wie ein fragwürdiger oder gar fiktiver Artikel auf seine Zugehörigkeit zum enzyklopädischen Gesamtwerk hin überprüft wird und wie sich der Argumentationshergang der Wikipedianer in Bezug auf die Qualitätssicherung der Wikipedia gestaltet.

Zu diesem Zweck wurde ein umfangreiches Projekt erarbeitet, in dem alle zu überprüfenden Faktoren weitestgehend spezifiziert wurden, sodass an Hand eingangs gestellter Hypothesen, das Kernergebnis des Projektes hergeleitet werden kann:„Darf man alles in der Wikipedia glauben?“

In dieser Ausarbeitung erscheint nun das Projekt in ausformulierter Weise. Entstehung, Erwartung, Durchführung und Ergebnis werden im Verlauf chronologisch vernetzt dargestellt, sodass schlussendlich ein Ausblick gegeben werden kann, inwieweit die Qualitätssicherung der Wikipedia funktioniert und welche Rolle dem Faktor Mensch in ihr beizumessen ist.

2. Projektideen

Provokant entstand der Gedanke, mit welchen Mitteln die Wikipedianer getäuscht werden können, bzw. wie leicht es gelingen kann, einen Artikel zu fingieren. Hier wird weiter die Frage verfolgt, ob es möglich ist Fakten zu etablieren, die als solche zuvor nicht existent waren.

Meine Aufgabe bestand nun darin, ein Gebiet innerhalb der Kategorie Musik zu finden, in dem es möglich ist, einen neuen Eintrag zu verfassen, der inhaltlich und formal in die Wikipedia passt, jedoch genug neue Fakten aufweist, um ein eigenständiger Artikel zu sein. Die erste Idee war das fingieren einer Band. Dieses Projekt benötigt einige Mitglieder, da zu diesem Vorhaben auch das Einspielen einiger Titel gehören sollte, die auf der Independent- Künstler-Plattform myspace.com als Belege bereitgestellt werden. Ebenfalls sollte ein Album erstellt werden, welches im Online-Auktionshaus eBay.de - unter kontrollierten Bedingungen vertrieben werden kann. Über diese und ähnliche Wege sollte innerhalb des Internets die Band als deutlich präsent erscheinen, was ihr eine enzyklopädische Relevanz beimessen sollte. Diese Idee scheiterte allerdings bereits an der Tatsache, dass ich mein Projekt im Alleingang bestreiten würde.

Somit entstand das finale Projekt, dessen Titel bereits vor der ersten Versuchsskizze feststand „Southern Chaos Orchestra Bob“. Da eine neue Band innerhalb der Wikipedia möglichweise auf wenig polarisierte Gegenwehr stoßen wird sollte sodann ein gesamtes Subgenre erstellt werden. Exemplarisch wurde hier der Jazz gewählt, da sich für diese Zwecke Unmengen an wissenschaftlicher Literatur anbieten, die als potentielle „Quellen“ verwendet werden können und dieses Genres bereits wieder aus der Musiklandschaft verschwunden sein kann, oder sogar vor der Geburt der meisten Wikipedianer existiert haben kann.

Bevor jedoch am Artikel selbst begonnen werden kann, sollte auch die Angreifbarkeit des Autors durch eine erstellte Benutzerseite minimiert werden. Hierzu wurde auf der Benutzerseite der Name Gerold Mensing (34) mit dem Beruf Musikwissenschaftler versehen, um die Kompetenz des Autors bei erster Überprüfung durch die Administration zu verifizieren.[1]

2.1. Inhalt und Referenzen des fingierten Artikels

Der Inhalt des Artikels soll nun kurz beschrieben werden. Orientiert wurde sich bei der Erstellung an dem formalen und inhaltlichen Aufbau des Artikels „Bebop“, da auch der „Southern Chaos Orchestra Bob“ - kurz SCOB - grundlegend im Jazz fundiert ist. Zusammengefasst ist die Neuerung im SCOB hingegen eine Fusion aus Jazz- oder speziell Bebopelementen und allgemeinen Countryklischees mit Teilbesetzungen eines klassischen Symphonieorchester. Oder wie es im Artikel selbst hieß: „Southern Chaos Orchestra Bop ist ein Subgenre des Jazz, welches sich elementarisch aus dem Country der amerikanischen Südstaaten, dem Bebop und der klassischen Symphonieorchesterbesetzung bedient.“[2] Die Verletzlichkeit dieser Einleitung zeigt sich in späteren Diskussionen.

Tatsächlich sind die Überschriften „ Entstehung“, „Der Name […]“, „Merkmale des […]“, „Standard-Besetzung“ und „Wichtige Alben“ auf dem Artikel „Bebop“ in dieser Reihenfolge sinngemäß übernommen, wobei sich der Inhalt in Richtung der dargestellten Einleitung verändert haben. Hinzu kamen ebenfalls die Überschriften „Trivia“ und „heutige Einflüsse“, die eine Brücke zu aktuellen Band- und Genre-Artikeln zu schlagen versuchen, was den Artikel zum einen für Freunde der dort „beeinflussten Gruppen“ interessant macht, zum anderen in auch zur Zielscheibe popkulturell-interessierter Personen macht, die noch nie etwas über derartige Einflüsse vernommen haben. Im Artikel angesprochen und verlinkt wurden beispielsweise die Band „And you will know us by the trail of Dead“, Künstler Mike Patton, das Genre Progressive Rock und Instrumente wie das Waschbrett.

Um den Artikel auch in Bezug auf die Quellenfrage lückenlos zu gestalten, wurden zwei Werke angegeben, die sich in der Zweigbibliothek der Justus-Liebig-Universität befinden und zugleich wichtige Kriterien der vermuteten Quellenrecherche der Wikipedianer beachten. Beide Bücher sind vergleichsweise alt (1956, 1970), sie sind in englischer Sprache geschrieben und finden sich nicht samt Inhaltsangabe beispielsweise bei Amazon.de. Der Existenznachweis kann jedoch durch Internetrecherche erbracht werden. Unter diesen Kriterien sah ich diese Quellen als für den hier angelegten Zweck geeignet, auch unter dem Vorurteil, dass Wikipedianer den Gegenstand eines Buches nur in seltenen Fällen in Händen halten.

Die Sprache des Artikels war einfach gehalten. Allein durch meine eigene Studienwahl, in der die Musikwissenschaft nicht den Rang des Hauptfaches einnimmt war es vermeidbar, den Artikel nicht zu wissenschaftlich zu halten, wobei ein Musikwissenschaftler vermutlich ohne Mühe die groben Fehler innerhalb des Artikels entdecken würde.

3. Hypothesen

Hier werden nun die herausgestellten Hypothesen ausformuliert vorgestellt, anhand derer das Ergebnis des Projekts hergeleitet werden kann. In der Auswertung werden unten die Hypothesensätze auf ihre Trefflichkeit hin analysiert und resümierend bewertet.

„ Der Artikel wird nicht entdeckt, bearbeitet, oder diskutiert. “

Dies bedeutet, der Artikel wäre weiterhin präsent und potentiell einsehbar. Dem Artikel käme geringe bis keine Aufmerksamkeit zu, das „Wissen“ würde sich dennoch weiterhin in der Enzyklopädie befinden.

„ Quellenangaben werden nur oberfl ä chlich überpr ü ft. Existenznachweise bzw. Inhaltsangaben aus dem Internet gen ü gen. “

In diesem Fall würde der Artikel beobachtet werden, jedoch würde er nicht bezweifelt werden, da die angegebene Literatur nachweislich vorhanden ist, somit auch möglicherweise das im Artikel dargestellte „Wissen“ beinhaltet. Das Buch selber würde nicht besorgt oder aufgeschlagen werden, um konkret das Gegenteil zu beweisen.

„ In der Diskussion angesprochene M ä ngel am Artikel k ö nnen oberfl ä chlich beseitigt werden, was die Wikipedianer zufriedenstellt. “

Diese Hypothese beinhaltet die Skepsis der Wikipedianer gegenüber dem fiktiven Artikel. Jedoch können Zweifel durch Ausbau des Artikels beseitigt werden. Hier kann gezielt auf einzelne Punkte im Artikel eingewirkt werden, die sich innerhalb einer Diskussion als Schwachstellen herauskristallisieren.

„ Da keiner der Wikipedianer je etwas dar über geh ö rt hat, wird der Artikel unwiderlegt gel ö scht. “

In dieser Hypothese findet sich der Faktor Glaube auf der Basis des „Ich glaube nicht, dass es das gibt“. Das Alltagswissen der Administrative wird dem - hier angeblichen - Faktenwissen vorgeschoben. Die Gemeinder der Wikipedianer agiert als undurchdringliche Barriere für neue Informationen, die im vorherrschenden Konsens völlig unbekannt sind.

4. Verlaufsdarstellung

Dieser Absatz befasst sich mit dem Artikel von seiner Einstellung in die Wikipedia am 08.Mai 2008 um 2:32Uhr bis zu seiner Löschung aus der Online-Enzyklopädie am 27.Mai 2008 um 14:16Uhr.

Als statistische Angaben, werden alle Veränderungen und Beiträge (im Weiteren als Edits zusammengefasst) am Artikel selbst und in diversen Diskussionen kurz eingeführt, das Hauptaugenmerk liegt in diesem Abschnitt jedoch auf Edits, die die Hypothesen und das Forschungsergebnis konkret tangieren. In den Analysen werden daher Rechtschreib- oder Formatkorrekturen und ähnliche Beiträge nicht eingehender erwähnt.

Die gesamte Beobachtung des Artikelverlaufs gliedert sich in drei Unterpunkte. Als erster soll der Artikel direkt betrachtet werden. Die Kernfrage hier ist, auf welche Weise der Artikel „SCOB“ von der gesamten Wikipedia mitgestaltet wurde.

Das Reviewverfahren stellt einen Prozess dar, in dem vornehmlich der Autor eines Artikels, diesen in eine Qualitätssicherung gibt um ihn von allen interessierten Wikipedianern komplettieren zu lassen. Grundgedanke in diesem Projekt war es, administrative Aufmerksamkeit auf den Artikel zu erzwingen, somit den Prozess des „Entdecktwerden“ selbstständig einzuleiten. Mit dieser Aktion wurde die erste Hypothese bereits negiert, jedoch soll sich im Ausblick dieser Schritt als sehr wertvoll erweisen, um die Ergebnisfindung zu beschleunigen.

In der Löschdiskussion schlussendlich geht es um den Fortbestand des Artikels innerhalb der Wikipedia. Das Einleiten einer Löschdiskussion impliziert, dass ein Wikipedianer mit dem vorliegenden Artikel derart unzufrieden ist, dass auch eine Verbesserung des Artikels keine enzyklopädische Existenzberechtigung erwirken würde. In diesem Zusammenhang wird auch die Kompetenz des Faktors Mensch verdeutlicht. Zugleich lässt dieses Verfahren auch Potential und Freiraum für - in Ansätzen - autokratische Willkür. Meint in diesem Kontext, dass ein einziger Benutzer vorerst die Macht hat, bei affektivem, unfundierten Missfallen gegenüber einem Artikel, diesen in einen Prozess zu geben, in dem die Fürsprecher des Artikels gezwungen werden, sich für dessen Inhalt und Thema zu rechtfertigen, um diesen zu erhalten. Selbstverständlich ist die Realität weniger drastisch, da absolute Fakten wenig Raum für das Anlegen einer Löschdiskussion bieten und die Autokratie des einzelnen Wikipedianers letztenendes durch das Kollektiv der demokratischen Masse oder die vergleichbaren Kompetenzen eines weiteren Wikipedianers relativiert werden können.

Nach dem Prinzip der Wikipedia hat jeder Benutzer (angemeldet oder nicht) das Recht, sich in Diskussionen jeder Art einzuschalten.

4.1. Edits am Artikel

Der Artikel „Southern Chaos Orchestra Bob“ befand sich etwa 19 Tage in der Wikipedia. In dieser Zeit haben 10 verschiedene Benutzer 26 Änderungen an dem Artikel vorgenommen. Zwei dieser Benutzer sind nicht in der Wikipedia angemeldet, diese haben jeweils lediglich formale Änderungen am Artikel vorgenommen.[3]

Etwa vier Tage nach Einstellen des Artikels am 12.Mai 2008 um 8:21Uhr wurde „SCOB“ durch einen angemeldeten Benutzer in die Kategorie „Jazz-Stil“ aufgenommen. Dies bedeutet, dem Benutzer schien der Artikel formell den Anforderungen dieser Kategorie zu genügen und weiter, der Wahrheit zu entsprechen. Am selben Tag um 22:54Uhr wurde der Artikel gesichtet. Dies ist die niedrigste Stufe der Qualitätssicherung der Wikipedia. Das „Gesichtet“-Siegel besagt lediglich, dass das Erscheinungsbild des Artikels nicht den Verdacht des Vandalismus erweckt. Dieses Siegel ergab im Projekt die Sicherung, dass das äußere Erscheinungsbild den Artikel ob seines falschen Inhalts nicht verrät.

Nachdem bereits sechs Tage keine Diskussion über den Artikel eingeleitet wurde, wurde am 14.Mai 13:21Uhr durch mich der Reviewprozess eingeleitet. Die Initiierung eines zum Scheitern verurteilten Prozess sollte endgültig die Aufmerksamkeit auf den Artikel lenken. Inwieweit dieses Vorhaben gelungen ist, soll Inhalt des nächsten Abschnitts sein. Als Folge der Reviewdiskussion, in der Mängel am Artikel aufgedeckt wurden, wurden am 15.Mai 01:51Uhr Jahreszahlen zur Hauptzeit des Musikgenres in die Artikelzusammenfassung eingefügt. Diese wurden jedoch nach fünf Minuten mit der Begründung mangelnder Quellen entfernt. Am gleichen Tag um 8:18 wurde ein Löschantrag gestellt, wobei der Artikel von selbigem, antragstellendem Benutzer erneut gesichtet wurde. Am 16.Mai 2008 um 22:02 wurde eine der angegeben Quellen aus dem Artikel entfernt mit der Begründung, diese sei „offensichtlich falsch“. Eine weitere Begründung etwa durch spezifische Quellenangaben gab es jedoch nicht. Der Verweis zu dieser Schlussfolgerung führt lediglich über allgemeine Angaben über den Autor der Quelle, durch die es unwahrscheinlich, wobei nicht unmöglich schien, dass sich dieses Buch mit besagtem Inhalt beschäftigen könne.

Nachdem am 21.Mai schließlich dem Artikel das Wort „fiktiv“ in die Einleitung gesetzt wurde, habe ich am 25. Mai eine komplette Erneuerung des Artikels durchgeführt[4], wobei ich eine neue Quelle, nach ähnlichen Kriterien ausgewählt, eingefügt habe und den Artikel intern mit Fußnoten und dezidierten Seitenangaben innerhalb der Quellen versehen habe. Jedoch wurde der Artikel am 27.Mai 2008 um 14:16Uhr durch einen Benutzer gelöscht, der bislang an keiner Diskussion teilgenommen hatte.

4.2. Das Reviewverfahren

Nach Einleitung des Reviewverfahrens dauerte die nachfolgende Diskussion 19 Stunden. Insgesamt gaben hier acht Benutzer 15 Beiträge ab, wobei sieben dieser Beiträge mit dem Sinn einer Reviewdiskussion und dem Fortkommen speziell dieser keine Verbindung zeigen. Tatsächliche Kritikpunkte am Artikel waren hier das Fehlen von Einzelnachweisen, die Tatsache, dass nichts in der Internetsuchmaschine google.de zu finden ist, oder dass ebenfalls keines der angegeben Alben „in allmusic drin“ steht.[5] Ein weiterer Kritikpunkt, der sich zeigte war, dass der Artikel nur für „Musikgebildete“ verständlich sei, wogegen die eingangs erwähnte einfach Schreibweise spricht. Diese Kritik wird jedoch innerhalb der Löschdiskussion relativiert, in der mein Schreibstil als gar nicht musikwissenschaftlich beschrieben wird.

Anklagepunkte, die konkret in Richtung Löschung weisen sind hier zum einen der Vorwurf der Theoriefindung und zum anderen die Frage nach der Relevanz des Artikels. Theoriefindung ist in der Sprache der Wikipedia ein Begriff dafür, dass eine Person versucht ein noch nicht anerkanntes Faktum innerhalb der Online-Enzyklopädie publik zu machen. Dabei soll dieses Faktum keineswegs eine Lüge sein, jedoch ist es schlichtweg nicht etabliert, somit nicht in eine Enzyklopädie einzufügen. Die Relevanzfrage wird dadurch aufgeworfen, dass ein Thema nur von minderem Interesse ist, somit nur wenige interessiert. Auch in diesem Fall ist das einfügen in eine Enzyklopädie nicht gerechtfertigt.

In andere Beiträge sinnierten die Benutzer, die indes den Artikel bereits als Fake abgetan zu haben schienen, über ein Drehbuch, in dem dieses Musikgenre eine Rolle spielen möge. Diese Art Smalltalk war gefüllt mit Namen anderer Benutzer und schien auf dem Internwissen der Diskussionsteilnehmer zu beruhen.

4.3. Die Löschdiskussion

Die Löschdiskussion bildete den Höhepunkt des Forschungsprojekt und dauerte nach Einleitung durch den Benutzer Engelbaet am 15.Mai 2008 08:23Uhr zwölf Tage. An dieser Diskussion nahmen zwölf Benutzer teil, die insgesamt 43 Beiträge schrieben. Auf meiner Seite befand sich in der Diskussion der unangemeldete Benutzer el julio, welcher ebenfalls ein Seminarteilnehmer war, der sich als unabhängige Für-Partei in die Diskussion eingebracht hat und neue Impulse zum Hinterfragen der Wikipedia-Community gegeben hat.[6]

Ich selbst habe mich weitestgehend aus der Diskussion heraus gehalten, um den Hergang nicht allzu stark zu beeinflussen. An Stellen, die mich konkret betrafen, habe ich mich dennoch zu Wort gemeldet.

Innerhalb der Löschdiskussion wurde der Artikel auf vielen verschiedenen Ebenen angefochten. Hierzu gehören die bereits aus der Reviewdiskussion bekannten Vorwürfe mangelnder Einzelnachweise, sowie auch die Anklage der Theoriefindung oder die nicht erfüllt gesehenen Relevanzkriterien. Hinzu kommt in dieser Diskussion ebenfalls die Bezeichnung des Artikels als Fake. Diese Anklage reicht sogar so weit, dass selbst die Angaben meiner Benutzerseite als falsch angesehen werden und meine gesamte Person innerhalb der Wikipedia als fingiert bezeichnet wird. Nicht falsch - aus meiner Position gesehen - wird diese Anklage jedoch unklar belegt und bewegt sich fortlaufend auf hypothetischer Basis. Jegliche Anklage, die den Artikel als Ganzes oder sogar mich als Benutzer betrifft, verbleibt auf der Grundlage von Wahrscheinlichkeitsheuristik für eine klare Verurteilung unzureichend. An dieser Stelle findet die zuvor bereits angesprochene autokratische Willkür bzw. das Ausüben auf eigene Faust ihren Platz. Kein Wikipedianer ist dort zunächst einem anderen zu konkreter Rechenschaft verpflichtet.

Auch hier wird das Szenario durch diverse andere Beiträge innerhalb des Diskussionsverlaufs relativiert. Beispielsweise bemühte Engelbaet sich zu Anfang des Verfahrens bereits, den Artikel an verschiedenen Punkten zu dekonstruieren, was gepaart mit dem Vorwurf mangelnder belastbarerer Quellen meines Erachtens nach fruchtete. Nicht nur, wurde auf Inhalte des Artikels eingegangen, auch wurde der Artikel mit dem Zeitalter, in dem er sich befinden sollte abgeglichen und meine Schreibweise als wenig musikwissenschaftlich identifiziert. Ein anderer Benutzer bemerkte, dass bislang nur ich selbst als Fürsprecher aktiv geworden bin, was den Artikel weiter schwächte. Etwas zweifelhaft hingegen wirkte folgend der Vorwurf, meine Rechtschreibfehler im Artikel seien Anzeichen mangelnder Fachkompetenz. In diesem Anklagepunkt erhielt ich erstmalig direkte Unterstützung durch andere Wikipedianer.

Die Beiträge des Konföderierten el julio wurden gesamt mit Ironie beantwortet. El julio brachte einen neuen Namen in die Diskussion mit ein, in dessen Studio eines der Alben aufgenommen worden sei und gab zudem an, selbst noch eines dieser Alben zu besitzen. Der eingebrachte Name wurde nicht oder mangelhaft geprüft, von manchen Seiten sogar direkt als nicht existent abgetan.

[...]


[1] Die Benutzerseite befindet sich in Anhang 1

[2] Version 1.0 des Artikels befindet sich in Anhang 2

[3] Das Artikellogbuch befindet sich in Anhang 3

[4] Version 1.6 siehe Anhang 4

[5] vgl. Anhang 5, gesamte Reviewdiskussion

[6] in Anhang 6 findet sich die gesamte Loschdiskussion

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Southern Chaos Orchestra Bob
Untertitel
Der Umgang der Wikipedia mit fiktiven Artikeln – Ein Erfahrungsbericht
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (FB03: Institut für Musikwissenschaften)
Veranstaltung
"Wikipedia: Kategorie Musik" – Ein Projektseminar
Note
2
Autor
Jahr
2008
Seiten
36
Katalognummer
V139142
ISBN (eBook)
9783640510917
ISBN (Buch)
9783640510795
Dateigröße
583 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wikipedia, Vandalismus, falsche Information, Internet, Jazz, Musik
Arbeit zitieren
Andy Blum (Autor:in), 2008, Southern Chaos Orchestra Bob, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/139142

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