Der postmoderne Adoleszenzroman am Beispiel von Brock Coles "Celine oder welche Farbe hat das Leben"


Hausarbeit, 2000

24 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die Protagonistin in der Handlung

2. Beziehung der Hauptfigur zu den Nebenfiguren

3. Gedanken und Äußerungen der Protagonistin
3.1. Witz und Ironie
3.2. Phantasie
3.3. Vergleiche

4. „Reife zeigen“ - erwachsen werden

5. Parallelen und Gegensätze zwischen zwei Adoleszenz- romanen: Der Fänger im Roggen und Celine oder welche Farbe hat das Leben

Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit Brock Coles Roman Celine oder welche Farbe hat das Leben. Er ist der Gattung Postmoderner[1] Adoleszenzroman zuzuordnen, ist 1989 in den USA unter dem Titel Celine und 1996 in der deutschen Übersetzung von Sybil Gräfin Schönfeldt erschienen.

Adoleszenzromane beschäftigen sich mit dem Erwachsenwerden junger Menschen.[2] Der jugendliterarische Adoleszenzroman der Gegenwart konzentriert sich auf nur wenige zentrale Themenkomplexe, „die für die Dreizehn- bis Siebzehnjährigen von Bedeutung sind.“[3] Die Handlung beschränkt sich zum größten Teil auf das Individuum mit seinem Innenleben und setzt sich nicht mit Themen wie Politik, Gesellschaft, Religion, Berufsfindung oder Ökologie auseinander; jedoch befinden sich die Figuren nicht „auf dem Weg zu sich selbst oder einer festen Identität.“[4] Patentlösungen für die Lebensprobleme der jungen Leserinnen und Leser halten die Autorinnen und Autoren des postmodernen Adoleszenzromans nicht bereit,[5] deshalb ist das Ende ein offenes. In Coles Roman möchte die Protagonistin Celine nach Italien, verwirft die Idee aber wieder, schnellstmöglich wegzuziehen und ist letztlich sehr unsicher über ihre Zukunft.

Der subjektbezogene Inhalt solcher Texte wird meistens aus der Binnensicht dargestellt. Die Erzählform des untersuchten Roman Coles ist die durchgängige Ich-Erzählform, die eher typisch für den m o d e r n e n Adoleszenzroman ist. Im postmodernen Adoleszenzroman finden beispielsweise häufig „Formen der Montage“ oder „mehrere Erzählerstimmen“ Anwendung.[6]

In den dreizehn Kapiteln berichtet die Hauptfigur Celine über einen kurzen Zeitraum ihres Lebens. Die Handlung umfasst nur etwa zehn Tage. Sie setzt ein, als Celine von der Schule auf dem Weg nach Hause ist. Die Ich-Erzählerin schildert, wie sie Jakob, einen kleinen Jungen aus der Nachbarwohnung kennenlernt, ihn beaufsichtigt, einen Ausflug mit ihm und seinem Vater Mr. Barker am Wochenende macht, Jakob zu einem Termin mit einem Psychologen bringt und sich eine Freundschaft zwischen ihr und Jakob entwickelt. Weiterhin berichtet die Protagonistin von ihrem „Boyfriend“ Dermot, der sie jedoch nicht interessiert und den sie loswerden möchte. Teil der Handlung ist ebenso eine Party, zu der sie mit ihrer Mitschülerin Lucile und Dermot geht.

Die Erzählung endet, nachdem Jakob bei Celine übernachtet hatte, weil sein Vater ihn wegen eines Missverständnisses nicht abholte, auf seine Mutter wartete und sich mit Celine Gedanken über die Zukunft macht.

Zum Zeitpunkt des Geschehens lebt die 16-jährige Celine mit ihrer nur einige Jahre älteren Stiefmutter in Chicago, während ihr Vater auf einer Vorlesungsreise in Europa ist. Hier werden die Verwischung der Generationsgrenzen, die Veränderung von Familienstrukturen sowie die damit verbundene Abschwächung von Generationskonflikten deutlich.[7] Die Form der Darstellung in aktuellen Adoleszenzromanen ist deshalb auch die der entdramatisierten. Kennzeichen der postmodernen Familie sind beispielsweise die nichtautoritäre Erziehung, wenige Familienmitglieder, alleinerziehendes Elternteil. „Sie [die Familie] ist zu einer Wohngemeinschaft von gleichberechtigten und fast `gleichalten´ Partnern geworden.“[8]

Die Hauptfigur der Handlung - Celine - ist intelligent, früherwachsen, selbstsicher und geht in einer Sache ganz auf: der Kunst. Sie sieht die Welt mit den Augen einer Malerin und achtet auf Farbe und Formen in ihrer Umgebung, was sich in den Worten des Textes wiederspiegelt. Günter Lange bezeichnet u.a. Malen als eine Rückzugsmöglichkeit, die dem Adoleszenten in Krisensituationen hilfreich sein kann und in manchen Jugendbüchern als Lösung angeboten wird.[9]

Das erste Kapitel dieser Arbeit widmet sich der Hauptfigur im Zusammenhang mit der Handlung. Die Beziehung der Protagonistin zu anderen Figuren der Handlung untersucht das zweite Kapitel. Kapitel drei beschäftigt sich mit dem Innenleben Celines; es geht auf Gedanken, Sprache und Weltsicht der Protagonistin ein. Die Problematik des Erwachsenwerdens findet sich im vierten Kapitel wieder, wobei der Unterschied zwischen Reife zeigen und erwachsen werden herausgestellt wird. Ein Vergleich zwischen Coles Roman und Salingers Der Fänger im Roggen[10] ist die Grundlage des letzten Kapitels. Es greift hierfür den intertextuellen Zusammenhang, der über Celines missglückten Aufsatz über Der Fänger im Roggen erwächst, auf und konzentriert sich sowohl auf Parallelen als auch auf Gegensätze zwischen dem modernen Roman Salingers und dem postmodernen Roman Coles.

1. Die Protagonistin in der Handlung

Schon die ersten Zeilen der Erzählung versetzten den Leser mitten in die Handlung: „Da gehe ich mit Versuchsmuster, meinem großen Gemälde aus dem Juniorjahr, unterm Arm nach Hause, ...“[11] Die Ich-Erzählerin[12] berichtet nicht rückblickend, sondern in der Form der Gegenwart. Durch den Einstieg mitten in die Handlung, die Ich-Erzählform und die Verwendung der Gegenwart erreicht der Leser schnell und unkompliziert gedankliche Nähe zur Hauptfigur Celine in ihrer jeweiligen Handlung.

Details zum Aussehen Celines - abgesehen davon, dass sie sich als pummelig bezeichnet[13] - zum Wohnort und zur Wohnung werden zu Beginn des Textes und in seinem weiteren Verlauf nur spärlich gegeben. Im Laufe der Handlung tauchen nur hin und wieder einige Angaben, meist in Gesprächen, z.B. über den Wohnort zur Zeit der Handlung und frühere Wohnorte Celines auf: „`Ich meine, seitdem ich hier in Chicago lebe`, sage ich rasch und versuche alles zurückzunehmen“[14], „`Wir sind nach New York gezogen`“ und „...`wir sind nach London gezogen.`“[15]

Da die Figuren der Erzählung, ihr Handeln und ihre Beziehungen zueinander Priorität besitzen, das Wesen dieses postmodernen Adoleszenzromans sind, wird eine Beschreibung des statischen Lebensumfeldes überflüssig. Im Zentrum der Erzählung steht die jugendliche Heldin mit der Darstellung ihres Innenlebens und Handelns als ein Merkmal des Adoleszenzromans.[16]

Einige spezifische Tatsachen aus dem Inhalt des Textes deuten auf die Intelligenz der Protagonistin und deren müheloses Bewältigen der schulischen Anforderungen hin. Eine Ausnahme bildet das Schreiben eines Aufsatzes über Der Fänger im Roggen, was aber mit Verständnislosigkeit und Desinteresse für dessen Hauptfigur Holden Caulfield begründet werden kann. Celine sagt, sie habe alle erforderlichen „Examenspunkte zusammen“, obwohl sie für diese noch ein Jahr Zeit hätte.[17] Außerdem verbringt Celine viel Zeit vor dem Fernseher und eher wenig Zeit damit, Hausaufgaben zu erledigen. Deshalb erscheint die Bezeichnung Streber, die ihr ein „Mädchen aus der Siedlung“[18] zuruft, nicht berechtigt zu sein. Die Protagonistin sagt: „Ich liebe Fernsehen. Ich schaue, soviel ich kann.“[19] Sie schrieb ihren Aufsatz über Salingers Der Fänger im Roggen während sie fernsah und selbst, wenn sie dafür eine schlechte Note erhalten sollte - so rechnet sie vor - hätte sie immer noch einen guten Gesamtdurchschnitt.

Die Handlung des Romans spielt sich zum größten Teil in verschiedenen Wohnräumen oder der Schule ab. Neben der Wohnung von Celine und ihrer Stiefmutter Catherine sind dies in erster Linie die Wohnung ihrer Mitschülerin Lucile, das Haus, in dem Celine mit Lucile auf einer Party ist und die Nachbarwohnung, in der Jakob - ein Zweitklässler[20] - mit seiner Mutter wohnt. Interessant ist hierbei, dass als einzige die Nachbarwohnung kurz beschrieben wird. Charakterisiert wird nur das, was der Hauptfigur selbst auffällt. Als Künstlerin hat Celine ein Gespür für Farbe. Das markante an der Wohnung ist ihre Farblosigkeit, was Celine beängstigt: „Alles in Jakobs Wohnung ist weiß. Die Wände und der Fußboden, die leinenbezogenen Sofas und die niedrigen Kunststofftische. Jedes Buch in den weißen Bücherregalen steckt in einem selbstgemachten weißen Schutzumschlag. Weiße Vorhänge filtern das Licht der Spätnachmittagssonne. Es ist die gruseligste Wohnung, in der ich je in meinem Leben gewesen bin.“[21] Jakobs Vater, Mr. Barker, ist auch ein Künstler (Maler) und zieht gerade aus. Es ist, als ob er mit seinem Auszug - sowohl er selbst, als auch seine Zeichenmaterialien - noch die letzten Farbtupfen mit sich nimmt. Zurück bleiben Jakob und seine Mutter: „Mrs. Barker wird so weiß wie ihr Fußboden, ihre Wände, ihre Schutzumschläge.“[22] Das Leben von Mrs. Barker ist farblos - ein Gegensatz zu Celines ungeordnetem bunten Leben

[...]


[1] Zum Begriff Postmoderne vgl. Jeremy Hawthorn, Grundbegriffe moderner Literaturtheorie: ein Handbuch (Tübingen/Basel 1994), S. 210ff; Merkmale der Postmoderne sind u.a.: positive Haltung gegenüber der modernen Welt, Faszination an Technik, „Feiern“ der Gegenwart.

[2] Vgl. Günter Lange, „Adoleszenzroman“ in: Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon, hrsg. von Kurt Franz u.a. (Meitingen 1995ff), Band 2, Teil 5, S. 1. und Heinrich Kaulen, „Fun, Coolness und Spaßkultur?“ in: Der Deutschunterricht Heft 5/99, S. 327.

[3] Lange, „Adoleszenzroman“ in: Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon, hrsg. von Franz

u.a., Band 2, Teil 5, S. 14.

[4] Carsten Gansel, Moderne Kinder- und Jugendliteratur: ein Praxisbuch für den Unterricht (Berlin 1999), S. 122.

[5] Vgl. Heinrich Kaulen, „`Mädchen dürfen stark sein`“ in: Der Deutschunterricht Heft 4/93, S. 87.

[6] Gansel, Moderne Kinder-und Jugendliteratur, S. 127.

[7] Vgl. ebd. S. 123, 127 und Heinrich Kaulen, „Vom bürgerlichen Elternhaus zur Patchwork-Familie“ in: Familienszenen, hrsg. von Hans-Heino Ewers und Inge Wild (Weinheim/München 1999), S. 117ff.

[8] Hannelore Daubert, „Von `jugendlichen` Eltern und `erwachsenen´ Jugendlichen. Familienstrukturen und Geschlechterrollen in Schülerromanen der 80er und 90er Jahre“ in: Jugendkultur im Adoleszenzroman: Jugendliteratur der 80er und 90er Jahre zwischen Moderne und Postmoderne, hrsg. von Hans-Heino Ewers (Weinheim/München 21997), S. 58.

[9] Lange, „Adoleszenzroman“ in: Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon, hrsg. von Franz u.a., Band 2, Teil 5, S. 12.

[10] Jerome D. Salinger, Der Fänger im Roggen (Köln 1956).

[11] Cole, Celine oder welche Farbe hat das Leben, S. 5.

[12] Das erlebende Ich nimmt selbst an der fiktiven Handlung teil, wobei es sich hier um die Hauptfigur handelt; zu den möglichen Erzählsituationen siehe Gansel, Moderne Kinder- und Jugendliteratur, S. 27ff.

[13] Vgl. Cole, Celine oder welche Farbe hat das Leben, S. 16.

[14] Ebd. S. 60; Celine führt ein Gespäch mit Mr. Barker.

[15] Ebd. S. 211 und S. 216; Celine erzählt Jakob vom Leben mit ihrer Mutter.

[16] Vgl. Kurt Franz / Günter Lange / Franz-Josef Payrhuber, Kinder- und Jugendliteratur. Ein Lexikon.

Band 2, Teil 5 (Meitingen 1995ff.), S. 14 und Gansel, Moderne Kinder- und Jugendliteratur, S. 115.

[17] Vgl. Cole, Celine oder welche Farbe hat das Leben, S. 144.

[18] Ebd. S. 5.

[19] Cole, Celine oder welche Farbe hat das Leben, S. 12.

[20] Ebd. S. 10.

[21] Ebd. S. 92.

[22] Ebd. S. 99.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der postmoderne Adoleszenzroman am Beispiel von Brock Coles "Celine oder welche Farbe hat das Leben"
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Didaktik der deutschen Sprache und Literatur)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2000
Seiten
24
Katalognummer
V13893
ISBN (eBook)
9783638194181
ISBN (Buch)
9783638739597
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adoleszenzroman, Beispiel, Brock, Coles, Celine, Farbe, Leben
Arbeit zitieren
MA Angela Exel (Autor:in), 2000, Der postmoderne Adoleszenzroman am Beispiel von Brock Coles "Celine oder welche Farbe hat das Leben", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13893

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