Aspekte zur Lokalität und Direktionalität von Adpositionen


Hausarbeit, 2007

23 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Wie kommt es zu verschiedenen Lesarten?

3. Verschiedene Aspekte für Lokalität und Direktionalität
3.1. Statische und direktionale Lesart bei Präpositionen mit Kasusalternation
3.1.1. Rolle der Prädikate für die Kasusrektion der PP
3.2. Kasusverhältnisse bei einfachen Richtungsadverbien am Beispiel „durch“
3.3. Kasusverhältnisse bei komplexen Richtungsadverbien am Beispiel „in...hinein“
3.4. Analyse der Lesarten von „zu“ hinsichtlich ihrer Dynamik

4. Vergleich der Ansichten zur Direktionalität lokaler Präpositionen von Bierwisch und Kaufmann

5. Schluss

6. Literatur

1. Einleitung

Unter der Wortart Adpositionen seien im Folgenden solche Wörter einer bestimmten syntaktischen Kategorie (X°) verstanden, die ein Komplement besitzen, gemeinsam mit diesem eine Phrase (des Typs X´) bilden, ihrem Komplement eine bestimmte semantische Rolle zuweisen und im Falle eines NP-Komplements diesem einen morphologischen Kasus, ihrem Komplement in der Phrase vorhergehen (Präpositionen), folgen (Postpositionen) oder es umschließen (Zirkumpositionen). Grundsätzlich gibt es keinen kategorialen Unterschied zwischen den drei Typen von Adpositionen, deshalb spreche ich von hier an meist nur von Präpositionen.

Prototypisch sind Präpositionen von der Art „vor dem Theater“. Im Zusammenhang mit Bewegungen gibt es Präpositionen wie „bis vor das Theater“. Und dieser bestehende Zusammenhang zwischen Lokativität und Direktionalität, um den es in meiner Arbeit hauptsächlich geht, wird vor allem bei solchen Präpositionen deutlich, die sowohl Dativ als auch Akkusativ fordern können. Dazu gehören „in“, „an“, „auf“, „neben“, „unter“, „über“, „hinter“, „vor“ und „zwischen“. Es sind die sogenannten Wechselpräpositionen.

Bei Helbig/Buscha (1998) lesen wir dazu: „Der Akkusativ steht, wenn es sich um ein zielgerichtetes Geschehen handelt, der Dativ, wenn das Geschehen nicht zielgerichtet ist.“ Ob dies so zu verallgemeinern ist, werde ich in den Unterabschnitten des Kapitels 3. etwas genauer beleuchten.

Es gibt aber auch Präpositionen, die sich nicht an dieser Kasusalternation beteiligen, z. B. ist „zu“ immer Kopf einer direktionalen, also [+dir]-PP, „bei“ ist immer statisch, also [-dir]. Beide weisen ihren Komplementen den Dativ zu. Eine kurze Analyse der Lesarten von „zu“ gebe ich in Kapitel 3.4.

Prototypische Präpositionen sind hochgradig polysem, d. h. sie können in den verschiedensten Lesarten vorkommen, wobei verschiedene Faktoren eine Rolle spielen, unter anderem auch Direktionalität und Lokativität. In einigen Fällen fand im Zuge der Grammatikalisierung ein Übergang von einer Bedeutungsvariante zu einer anderen statt, in anderen existieren zwei oder mehrere Bedeutungen nebeneinander. Ein Erklärungsversuch dafür wird in Kapitel 2 gegeben.

Unterschiede bestehen z. B. zwischen PP´s des Ortes und der Richtung bzw. der Zeit und der Dauer was folgende Beispiele zeigen:

(1) [-Dir in [Dat. der Schule]] vs. [+Dir in [Akk. die Schule]]
(2) [-Dir auf [Dat. dem Dach]] vs. [+Dir auf [Akk. das Dach]]

In Beispiel (1) und (2) ist die gleiche Präposition der Kopf einer lokalen und einer direktionalen PP, wobei der Kopf wiederum dem Komplement den Kasus zuweist. (Lokale Adverbien wie z.B. „Anna steht davor/vorne.“ sind von derselben syntaktischen Kategorie wie Präpositionalphrasen wie „Anna steht vor dem Haus.“)

Bedeutungsentwicklungen werden im Allgemeinen von Präpositionen angenommen, die lokale Relationen bezeichnen, und zwar zunächst hin zu temporalen Relationen, schließlich zu modalen und kausalen Relationen. Dafür spricht z. B., dass zwar räumliche Ausdrücke sehr häufig zur Bezeichnung nicht-räumlicher Beziehungen verwendet werden, jedoch kaum nicht-räumliche Ausdrücke für räumliche Beziehungen.

Präpositionalphrasen können Prädikate, Argumente und modifizierende Adjunkte sein, z. B. „Er ist in der Schule.“, „Der Brief liegt auf dem Tisch.“, „Ich kaufe das Buch in Berlin.“ oder „Eine Brücke über die Moldau.“ Die Präpositionen sind dann der Kopf der Präpositionalphrase. Gerade in Adverbialbestimmungen ist die Substituierbarkeit mit anderen Präpositionen ein sicheres Zeichen für das noch vorhandene semantische Gewicht der betreffenden Präpositionen ist: z. B. „Sie wartete auf der Treppe/an der Treppe/vor der Treppe.“ Die Kasusrektion der Präposition kann dabei vom Prädikat abhängen. So nehmen z. B. Verben wie „stehen“ und „wohnen“ nur [-Dir]-Komplemente auf. In Kapitel 3.1.1. werde ich solche Fälle etwas näher betrachten.

Zunächst einmal muss eine überzeugende Erklärung dafür her, wie die verschiedenen Interpretationsmöglichkeiten der einzelnen Präpositionen realisiert werden könnten. Auf eine solche mögliche Erklärung gehe ich im nächsten Kaptitel ein.

2. Wie kommt es zu verschiedenen Lesarten?

Vielen lokalistischen Theorien ist gemeinsam, dass sie eine enge Beziehung zwischen der Grammatik lokaler Ausdrücke und der Grammatik nichtlokaler Ausdrücke behaupten, und zwar von der Art, dass erstere das Vorbild oder die historische Quelle für letztere darstellt. Unverkennbar ist zweifellos, dass viele Ausdrücke mehr abstrakter Art auf lokale Ausdrücke zurückgehen.

In der Kognitiven Linguistik wird generell betont, dass die Bereithaltung von alternativen Darstellungsmöglichkeiten einer bestimmten räumlichen Konfiguration zu den grundlegenden Eigenschaften von Sprache gehören, was auch von der Sprachinhaltsforschung vertreten wird.

Offene Fragen hingegen bestehen allerdings hinsichtlich der Repräsentation dieser polysemen Bedeutungen im Lexikon und ihrer Verarbeitung. Grundhypothesen dazu sind z. B.:

- die Mehrdeutigkeit eines Wortes besteht nicht darin, dass es eine Liste von Lesarten gibt, unter denen bei der Sprachverwendung ausgewählt wird, sondern die Bedeutung lässt verschiedene Interpretationen entstehen
- Die Prozedur einer Interpretation der lexikalischen Bedeutung von Wörtern besteht aus einer Startbedeutung (Kernbedeutung) und Umdeutungsregeln; das sind die Regeln, die die Startbedeutung verändern
- Als Startbedeutung ist diejenige Lesart anzusetzen, aus der sich die verschiedenen Interpretationen am einfachsten ableiten lassen.

In den letzten Jahren sind viele Arbeiten zur Semantik (lokaler) Präpositionen veröffentlicht worden, die sich verschiedenen theoretischen Auffassungen zuordnen lassen. Fragestellungen dabei sind z. B. die Diskussion für und wider die Prototypensemantik, ein Ansatz, der ursprünglich überwiegend in der Nominalsemantik eingesetzt wurde. Demgegenüber stehen die Arbeiten, die den Ideen Bierwischs (Bierwisch 1983) folgen, in denen von einer zweistufigen Konzeption ausgegangen wird, welche eine unterbestimmte Kernbedeutung auf der semantischen Ebene (SF) und anschließende Ausdifferenzierungen auf der konzeptuellen Ebene (CS) vorsieht. Die sprachgebundene Bedeutungsrepräsentation stelle demnach eine Vermittlungsinstanz zwischen Syntax und konzeptueller Struktur dar. Die Bedeutung sprachlicher Ausdrücke resultiere somit aus dem Zusammenwirken des Sprachsystems und des Begriffssystems. Diese Zwei-Ebenen-Semantik, die von Bierwisch und Lang (1989) begründet wurde, bietet also einen Ansatz zur Interpretation von Polysemie-Problemen, indem sie folglich einen grammatischen und einen begrifflichen Anteil der Bedeutungskonstitution unterscheiden.

Das will ich jetzt versuchen, auf die Adpositionen zu übertragen. Einzelne Lesarten von Adpositionen können Domänen wie Lokalität, Temporalität, Modalität, Kausalität zugeordnet werden. Innerhalb einzelner Domänen lässt sich eine eventuell nötige weitere Differenzierung erzielen. Die Lesarten sind domänenintern, wie z. B. die Unterscheidung zwischen statischer und direktionaler Lesart im lokalen Bereich, oder über Domänen hinweg mittels Ähnlichkeiten in gegliederter Weise untereinander verbunden. Die Domäne Lokalität wird, wie bereits in der Einleitung erwähnt, als die „natürliche“ Ausgangsdomäne betrachten. Damit sind z. B. kausale Lesarten von Präpositionen als (metaphorische) auf Ähnlichkeit basierende Erweiterungen geeigneter lokaler, räumlicher Lesarten zu verstehen. Das gesamte Spektrum der konzeptuellen Interpretationsmöglichkeiten einer Präposition muss nicht zwangsläufig an der Repräsentation der Wortbedeutung ablesbar sein, wie es in der Prototypensemantik vorgesehen ist, so spielt z. B. bei der Interpretation lokaler Konstruktionen neben sprachlichem Wissen im eigentlichen Sinne in großem Umfang Wissen z. B. über räumliche Eigenschaften von Objekten je nach Sortenzugehörigkeit, über typische und kanonische Beziehungen zwischen Objekten und anderes mehr eine Rolle. Es wird also auf Informationen über konzeptionelle Zusammenhänge zurückgegriffen, die nicht durch die Bedeutungen der verwendeten Ausdrücke vermittelt werden, sondern durch eine andere, gegenüber sprachlichen Bedeutungen eigenständige, nichtsprachliche Repräsentationsebene, die semantische Komposition regelt und zwischen Sprachsystemen und konzeptionellem System vermittelt. Dieser Auffassung zufolge ist die lexikalische Bedeutung einer Präposition unterdeterminierend in Bezug auf die möglichen, je nach Kontext ausgedrückten Relationen. Sie legt lediglich den gemeinsamen Bestand aller möglichen kontextspezifischen konzeptuellen Ausdifferenzierungen fest, ohne mit einer speziellen Ausdifferenzierung identisch zu sein. Die Interpretation z. B. einer lokalen Konstruktion in einem gegebenen Kontext ergibt sich dieser Vorstellung zufolge, anders als nach den Vorstellungen der Prototypensemantik und anderer rein konzeptorientierter Ansätze, nicht auf einer integrativen konzeptuellen Ebene, sondern durch das Zusammenspiel von semantischer Information im engeren Sinne und konzeptueller Information, also durch das Zusammenwirken einer genuin sprachlichen und einer außersprachlichen Ebene. Wortbedeutungen werden als abstrakte Strukturen aufgefasst, die lediglich allgemeine Bedingungen festlegen für die verschiedenen möglichen, je nach Gegebenheiten des Kontextes erzielbaren konkreten Ausprägungen bzw. Verwendungen. Im Fall einer lokalen Präposition beispielsweise heißt dies (grob gesagt), dass in die lexikalische Repräsentation nur eine allgemeine Charakterisierung des Typs der Regionen aufzunehmen ist, also z. B. im Fall von „in“ eine Charakterisierung als Region vom Typ „Innenraum“. Darüber hinausgehende Festlegungen, etwa hinsichtlich der besonderen Beschaffenheit des Innenraums werden nicht bereits auf der Ebene der Wortbedeutungen getroffen, sondern ergeben sich als konkrete kontextbedingte Ausdifferenzierungen der abstrakten Wortbedeutung erst auf einer eigenen konzeptuellen Ebene. Auf dieser konzeptuellen Ebene sind die für die Ausdifferenzierung erforderlichen Informationen repräsentiert wie z. B. relevante Eigenschaften der Objekte, ihre kanonischen Beziehungen zueinander und dergleichen. So bestimmt z. B. die semantische Form für die lokale Präpositionalphrase „in der Vase“ als konstanten Bedeutungsbeitrag die Lokalisierung im Innern der Vase. Auf der Ebene der konzeptuellen Struktur erfolgt die kontextuell gesteuerte Spezifizierung des Innenraums, z. B. als umschlossener Hohlraum („das Wasser in der Vase“) oder der materielle Innenraum („der Riss in der Vase“).

[...]

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Details

Titel
Aspekte zur Lokalität und Direktionalität von Adpositionen
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Deutsche Sprache und Linguistik)
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
23
Katalognummer
V138828
ISBN (eBook)
9783640483174
ISBN (Buch)
9783640483372
Dateigröße
461 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adpositionen, Präpositionen, Postpositionen, Lokalität, Direktionalität, Polysemie
Arbeit zitieren
Magistra Artium Daniela Nagorka (Autor:in), 2007, Aspekte zur Lokalität und Direktionalität von Adpositionen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138828

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