Chancen für eine gemeinsame afrikanische Migrationspolitik

Rolle und Handlungsspielräume der Afrikanischen Union


Hausarbeit, 2009

22 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Migration in Afrika – Begriffe und Zahlen

3. Migration und die Internationale Politik

4. Die Rolle der AU

5. Die migrationspolitischen Tätigkeiten der AU
5.1. Prävention mit sicherheitspolitischen Maßnahmen
5.1.1. Humanitäre Intervention
5.1.2. Gemeinsames Grenzmanagement
5.2. Migration und Entwicklung
5.3. Tätigkeiten bezogen auf die staatliche Herrschaftspraxis
5.3.1. Migration und "Good Governance"
5.3.2. Rechte von Flüchtlingen und Migranten

6. Fazit: Chancen eines kontinentalen Migrationsregimes?

Abkürzungen

Bibliographie

Dokumente

Internetseiten

Literatur

1. Einleitung

Der Mythos vom grenzfreien Afrika wird immer wieder als Zukunftsmodell beschworen.[1] Afrika ist aber bis in prähistorische Zeiten zurück auch der Kontinent der Verdrängung, Vertreibung und Flucht gewesen.[2] Die Koloniali-sierung im 19. Jhd. durch die Staaten Europas erzeugte nicht nur 5 Mio. Nord-Süd-Migranten und bedeutende Bevölkerungszwangsbewegungen, mit den kolonialen Grenzziehungen setzte auch die Verstaatlichung Afrikas ein.[3] Die Herausbildung von Nationalstaaten ist ein bis heute nicht abgeschlossener, konfliktträchtiger Prozess. Heterogenen Gesellschaften stehen nur selten pluralistische politische Systeme gegenüber.

Die Vision der Afrikanischen Union (AU) ist die eines integrierten Kontinents, auf dem das Recht auf Freizügigkeit für afrikanische Bürger gilt. Vorerst ist Migration jedoch eher ein Problem, dessen Lösung davon abhängt, ob stabile, demokratische Staaten ihrer Ordnungsfunktion gerecht werden. Nationale Identitäten sollen gestärkt, gleichzeitig aber zugunsten einer panafrikanischen Identität überwunden werden.

Diese Arbeit beschäftigt sich mit der Frage, ob die AU bezogen auf Migration Kooperation zwischen den Staaten Afrikas vermittelt. Bevor die migrationspo-litischen Tätigkeiten der AU analysiert werden können, ist zu klären, welche Handlungsspielräume die internationale Politik (IP) allgemein im Politikfeld Migration hat und welche Rolle die AU in den afrikanischen Politikentwick-lungsprozessen spielt. Zunächst aber werden die wichtigsten Begriffe einge-führt und ein knapper Überblick über Migration in Afrika gegeben.

2. Migration in Afrika – Begriffe und Zahlen

Der Begriff Migration soll eher weitgefasst eine auf eine gewisse Dauer angelegte Bewegung einer Person im geographischen Raum bezeichnen. Die gesellschaftlich strukturellen Ursachen von Migration reichen von physischer Gewalt über ungleiche Lebenschancen bis hin zu Umweltproblemen. Hinzu kommen persönliche oder gruppendynamische Faktoren. Üblicherweise wird unterschieden zwischen freiwilliger und erzwungener Migration. Oft ist es jedoch nicht möglich ist, das eine vom anderen klar zu trennen. Legt man den Gewaltbegriff Galtungs[4] zugrunde, so kann man Migration aufgrund von Ar-mut oder Umweltzerstörung nicht einfach als rationale Wahlentscheidung auf-fassen. So bezeichnet Richter jede nicht traditionell bedingte Migration als Zwangsmigration.[5] Andererseits sind Migranten keineswegs immer nur Opfer, vielmehr verfügen sie über den Willen zur Selbstbehauptung, Vorstellungen von einem besseren Leben und oft auch politische Ziele.

Das Recht auf Freizügigkeit ist uneingeschränkt als universales Menschenrecht kodifiziert.[6] Dennoch sind der Migration in einer weitestgehend verstaatlichten Welt Grenzen gesetzt. Das Interesse der Staaten, Herrschaft über ein bestimm-tes Territorium und die darin ansässigen Menschen auszuüben, schlägt sich im internationalen Menschenrecht nieder. Der völkerrechtlich bindende Zivilpakt[7] räumt den Vertragsstaaten die Möglichkeit ein, das Recht auf Freizügigkeit einzuschränken. Damit entscheiden die Staaten, wer eine Grenze überschreiten darf und wer nicht, wer sich in einem Staat temporär aufhalten oder dauerhaft niederlassen darf und welche Rechte Migranten zugestanden werden.

Die folgenden Fakten liefern einen kurzen Überblick über Migration in Afrika. Zu bedenken ist, dass bei Datenerhebungen ein beträchtlicher Teil der Migran-ten nicht erfasst wird. Hauptfehlerquellen sind politisch relevante Begriffsdefi-nitionen und die lückenhafte, international nicht standardisierte Dokumentation durch die Staaten.

- 9 % der geschätzten 191 Mio. internationalen Migranten im Jahr 2005 lebten in Afrika, das entsprach 1,9 % der Gesamtbevölkerung. Westafrika ist mit einer Quote von 2,9 % die Region mit den meisten Migranten.[8]
- 2008 registrierte der UNHCR weltweit 42 Mio. Flüchtlinge, d. h. Personen, die aufgrund von politischer Verfolgung oder Gewalt gezwungen sind, ihr Land zu verlassen, und Internally Displaced Persons (IDPs), die aus den-selben Gründen fliehen ohne dabei eine Grenze zu überschreiten. Afrikani-scher Herkunft waren 2,55 Mio. Flüchtlinge, afrikanische Staaten nahmen ca. 2,1 Mio. Flüchtlinge auf. Hinzu kamen 6,3 Mio. IDPs. Knapp ein Drittel dieser Menschen lebten in Flüchtlingslagern.[9] Aktuelle Brennpunkte 2009 sind Somalia, Sudan und die DR Kongo.
- 2008 stammte ein Drittel der 375.000 in den wichtigsten Industriestaaten Asylsuchenden aus Afrika.[10] Die mit Abstand meisten Asylanträge weltweit wurden jedoch mit 207.000 in Südafrika gestellt.[11]
- Im Westen Afrikas wandern vom Sahelsyndrom betroffene Menschen in die Küstenstädte. Nur jeder siebte Migrant in dieser Region verlässt den Konti-nent.[12] Im Süden ziehen die Minen Südafrikas traditionell Arbeitsmigranten an, es wandern aber auch Hochqualifizierte, z. B. Lehrer und Ärzte, aus der Region nach Südafrika.[13] Im Norden ist Libyen Zielland und gleichzeitig auch Transitland für Migranten mit Ziel Europa[14]. Nach EU-Angaben saßen dort im Jahr 2007 60.000 gestrandete Migranten in Haft.[15]
- Schätzungen zum Ausmaß von nicht-dokumentierter Einreise bzw. von Auf-enthalt oder Arbeitsaufnahme ohne Erlaubnis sind oft politisch motiviert. Zwangsausweisungen könnten ein Indikator für die tatsächlichen Zahlen irregulärer Migration sein.
- Über 60 % der hochqualifizierten Afrikaner leben außerhalb von Afrika, z. B. leben in Chicago mehr äthiopische Ärzte als in Äthiopien[16], die Hälfte der afrikanischen Migranten in den USA haben einen akademischen Titel[17].
- Rücküberweisungen der Migranten machten im Jahr 2008 19 Mrd. USD aus und trugen z. B. in Senegal 6,7 % zum BSP bei.[18]

Migration ist, zusammengefasst, ein vielschichtiges Phänomen, bei dem die Rechte des Individuums mit staatlichen Interessen kollidieren. Welchen Bei-trag kann nun die IP leisten um hier einzugreifen?

3. Migration und die Internationale Politik

Ob eine Internationale Organisation (IO) bezogen auf ein bestimmtes Problem Kooperation zwischen ihren Mitgliedstaaten vermitteln kann, hängt von der Problemdefinition ab. Den Sachbereichen der IP – Sicherheit, Wohlfahrt und Herrschaft – liegen unterschiedliche Dilemmata und Konflikttypen zugrunde, die die Kooperationsbedingungen prägen und Handlungsspielräume begrenzen oder eröffnen. Migration wurde in jedem der drei Sachbereiche thematisiert.

Kernaufgabe der IP ist die Sicherung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit. Die Staaten sind bei der Sorge um die eigene physische Unversehrt-heit auf sich selbst angewiesen. So entsteht das Sicherheitsdilemma, denn Staaten bewerten die eigenen Machtressourcen in Relation zu den vermuteten Machtressourcen anderer und sind bemüht, sich hier nicht schlechter zu stellen. Die geringe Transparenz staatlicher Sicherheitsmaßnahmen erzeugt eine Atmo-sphäre des Misstrauens. Staaten verzichten dann auf Selbsthilfe, wenn ein System kollektiver Sicherheit die physische Unversehrtheit gewährleistet, indem es "enttäuschungsfeste[...] Erwartungsverlässlichkeit"[19] hinsichtlich der Feststellung und Sanktionierung von Friedensbedrohungen erzeugt.

Mit der Neukonzipierung des Sicherheitsbegriffs seit Beginn der 1990er Jahre wird Migration zunehmend als Sicherheitsproblem aufgefasst. Der UN-Sicher-heitsrat hat mehrfach grenzüberschreitende Flüchtlingsströme als Friedensbe-drohung eingestuft.[20] Loescher plädiert dafür, die nachsorgende humanitäre Flüchtlingshilfe durch präventive Maßnahmen zu ergänzen und so die politi-schen Ursachen zu adressieren.[21] Auch im Kampf gegen transnational organi-sierte Kriminalität gehen die Staaten zunehmend kooperativ gegen Menschen-schmuggel- und Schleuseraktivitäten vor. Dass Migranten die ökonomische oder soziale Sicherheit von Staaten gefährden können, wirft die Frage auf, bis wohin die Erweiterung des Sicherheitsbegriffs wohl noch getrieben wird.

Der Sachbereich Wohlfahrt betrifft die Verteilung materieller Lebenschancen zwischen den Gesellschaften unterschiedlicher Staaten. Hier ist das gegenseiti-ge Misstrauen wesentlich geringer, staatliche Maßnahmen sind von größerer Transparenz geprägt und die Staaten beurteilen ihren eigenen Nutzen absolut, d. h. unabhängig vom Nutzen der anderen. Dennoch ist es schwierig, Konsens zwischen den Staaten herzustellen, was die gerechte Verteilung sowie die Abwägung zwischen lang- und kurzfristigem Nutzen betrifft, insbesondere dann, wenn es signifikante Entwicklungsdisparitäten zwischen den Staaten gibt. Eine im Sachbereich Wohlfahrt engagierte IO muss Regelungen entwik-keln, die alle Beteiligten besser stellen, und verhindern können, dass sich Staaten Vorteile auf Kosten anderer verschaffen.

[...]


[1] So forderte der Vizepräsident von Ghana, John Mahama, im Mai 2009 in einer Rede vor dem Pan-Afrikanischen Parlament: "We must work together to create a borderless Africa that allows free movement of goods and people as existed before the colonial partition." siehe: AU, PAP (2009), The Pan-African Parliament Debates: Official Report of the Eleventh Ordinary Session, S. 12.

[2] Richter (1992), S. 68f.

[3] Richter (1992), S. 73.

[4] Galtungs Begriff der strukturellen Gewalt umfasst auch die Zerstörung oder Minderung von Lebens- und Entwicklungsmöglichkeiten; hierzu: Richter (1992), S. 53 f.; List (2005), S. 55 f.

[5] Richter (1992), S. 54.

[6] Art. 13 der völkerrechtlich nicht bindenden Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10.12.1948.

[7] Gareis, Varwick (2006), S. 177 f.

[8] UN, DESA, Population Division (2009), International Migration Report 2006.

[9] UNHCR (2009), Global Trends 2008.

[10] UNHCR (2009), Asylum Levels and Trends in Industrialized Countries 2008.

[11] UNHCR (2009), Global Trends 2008.

[12] Castles, Miller (2009), S. 154 f.

[13] UN-INSTRAW und SAIIA (2007). Gender, Migration and Remittances in Selected SADC Countries: Preliminary Findings.

[14] Castles, Miller (2009), S. 164 f.

[15] Im Internet: www.fluechtlingsrat-nrw.de.

[16] Ogom (2009), S. 166.

[17] Castles, Miller (2009), S. 157.

[18] UN, DESA, Population Division (2009), International Migration Report 2006.

[19] Rittberger, Zangl (2002), S. 208.

[20] Debiel (2003), S. 61; List (2005), S. 61 u. 178.

[21] Loescher (2003), S. 184.

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Chancen für eine gemeinsame afrikanische Migrationspolitik
Untertitel
Rolle und Handlungsspielräume der Afrikanischen Union
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Fakultät für Kultur- und Sozialwissenschaften)
Veranstaltung
Konflikt und Kooperation in den internationalen Beziehungen
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V138821
ISBN (eBook)
9783640487288
ISBN (Buch)
9783640487417
Dateigröße
499 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Korrektur zu S. 8: Mit der Ratifizierung der UN-Wanderarbeiterkonvention verpflichten sich Staaten, gewisse Menschenrechte von Migranten ohne regulären Aufenthaltsstatus zu schützen. (siehe hierzu: Bielefeldt, Heiner (2006), Menschenrechte "irregulärer" Migrantinnen und Migranten. in: J. Alt, M. Bommes [Hrsg.], Illegalität: Grenzen und Möglichkeiten der Migrationspolitik. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.)
Schlagworte
Chancen, Migrationspolitik, Rolle, Handlungsspielräume, Afrikanischen, Union
Arbeit zitieren
Daniela Wolf-Mahn (Autor:in), 2009, Chancen für eine gemeinsame afrikanische Migrationspolitik, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138821

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