Ralph Waldo Emersons Fatum In "The Conduct of Life"


Hausarbeit, 2006

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

1.) Einleitung

2.) Schicksal nach Emerson

3.) Kraft nach Emerson
3.1) Interaktion von Kraft und Schicksal

4.) Reichtum nach Emerson

5.) Bildung nach Emerson

6.) Betragen nach Emerson
6.1) Einflussnahme des Schicksals auf das Betragen des Menschen

7.) Verehrung nach Emerson

8.) Beiläufige Betrachtungen

9.) Schönheit nach Emerson

10.) Illusionen und das Schicksal

11.) Zusammenfassung

12.) Literaturliste

1.) Einleitung

Ralph Waldo Emerson gilt als Mitbegründer und gleichzeitig wichtigster Vertreter des Transzendentalismus; einer Strömung, deren Philosophie vornehmlich durch literarische Werke Ausdruck und Verbreitung fand. Eines dieser Werke ist The Conduct of Life (Lebensführung), eine komprimierte Aufsatzsammlung gehaltener Vorträge Emersons, welche 1860 veröffentlich wurde.

Der Einstieg in die „Lebensführung“ erfolgt über den ersten Aufsatz Fate (Schicksal). Dieser bildet zugleich die Grundlage für die vorliegende Untersuchung. Es gilt zunächst den Begriff Fate aus der Sicht Emersons zu definieren. Doch diese isolierte Begriffsdefinition wird nicht ausreichen, will man die Gedankenwelt Emersons verstehen und ansatzweise erläutern. Basiert doch sein System auf dem Interagieren und Verschmelzen einzelner Ideen und nicht auf der isolierten Existenz voneinander unabhängiger Gebiete. Die bestehende Sekundärliteratur nahm sich dem Thema Fatum von Emerson zwar an und unterbreitete unter Zuhilfenahme des Phänomens des Transzendentalismus auch Erläuterungsversuche. Es existieren jedoch keine Untersuchungen dieses Themenbereichs, welche den Inhalt des Aufsatzes für sich untersuchen und diesen als dann in den Kontext der anderen zugehörigen Essays im Conduct of Life setzen. Diese Literaturlücke gilt es zu schließen, oder aber doch zu mindestens zu begründen.

Aus diesem Grund wird das Emersonsche Konzept beispielhaft an der Idee des Schicksals auf Grundlage der Essaysammlung untersucht und in Beziehung zu allen übrigen Teilgebieten wie etwa Power oder Culture gesetzt. Dabei werden alle einzeln behandelten Prinzipien bündig erläutert, um dann in Verbindung mit dem Fatum das Gesamtkonzept der Lebensführung nach Emerson erkennen zu lassen.

2.) Schicksal nach Emerson

Dass Emersons Auffassung von der Wörterbuchdefinition des Schicksals als „The supposed force, principle or power that predetermines events“1 abweicht und sich nicht auf eine derart kompakte, ja minimalistische Formel bringen lässt, beweist der 35-seitige Umfang zum selbigen Thema als auch der Einstieg Emersons über die gleich zu Beginn gestellte Frage: „How shall I live?“2 Diese Frage, wie man sein Leben gestalten soll, überrascht unter Rücksichtnahme auf die Definition des Wörterbuches. Nach dieser Auslegung sind Geschehnisse im Leben eines Menschen, von einer größeren Macht als der Eigenen, vorbestimmt und nicht beeinflussbar. Umso überraschender scheint die Frage Emersons im Zusammenhang mit dem Schicksal aufzutauchen. Verkörpert sie doch das nach autonomen Richtlinien gestaltete Leben auf Basis des freien Willens und damit das konträre Prinzip zum Schicksal.

Anhand dieses Widerspruchs wird eine Tatsache unverkennbar deutlich:

Emersons Verständnis von Schicksal weicht vom allgemeinen Begriff ab.

Inwieweit er divergiert, ob dieser Unterschied tatsächlich so groß ist wie er auf den ersten Blick scheint und was Emersons Fatum primär ausmacht, sind Fragen, die es im Folgenden zu klären gilt.

Unter den mannigfachen Erläuterungen von Emerson, was Schicksal sei und es ausmache, ist eine der wenigen präzisen Definitionen zu finden. Er schreibt: „The element running through entire nature, which we popularly call Fate, is known to us as limitation. Whatever limits us, we call Fate.”3 Schicksal beinhaltet im überwiegenden Maße also Beschränkung und was immer im Leben des Einzelnen als Hindernis wahrgenommen wird, erfährt die Deklarierung des Schicksals. Diese Definition kann jedoch nicht vollständig sein, da man unter diesen Umständen unter Schicksal vor allem Pech oder Unglück, nicht aber ein vorbestimmtes Scheitern, verstehen würde. Durch eine weitere Schilderung erfährt der Begriff eine relevante Ergänzung. So heißt es weiter: „(…) a part of Fate is the freedom of man. (…) Intellect annuls Fate. So far as a man thinks, he is free.”4

Auf Grund dieser Aussage ist Schicksal nicht ausschließlich als ein System von Beschränkungen zu verstehen, welches im Leben eines einzelnen Menschen zur Anwendung kommt und von außen aufoktroyiert wirkt, sondern es ist gleichermaßen von Seiten des Menschen beeinflussbar und zwar durch dass, was Sartre etwa 100 Jahre nach Emersons Tod als ein verurteilt sein zur Freiheit betitelt.

Doch bevor das Wirken des Freiheitsprinzips innerhalb des Schicksals vertieft werden kann, gilt es den Wirkungsbereich der Beschränkungen im Prinzip des Schicksals näher zu bestimmen und zu erörtert. Inwieweit wirkt das Schicksal beschränkend?

Einen Hinweis zur Klärung bietet das erste erwähnte Zitat, in dem Emerson das Wirken des Schicksals auf die Natur zurückführt. Einerseits kann sich das Schicksal durch die Natur entfalten, andererseits ist jenem Element das System der Beschränkungen immanent und so erfährt notgedrungen das Schicksal diese naturbedingten Limitierungen. Obwohl es sich bei dem Emersonschen Naturbegriff um einen sehr komplexen Themenbereich handelt, lässt sich das Wirkungsprinzip der Natur in diesem Fall eingehender erläutern, da Emerson die Natur auf ihre biologischen Funktionen beschränkt sieht. Emerson beginnt seine Erläuterungen diesbezüglich mit Beispielen aus der Tierwelt, an Hand derer er die Vorbestimmtheit der Tiere durch ihre jeweilige körperliche Ausbildung, vorstellt. „The menagerie, or forms and powers of the spine, is a book of fate: the bill of the bird, the skull of the snake, determines tyrannically its limits.“5 Diese Ausführungen dienen ihm zur Überleitung, um die Beschränkungen des Menschen durch die Natur aufzuzeigen, welche in der Aussage kulminiert:

Men are what their mothers made them. (…) When each comes forth from his mother’s womb, the gate of gifts closes behind him. (…) So he has but one future, and that is already predetermined in his lobes, (…)6

Das Tor der Gaben, eine für Emerson typisch schwammige Analogie, schließt sich mit dem Akt der Geburt hinter einem jeden Menschen und durch diese wird er vorherbestimmt.

Diese Vorherbestimmtheit durch die Biologie in der Natur lässt sich in zwei Kategorien unterteilen. Einerseits ist der Mensch auf Grund seines biologischen Körpers ermächtig, gewisse Handlungen wie gehen und laufen, vorzunehmen. Andere wiederum, wie etwa das Fliegen (ohne technische Hilfe), liegen nicht in seiner Natur begründet. Weitere biologische Beschränkungen wie das Altern oder die Anfälligkeit für körperliche Gebrechen auf Grund der Fehlbarkeit von Körperorganen und Körperfunktionen, treten hinzu. Diese Beschränkungen kann man als konstante Beschränkungen bezeichnen, da sie, unabhängig von der Individualität einen Menschen, lediglich auf der Grundlage der Zugehörigkeit zur menschliches Rasse, auf alle gleich einwirken.

Die zweite Kategorie von Beschränkungen ist als variabel deklarierbar.

Darunter sind alle biologischen Einschränkungen zu verstehen, die nicht zu den konstanten Beschränkungen zählen. Die variablen Limitationen wirken auf jedes Individuum in differenzierter Weise und in unterschiedlichem Maße. Da sie von Mensch zu Mensch verschieden auftreten, in dem Sinne des Vorhanden- oder Abwesenseins, und ebenfalls in veränderlichen Graden der Ausprägung auftreten, erfahren sie die Deklarierung variabel. Zu diesen Beschränkungen zählt Emerson etwa die vier Temperamente.7 Jene Temperamentenlehre reicht bis in das 5.Jh. v. Chr. zurück. Nach dieser Lehre werden menschliche Charaktere in vier Hauptrichtungen unterteilt: Sanguinisch, Phlegmatisch, Melancholisch, Cholerisch. Die Grenzen zwischen den einzelnen Charaktereigenschaften sind nicht strikt voneinander zu trennen, da sie vielmehr ineinander überlaufen und somit verfeinerte Abstufungen der vier Grundausprägungen hervorbringen.8

Das „Tor der Gaben“ ist in Bezug auf den Wirkungsbereich nicht alleinig auf die Ausprägung der Charaktere beschränkt, sondern vor allem auf das anwendbar, was heutzutage unter genetischer Prädisposition verstanden wird. Zwar herrscht weit verbreiteter Disput über den detaillierten Einfluss der Gene auf die Individualität eines Menschen, aber die Tatsache, dass die Gene einen erheblichen Einfluss auf Talente und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen einer Person haben, gilt als unbestreitbar und unwiderlegbar. Es lässt sich demzufolge eine zweiseitige Disposition feststellen, welche auf den Menschen und sein Schicksal nach Emerson einwirkt. Würde man mit dieser Erkenntnis an dieser Stelle schließen wollen, wäre das Ausbilden einer pessimistischen Grundeinstellung dem eigenen Leben gegenüber kaum auszuschließen. Doch was der Grundstein für Missmut sein könnte, ist für Emerson die Grundlage für einen positiv gerichteten Umgang mit dieser Erkenntnis, denn das Prinzip des Schicksals beinhaltet nach Emerson das bereits flüchtig erwähnte Prinzip der Freiheit.

Der Begriff „Freiheit“ ist als solcher nicht pauschal definierbar, da er je nach Sichtweise, sei sie philosophisch, wirtschaftlich oder gesellschaftlich, immer eine andere Bedeutung inne trägt. So lautet eine von zehn Wörterbuch- Definitionen über Freiheit: „The capacity to exercise choice; free will.”9 Setzt man diese Definition in den direkten Vergleich zu dem bereits eingangs erwähnten Zitat Emersons, wird ein frappantes Merkmal offensichtlich: „(…) a part of Fate is the freedom of man. (…) Intellect annuls Fate. So far as a man thinks, he is free.”4 Das Freiheitsprinzip bezieht sich unter Emerson ausschließlich auf die Gedanken- und nicht auf die physische Ebene. Auf Letztere mag sie als ein Ergebnis des Ersteren eine Anwendung finden, die Grundvoraussetzung für die Emersonsche Freiheit bildet jedoch das eigenständige Formen von Gedanken.

Hieraus ergibt sich ein scheinbarer Widerspruch, denn wie Emerson richtig vermerkt, entstehen die Gedanken eines Menschen im Gehirn und dieses ist durch das Schicksal der Biologie in seinem Umfang und in seiner Struktur festgelegt, ja, vorherbestimmt. Nicht nur das. Emerson geht in seiner Bemerkung diesbezüglich so weit und behauptet, dass auch die Gedanken selbst nicht frei, sondern dem Prinzip des Schicksal unterlegen sind. „…even thought itself is not above Fate; that too must act according to eternal laws.”10 Doch bereits drei Seiten weiter heißt es: „The revelation of Thought takes man out of servitude into freedom.“11 Es handelt sich um ein strukturelles Paradoxon in der Theorie Emersons. Was zunächst wie ein Widerspruch anmutet, enthält bei genauerer Analyse den Verweis auf eine höhere Wahrheit. An dieser Stelle mag der Hinweis hilfreich sein, dass das Prinzip des Schicksals das der Freiheit beinhaltet. Auf diesen konkreten Fall angewendet bedeutet dass, das dem Menschen durch die biologische Festlegung des Gehirns und seiner Funktionen nicht nur Limitationen sondern gleichzeitig die Arbeitsmittel für die Freiheit nach Emerson mit auf den Weg gegeben worden sind. Denn für Emerson erfolgt die Freiheit über die Gedanken, ergo: Solange der Mensch denkt, ist er frei.

Die positive Wandlung zuvor negativ erscheinender Umstände vollzieht Emerson nicht nur in Hinsicht auf das Schicksal mit integralem Bestandteil der Freiheit, sondern auch auf die zuvor erwähnten konstanten und variablen Beschränkungen. Diesbezüglich schreibt Emerson: „We can afford to allow the limitation, if we know it is the meter of the growing man. (…) Fate involves the melioration.“12 Limitationen sind einerseits unabdingbar, bilden andererseits jedoch die Voraussetzung für persönliches Wachstum, für ein Voranschreiten und Weiterkommen. Am Ende dieser Entwicklungen, Metamorphosen und Anstrengungen steht das, oder pointierter, der Mann, den Nietzsche in seinen Schriften als den Übermenschen verklärt. Aus diesem Grund sind selbst Beschränkungen unter Emerson nie ausschließlich als Eingrenzungen sondern immer auch als zu nutzende Chancen zu verstehen. Eine komprimierte Zusammenfassung der Emersonschen Idee von Schicksal ist in der folgenden Übersicht anschaulich dargestellt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Rückwirkung durch Paradoxon innerhalb der Emersonschen Lehre

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Schicksal wirkt durch die Natur, welche wiederum auf den Menschen in Form der Limitationen wirkt. Durch diese biologischen Einschränkungen sind unter anderem auch die Gedanken in ihrer Endlichkeit festgelegt. Doch beinhalten diese Beschränkungen gleichzeitig den Schlüssel zur Loslösung von denselbigen. Durch das Gehirn wird dem Menschen die Möglichkeit zum Denken eingeräumt und somit die Grundlage für die individuelle Freiheit des Einzelnen. Durch den Prozess des Denkens ist das Schicksal wiederum positiv beeinflussbar und genau in diesem System liegt Emersons Funktionsweise des Schicksals begründet.

[...]


1 „Fate.“The American Heritage Dictionary of The English Language. 4.Aufl.2000.

2 Ralph Waldo Emerson, The Conduct of Life (Fairfield, 2004) 7.

3 Emerson, 20.

4 Emerson, 22.

5 Emerson, 12.

6 Emerson, 13.

7 Emerson, 12-13.

8

9 „Freedom.“The American Heritage Dictionary of the English Language.4.Aufl.2000.

10 Emerson, 21.

11 Emerson, 2 . 7

12 Emerson, 28-31. 8

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Ralph Waldo Emersons Fatum In "The Conduct of Life"
Hochschule
Universität Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
24
Katalognummer
V138762
ISBN (eBook)
9783668175686
ISBN (Buch)
9783668175693
Dateigröße
529 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
ralph, waldo, emersons, fatum, conduct, life
Arbeit zitieren
M.A. Eva Steinbrecher (Autor:in), 2006, Ralph Waldo Emersons Fatum In "The Conduct of Life", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138762

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