Schulbuch-Vergleich: Die Darstellung des Versailler Vertrages


Dossier / Travail, 2009

24 Pages, Note: 3,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Schulgeschichtsbuch
2.1 Entwicklung und Typen
2.2 Darstellungsvarianten

3. Zum Inhalt: Der Versailler Vertrag

4. Schulbuchvergleich: Der „Oechsli“ und „Horizonte 8“
4.1 Staatliche Vorgaben
4.1.1 Geschichtsvermittlung im Nationalsozialismus
4.1.2 Zeitgenössische Geschichtsvermittlung
4.2 Inhalt und Darstellungsformen
4.2.1 Im „Oechsli“
4.2.2 In „Horizonte 8“

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

Gewisse Bücher scheinen geschrieben zu sein, nicht damit man daraus lerne,

sondern damit man wisse, dass der Verfasser etwas gewusst hat.

Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832)

1. Einleitung

Der wichtigste Aspekt eines jeden Buchs ist die Frage danach, was bei dem Leser tatsächlich ankommt. Der Buchautor kann sich zum Erzählen von Geschichte unterschiedlicher Verfahrensweisen, Methoden und Darstellungsformen bedienen, um den Leser zu motivieren und zum Nachdenken anzuregen.

In der folgenden Arbeit soll aufgezeigt werden, auf welch unterschiedliche Art die Geschichtsdarstellungen in Schulgeschichtsbüchern vollzogen wird. Nachdem kurz allgemein auf das Schulgeschichtsbuch, seine Entwicklung und seine Darstellungs-weisen, eingegangen wird, soll ein konkreter Vergleich eines Schulbuchs der nationalsozialistischen Ära mit einem Schulbuch der heutigen Zeit bezüglich des Versailler Friedenvertrags Erkenntnisse darüber liefern, inwiefern das Geschichtsbuch als Produkt gesellschaftlicher Prozesse fungiert. Dabei wird zuerst die vorherrschende Geschichtsauffassung der jeweiligen Zeit betrachtet, anschließend werden die äußeren Gestaltungsmittel miteinander verglichen, zuletzt der Inhalt und dessen Darstellung.

2. Das Schulgeschichtsbuch

„Das Schulbuch ist ein Unterrichtsmittel für historisches Lernen und hat im Laufe der Entwicklung die Funktion eines Leitmediums des Geschichtsunterrichts gewonnen.“[1] Als Leitmedium des Geschichtsunterrichts hat heutzutage es auch viele Aufgaben zu erfüllen: Für die Schüler soll es – pauschal gesagt – einfach, anschaulich, verständlich, aufregend und ansprechend sein, für die Lehrer soll zudem die Wissensvermittlung stimmig sein, es soll multiperspektivisch und handlungsorientiert sein, für den Geschichtswissenschaftler muss der historische Wahrheitsgehalt richtig, für den Geschichtsdidaktiker der didaktische Anspruch erfüllt sein. Die Maßstäbe, nach denen sich das Schulgeschichtsbuch anpassen sollte, waren aber noch nicht immer dermaßen hoch, wie ein Überblick über die Entwicklung der Bücher für den Geschichtsunterricht aufzeigen soll.

2.1 Entwicklung und Typen

Während man im 18. Jahrhundert meist Schulbücher mit einer exemplarischen Geschichtsbetrachtung durch ein Frage-Antwort-Schema verfasste, erkannte man im 19. Jahrhundert, dass sich geschichtliches Begreifen nicht durch Auswendiglernen von vorgegebenen Fragen und Antworten erreichen lässt. So wurde nun der Typ der geschlossenen Geschichtserzählung vorgezogen. Anfang des 20. Jahrhunderts wurden durch die Reformpädagogik neue Anregungen für den Geschichtsunterricht und damit auch für das Schulbuch gegeben – die Geschichtserzählungen sollten anschaulicher werden und Geschichtsunterricht sollte nicht nur der Vermittlung von Fakten dienen, sondern auch als Arbeitsunterricht verstanden werden, was zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht bedeutete, dass den Büchern infolgedessen bereits ein Arbeitsteil zugefügt wurde. Bis in die 60er Jahre war das Lehrbuch „der absolut dominierende Geschichtsbuchtyp“, der ein „fertiges, bündig geordnetes, weitgehend gedeutetes Orientierungswissen an[bot].“[2] Natürlich verschaffte dies gerade dem Nationalsozialismus die Möglichkeit einer ideologisch ausgerichteten Geschichts-darstellung.

1966 erschien laut Ursula A. J. Becher der Prototyp des neuen Arbeits- und Lesebuchs mit dem Titel „Menschen in ihrer Zeit“[3], das neben der traditionellen Geschichtsdarstellung auch eine Fülle von Materialien aufweisen konnte. Weiterhin wurde nun Historisches Lernen „allein geschichtsdidaktisch begründet, indem die Ergebnisse der Geschichtswissenschaft und der Geschichtstheorie (Historik) didaktisch reflektiert wurden.“[4] Durch diese Entwicklung kann man sich erklären, wie das heutige Schulbuch, meist ebenfalls eine Kombination aus Geschichts- und Arbeitsbuch entstanden ist.

Michael Sauer gibt an, dass die Kapitelstruktur heutiger Geschichtsbücher meist nach demselben Schema aufgebaut werde.[5] Die Auftaktdoppelseite soll „Interesse wecken, Fragen aufwerfen, Atmosphäre vermitteln“, anschließend folgt ein Verfassertext, der eine Darstellung des jeweiligen Themas liefert. Im Arbeitsteil folgen dann Quellen und Darstellungen, die mit entsprechenden Arbeitsfragen versehen sind, Methodenteile sollen das Erlernen von fachspezifischen Arbeitsweisen ermöglichen, die abschließenden Zusammenfassungen das Gelernte festigen. Angesichts dieser Vielfältigkeit des Werks für den Geschichtsunterricht, geht Joachim Rohlfes nicht zu weit, wenn er behauptet

„ [d]as heutige Schulgeschichtsbuch ist ein ‚Medienverbund’, in dem darstellende Partien, Textquellen, Auszüge aus der Sekundärliteratur, Bilder, Karten, Statistiken, Diagramme, Übersichtstafeln, Arbeitsaufgaben, Literaturempfehlungen, Register ein mannigfaltiges Lese-, Schau-, Lern- und Arbeitsangebot darstellen.“[6]

Bezüglich der Typisierung unterscheidet Ursula A.J. Becher folgende Typen von Geschichtsbüchern, deren Namen m. E. für sich selbst sprechen:[7]

Geschichtserzählungen; Leitfaden (Grundriss, Grundzüge); Darstellung mit Einschüben aus Quellen oder fiktionalen Texten; leitfadenhafte Darstellung mit eigenem Quellenband; Darstellung mit unterscheidbarem, aber integriertem Materialienteil; Materialienband mit Hinweisen, aber ohne Autorentext; Trennung von Darstellung und Materialienteil innerhalb eines Bandes.

Joachim Rohlfes hingegen begnügt sich hingegen mit folgenden Varianten: Lehrbuch, Arbeitsbuch, kombiniertes Lehr- und Arbeitsbuch, Quellenlesebuch und programmierendes Schulgeschichtsbuch.[8]

2.2 Darstellungsvarianten

Joachim Rohlfes betont, dass zeitgemäße Schulgeschichtsdarstellung „das ganze Spektrum der Darstellungsformen ausschöpfen [muss], wenn sie den neueren Anforderungen an die Geschichtsschreibung entsprechen will“[9] und charakterisiert anschließend zehn Möglichkeiten der Darstellungen im Schulgeschichtsbuch.[10]

Die pointierende Kurzformel hat die Aufgabe, komplexere Gedankengänge in Schlagworten zu fixieren. Einerseits dient sie dazu, eine Quintessenz der Aussagen des Autors zu liefern, andererseits soll sie den Leser anregen, sich genauer mit dem jeweiligen Bereich zu beschäftigen. So steht diese Form der Darstellung zwischen Sachlichkeit und Effekthascherei, die der Autor versuchen muss zu überbrücken. Weiterhin nennt Joachim Rohlfes ein- und hinführende Texte, deren Funktion darin besteht, den Leser in eine Richtung zu führen, die ihn auf bevorstehende Aufgaben vorbereitet. Hierbei muss er die Gabe besitzen durch seine Einweisung den Leser gleichzeitig zu motivieren. „Die ideale Einführung erweckt Problembewusstsein und leitet zu vernünftigen Fragestellungen hin, macht aber noch keine definitiven Aussagen.“[11] Eine andere Darstellungsform in Schulgeschichtsbüchern sind berichtende und erzählende Partien, denen grundlegende Elemente der Erzählung wie das Persönliche, das Situative oder das Dramatische inhärent sind. Dabei soll beim Leser emotionale Anteilnahme erzielt werden, er soll sich auf das Erzählte einlassen – gleichzeitig soll die Erzählung aber auch zum Nachdenken anregen. Joachim Rohlfes fährt fort mit beschreibenden und schildernden Darstellungen, bei der Zustände und Verhältnisse, Einrichtungen und Lebensformen dem Leser nahe gebracht werden. Dabei muss der Schriftsteller beachten, dass die Schilderung eine Leitlinie verfolgt und nicht durch eine Fülle von Detailaussagen undurchsichtig erscheint. Entwickeln und herleiten bietet sich bei systemhaften und strukturierenden Zusammenhängen an, bei denen eine Sachlogik entfaltet werden soll. Die Problematik besteht bei dieser Art der Darstellung darin, dass die jeweiligen historischen Zusammenhänge reduziert werden, was bei Schulgeschichtsbüchern nicht der Fall sein sollte. Wenn ein Sachverhalt bereits erläutert ist, so kann ein Geschichtsbuchautor dazu auch argumentierend und erörternd eine Stellungnahme abgeben – dies sollte aber nicht bei einem unbekannten Sachverhalt geschehen, da der Leser sonst schon im Vorneherein beeinflusst wird. Ist eine Zusammenfassung von Nöten, so kann der Autor resümierende und bilanzierende Darstellungsformen verwenden. Es sollte sich aber hierbei nicht um eine bloße Wiederholung des bereits Gesagten handeln, sondern um eine Betrachtung aus einem neuen Blickwinkel. Eine weitere wichtige Form der Geschichtsdarstellung, die zudem sehr beliebt zu sein scheint, ist der Vergleich. „Historischer Wandel lässt sich ohne Vergleichen nicht fassen“,[12] allerdings sollten die Sachverhalte bekannt sein, um den Leser nicht zu verwirren. Ein Autor kann weiterhin Beurteilen und Werten, was „vielen als eine Todsünde des Schulbuchautors“[13] gilt. Nichtsdestotrotz können Werturteile auch in einem Geschichtslehrbuch ihren Platz finden, wenn sie nicht versteckt und manipulativ, sondern offen und meinungsbildend eingebaut werden. Die letzte Darstellungsform in Schulgeschichtsbüchern, die Joachim Rohlfes nennt, ist die Definition. Diese soll übersichtlich, prägnant und kurz sein und den anerkannten Wissens- und Reflexionsstand reproduzieren.

Waldemar Grosch fasst Joachim Rohlfes’ Typen und Funktionen der Schulbuchdarstellungen noch einmal stichpunktartig in einem Schaubild zusammen:[14]

[...]


[1] Becher, Ursula A. J.: Schulbuch. In: Pandel, Hans-Jürgen / Schneider, Gerhard (Hrsg.): Handbuch Medien im Geschichtsunterricht. Schwalbach 1999, S. 45.

[2] Rohlfes, Joachim: Geschichte und ihre Didaktik. Göttingen 2005, S. 312.

[3] Das Buch erschien 1966 im Klett-Verlag, Herausgeber war Friedrich J. Lucas. Vgl. Becher: Schulbuch, S. 51 und 67.

[4] Ebd., S. 51.

[5] Vgl. Sauer, Michael: Geschichte unterrichten. Seelze 2008, S. 261ff.

[6] Rohlfes: Geschichte, S. 311.

[7] Vgl. Becher: Schulbuch, S. 55.

[8] Vgl. Rohlfes: Geschichte, S. 312-316. Da sich der Typ programmierendes Schulbuch nicht unbedingt selbst erklärt, sei kurz genannt, dass es sich hierbei um ein Werk mit fest vorgeschriebenem Arbeitsgang handelt, der den Leser „an kurzer Leine vom Start bis zum Ziel“ führt. Ebd. S. 316.

[9] Rohlfes, Joachim: Formen und Maßstäbe der Darstellung im Schulgeschichtsbuch. In: GWU 40 (1989), S. 600.

[10] Dieser Abschnitt bezieht sich – wenn nicht anders angegeben – auf ebd., S. 600-604.

[11] Ebd., S. 601.

[12] Ebd., S. 603.

[13] Ebd.

[14] Grosch, Waldemar: Schriftliche Quellen und Darstellungen. In: In: Günther-Arndt, Hilke (Hrsg.): Geschichtsdidaktik – Praxishandbuch für die Sekundarstufe I und II. Berlin 2003,, S. 75.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Schulbuch-Vergleich: Die Darstellung des Versailler Vertrages
Université
LMU Munich  (Historisches Seminar)
Note
3,0
Auteur
Année
2009
Pages
24
N° de catalogue
V138736
ISBN (ebook)
9783640455843
ISBN (Livre)
9783640456062
Taille d'un fichier
682 KB
Langue
allemand
Mots clés
Schulbuch, Vergleich, Versailles, Versailler Vertrag, Didaktik, Geschichtsdidaktik
Citation du texte
Andrea Surner (Auteur), 2009, Schulbuch-Vergleich: Die Darstellung des Versailler Vertrages, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138736

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