Eine pragmatische Analyse persuasiven Sprachgebrauchs

Wie wirken die 20 bekanntesten Werbeslogans?


Magisterarbeit, 2009

140 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Persuasion
2.1. Erscheinungsformen persuasiven Sprachgebrauchs
2.2. Werbung und Werbesprache
2.2.1. Spannungsverhältnis Text-Bild in der Werbung
2.2.2. Bedeutung und Funktion von Slogans in der Werbung

3. Die Pragmatik der Werbesprache
3.1. Werben als direktives dialogisches Handlungsmuster
3.2. Relevanztheorie und Werbesprache
3.2.1. Kommunikation
3.2.2. Inferenz
3.2.3. Relevanz
3.2.4. Aspekte sprachlicher Kommunikation
3.2.5. Werbesprachliche Untersuchungen
3.2.5.1. Tanakas ,Advertising Language‘
3.2.5.2. Forcevilles ,Pictorial Metaphor in Advertising‘
3.3. Ein Analysemodell

4. Pragmatische Analyse ausgewählter Werbeslogans
4.1. Slogans, die einen tatsächlichen Zustand beschreiben
4.2. Slogans, die einen erstrebenswerten Zustand beschreiben
4.3. Slogans, die eine zugeschriebene Äußerung interpretieren
4.4. Slogans, die eine erstrebenswerte Äußerung interpretieren
4.5. Zusammenfassung der Slogan-Analyse

5. Zusammenfassung und Ausblick

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Die Begriffe Persuasion bzw. persuasiv sind im Alltag der meisten Menschen kaum gebräuchlich, obwohl nahezu jeder täglich davon umgeben und damit konfrontiert ist; nicht mit den Worten selbst zwar, dafür mit dem, wofür sie stehen. Die deutsche Übersetzung des Begriffes ist mit Überreden und Überzeugen zweigeteilt, was einen ersten Zugang bietet um sich klar zu machen, wo überall und mit welchen Absichten einem persuasiver Sprachgebrauch begegnen kann.

Sei es in persönlichen oder beruflichen Gesprächen, bei der morgendlichen Zeitungslektüre oder beim Fernsehabend, es gibt kaum Momente, in denen man nicht auch der versuchten Beeinflussung durch andere ausgesetzt ist. Und was wäre diese anderes, als Versuche zu überreden oder zu überzeugen? Etliches anderes natürlich, zu vieles, um es hier erschöpfend aufführen zu können, z.B. aber: Informationen, Unterhaltung und Ablenkung. Trotzdem ist davon auszugehen, dass jede oder zumindest nahezu jede Situation auch persuasive Aspekte aufweist.

Will man untersuchen, woran das liegt und worin diese Aspekte sich äußern, bietet es sich an, die Untersuchung in einem Bereich des Sprachgebrauchs zu beginnen (und im Fall meiner Arbeit auf diesen zu beschränken), bei dem man sich einerseits einer dominanten Rolle der Persuasion sicher sein kann, und mit dem andererseits jeder täglich konfrontiert ist. Ein solches Feld ist, gerade heutzutage, die Werbung, genauer die Wirtschaftswerbung. An anderen Orten und zu anderen Zeiten mögen andere Felder als Untersuchungsgegenstand persuasiven Sprachgebrauchs fruchtbarer gewesen sein, so z.B. die Mission im Afrika des Kolonialismus' oder die politische Propaganda im Deutschland des Nationalsozialismus' oder der Sowjetunion. Auch steht außer Frage, dass sich auch heute in Deutschland persuasiver Sprachgebrauch in den unterschiedlichsten Bereichen menschlicher Kommunikation finden und damit auch analysieren ließe. Nur eben nicht so dominant und alltäglich wie in der Wirtschaftswerbung.

Daher werden, nach allgemeinen Erläuterungen zu Persuasion und persuasivem Sprachgebrauch in Kapitel 2. und einer knappen Abhandlung von dessen verschiedenen Formen und Bereichen in Kapitel 2.1., in Kapitel 2.2. die Spezifika der Werbesprache untersucht. Insbesondere werden dabei in Kapitel 2.2.1. und 2.2.2. Schlaglichter auf das Spannungsverhältnis von Text und Bild in der Werbung bzw. die Besonderheiten von

Werbeslogans geworfen. Diese Schlaglichter erklären sich über die thematischen Grenzen, der eine Analyse immer bedarf und die in meiner Analyse so gezogen sind, dass bildliche Elemente größtenteils unberücksichtigt bleiben und als textliche Elemente von Werbung vor allem Slogans betrachtet werden. Wie und warum dies getan wird, welche Probleme sich daraus ergeben und warum diese letztendlich trotzdem zu vernachlässigen sind, wird mittels der Schlaglichter beleuchtet.

Während Kapitel 2. samt Unterkapiteln sich also damit beschäftigt, was (und was nicht) in meiner Arbeit betrachtet und analysiert wird, geht es in Kapitel 3. darum, wie dies geschehen kann und geschieht. Der Titel sagt es bereits, es handelt sich bei meiner Arbeit um eine pragmatische Analyse persuasiven Sprachgebrauchs. Pragmatisch meint dabei den Handlungsaspekt sprachlicher Äußerungen. Den folgenden Untersuchungen liegt also die Frage zugrunde, wie Sprache gehandhabt wird, um persuasiv wirken zu können, also zu überreden oder zu überzeugen, bzw. dies zumindest wahrscheinlicher zu machen. Ein solches Herangehen liegt nahe, wohnt den Begriffen Überreden und Überzeugen der Handlungsaspekt doch sehr deutlich inne. Viel eher als anderen Textsorten ist solchen mit persuasivem Sprachgebrauch, wenn nicht das Handeln, so doch in jedem Fall das Handlungsziel auf den ersten Blick anzusehen, sie definieren sich nachgerade darüber.

Kapitel 3. beginnt mit einer Beschreibung der Schwierigkeiten, die sich ergeben, versucht man persuasivem Sprachgebrauch mittels linguistischer Pragmatik näher zu kommen. Wie an entsprechender Stelle gezeigt wird, stehen einer solchen Annäherung in erster Linie zwei Problemfelder im Weg. Einerseits beschäftigen sich viele pragmatische Theorien in erster Linie mit dem informativen Handlungsaspekt von Sprache und klammern jeden anderen von vorne herein aus. Andererseits ist die Werbesprache in starkem Umfang von zugleich implizitem und uneindeutigem Sprachgebrauch bestimmt, was eine hörerseitige Betrachtungsweise notwendig macht, die aber ebenfalls in vielen Theorien nur eingeschränkt eingenommen werden kann. Beispielhaft gemacht und erläutert werden diese Schwierigkeiten an zwei Klassikern der Pragmatik, nämlich am Kooperationsprinzip von Grice und der Sprechakttheorie Austins und vor allem Searles. Kapitel 3.1. und 3.2. referieren daraufhin zwei Vorschläge, wie diesen beiden Problemfeldern begegnet werden kann. In Kapitel 3.1. wird Werben als dialogisches Handlungsmuster beschrieben, innerhalb dessen auch Informationshandlungen persuasiv beschreibbar sind; in Kapitel 3.2. wird Inferenz mittels der Relevanztheorie erklärt, die der Position des Hörers größere Bedeutung zumisst als andere Theorien. Kapitel 3.3. skizziert im Anschluss ein pragmatisches Analysemodell für Werbeslogans, das Ansätze und Erkenntnisse des dialogischen Handlungsmuster-Modells und der Relevanztheorie aufgreift und zu vereinen versucht.

In Kapitel 4. schließlich wende ich das in Kapitel 3.3. herausgearbeitete Modell stichprobenhaft auf einige Werbeslogans an. Die hierfür herangezogenen Slogans sind laut einer repräsentativen Erhebung des IMAS (Institut für Markt- und Sozialanalysen) die in Deutschland derzeit bekanntesten Slogans. Das hat den Vorteil, dass sichergestellt ist, dass sie zumindest ein wichtiges Teilziel erreicht haben, nämlich jenes, Bekanntheit erlangt zu haben und erinnert worden zu sein. Aufgrund der Schwierigkeiten, Sprechaktklassen hörerseitig zuzuordnen, erfolgt die Grobsortierung der Slogans anhand eines Musters, das in der Relevanztheorie zur Einordnung von Äußerungstypen entwickelt wurde.

Kapitel 5. fasst die gesamte Arbeit noch einmal speziell unter den Gesichtspunkten zusammen, inwiefern es einerseits gelungen ist, die Persuasivität von Werbeslogans pragmatisch nachzuzeichnen, und wo andererseits weiterer Erklärungsbedarf besteht. Den Abschluss bildet ein kurzer und schattenrissartiger Ausblick darauf, welche theoretischen und praktischen Konsequenzen der erzielte Erkenntnisgewinn haben könnte; zum Beispiel in welchen Richtungen nach Antworten auf die sehr unterschiedlichen Fragen gesucht werden müsste, wie manipulativer von persuasivem Sprachgebrauch zu unterscheiden ist, und wie der ideale Werbeslogan gestaltet sein müsste.

2. Persuasion

Das Wort Persuasion kommt über das lateinische persuasio vom griechischen πειϋ-ώ, peithó. Während es beispielsweise im Englischen, Französischen und Italienischen nach wie vor beinahe dem Original entspricht (engl., frz.persuasion; ital. persuasione), ist im Deutschen die zweiteilige Übersetzung Überredung/Überzeugung geläufig. In der deutschen Sprache bleibt es also Fremdwort; seine Benutzung bietet sich deshalb an, weil die beiden Übersetzungen unterschiedlich konnotiert sind, Persuasion aber eindeutig für beides steht, es kann „für sämtliche lauteren und unlauteren, auch nonverbalen Formen der gewaltfreien Einflußnahme verwendet werden wie Überzeugen, Überreden, Überlisten, Verführen, auch Bestechen.“ (Knape 2003: 893) Unabhängig von moralischen Bewertungen steht Persuasion also für alle (sprachlichen) Handlungen, die darauf angelegt sind, die Einstellung anderer zu bestimmten Gegebenheiten in bestimmter Weise zu beeinflussen, ohne dies erzwingen zu können. Die Quintessenz wird in allen gängigen Definitionen deutlich, hier eine Auswahl:

„Persuasion [lateinisch] die, Kommunikationswissenschaft: die beiden Kommunikationseffekte des Überredens und Überzeugens.“ (Der Brockhaus 2007, Hervorhebungen im Original, Meyers Lexikon online identisch)

„Mit P[ersuasion, M.G.] wird struktural der Wechsel von einem mentalen Zustand in einen anderen bezeichnet, der bei Menschen als gewünschte Reaktion auf kalkulierte, Widerstand umgehende oder überwindende rhetorische Handlungen eintritt. Dies wird meistens als das eigentliche Erfolgsziel rhetorischer, also strategisch-kommunikativer Praxis angesehen. Im weiteren Sinn versteht man unter P[ersuasion] auch den gesamten vom Kommunikator initiierten Überzeugungsvorgang mit dem Ziel, bei anderen einen Standpunktwechsel herbeizuführen.“ (Knape 2003: 874)

„Mit Persuasion referiert man auf ein komplexes, sequentiell realisiertes Strategiemuster, mit dem Sp1 bezweckt, bei Sp2 Konvergenz in Handlungs- bzw. Bewertungsfragen herzustellen. Handlungsfragen sind im praktischen, Bewertungsfragen im evaluativem [sic] Diskurs bei SP2 angesiedelt.“ (Ortak 2004: 89, Hervorhebungen im Original)[1]

Wie in der zweiten Definition deutlich wird, hängt Persuasion eng mit Rhetorik zusammen. Sie ist laut Knape „als Basisfaktor der Kommunikation und als eine Grundkategorie der Rhetorik aufzufassen“ (Knape 2003: 874), laut Vollers-Sauer „oberstes Redeziel der antiken Rhetorik“ (Vollers-Sauer 2005: 484), und laut Kalidova und Zinsmaier wurde Rhetorik als „der gängige Terminus für Theorie und Technik der persuasiven Rede in die meisten modernen Sprachen übernommen“ (Kalidova & Zinsmaier 2005: 1). Dies erklärt, weshalb das Konzept persuasion in der Fachliteratur eher spärlich vertreten ist - es wird meist in Literatur zu Rhetorik oder zu speziellen Formen persuasiver Sprache (s. Kapitel 2.1.) verhandelt.

Dass ich in meiner Arbeit trotzdem von persuasivem Sprachgebrauch statt von rhetorischem Sprachgebrauch spreche, liegt vor allem daran, dass Rhetorik als Thema und Begriff viel zu weit gefasst ist, als dass ich sie hier auch nur ansatzweise vollständig behandeln könnte, ohne mich in deren Bedeutungsvielfalt zu verheddern.

Diese grundsätzliche Gefahr macht z.B. UEDING deutlich, wenn er schreibt: „auch der aus europäischer Sicht so fortgeschrittenen New Rhetoric [ist es, M.G.] nicht gelungen, die Konturen der Disziplin klar und unmißverständlich hervortreten zu lassen. Die Gründe dafür liegen auf der Hand, denn die drei Hauptrichtungen, eine psychologisch-kommunikationswissenschaftliche R[hetorik], philosophisch orientierte Argumentations- und Kommunikationstheorien und die linguistisch-semiotisch ausgerichtete R[hetorik], entstanden aufgrund bloß selektiver Wahrnehmung des Faches, ihr Bezug zur R[hetorik] erschöpft sich vielmehr im terminologischen Adaptieren oder Umformulieren, entsprach aktuellen Erfordernissen der Propaganda- und Werbe-Analyse bzw. -Produktion und begnügt sich dann mit praktischen Rezepten und pragmatischen Modellen.“ (Ueding 2005: 8f., Hervorhebungen im Original)

Aus der Not eine Tugend machend, sollen die letzten Worte dieses Zitates ganz explizit auch für meine Arbeit gelten. ich begnüge mich mit pragmatischen Modellen zum Sprachgebrauch, dieser Zugriff soll auch dadurch deutlich werden, dass ich mich mit der Betrachtung von persuasivem Sprachgebrauch begnüge, statt rhetorischen in den Blick zu nehmen. Dabei halte ich mich, wo es geht, an Knoblauch und Reichertz, die schreiben:

„Das Merkmal der rhetorisch geformten Rede spielt bei dieser persuasiven Kommunikation keine Rolle mehr oder nur noch eine untergeordnete. Persuasive Kommunikation ist insofern R[hetorik, M.G.], weil sie mit ihr die Grundfunktion der Redekunst, nämlich die strategische Beeinflussung des Hörers bzw. der Hörer, teilt“. (Knoblauch & Reichertz 2005: 157f., Hervorhebungen im Original)

Diese selbstgewählte Beschränkung auf die Grundfunktion gilt allerdings nur mit zwei Ausnahmen. Zum einen werde ich bei der Beschreibung der Funktion von Werbeslogans in Kapitel 2.2. und vor allem in den Analysen in Kapitel 5. auch sprachliche bzw. rhetorische Mittel in Werbeslogans in den Blick nehmen, benennen und in die Analyse einfließen lassen. Zum anderen spielen im dialogischen Strategiemuster-Modell ORTAKs, das in Kapitel 3.1. vorgestellt wird, auch noch weitere rhetorische Begriffe und Konzepte eine Rolle. Auf die Rolle, die all diese in der klassischen Rhetorik einnehmen, werde ich aber nur insoweit eingehen, wie sich zur Erklärung ihrer Funktion nicht vermeiden lässt.

2.1. Erscheinungsformen persuasiven Sprachgebrauchs

Persuasiver Sprachgebrauch findet sich überall dort, wo Sprache benutzt wird, um in bestimmter Weise zu wirken, also prinzipiell fast überall. Zu diesem Schluss kommen auch Knoblauch und Reichertz, wenn sie feststellen: „Persuasive Kommunikation findet man an fast allen Orten, zu allen Zeiten und in allen Schichten. Ihr Ziel ist das Durchsetzen eigener Wünsche mit Hilfe von verbaler und nonverbaler Kommunikation.“ (Knoblauch & Reichertz 2005: 158)

Trotzdem arbeiten sie anhand der Betrachtung von Themenfelder kommunikations­wissenschaftlicher Forschung bestimmte Bereiche heraus, in denen der Einsatz persuasiven Sprachgebrauchs besonders deutlich wird. Neben der alltäglichen Durchsetzung eigener Interessen in der „face-to-face-Interaktion“ ist dies in erster Linie die „massenmediale Kommunikation von Politikern, Wirtschaftsführern oder auch Wissenschaftlern“, die früher unter Propaganda subsumiert wurde, sich heute aber eher unter den Begriffen Spin Doctoring oder Public Relations zusammenfassen lässt, und die Werbung, hier vor allem als Wirtschafts- bzw. Produktwerbung verstanden (Knoblauch & Reichertz 2005: 158, Hervorhebungen im Original).

Ein Blick in Hanns-Dieter Fischers Arbeitsbibliographie ,Manipulation- Persuasion-Sprache‘ macht deutlich, zu welchen Bereichen persuasiven Sprachgebrauchs hauptsächlich Analysen vorliegen, welche Bereiche also für die Wissenschaft hauptsächlich eine Rolle spielen. Es sind wiederum vor allem Werbung und Politik; darüber hinaus sind nur noch einige wenige medienspezifische Werke verzeichnet (Fischer 1995: 228).

Einen relativ guten Überblick darüber, wo persuasiver Sprachgebrauch sonst noch eine Rolle spielt, wenn auch in erheblich kleinerem Maße, erhält man, schaut man den großen Markt der Ratgeberliteratur an, „der im Jahr 2001 in Deutschland ein Volumen von etwa 17 Milliarden Euro umfaßte“ (Kirchner 2005: 214). Diese Literatur unterteilt Kirchner grob in folgende Bereiche:

„Berufsorientierter Gebrauch (z.B. Gesprächsführung, Mitarbeiterkommunikation, Medienauftritte, Telefonate, Präsentationen, Bewerbungsschreiben), privater Gebrauch (z.B. Klärung familiärer Konflikte), politische Themen (z.B. Interessenvertretung in politischen Gremien, Gewerkschaftsarbeit), geschlechtsspezifische Themen (insbesondere Frauenratgeber), spezielle Gesprächsformen (z.B. Verkaufsgespräche, Prüfungen, therapeutische Gespräche),spezielle Gelegenheiten (z.B. Trauerreden, Jubiläen, Beichte), Nachschlagewerke (z.B. Lexika für Zitate, Musterreden).“ (Kirchner 2005: 214)

Allein an dieser Auflistung wird deutlich, dass persuasiver Sprachgebrauch nicht nur in fast jeder erdenklichen Situation vorkommt, sondern oft eine solch große Rolle spielt, dass er extra der Situation entsprechend eingeübt wird; sonst gäbe es diesen Markt nicht. Je genauer man sich mit persuasivem Sprachgebrauch beschäftigt, desto mehr kommt man zum selben Schluss wie Ortak, der schreibt: „Eine Klassifikation von Texten nach dem Kriterium [+ persuasiv; - persuasiv] ist nur bei oberflächlicher Betrachtung möglich.“ (Ortak 2004: 73f.) Wie Ortak zu dieser Einschätzung kommt und wie er sie begründet, wird in Kapitel 3.1. noch einmal genauer beschrieben.

Aber auch, wenn womöglich letztendlich jede Textsorte und jeder Sprachgebrauch persuasive Elemente aufweisen kann, gibt es doch eindeutig solche, denen ein höherer Grad an Persuasivität zu unterstellen ist als anderen. Für eine Analyse persuasiven Sprachgebrauchs bietet es sich an, einen Bereich zu wählen, in dem ein sehr hoher, ein dominanter Grad an Persuasivität vorausgesetzt werden kann. Dann nämlich kann auf die Analyse, was am konkreten Sprachmaterial persuasiv begründet ist und was nicht, verzichtet werden, und der Fokus kann ganz darauf liegen, wie der persuasive Sprachgebrauch gestaltet ist und funktioniert. „Einen Bereich, in dem uns ein geringer oder gänzlich fehlender Wahrheitsgehalt der Texte gegenüber höchstem Rhetorizitätsgrad[2] zur Gewohnheit geworden ist, stellt die Produktwerbung dar“ (Ostheeren 2005: 326), weshalb diese, bzw. mit Werbeslogans eine ihrer Manifestationen, im Folgenden pragmatisch untersucht und analysiert wird.

2.2. Werbung und Werbesprache

Wissenschaftliche Forschung zu Werbung und Werbesprache findet selbstverständlich keineswegs nur in der Sprachwissenschaft statt. Vielmehr widmete diese sich erst relativ spät deren Erforschung. Den Anfang machten, etwa seit dem ersten Viertel des vergangenen Jahrhunderts, die Wirtschaftswissenschaften. Ihnen zur Seite gesellten sich später neben der Sprachwissenschaft die Werbepsychologie und die Werbewirkungsforschung. Als fester Bestandteil der westlichen Kultur wird Werbung mittlerweile auch in noch ganz anderen Wissenschaftsfeldern untersucht: von der Theologie über die Volks- und Landeskunde, sowie der Sozial- und Wirtschaftsgeschichte bis hin zur Kunstwissenschaft (vgl. Janich 1999: 11-14). Achim Zielke führt darüber hinaus noch Jura, Pädagogik und Politologie als wissenschaftliche Felder an, auf denen Aspekte von Werbesprache verhandelt werden (vgl. Zielke 1991: 9f.). All dies soll hier genannt, wenn auch nicht weiter berücksichtigt werden, um deutlich zu machen, dass Werbesprache sprachwissenschaftlich nicht erschöpfend zu behandeln ist, und man um zu einer der Realität der Werbung tatsächlich entsprechenden Einschätzung zu kommen, immer verschiedene Wissenschaftsfelder berücksichtigen müsste.

Die germanistische Sprachwissenschaft begann sich in den fünfziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts erstmals vereinzelt zur Werbung zu äußern. Das erste Werk, das versucht Werbung in voller Breite linguistisch zu untersuchen, ist Ruth Römers 1968 erschienene Monographie ,Sprache der Anzeigenwerbung‘ (RÖMER 1968). Seiner thematischen Breite wegen gilt es bis heute als Standardwerk, gleichzeitig aber aufgrund seines Alters und der Schnelllebigkeit der Werbesprache als überholt (Janich 1999: 12). Manuela Baumgart bezieht sich in ihrer 1992 erschienenen Monographie ,Sprache der Anzeigenwerbung‘ (BAUMGART 1992) nicht nur mit dem Titel ganz explizit auf Römer, sie empfindet das eigene Buch als notwendige Aktualisierung des bei Römer aufbereiteten Stoffes; beschränkt sich aber, auch das ganz explizit, auf den Werbeslogan als Untersuchungsmaterial. Ein relativ aktuelles Werk zu allen Aspekten der Werbesprache liegt seit 1999 mit Nina Janichs ,Werbesprache‘ vor (Janich 1999). Doch bevor ich mich mit den linguistisch relevanten Aspekten von Werbesprache auseinandersetze, soll zunächst ein allgemeinerer Zugang gewählt werden.

,Meyers Lexikon online‘, gerade wegen seines an die breite Masse gerichteten Zugangs zur Bestimmung der allgemeinen Bedeutung an dieser Stelle sinnvoll, definiert Werbung wie folgt:

„Werbung [zu althochdeutsch hwerban »sich drehen«, »sich umtun«, »sich bemühen«], früher Reklame, jede kommunikative Handlung (Äußerung im weitesten Sinn) mit dem Ziel, Einstellungen und Handlungen der Adressaten zum Vorteil des Werbetreibenden zu beeinflussen. Bezieht sich diese Beeinflussung auf wirtschaftliche Ziele, spricht man von Wirtschaftswerbung.“ (<http:// www.lexikon.meyers.de/>, Hervorhebungen im Original) Die überaus starken Parallelen zur Definition von Persuasion sind offensichtlich, tatsächlich allein der Bezug auf Wirtschaftsprodukte lässt eine Unterscheidung zu.

Auch wenn das eigentliche Ziel, den Adressaten zum Vorteil des Werbetreibenden zu beeinflussen, unstrittig und sofort einleuchtend ist, lassen sich trotzdem auch differenzierte Einzelziele ausmachen. Diese sind am ausführlichsten in der werbewirtschaftlichen Literatur beschrieben. Die nachfolgend aufgeführten generellen Werbeziele sind laut Schweiger und Schrattenecker denkbar, wobei generell weniger meint, dass diese theoretisch noch weiter differenziert werden können, als dass sie praktisch auf die beworbenen Produkte zugeschnitten werden müssen:

„ - Informationen über Existenz eines Produkts (Einführungswerbung)
- Erhalt und Sicherung des Absatzes (Erhaltungs-, Erinnerungswerbung)
- Abwehr gewisser Bedrohungen des Marktanteils durch die Konkurrenten (Stabilisierungswerbung)
- Erweiterung des Marktanteils (Expansionswerbung).“ (SCHWEIGER & Schrattenecker 1992: 49)

Weitere werbewirtschaftliche Aspekte, die man sich vor einer - auch sprachwissenschaftlichen - Analyse zumindest vor Augen geführt haben sollte, sind die Zielgruppe, deren Beschreibung nahezu unendlich vielfältig sein kann, und die Werbeträger, also die vermittelnden Medien. Dies sind im wesentlichen Tages- und Wochenzeitungen, Zeitschriften, das Fernsehen, der Hörfunk, Filme, Plakate und verschiedene Formen der Direktwerbung (vgl. Schweiger & Schrattenecker 1992: 184-196).

Werbung und damit auch Werbesprache kann demnach in der Praxis je nach Werbeziel, Zielgruppe und Werbemedium sehr unterschiedlich gestaltet sein. Zentral ist daher die Frage, was sie eint, was Werbesprache als solche ausmacht. Wolfgang Sauer definiert im ,Metzler Lexikon Sprache‘ wie folgt:

„Werbesprache Sammelbegriff für Sprachformen, die intentional handlungsanweisend für den Rezipienten sind. Ein großer Teil werbesprachl. Äußerungen ist immer noch persuasiv, ausgerichtet auf eine erwünschte (Kauf-)Handlung. Daneben finden sich informative Elemente, die über das Produkt/die Dienstleistung Auskunft geben. Die sprachl. Mittel der W. sind vielschichtig, allgemeines Kennzeichen sind Funktions- und Adressatenbezogenheit.“ (Sauer 2005: 734, Hervorhebungen im Original)

Hier ist als einziges übergreifendes Kennzeichen wiederum das Ziel bzw. die Funktion der Sprache zu erkennen, was pointiert ausgedrückt bedeutet, dass Werbesprache als Sprache definiert ist, mittels derer geworben wird. Weitere Aspekte, die Sauer im weiteren Verlauf des Artikels nennt, sind der häufige Einsatz rhetorischer und wortspielerischer Elemente und solche des jeweils aktuellen Sprachgebrauchs.

Bereits Römer macht sich darüber Gedanken, inwiefern Werbesprache als Sondersprache betrachtet werden kann. Um dies zu beantworten, untersucht sie am Schluss ihrer Arbeit die Werbesprache daraufhin, ob sie „a) von einem beschränkten Personenkreis gesprochen wird, b) einen besonderen Wortschatz hat, c) zum Zweck einer esoterischen Kommunikation gesprochen wird und d) ein besonderes Ausdrucksbedürfnis erfüllt“ (Römer 1968: 202). Kriterium a) wird RÖMER zufolge nicht erfüllt, da Werbesprache einerseits keine Sprachwirklichkeit habe, also gar nicht gesprochen werde, und andererseits die Werbesprache von jedem verstanden werden soll, also der Hörerkreis generell unbegrenzt sei. Kriterium b) wird ihr zufolge ebenfalls nicht erfüllt, da die Werbesprache zwar viele superlativische und emotionale Wörter sowie rhetorische Mittel verwende, diese aber trotz allem dem „Grundbestand der Gemeinsprache“ angehörten. Kriterium c), der Zweck der esoterischen Kommunikation, die der inneren Verständigung einer Gruppe über Lebensformen, Ideen und Interessen dient, treffe auf Werbesprache ebenfalls nicht zu, da diese in möglichst großer Breite wirken solle und eben nicht nur in einer fest umrissenen Gruppe. Das vierte und letzte Kriterium d), das besondere Ausdrucksbedürfnis, trifft laut Römer im Gegensatz zu den anderen drei Kriterien auf die Werbesprache zu und äußere sich vor allem in den häufig vorgenommenen Wertungen. Allerdings teile die Werbesprache dieses starke Ausdrucksbedürfnis mit politischer Propaganda und religiöser Mission, weshalb sie als Teil eines größeren Ganzen, der Propagandasprache nämlich, einzuordnen sei. Unter Propagandasprache versteht Römer: „eine Sprache, die gesprochen wird, um das Denken und Handeln von Menschen zu lenken, deren Denken und Handeln noch nicht in der Richtung der Intention des Sprechers liegt, sondern dahin erst gebracht werden muß; in deren Denken und Handeln vielleicht gar Widerstände besiegt werden müssen.“ (Römer 1968: 206)

Wieder also ist es nur die hinter der Werbesprache stehende Intention, über die sie zu fassen ist, dies scheint über die Zeiten gleich zu bleiben, sei Römer auch sonst veraltet, hier ist sie es offenbar nicht. Um dies zu untermauern bietet sich an, auch in aktuelleren Publikationen die dort beschriebenen Charakteristika von Werbesprache zu referieren; zunächst bei Baumgart, die sich auch in diesem Punkt explizit auf Römer bezieht und dieselben Kriterien zur Entscheidung der Frage, ob Werbesprache eine Sondersprache sei, heranzieht. Ihre Ablehnung der vier Kriterien ähnelt Römers dann auch derart, dass eine eigene Aufführung ihrer Argumentation sich an dieser Stelle erübrigt. Auch ihre abschließende Definition von Werbesprache ist sehr ähnlich:

„Also läßt sich resümieren, daß die Sprache der Werbung keine Sondersprache im eigentlichen Sinne ist, sondern lediglich eine instrumentalisierte, zweckgerichtete und ausschließlich auf Anwendung konzipierte Sonderform der sprachlichen Verwendung darstellt, die naturgemäß eigenen Gesetzmäßigkeiten unterliegt, aber dennoch aufs engste mit der Alltagssprache verwoben ist.“ (Baumgart 1992: 34)

Das im Vergleich zu Römer einzig Neue an dieser Definition sind die eigenen Gesetzmäßigkeiten, denen Werbesprache unterliege. Welches diese sind, wird aber nicht deutlich. Sicherlich gibt es sie, es scheint aber unmöglich, sie abgesehen von der Wirkungsintention auf den Punkt zu bringen.

Janich versucht den Spezifika der Werbesprache im Gegensatz zu Römer und Baumgart auf den ersten Blick nicht darüber näher zu kommen, inwiefern sie sich mit der Definition von Sondersprachen, bzw. den Kriterien, die diese ausmachen, deckt, sondern über die Beschreibung von Merkmalen, die auf Werbesprache zutreffen. Mit Stave[3] und Sauer (Sauer 1998: 19) ist sie sich über fünf Merkmale einig. Zunächst liege die Besonderheit der Merkmale der Werbesprache im Vergleich zur Alltagssprache nicht in deren prinzipiell fremdem Charakter, sondern in der größeren Häufigkeit ihres Vorkommens. „D.h. Werbesprache wählt ihre sprachlichen Mittel weit gehend aus der Alltagssprache aus, verwendet sie aber so häufig, dass man geneigt ist, sie als werbetypisch aufzufassen.“ (Janich 1999: 33) Den Gesamtzusammenhang des Buches betrachtend, nimmt Janich hier wohl vor allem auf die später detailreich beschriebenen sprachlichen und rhetorischen Mittel Bezug, an der betreffenden Stelle werden sie nicht genauer erläutert. Als zweites Merkmal gibt sie an, dass Werbesprache sich auch etlicher Varietäten, etwa Dialekten, Fachsprachen und der Jugendsprache bediene, um bestimmte Assoziationen hervorzurufen. Diese Merkmalsbeschreibung ist insofern problematisch, als sie sich ja gerade durch die Sprachvielfalt auszeichnet, also nicht enger gefasst ist als die Alltagssprache, sondern weiter. Ein drittes Merkmal der Werbesprache ist nach Janich, dass sie Wortschatz und Formen des Sprachgebrauchs aufweise, die werbetypisch, also weitgehend auf Werbung beschränkt seien, aber weder nach innen noch nach außen begrenzend wirken, also nicht esoterisch seien. Wieder fehlen Erläuterungen und Beispiele, die die genannten Besonderheiten genauer bestimmen würden, wieder scheint auf sprachliche und rhetorische Mittel angespielt zu werden. Das vierte Merkmal beschreibt das auf Wirkung gerichtete Artifizielle der Werbung. Hier ist wieder der Zirkelschluss zu beobachten, der schon bei Römer und Baumgart auffiel, typisch für Werbesprache sei, dass sie zielgerichtet ist. Das fünfte kennzeichnende Merkmal ist nach JANICH, dass Werbesprache nicht nur Tendenzen aus der Alltagssprache aufgreife, sondern dieser auch neuen Wortschatz und neue Redewendungen hinzufüge. Dies wiederum ist aber höchstens eine Eigenart von Werbesprache, kein Merkmal, das sie genauer beschreiben würde. Einer Sprachform kann nach innen nicht darüber näher gekommen werden, dass sie nach außen ausstrahlt. Statt eine eigene Definition von Werbesprache vorzunehmen, bedient sich Janich nach Aufzählung dieser Merkmale, die auf den zweiten Blick dann doch wieder sehr den Kriterien für Sondersprachen gleichen, die auch Römer und Baumgart aufführen, Baumgarts Definition per Zitat.

Insgesamt lässt sich feststellen, dass sich die Werbesprache einer inhaltlichen Definition entzieht. Der einzige Punkt, über den man ihr näher kommt, ist ihr zielgerichteter Charakter, dies aber unterscheidet sie kaum hinreichend von der Definition von Persuasion. Einzig die häufige Verwendung bestimmter sprachlicher und rhetorischer Mittel kann dem zur Seite gestellt werden.

Eine sprachwissenschaftliche Analyse von Werbesprache kann also nur an zwei Punkten ansetzen; nämlich entweder an dem Handlungscharakter der Sprache, mit persuasiver Intention, oder bei den konkret verwendeten sprachlichen Mitteln. Dies äußert sich auch in der Fachliteratur zu Werbesprache, ein Umstand, den Baumgart wie folgt ausdrückt: „[es] zeigt sich nun deutlich der Unterschied zwischen den beiden Hauptströmungen der Werbesprachforschung: auf der einen Seite pragmatische Linguistik, eng verbunden mit soziologischen und psychologischen Deutungsmethoden; auf der anderen Seite Sprachanalyse mit Hilfe der Kriterien Stilistik, Rhetorik sowie weiterer sprachlicher Techniken, von philologischen Prämissen ausgehend.“ (Baumgart 1992: 25)

Während sich Baumgart im Verlauf ihres Buches in erster Linie Zweiterem zuwendet, geht es mir hier um Ersteres. Dementsprechend werden Kriterien wie Stilistik, Rhetorik und weitere sprachliche Techniken nur insofern mitverhandelt, als ihre die Intention stützende Funktion beschrieben werden kann. Sicherlich wäre auch eine umfassende gleichzeitige Betrachtung wünschens- und lohnenswert, dies würde aber den eng gesteckten Rahmen meiner Arbeit sprengen.

Die Entscheidung für eine pragmatische Analyse hat ihren Grund nicht zuletzt darin, dass, wie aus den bisherigen Ausführungen deutlich geworden ist, die pragmatische Sicht der Werbesprache die einzige ist, die sich auf eine haltbare Definition berufen kann. Wirken zu wollen ist offenbar das einzig nachweisbare und konsistente Merkmal der Werbesprache. Vor allem gilt es auch über die Zeit hinaus. Für sprachliche Mittel gilt dies nur insofern, als sie oft gehäuft auftreten. Welche konkret auftreten, ist extrem zeitabhängig. Sämtliche stilistischen Merkmale sind, zumindest konkret, schon allein wegen der Anlehnung an die Alltagssprache sehr kurzlebig. So kann etwa auch Baumgarts Studie, angefertigt, um die Ergebnisse Römers zu aktualisieren, „in Teilen bereits als veraltet gelten“ (Janich 1999: 67).

„Die ,Sprache der (Anzeigen-)Werbung‘ lässt sich nicht als festgelegter und allgemein gültiger Stil beschreiben. Dies würde dem ständigen Bestreben der Werbung nach Originalität und Auffälligkeit und der damit zusammenhängenden raschen Veränderlichkeit von Werbetrends im Zeitverlauf widersprechen.“ (Janich 1999: 67)

Die persuasiven und damit pragmatisch zu beschreibenden Funktionen, zu deren Zweck die sprachlichen Mittel verwendet werden, bleiben sich dagegen gleich. Es sind nach Bauer (Bauer 2006) und Stöckl[4] Aufmerksamkeit, Verständlichkeit, Akzeptanz, Memorabilität, Anschaulichkeit, Verschleierung und Vergnügen. Immer aber müssen all diese Funktionen der globalen Werbefunktion dienen, das beworbene Produkt zu verkaufen. Ein Ansatz dazu, wie dies zu vereinbaren ist, wird in Kapitel 3.1. mit dem dialogischen Strategiemuster der Persuasion verhandelt. Welche Funktionen für Werbeslogans in erster Linie eine Rolle spielen, ist Thema von Kapitel 2.2.

Neben sprachlichen Elementen spielen in der Werbung fast immer auch bildliche Mittel eine tragende Rolle. Mit welchen Gründen ich auf deren Betrachtungen glaube verzichten zu können, wird im folgenden Unterkapitel deutlich.

2.2.1. Spannungsverhältnis Text-Bild in der Werbung

Kaum eine Form von Werbung kommt ohne Bilder und andere graphische Elemente aus. Nicht nur sind diese, von Radiospots einmal abgesehen, immer Teil der jeweiligen Werbung, fast immer stehen sie auch in direktem Bezug zum Text der Werbung, nicht selten ist deren Sinn er durch die Symbiose von Text und Bild verständlich. „Aus der Zusammenschau beider erschließt sich dann eine neue Bedeutungsdimension, die weder im Text noch im Bild allein enthalten ist. Die Bedeutung der kopräsenten Bild- bzw. Textelemente verschiebt sich unter Einbezug der Text- bzw. Bildelemente. [...] Anders formuliert: Die Summe der Bedeutungen von Text- und Bildelementen ist mehr als die Addition der einzelnen Teile.“ (Ziem 2006: 51)

Dies ist auch Janich bewusst, die in ihrem Kapitel zu Text und Bild auf die Gefahr einer nur einseitigen, also entweder nur text- oder nur bildbezogenen Analyse hinweist: „Text-Bild-Beziehungen zu ignorieren hieße, ein konstitutives Element der Werbekommunikation auszuklammern. Wird nur die sprachliche Seite untersucht, besteht nämlich die Gefahr, dass Ergebnisse über die Sprache verzerrt werden, denn Sprache und Bild ergänzen sich in der Werbung gegenseitig und sind aufeinander abgestimmt.“ (Janich 1999: 184)

Wenn ich in dieser Arbeit trotzdem auf die Einbeziehung von Bildern verzichte, dann nicht, weil ich wie Römer und Baumgart der Meinung wäre, dass der Text letztendlich „das Hauptmedium“ darstellt, „dem mehr Aufmerksamkeit zukommen müßte“ (Baumgart 1992: 29).

Der Grund liegt auch nicht darin, dass dies eine linguistische und keine z.B. semiotische oder genuin kommunikationswissenschaftliche Arbeit ist, und ihr also das Handwerkszeug fehlt, um visuelle Elemente adäquat beschreiben zu können. Nur wenige auf reale Phänomene bezogene Arbeiten kommen ganz ohne einen gewissen Grad an Interdisziplinarität aus. So weist auch meine Arbeit in Kapitel 3.1. starke kommunikationswissenschaftliche und in Kapitel 3.2. einige kognitions-psychologische Aspekte auf. Dass linguistische Analysen auch und gerade unter Einbeziehung von Bildelementen möglich und zielführend sind, beweisen etliche Publikationen zu diesem Thema (vgl. Janich 1999: 189f.).

Der Hauptgrund für den Verzicht auf die Betrachtung von Bildern in meiner Arbeit liegt nicht einmal in ihrer Bildhaftigkeit. Bilder werden aus demselben Grund nicht betrachtet, wie andere für Werbeanzeigen unverzichtbare Elemente, textliche Elemente, nämlich: die Schlagzeile, der Fließtext und der Marken- und Produktname, ferner Adds, Claims, Inserts[5] und Antwort-Coupons. Bildelemente werden bei der Analyse ausgelassen, da diese sich ganz auf Slogans beschränkt.

Dies ist vor allem deshalb möglich, weil der Slogan das Element ist, das sich am ehesten von allen einzeln betrachten lässt. BAUMGART spricht von ihm als die „kontextunabhängigste“ Textsorte (Baumgart 1992: 7), Möckelmann und Zander attestieren ihm „weitgehende Unabhängigkeit von außersprachlichen Ausdrucksmitteln“ (Möckelmann & Zander 1970: 8). Dies liegt daran, dass der Slogan eben nicht nur Bestandteil einzelner Anzeigen ist, sondern ganzer Anzeigenkampagnen; er wirbt sozusagen anzeigenübergreifend für das Markenimage, weshalb er nie so fest eingebunden sein kann, dass er ohne andere Anzeigenelemente weniger verständlich oder wirksam wäre. Allerdings gibt Brandt zu bedenken, dass dies alles nur im Idealfall zutrifft: „Die Verselbstständigung des Slogans ist zwar der angestrebte, aber in relativ wenigen Fällen erreichte Endpunkt des Beeinflussungsprozesses“ (Brandt 1979: 70, zitiert nach Baumgart 1992: 38). Selbst dieses Argument kann an dieser Stelle aber unberücksichtigt bleiben, da die zu analysierenden Slogans gerade aufgrund ihrer erfolgten Verselbstständigung ausgewählt wurden. Eine genauere Betrachtung des Slogans hinsichtlich seiner Bedeutung und Funktion schließt sich im nächsten Kapitel an.

2.2.2. Bedeutung und Funktion von Slogans in der Werbung

Um Slogans hinsichtlich ihrer Bedeutung und Funktionen innerhalb der Werbesprache beurteilen zu können, lohnt sich zunächst ein Blick in die gängigen Fachlexika zur Definition des Begriffs. ,Bußmanns Lexikon der Sprachwissenschaft definiert wie folgt:

„Slogan [schottisch, >Schlachtruf<]. Knapp und einprägsam formulierte, wertende Aussage mit ^ persuasiver Funktion, häufig als elliptischer Satz mit ^ rhetorischen Figuren ausgestaltet, z.B. als Werbeslogan (Freude am Fahren) oder als politischer Slogan (Freiheit oder Sozialismus). In der Handlungsstruktur der Werbeanzeige Werbesprache) hat der S. die Funktion, das Image des Produkts zu formen und damit seine Wiedererkennung zu erleichtern.“ (BUßMANN 2002: 605, Hervorhebungen im Original)

Glück definiert im ,Metzler Lexikon Sprache‘ allgemeiner, wenn er ihn unter Schlagwort gefasst (worauf unter Slogan verwiesen wird) wie folgt einordnet:

„Schlagwort (auch: Slogan. Engl. catchword, slogan, frz. slogan) Prägnanter, wertender, oft formelhafter, meist mit ^Konnotationen aufgeladener Ausdruck (Wort oder Wendung), der im öffentl. Diskurs präsent ist und hohen Bekanntheitsgrad hat. S. stehen für polit. Programme, dienen aber auch der Kritik an polit. Gegnern, z.B. Freiheit oder Sozialismus. Sie sollen einerseits werben oder beschwichtigen (^Euphemismus), z.B. Gleichstellung, Nachhaltigkeit, andererseits ausgrenzen und diffamieren, z.B. Sozialabbau, Lohndiktat.“ (Glück 2005: 566f., Hervorhebungen im Original)

Auch wenn Glücks Definition durch die Unterordnung unter das Schlagwort weitere Grenzen zieht als BußMANNs, können doch aus beiden Definitionen eine Reihe von Eigenschaften abgelesen werden, die einander entsprechen. Demnach sind Slogans bestimmt durch Kürze und Prägnanz, ihre persuasive Intention und ihre Image bildende Funktion. Rhetorische oder konnotativ aufgeladene Figuren sind häufig.

Dies deckt sich bedingt auch mit der Slogan-Beschreibung in der Fachliteratur, die aber in die Beschreibung oft schon eigene Interpretationen mit einfließen lässt. Seine Funktion wird dort häufig damit beschrieben, die Werbeaussage kurz und prägnant zusammenzufassen (vgl. z.B. Römer 1968 und Baumgart 1992). So treffen laut Baumgart auch auf den einzelnen Slogan die Wirkungsabsichten zu, die für die Werbung allgemein gelten (s.o.), sie nennt explizit folgende:

1. ) Die Herstellung von Kommunikation,
2. ) Das Bekanntmachen und Einprägen,
3. ) Scheinbar sachliche Informationsvermittlung,
4. ) Verbales Anpreisen,
5. ) Der Appell an emotionale Wünsche und Bedürfnisse und
6. ) Direkte Konsumaufforderungen.

Auch lässt sie diese Einschätzung nicht unbegründet:

„Zusammenfassend lässt sich festhalten, daß die primäre Funktion des Slogans im Appell an Wunschbilder und Bedürfnisse des Rezipienten zu finden ist. Doch bevor er das kann, muß er die Kommunikation herstellen, indem er 'anspricht'- und zwar im doppelten Sinne des Wortes. Darstellung der Ware und das Auslösen von Kaufwünschen durch das verbale Anbieten eines Kaufanreizes müssen ebenso darin enthalten sein wie der Verweis auf emotionale Nebenbedeutungen, die oftmals wichtiger als die Ware selbst sind.“ (Baumgart 1992: 44)

Warum all dies im Slogan selbst enthalten sein muss, erschließt sich allerdings nicht ganz. Denn außer, man entreißt ihn seinem Wirkungszusammenhang, der Anzeige oder sonstigen Form der Werbung also, steht der Slogan ja niemals allein. Würde er all diese Funktionen in sich vereinen, wären die anderen Bestandteile einer Anzeige nahezu unnötig. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ein Slogan all diese Funktionen enthalten kann, aber nicht muss.

Auch Janich bezweifelt die Multifunktionalität, die Baumgart Slogans meint nachweisen zu können. Sie weist ihm stattdessen wie die oben zitierten Fachlexika die Funktion zu, die Wiedererkennung eines unternehmens, einer Marke und/oder eines Produktes zu gewährleisten und somit imagebildend zu wirken. Die imagebildende Funktion können Slogans nicht nur trotz, sondern gerade wegen ihrer Wiederholungen in ganzen Anzeigenserien gewährleisten. Aber „da er anzeigen- und meist auch medienübergreifend eingesetzt wird, kann er nicht zugleich den konkreten Inhalt einer einzelnen Anzeige zusammenfassen.“ (Janich 1999: 45f.)

Das zu erinnernde Image ist von Seiten der Werbenden durch die verwendeten sprachlichen und rhetorischen Figuren zu gewährleisten. Es ist davon auszugehen, dass die Images, die hierbei produziert werden, durchweg positiv sind, da dies das Hauptinteresse der Werbenden in Bezug auf den Slogan sein muss, und sie es in der Hand haben, ihn zu gestalten. Ausnahmen hiervon können einerseits Slogans bilden, die so stark auf bestimmte Zielgruppen zugeschnitten sind, dass sie in Kauf nehmen, andere Zielgruppen eher abzuschrecken. Ein Slogans bei dem ein solcher Effekt nicht unwahrscheinlich ist, ist der ehemalige Slogan von ,Saturn‘ Geiz ist geil! Bei vielen, vor allem älteren Menschen, ist geil immer noch schmuddelig weil sexuell konnotiert, so dass sie, selbst wenn sie den Slogan erinnern, bei Saturn unter Umständen eben gerade nicht einkaufen würden. Andererseits kann das positive Image, das mit Hilfe von Slogans transportiert werden soll, auch darunter leiden, dass der Slogan falsch verstanden wird. Ein Beispiel hierfür ist der ehemalige Douglas-Slogan Come in and find out, der der in meiner Arbeit verwendeten Studie zufolge zwar Platz 18 der bekanntesten Slogans belegt (s.u.), laut einer anderen Studie aber oft falsch mit: Komm rein und finde wieder heraus übersetzt wird (vgl. GRIMM 2004: 1, FRANK 2008: 5). Ob in diesem Fall ein nur positives Markenimage erinnert wurde, darf bezweifelt werden.

Durch diese Hauptfunktion der Memorabilität, die zugleich eine der sieben Funktionen der Werbesprache darstellt (s.o.), ist der Slogan wahrscheinlich das einzige Element der Werbesprache, dessen Wirkung zumindest in Teilen relativ exakt gemessen werden kann. Wurde er erinnert, hat er einen Großteil seiner Funktion erfüllt. Dies mache ich mir in dieser Arbeit zunutze, indem ich gerade jene Slogans als Untersuchungsmaterial heranziehe, die in Deutschland am bekanntesten sind. Die untersuchten Slogans entstammen der Online-Datenbank www.slogans.de, die sie wiederum einer repräsentativen Studie zur Bekanntheit von Slogans des IMAS (Institut für Markt- und Sozialanalysen) entnimmt[6]

Einige Slogans werden sogar so gut und so sicher erinnert, dass sie Eingang in die Alltagssprache finden und dort mehr oder weniger äquivalent zu Sprichwörtern oder geflügelten Worten genutzt werden. Klotz wird fast lyrisch, wenn er behauptet, „einem homo novus gleich dringt der Slogan in die gute Gesellschaft ein, indem er durch Imitation eines bewährten und traditionsgeprägten Standes sich mit Prestige anzureichern versucht.“ (Klotz 1963: 99) Offenbar bewerkstelligen tatsächlich einige Slogans diese Anreicherung mit Prestige - nicht immer, aber immer öfter[7] Damit erfüllen Slogans, neben der erwiesenen Wirksamkeit in Form von Memorabilität, zumindest teilweise ein weiteres von Janich beschriebenes Merkmal der Werbesprache, nämlich die Rückwirkung auf die Alltagssprache.

Formal zeichnen sich Slogans Janich zufolge und wiederum in Deckungsgleichheit mit den gängigen Definitionen durch ihre relative Kürze und meist zwei- bis dreiteilige Struktur aus. Dass sie, wie Janich behauptet, häufig den Marken­oder Produktnamen beinhalten, trifft in den hier untersuchten Slogans hingegen nur auf sechs von 20 zu, was aber relativ leicht damit zu erklären ist, dass die Marke bzw. das Produkt immer mit erinnert wird und daher prinzipiell auch dann als Bestandteil des Slogans zu werten ist, wenn sie/es nicht explizit dazu gehört. So lautet Toyotas langjähriger Slogan offiziell Nichts ist unmöglich, wird aber sicherlich oft in der Form Nichts ist unmöglich - Toyota erinnert. Würde er nicht in dieser Form erinnert, also in Verbindung mit dem jeweiligen Unternehmen oder Produkt, könnte er kaum imagebildend wirken. Dass der Markenname formal trotzdem nicht zum Slogan gehört, wird auch daran deutlich, dass sonst in vielen Anzeigen der Produktname als Textbaustein entfiele.[8] Inhaltlich unterscheidet Janich grob zwischen produktthematisierenden, das werbende Unternehmen thematisierenden und den Konsumenten thematisierenden Slogans. Volker KLOTZ, dessen Grundstruktur zur Konzeption von Slogans Baumgart Zeitlosigkeit attestiert (Baumgart 1992: 23), hebt darüber hinaus hervor:

„Die Schlagkraft des Slogans liegt in seiner Kürze, seiner grammatischen Beweglichkeit, seinem klanglich-rhythmischen Schlupf. Sie machen ihn als Ganzes prima vista überschaubar, einprägsam und wiederholbar. [...] Tatsächlich ist er nicht rund und fertig und schenkt sich dem Hörer, sondern er bedarf zu seiner Abrundung und Abfertigung einer aktiven Gabe des Hörenden.“ (Klotz 1963: 102f.)

Diese durch den Hörer zu lösende Ambiguität spiegelt sich auch in der lexikalischen, semantischen und syntaktischen Analyse Baumgarts wieder. Da ich selbst auf eine solche größtenteils verzichte, werden Baumgarts Ergebnisse im Folgenden kurz referiert.

Mit 92,4 % ist der absolute Großteil der Slogans ein- bis zweigliedrig und hat zu

61.9 % vier bis sechs Wörter. 72,1 % aller Wörter in den von Baumgart analysierten Slogans sind Substantive, 37,9 % Markennamen (Baumgart 1992: 67-70).

Die zehn häufigsten wortbezogenen rhetorischen Mittel sind bezogen auf Baumgarts sämtliche Slogans: Endkonkretisierungen mit 13,9 %, Neubildungen mit 11.9 %, Superlative mit 8,1 %, Metaphern mit 7,1 %, Komparative mit 4,8 %, Jargonwörter mit 4,5 %, Fremdwörter mit 3,3 %, Euphemismen mit 1,3 %, Fachwörter mit 1,3 % und veraltete Ausdrücke mit 0,5 % (Baumgart 1992: 72). Zusammenfassend stellt sie fest, dass eine der Hauptaufgaben wortbezogener rhetorischer Mittel in „der Alleinstellung des Erzeugnisses und der Abgrenzung gegen Konkurrenzprodukte“ besteht. Neben der Endkonkretisierung selbst, die das beworbene Produkt durch Wertworte ersetzt, wird ein ihr ähnlicher Effekt auch durch andere Mittel angestrebt, die dem beworbenen Produkt Allgemeingültigkeit zu verleihen scheinen (Baumgart 1992: 242).

Die zehn häufigsten satzbezogenen rhetorischen Mittel sind in Baumgarts Studie: Allgemeine Behauptungen mit 38 %, Wortspiele mit 35,3 %, Sentenzen mit 24,9 %, Zweierfiguren mit 22,4 %, Verdeutlichungen mit 18,3 %, Anspielungen mit 17,9 %, Übertreibungen mit 16,9 %, Personifizierungen mit 16,4 %, Stabreime mit 14,3 % und Anrufe mit 9,1 % (Baumgart 1992: 73f.). Die Funktionen der satzbezogenen rhetorischen Mittel korrespondieren mit denen der wortbezogenen und stehen mit ihnen in einem direkten Wirkungszusammenhang. Die ,Allgemeine Behauptung‘ erfüllt dabei einen ähnlichen Zweck wie die Endkonkretisierung auf Seiten der wortbezogenen Mittel, da sie ebenfalls Allgemeingültigkeit zu beanspruchen scheint (Baumgart 1992: 242). Ähnliches gilt für das Wortspiel, das durch Ambiguität zumindest verschiedene Deutungen zulässt. Im Durchschnitt weisen die bei Baumgart untersuchten Slogans drei bis sechs wort- und satzbezogene rhetorische Mittel auf (Baumgart 1992: 329).

Auf das Referieren der von Baumgart aufgestellten Worthäufigkeiten verzichte ich, da diese zu speziell scheinen und womöglich auch schon veraltet sind (s.o.). Auf der Seite www.slogans.de, sind unter ,Slogometer‘ die zurzeit am häufigsten verwendeten Begriffe aufgeführt. Baumgart kommt abschließend zu dem Ergebnis, dass das bedeutendste Mittel zur Wirkung des Slogans die Ambiguität auf allen Ebenen ist. Vor allem dies mache den Slogan zu dem, was er heute ist: „zu einer Imaginationsbasis, die auf der einen Seite vielfältige Informationen beinhaltet, auf der anderen Seite aber genug Freiraum anbieten muß, um den Rezipienten herauszufordern und zur Mitarbeit zu zwingen.“ (Baumgart 1992: 299)

Durch die Ergänzungsarbeit, die der Konsument leisten muss, empfindet er den Werbespruch mehr oder weniger als Eigenprodukt, in dem er sich wiederkennt und von dem er deshalb besonders angesprochen wird. Dieses Hauptmerkmal wiederum deckt sich mit einem Hauptmerkmal der Werbesprache allgemein, das von Janich so beschrieben wird:

„Kennzeichen der Werbeargumentation ist außerdem, dass die Konklusion häufig implizit bleibt mit dem Ziel, dass der Rezipient selbst schlussfolgert, dadurch stärker involviert wird und den eigenen Schluss dann womöglich für glaubwürdiger hält. Der große Vorteil eines impliziten Schlusses in der Werbung ist, dass die Kaufaufforderung dadurch zumeist subtiler und weniger aufdringlich wirkt.“ (Janich 2001: 94)

Unter diesem Gesichtspunkt kann der Slogan dann offenbar doch wieder als Konzentrat von Werbesprache als solcher betrachtet werden. Seine Implikationen verbinden so gemeinsam mit der Intentionalität den Slogan wieder mit der Gesamtheit der Werbesprache.

Es bleibt festzuhalten, dass sich sowohl die Werbesprache im Allgemeinen als auch der Slogan im Speziellen vor allem durch zwei Merkmale auszeichnen, nämlich erstens durch ihre Intention, die persuasiv ist und zweitens durch ihre sprachlichen Mittel, die diese Intention nie (oder so gut wie nie) explizit ausdrücken, sondern den Hörer implizit schließen lassen. Während als Intention der Werbesprache allgemein der Verkauf des beworbenen Produktes gelten muss, kann als Intention des Slogans das Erinnern eines positiven Images gelten. Wie die Umsetzung dieser Intentionen pragmatisch beschreibbar ist, versuchen die folgenden Kapitel zu lösen.

Während direkt im Anschluss die Schwierigkeiten eines solchen Vorhabens erläutert werden, auf die auch BAHRAMNIA hinweist, wenn sie sagt, „daß es bei dem genannten Untersuchungsgegenstand ausgesprochen schwierig ist, ein handhabbares Analysewerkzeug bzw. eine geeignete Analysesystematik zu finden“ (BAHRAMNIA 2002: 1), werden in Kapitel 3.1. und 3.2. mit den Ansätzen eines dialogischen Strategiemusters und der Relevanztheorie zwei mögliche Wege vorgestellt, wie sowohl die sprachliche Gestaltung der Wirkintention als auch das Verstehen von Werbeäußerungen pragmalinguistisch beschreibbar sind. Im Kapitel 3.3. schließlich werden Aspekte beider Ansätze zu einem Analysemodell für Werbeslogans kombiniert, das in Kapitel 4. stichprobenhaft auf Werbeslogans angewendet wird.

3. Die Pragmatik der Werbesprache

Um einen Werbeslogan pragmatisch zu analysieren, bietet es sich an, ihn zunächst als Sprechakt zu begreifen. Denn nichts anderes ist er ja. Nur als Sprachhandlung sind Slogans pragmatisch überhaupt zu begreifen. Und Sprachhandlungen sind immer auch Sprechakte. Ein Sprecher, in diesem Fall abstrakt im werbenden Unternehmen bzw. der Werbeagentur verkörpert[9], richtet den Slogan als Äußerung an einen bzw. viele Hörer gleichzeitig, an alle potentiellen Konsumenten.

Mit der Äußerung eines Sprechaktes kann der Sprecher prinzipiell fünf verschiedene Dinge tun.[10] Er kann sich entweder auf die Wahrheit des Ausgesprochenen, die Wahrheit der Proposition, festlegen, also sagen, wie sich eine bestimmte Sache verhält, indem er z.B. etwas behauptet, feststellt oder andeutet. Damit vollzieht er einen assertiven Sprechakt. Dies scheint auf den ersten Blick z.B. beim Warsteiner-Slogan Das einzig Wahre der Fall zu sein. Der Sprecher kann auch versuchen, die Hörer zur Ausführung einer zukünftigen Handlung zu verpflichten, sie also z.B. zu etwas auffordern, sie um etwas bitten oder ihnen etwas empfehlen. Damit vollzieht er einen direktiven Sprechakt. Das scheint z.B. beim Slogan der Sparkasse Wenn's um Geld geht - Sparkasse der Fall zu sein, noch deutlicher beim Slogan Nimm Vim! Ebenso kann er sich selbst auf die Ausführung einer späteren Handlung festlegen, indem er z.B. etwas verspricht oder anbietet. Damit vollzieht er einen kommissiven Sprechakt, wie scheinbar z.B. beim Slogan der Volksbanken und Raiffeisenbanken Wir machen den Weg frei. Oder aber er kann einen Gefühlszustand ausdrücken, indem er z.B. jubelt, etwas gut heißt, jemanden oder sich selbst lobt. Damit vollzieht er einen expressiven Sprechakt, dies scheint z.B. auf McDonald's Slogan Ich liebe es zuzutreffen. Ob der Sprecher auch die Möglichkeit hat, einen deklarativen Sprechakt zu vollziehen, ist sehr fraglich, da er hierfür eigentlich eines bestimmten institutionellen Status' bedarf, um etwa jemanden zu etwas zu ernennen oder selbst von etwas zurückzutreten. Ohne bestimmten institutionellen Status wäre der Vollzug eines deklarativen Sprechaktes evtl. durch definieren möglich, dies könnte auf den aktuellen VW-Slogan Das Auto zutreffen; aber selbst definieren dürfen, geht eigentlich mit Deutungshoheit einher.

Es gilt also, sich die Slogans im Einzelfall anzuschauen, um herauszufinden, welche Sprechhandlungen damit vollzogen werden, ob mit einem Slogan z.B. etwas versprochen, angedeutet oder empfohlen wird. Mit Vollzug dieses Schrittes ist dann die Einordnung in eine Sprechaktklasse möglich. Würde man dies für eine Reihe von Slogans machen, könnte im Nachhinein abgelesen werden, in welche Sprechaktklassen Slogans häufig fallen und in welche kaum. Dies würde, vorausgesetzt, der Analyse­Korpus ist groß genug, Aufschluss über Form und Funktion von Werbeslogans im Allgemeinen liefern. Einen ähnlichen Ansatz verfolgt beispielsweise Flader (Flader 1972 und 1974).

Einer solchen Einordnung stehen aber eine Reihe von Problemen im Weg. Zunächst ist problematisch, dass Werbesprache, wie oben gezeigt wurde, hauptsächlich über ein Merkmal beschreibbar ist, nämlich über ihre Persuasivität. Mit anderen Worten dadurch, dass sie die Hörer zur Ausführung einer späteren Handlung bewegen möchte. Dies aber ist ein konkretes Merkmal der direktiven Sprechaktklasse. Damit wäre jede Form der Werbesprache, also auch jeder Werbeslogan automatisch ein direktiver illokutionärer Akt und daher in die direktive Sprechaktklasse einzuordnen. Diese Einordnung würde allerdings jeden Erkenntnisgewinn wie durch einen Zirkelschluss ausschließen. Denn das Erkenntnisinteresse liegt ja gerade darin, die Persuasivität von Werbesprache besser beschreiben zu können bzw. herauszufinden, wie diese Persuasivität entsteht. Wenn aber Slogans per definitionem direktiv sind, weil sie persuasiv sind, würde die Persuasivität durch Persuasivität bestimmt. Das ist sicherlich nicht falsch, schließt aber neue Erkenntnisse aus.

Hinzu tritt die Frage, wie zu erklären wäre, dass Slogans zumindest scheinbar anderen Sprechaktklassen angehören. Wie können scheinbar assertive Slogans wie Das einzig Wahre oder Da weiß man, was man hat, scheinbar expressive Slogans wie Ich liebe es oder Otto ...find ich gut! bzw. scheinbar kommissive Slogans wie Wir machen den Weg frei oder Besser ankommen direktiv verstanden werden? Zwei Lösungen bieten sich an. Entweder man versteht Werbetexte als direktive Textsorten, innerhalb derer nicht jede Einzeläußerung ebenfalls direktiv sein muss, oder man betrachtet die Sprechakte in Werbeslogans als indirekte Sprechakte, die das eine sagen, aber das andere meinen.

Die erste Lösung hat sich in Kapitel 2.2.2 im Grunde schon angedeutet. Dort wird die Funktion von Slogans nicht als direkte Kaufaufforderung beschrieben, sondern als Imagebildung und Memorabilität. Damit wären Slogans als Bestandteil der Textsorte Werbetext noch immer direktiv, für sich allein aber nicht mehr zwangsläufig. Dieser Deutungsvorschlag wird in Kapitel 3.1. noch ausführlich behandelt. Die Frage, die sich an dieser Stelle anschließt, ist die, wie Imagebildung und Memorabilität als Sprechakte ausgedrückt werden können. Prinzipiell durch jeden Sprechakt, denn natürlich kann man sich an jede Form von Sprechakt erinnern, daran, dass etwas ist, wie es ist, daran, dass etwas versprochen wurde, daran dass etwas empfohlen wurde, etc. Genauso können die verschiedensten sprachlichen Äußerungen einem positiven Image dienlich sein. So kann z.B. die Tatsache, dass mir jemand ein Versprechen gibt, ebenso sein Image bei mir fördern wie ein Gefühl, das er ausdrückt. Die Funktionen Imagebildung und Memorabilität können also von den verschiedensten Sprechakten erfüllt werden, sie sind nicht auf bestimmte festgelegt. Eine Einordnung von Slogans in Sprechaktklassen scheint wieder möglich.

Trotzdem geht es dem Sprecher nicht allein um das, was in den Slogans ausgedrückt wird, ihre Proposition also, sondern darum, dass die Äußerung beim Hörer ein möglichst positives Image von ihm manifestiert. Er äußert sie also nicht ihrer selbst willen, sondern noch immer mit einem dahinter liegenden Zweck. Einem Zweck, von dem auch die Hörer wissen, da die Intentionalität von Werbung zum Weltwissen gehört. Selbst wenn die Proposition mit ausgedrückt werden soll, ist sie nicht das Einzige, was ausgedrückt werden soll. Eine zweite Bedeutung schwingt mit. Dies ist eine ähnliche Situation, wie sie entsteht, wenn jemand die Äußerung es zieht an mich richtet. Es ist nicht so, dass der Sprecher in diesem Fall nicht auch ausdrücken würde, dass es zieht, trotzdem ist seine Intention eine andere als dies nur festzustellen und mitzuteilen: Er möchte mich vielmehr sehr wahrscheinlich darum bitten oder dazu auffordern, ein offenes Fenster zu schließen. Auf ähnliche Weise muss man sich den Vorgang vorstellen, wenn ,Warsteiner den Slogan äußert‘ Das einzig Wahre. Sicherlich wird darin behauptet, Warsteiner sei das einzig Wahre. Die Intention dabei ist aber nicht nur festzustellen oder zu behaupten, Warsteiner sei das einzig Wahre, sondern gleichzeitig zu empfehlen bzw. aufzufordern, diese Auffassung zu teilen und Konsequenzen daraus zu ziehen. Es ist also davon auszugehen, dass das in Slogans Gesagte und das in Slogans Gemeinte nur in den seltensten Fällen völlig deckungsgleich ist, meistens ist es dies nur in Teilen. Auch über die Annahme einer direktiven Textsorte kommt man an der Betrachtung von Werbeslogans als indirekten Sprechakten nicht vorbei, immer muss der direktive Text durch die darin vorkommenden Äußerungen gestützt werden. Die erste Lösung reicht zur Ausräumung des Problems also noch nicht aus, beide Lösungen müssen kombiniert werden.

Wenn sich das Gesagte vom eigentlich Gemeinten unterscheidet, spricht man von indirekten Sprechakten. Dabei wäre dann die wörtlich ausgedrückte Illokution mit Searle die sekundäre Illokution und die gemeinte Illokution die primäre (vgl. Searle 1982: 51-79). Auf die primäre Illokution kommt der Hörer bei diesem Ansatz über einen Prozess des praktischen Schließens. Ohne diesen Prozess hier detailliert nachzuzeichnen, kann festgehalten werden, dass dem Hörer die primäre Illokution nur über Schlussfolgerungen zugänglich ist, Schlussfolgerungen, die, je uneindeutiger die primäre Illokution ist, mehr und mehr interpretativ werden. Dies macht sie zu uneindeutig und zu sehr vom jeweiligen Hörer abhängig, um sie Sprechaktklassen konkret zuordnen zu können.

Das Gesagte hingegen ist eindeutig und sollte sich daher auch eindeutig einer Sprechaktklasse zuordnen lassen. Das muss es sogar, da es im Gegensatz zum Gemeinten nicht hörer- sondern sprecherseitig definiert ist und ein Sprecher mit einer Äußerung immer einen bestimmten Sprechakt vollzieht. Dies funktioniert, wie gezeigt wurde, bei einigen Slogans problemlos. Das einzig Wahre beispielsweise wäre sekundär assertiv. Nach demselben Muster wäre Ich liebe es! sekundär expressiv. Bei einigen anderen Slogans aber fällt auch die Einordnung der sekundären Illokution in eine Sprechaktklasse deutlich schwerer. Der Slogan Nichts ist unmöglich beispielsweise kann sowohl assertiv als auch expressiv, unter Umständen sogar kommissiv verstanden werden. Im ersten Fall wäre es die Behauptung, dass nichts unmöglich sei, im zweiten Fall würde der Sprecher einen beglückten Zustand über die Möglichkeiten der Welt zum Ausdruck bringen, im dritten sich darauffestlegen, dass nichts unmöglich sein wird.

Die Sprechakttheorie, auch unter Einbeziehung indirekter Sprechakte, lässt eine Interpretation des Gesagten aber nicht zu. Selbst wenn das mit einer Äußerung Gemeinte eine Sache von Schlussfolgerungen und Interpretationen und also hörerseitig ist, bleibt das dabei Gesagte immer sprecherseitig und die Sprechaktklasse nicht interpretierbar, also nicht austauschbar. Das Gesagte einer Äußerung muss per definitionem einer eindeutigen Sprechaktklasse angehören, die Sprechakttheorie schließt Uneindeutigkeit auf dieser Ebene aus. Eine Einordnung von Slogans in Sprechaktklassen ist somit kaum zu leisten; das in Slogans Gesagte ist ohne konkreten Kontext zu uneindeutig, um es immer genau einer Sprechaktklasse zuteilen zu können, die Möglichkeit, es mehreren zuzuordnen, aber ist ausgeschlossen. Inwieweit sowohl dem Gesagten als auch dem Gemeinten mit der Relevanztheorie näher zu kommen ist und welche Ordnungsmöglichkeiten diese statt einer Sprechaktklassifikation anbietet, ist Thema von Kapitel 3.2.

Wie auf die tatsächliche Bedeutung von Äußerungen zu kommen ist, wird in der Pragmatik klassischerweise mit Bezug auf das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaxime von Grice (Grice 1989) beschrieben. Diese Theorie sagt aus, dass sich Sprecher in einem Gespräch immer an ein kooperatives Prinzip halten bzw. sich gegenseitig unterstellen, sich an dieses zu halten, das auf angemessener Quantität, Qualität, Relevanz und Modalität der Redebeiträge basiert. Ein wichtiger Bestandteil dieser Theorie sind die so genannten Implikaturen, die den primären Illokutionen indirekter Sprechakte sehr ähnlich sind. Sie sind das, was mit einer Sprechhandlung nur angedeutet, nicht explizit ausgesprochen wird. Den Implikationen ähnlich gelangt der Hörer auch auf sie per Schlussfolgerung. Solche Schlussfolgerungen werden nötig, sobald ein Sprecher eine der Maximen verletzt. Da sich zwei Sprecher, bzw. Sprecher und Hörer, die Befolgung der Maxime gegenseitig unterstellen, versucht der jeweils andere, sobald eine der Maximen offensichtlich verletzt wurde, den Sinn des Gesagten zu retten, indem er schlussfolgert, weshalb die Maxime verletzt wurde. Durch diesen Prozess kommt er schließlich auf die Implikatur des Gesagten, auf das eigentlich Gemeinte also. Da das GRiCEsche Modell keine Sprechakte kennt, bzw. nicht zwischen ihnen unterscheidet, lassen sich Slogans evtl. mit dieser Theorie eher analysieren. Ohne zwischen Sprechaktklassen zu trennen, müsste mittels des Kooperationsprinzips vom explizit Gesagten zum implizit Gemeinten zu kommen sein.

Doch auch bei dieser Theorie stößt man sehr schnell auf Probleme, wenn es um persuasiven Sprachgebrauch geht. Denn Grice hat seine Theorie so formuliert, dass jede Kommunikation behandelt wird, als ginge es immer und nur um maximalen Informationsaustausch.

„I have stated my maxims [as if the purpose of talk exchanges] were a maximally effective exchange of information; this specification is, of course, too narrow, and the scheme needs to be generalized to allow such general purposes as influencing or directing the actions of others.“ (Grice 1989: 28)

Das Ziel persuasiven Sprachgebrauchs ist aber eben nicht Information, sondern Persuasion oder mit Grice gesagt: „influencing or directing the actions of others.“ (Grice 1989: 28) Auch wenn informative Anteile in persuasivem Sprachgebrauch auszumachen sind, stehen sie doch stets im Dienste der Persuasion. Ähnlich wie Sprechakte per definitonem vom Sprecher abhängen und nicht durch den Hörer zu interpretieren sind, sind das Kooperationsprinzip und die Konversations­maxime per definitionem auf maximalen Informationsaustausch hin formuliert. Grice selbst gibt auch den Anstoß zur Lösung dieses Problems. Er selbst beschreibt die Notwendigkeit, seine Maximen so zu generalisieren, dass sie auch für beeinflussenden also persuasiven Sprachgebrauch nutzbar werden. An diesem Punkt setzten Dascal und Gross an, die untersuchen, wie eine solche Generalisierung zu leisten ist und welche Probleme dafür gelöst werden müssen. Ihr Ziel ist, die Pragmatik von Grice mit der Rhetorik des Aristoteles zu verbinden. Sie haben also sogar deutlich mehr vor, als nur das Kooperationsprinzip und die Konversationsmaximen auch auf persuasive sprache anwenden zu wollen, sie streben eine umfassende Kombination mit der Wissenschaft an, die sich seit Jahrtausenden mit Persuasion beschäftigt, der Rhetorik. Um dies zu ermöglichen, müssen in erster Linie das Kooperationsprinzip und die Maximen so modifiziert werden, dass sie auch Irreführung zulassen, da die Interessen des sprechers und des Hörers nicht in jedem Fall als deckungsgleich anzusehen sind. Das Ziel des sprechers darf nicht generell damit zu beschreiben sein, den Hörer immer und vollständig erkennen zu lassen, was er eigentlich meint. Insbesondere die Maximen der Qualität und der Modalität, also der Art und Weise, können den Interessen des Sprechers entgegenlaufen. Oftmals geht es einem persuasiven Sprecher sicherlich eher darum, dass seine Äußerungen für wahr und konkret gehalten werden, als dass der Hörer tatsächlich schlussfolgert, was sie wirklich meinen. Während also beim Austausch von Informationen das Kooperationsprinzip vorausgesetzt wird, muss es bei persuasiven Sprachhandlungen erst etabliert, immer wieder gestärkt und aufrecht erhalten werden, selbst dann, wenn es nicht voll erfüllt wird. Bereits durch diese kurze Ausführung ist deutlich geworden, dass auch die GRiCEsche Pragmatik so, wie sie bisher formuliert ist, kaum auf persuasiven Sprachgebrauch, also auch nicht auf Werbeslogans anzuwenden ist. Viele Modifizierungen müssen vorgenommen werden, um die Theorie so allgemein gültig werden zu lassen, dass sie auch auf anderen Sprachgebrauch als rein informativen anzuwenden ist.

Dieser Aufgabe haben sich neben Dascal und Gross z.B. auch Larrazabal und Korta (Larrazabal & Korta 2002) angenommen, Jost stützt seine erst 2007 erschienene Monographie zu Topoi und Metaphern als Mittel des Verständlichmachens explizit auf Erkenntnisse der so genannten Pragma-Rhetorik (Jost 2007). Das Vorhaben scheint möglich, aber noch nicht ganz abgeschlossen. Daher verzichte ich zur Analyse der Werbeslogans neben der Anwendung der Sprechakttheorie auch auf die der GRlCEschen Implikatur-Theorie und stütze mich zur Herleitung des Gemeinten allein auf die Relevanztheorie.

Dabei geht es mir nicht darum, eine generelle Unanwendbarkeit von Grice, Searle (und Austin) auf persuasiven Sprachgebrauch zu behaupten; geschweige denn deren Verdienste in Abrede stellen zu wollen, das könnte mir auch nicht gelingen. Grice bildet z.B. auch für die Relevanztheorie eine fundamentale Basis, und ohne die Sprechakttheorie wäre weder die Annahme direktiver Textsorten möglich, noch vermutlich eine Neuordnung von Äußerungsklassen für nötig befunden worden. Vielmehr geht es mir darum, dass mit Hilfe anderer, neuerer Theorien, die auf diesen Klassikern aufbauen, eine pragmatische Analyse persuasiven Sprachgebrauchs deutlich problemloser und über weniger Umwege zu bewerkstelligen ist.

3.1. Werben als direktives dialogisches Handlungsmuster

Markus Hardenbicker und Nuri Ortak beschreiben in ihrem 2000 erschienenen Aufsatz ,Werben als Handlungsmuster‘ die sprachlichen Äußerungen in Werbetexten über Zugriff auf das übergreifende Handlungsmuster (HM) Werben. Um sprachliche Phänomene als Handlungsmuster zu beschreiben, bedarf es der Kriterien des Handlungszwecks, der Handlungsbedingungen und der Handlungsmittel. Der Handlungszweck des Handlungsmusters Werben ist eindeutig direktiv, da es der Werbung immer um eine Beeinflussung des Adressaten geht. Hardenbicker und Ortak zufolge besteht der konkrete Handlungszweck darin, „beim Empfänger der Werbeaussage die Absicht zu erzeugen, das Werbeangebot zu konsumieren. In diesem übergeordneten Handlungszweck liegt die globale Strategie bei der Produktion von Werbeaussagen.“ (Hardenbicker & Ortak 2000: 106)

Hierfür sind zwei Vorbedingungen notwendig, die als Teilzwecke des Handlungsmusters anzusehen sind, nämlich die Präsentation und den Nutzen-Nachweis. Aufgabe der Werbung ist es dann, diese analytisch zu trennenden Teilzwecke synchron zu realisieren, um aus einem zufälligen Adressaten einen Kunden zu machen. Diesem muss der Nutzen es Produktes als attraktiv genug präsentiert und demonstriert werden, um den Kapitalverlust, der damit einhergeht, aufzuwiegen.

[...]


[1] Wieso hier von Sp1 und Sp2 die Rede ist und nicht z.B. von Sprecher und Hörer, mag zunächst das folgende Zitat von Ortak erklären, bis in Kapitel 3.1 genauer darauf eingegangen wird:„Unter kommunikationstheoretischen Gesichtspunkten ist eine Unterscheidung in Redner und Hörer,Kommunikator und Rezipient etc. zu ungenau, sogar irreführend, impliziert sie doch eine polare Rollenverteilung, die den ,Redner‘ als allein Handelnden, den ,Hörer‘ hingegen als passives Zielobjekt der rhetorischen Kommunikation modelliert. Deshalb soll im Folgenden statt von dem Redner / Kommunikator / Emittent / Adressant und dem Hörer / Rezipient / Adressat von den (tiefenstrukturellen) Funktionsrollen Sp1 und Sp2 die Rede sein.“ (Ortak 2004: 18) Auch die anderen Aspekte dieser Definition werden in Kapitel 3.1. deutlicher gemacht.

[2] R[hetorizität, M.G.] steht für alle Komponenten eines Textes oder Kommunikationsprozesses, die - unabhängig von seinem Wahrheitsgehalt - sein Wirkungspotential erhöhen. Sie kann in dieser Funktion durchaus im Dienste des Wahrheitsgehaltes bzw. der rationalen Information stehen, sie kann diesen aber auch entgegenwirken oder über ihre gänzliche Abwesenheit in einem Text hinwegtäuschen.“ (Ostheeren 2005: 326) Mit den oben beschriebenen Einschränkungen kann Rhetorizität hier durch Persuasivität ersetzt werden, da die funktionale Intention in den Blick genommen wird.

[3] vgl. Stave, Joachim (1973): Bemerkungen über den unvollständigen Satz in der Sprache der Werbung. Muttersprache 83: 212. „

[4] Stöckl, H. (1997): Werbung in Wort und Bild. Textstil und Semiotik englischsprachiger Anzeigenwerbung. Frankfurt am Main etc.: Lang (= Europäische Hochschulschriften. Reihe XIV: Angelsächsische Sprache und Literatur 336).

[5] unter Adds oder Additions versteht man „erläuternde Hinzufügungen zu einem Produkt. oder Markennamen“ (Zielke 1991: 71), dies sind Angaben wie registriertes Warenzeichen ® oder Trademark TM Claims, auf deutsch Abbinder, sind Slogans nicht unähnlich, haben aber im Gegensatz zu diesen nicht unbedingt über mehrere Anzeigen Bestand, sondern fassen am Ende des Fließtextes diesen knapp und (oft) pointiert zusammen. Inserts, auf deutsch auch Einklinker, sind Texteinschübe mit aktuellem Orts- und Zeitbezug, etwa zu Preisen oder Sonderaktionen einzelner Verkaufsstellen (vgl. Janich 1999: 55).

[6] Die Überprüfung erfolgt im Rahmen von persönlichen Interviews (Face-to-Face) auf Basis von n=1.000 Interviews. Die Erhebungen sind repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ab 16 Jahren.
Das Abfragen der Bekanntheit vollzieht sich nach folgenden Kriterien:
- ungebrandete (ohne Markenname) Bekanntheit anhand einer Liste
- Frage nach dem Absender (Marke/Firma) des jeweiligen Slogans
- gebrandete Abfrage anhand einer Liste
- Gefallen
- Zuordnung von Items anhand einer Liste
- Zielgruppenfragen
(Informationen nach Niels Wettemann, Senior Project Manager des IMAS)

[7] Langjähriger Slogan der Marke Clausthaler, 1978 zum ersten Mal verwendet (<http://www.slogans.de/ slogans.php?GInput=nicht+immer+aber+immer+%F6fter>, zugegriffen am 07. Januar 2009)

[8] (vgl. Janich 1999: 48-54) Hier deutet sich an, dass durch den Slogan nicht nur das Image des entsprechenden Produktes erinnert wird, sondern auch weitere Bestandteile der Werbung. Es wäre interessant zu untersuchen, welche Bestandteile konkret jeweils mit erinnert werden. So wäre meine Vermutung, dass etwa im Fall von Toyota, aber auch z.B. der Sparkasse (Wenn's um Geld geht - Sparkasse) oft die entsprechende Melodie mit erinnert wird, während z.B. bei der Volksbank eher Bilder, die den Slogan Wir machen den Weg frei symbolisieren, mit erinnert werden. Dieses Mit-erinnern könnte im Rahmen der später vorgestellten Relevanztheorie als das Bereitstellen des relevantesten Kontextes beschrieben werden.

[9] Die Binnendifferenzierung zwischen werbendem Unternehmen und der Werbeagentur, die die Werbung tatsächlich entwirft, spielt hier und im Folgenden keine Rolle.

[10] Bei der Klassifikation von Sprechakten halte ich mich an Searle (1982): 17-50. Vgl. auch Meibauer 2001: 84-100 und Rolf 1992.

Ende der Leseprobe aus 140 Seiten

Details

Titel
Eine pragmatische Analyse persuasiven Sprachgebrauchs
Untertitel
Wie wirken die 20 bekanntesten Werbeslogans?
Hochschule
Technische Universität Carolo-Wilhelmina zu Braunschweig
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
140
Katalognummer
V138185
ISBN (eBook)
9783640458431
ISBN (Buch)
9783640458882
Dateigröße
1798 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
32seitiger Anhang mit detaillierten pragmatischen Analysen der 20 bekanntesten Werbeslogans
Schlagworte
Eine, Analyse, Sprachgebrauchs, Werbeslogans
Arbeit zitieren
Malte Gärtner (Autor:in), 2009, Eine pragmatische Analyse persuasiven Sprachgebrauchs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/138185

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