Elemente einer materialistischen Philosophie bei Johannes Buridan


Hausarbeit (Hauptseminar), 2008

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Deus est mortuus

2. Zum Begriff des Materialismus

3. Zentrale Argumente einer materialistischen Philosophie
3.1 Ewigkeit der Welt
3.2 Sterblichkeit der Seele
3.3 Diesseitigkeit des Glücks

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

In meiner Arbeit „Elemente einer materialistischen Philosophie bei Johannes Buridan“ möchte ich die materialistische Denkweise im Mittelalter anhand der Schriften des Johannes Buridan exemplarisch darstellen. Dazu möchte ich in einem ersten Kapitel „Deus est mortuus“ das Bild vom Mittelalter als eine Epoche, in welcher sämtliche Lebensbereiche durch das Christentum geprägt wurden, revidieren. Dazu werde ich verschiedene Belege dafür anbringen, dass es schon immer, von der Antike über das Mittelalter bis hin zur Neuzeit, atheistische Denker gegeben hat. In meinem zweiten Kapitel möchte ich zunächst den Begriff des Materialismus erklären, um darauf aufbauend meine weiteren Ausführungen vorzunehmen. Das dritte Kapitel, welches den Hauptteil meiner Arbeit darstellt, werde ich in drei Unterkapitel unterteilen. In jedem dieser drei Unterkapitel möchte ich mich dann mit einer zentralen Frage der materialistischen Philosophie anhand der Schriften des Johannes Buridan beschäftigen. Am Ende meiner Arbeit werde ich ein Fazit aus meinen Ausführungen ziehen, in welchem ich erklären werde, dass Johannes Buridan ein Beispiel für einen materialistischen Denker im späten Mittelalter ist und an dem sich auch deutlich die doppelte Wahrheit erkennen lässt, zu welcher sich materialistische Denker im Mittelalter notgedrungenerweise bekunden mussten.

Meiner Arbeit werde ich vor allem den Aufsatz „Ewigkeit der Welt, Sterblichkeit der Seele, Diesseitigkeit des Glücks – Elemente einer materialistischen Philosophie bei Johannes Buridan“ von Dr. Olaf Pluta zugrunde legen. Die lateinischen Zitate werde ich ebenfalls aus diesem Werk übernehmen, da ich keinen Zugriff zu der Primärliteratur habe. Dennoch habe ich an den entsprechenden Stellen auf das jeweilige Werk Johannes Buridans hingewiesen und die betreffenden Werke auch im Literaturverzeichnis aufgeführt. Jedoch werde ich mich um eine selbstständige Auseinandersetzung mit den übernommenen Zitaten bemühen.

1. Deus est mortuus

„Deus est mortuus!“ – „Gott ist tot !“[1] Die von Nietzsche (1844-1900) im 19. Jahrhundert geprägte Parole ist bereits im Mittelalter anzutreffen. Dies mag vielleicht zunächst irritieren, zumal das Christentum gerade im Mittelalter sämtliche Bereiche des Lebens prägte; dennoch gibt es Belege für materialistische und sogar atheistische Denkweisen in dieser Zeit.[2]

Zur Zeit des Niedergangs der antiken griechischen Religion heißt es bereits bei Plutarch: “Der große Pan ist tot!“ Allerdings ist dem an dieser Stelle hinzuzufügen, dass Plutarch kein Atheist war. Bereits in seiner Jugend widmete er sich der Religion und dem Glauben. So verfasste er bereits in jungen Jahren die polemische Schrift „Über den Aberglauben“, in welcher er Aberglauben und Atheismus gleichstellt, da beiden das Unwissen in göttlichen Dingen gemeinsam sei. Des Weiteren war er auch über Jahre als priesterlicher Beamter und Aufseher über das Orakel von Delphi tätig. Auch führte er in seiner Schrift „Über die eingegangenen Orakel“ in einer Dialogform eine Vielzahl an Gründen für das Verstummen des Orakels von Delphi an. Dem legt er auch eine Vielzahl an Theorien über die Wirkungsweise der Orakel zugrunde. Eine dieser Theorien lautet, dass die Orakel nicht durch Einwirkung der Götter funktionieren, sondern dass sie durch das Wirken von Dämonen beeinflusst werden. Diese Dämonen müsse man sich dabei als Mittelwesen zwischen Göttern und Menschen vorstellen. Das Verstummen der Orakel sei also durch das Ende des Wirkens der Dämonen bewirkt worden. Der Tod der Dämonen stellt allerdings einen Widerspruch dar. Aus diesem Grunde erzählt ein fiktiver Gesprächspartner an dieser Stelle vom Tode Pans, welcher einen Halbgott, bzw. einen Dämon verkörpert. Dies führt dazu, dass nach Plutarch nicht die Götter, sondern die Dämonen gestorben seien und daher das Orakel verstummte. Die späteren Kirchenväter legten den Tod Pans anders aus. So ließ Eusebius die Dämonen durch Christi vertreiben. Rabelais wiederum setzt Christus mit Pan gleich.[3]

Dass die Theorie vom Tode Gottes oder der Götter, bzw. vom Tode Pans weit verbreitet gewesen sein muss, belegt auch Lord Byrons (1788-1824) Gedicht „Aristomenes", welches am 10. September 1823 verfasst und im Jahre 1903, lange nach seinem Tod, erstmals veröffentlicht wurde.[4]

ARISTOMENES

CANTO FIRST

I

The Gods of old are silent on their shore,

Since the great Pan expired, and through the roar

Of the Ionian waters broke a dread

Voice which proclaimed “the Mighty Pan is dead.”

How much died with him! false or true – the dream

Was beautiful which peopled every stream

With more than finny tenants, and adorned

The woods and waters with copy nymphs that scorned

Pursuing Deities, or in the embrace

Of gods brought fourth the high heroic race

Whose names are on the hills and oe’r the seas.[5]

Dieses Gedicht ist ein Beleg dafür, dass die Theorie vom Tode der Götter, bzw. vom Tode Pans, immerhin so verbreitet gewesen sein muss, dass das Wissen darum sich noch bis ins 19. und 20. Jahrhundert hielt und sogar literarisch verarbeitet wurde. Des Weiteren wurde das Wissen darum für das Verständnis des Gedichtes vorausgesetzt, so dass wir davon ausgehen müssen, dass die Idee vom Tod der Götter, bzw. vom Tode Pans, für die Menschen im 19. und im 20. Jahrhundert keine Überraschung, sondern eine bekannte Tatsache war.

Die häufigen religionskritischen bis atheistischen Denker der Antike veranlassten Platon schließlich sogar dazu, in den „Gesetzen“ die Todesstrafe für rückfällige Atheisten zu fordern.

Im Mittelalter schließlich, wird im „Speculum Christiani“ vom Tode Gottes erzählt:

„Denn wie ein Toter schnell in Vergessenheit gerät und dann von niemandem mehr gefürchtet wird, so ist Gott aus dem Bewusstsein der Menschen verschwunden, und unter tausend ist kaum einer, der ihn vollkommen fürchtet und liebt.“[6]

In der „Gesta Romanorum“ erzählt die Geschichte „Vom gegenwärtigen Zustand der Welt“, vom Tod Gottes. „Gesta Romanorum“ bedeutet Geschichten, bzw. Taten der Römer. Der Titel verweist darauf, dass es sich bei den meisten in ihr enthaltenen Texten um Nacherzählungen von Werken der römischen Literatur handelt. Die „Gesta Romanorum“ ist eines der bedeutendsten Werke lateinischer Erzählliteratur des Mittelalters. Von daher kann sie als exemplarisch für das Denken der Menschen im Mittelalter betrachtet werden. Es ist anzunehmen, dass die uns heute in der „Gesta Romanorum“ vorliegenden Texte erstmals im Jahre 1300 für diese Sammlung zusammengetragen wurden. Dies ist daraus zu folgern, dass die älteste uns erhaltene Schrift der „Gesta Romanorum“ mit 220 Kapiteln aus dem Jahre 1342 stammt und bereits ein überarbeiteter Text ist. Dabei handelt es sich um den Codex Latinus310 der Universitätsbibliothek Innsbruck. Dieser wurde seit der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts als Vorlage für etliche weitere Drucke verwendet.[7]

[...]


[1] Siehe Nietzsche, Friedrich: Die fröhliche Wissenschaft, III, 125. Alfred Kröner Verlag Stuttgart, 1956.

[2] Pluta, Olaf: Ewigkeit der Welt, Sterblichkeit der Seele, Diesseitigkeit des Glücks. Elemente einer materialistischen Philosophie bei Johannes Buridan, in: Burkhard Mojsisch/Olaf Pluta (Hgg.): Historia Philosophiae Medii aevii Bd.2, Amsterdam 1991, S. 847f.

[3] Pluta, Olaf: „Deus est mortuus.“ – Nietzsches Parole „Gott ist tot!“ in einer Geschichte der Gesta Romanorum vom Ende des 14. Jahrhunderts, in: Wolfenbütteler Mittelalter Studien: Atheismus im Mittelalter und in der Renaissance. S.242-260.

[4] Marchand, Leslie A.: Selected Poetry of Lord Byron, New York 2001, S. 236.

[5] Lord Byron: Aristomenes, in: Leslie A. Marchand (Hrsg.): Selected Poetry of Lord Byron, New York 2001, S. 235f.

[6] Pluta, Olaf: „Deus est mortuus.“ – Nietzsches Parole „Gott ist tot!“ in einer Geschichte der Gesta Romanorum vom Ende des 14. Jahrhunderts, in: Wolfenbütteler Mittelalter Studien: Atheismus im Mittelalter und in der Renaissance. S. 260.

[7] Nickel, Rainer: Gesta Romanorum, Stuttgart 2003, S. 257.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Elemente einer materialistischen Philosophie bei Johannes Buridan
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Philosophie)
Veranstaltung
Naturphilosophie im Mittelalter
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
16
Katalognummer
V137876
ISBN (eBook)
9783640464500
ISBN (Buch)
9783640461677
Dateigröße
435 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Elemente, Philosophie, Johannes, Buridan
Arbeit zitieren
B.A. Janine Sarah Hammelmann (Autor:in), 2008, Elemente einer materialistischen Philosophie bei Johannes Buridan, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137876

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