Das „Bildniß mitleid-schöner Qual“ - Ein Vergleich der Varianten von Eduard Mörikes Peregrina-Zyklus zwischen 1824 und 1867


Diplomarbeit, 2008

129 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

A Einheit und Vielfalt des Peregrina-Zyklus’
1. Thematische Eingrenzung
2. Zielsetzung und methodische Vorgehensweise

B Entwicklung und Aufnahme der Peregrina-Dichtung
1. Urbild – Die schöne Fremde Maria Meyer
Exkurs: Eine andere Perspektive
2. Vorbild: Literarische Reminiszenzen
3. Bildentwicklung: Die Textgenese und das Problem der Datierung
3.1 Mörikes dichterischer Arbeitsprozess
3.2 Chronologie und Entstehungszeiträume der Gedichte
4. Öffentlichkeitsbild: Zeitgenössische Rezeption in Wort und Bild
Exkurs: Vertonungen

C Der Gedichtzyklus und seine Varianten
1. Das Spiegelbild: Peregrina I
1.1 Die Verführung
1.2 Die Doppelung der Verführung
2. Das Hochzeitsbild: Peregrina II
2.1 Das ‚fantastische’ Umfeld der Hochzeit
Exkurs: Phantasmagorie
2.2 Die seltsame Braut
2.3 Der Lust-Garten
2.4 Der magische und der erotische Liebesbund
3. Das Trugbild: Peregrina III
3.1 Der Liebesverrat
Exkurs: Das Prinzip Verstoßung
3.2 Wahnsinn und Schuldfrage
3.3 Die Rückwirkung der Verstoßung
3.3.1 Zwischen Welt und „Heideland“ – Varianten von 1824 - 1856
3.3.2 Der Zwang des Zauberfadens – Varianten ab 1867
4. Das „Bildniß mitleid-schöner Qual“: Peregrina IV
5. Das Heiligenbild: Peregrina V
5.1 Die Büßerin am Pfahl
5.2 Der endgültige Verlust

D Die Peregrinadichtung im Werkkontext des „Maler Nolten“
1. „Er hat mir’s geschworen“ – Die Bindung des Mannes an das weibliche Elementarwesen
2. Magische Schicksalsorte
3. Abbilder Peregrinas
3.1 Agnes, die hysterische Pastorentochter
3.2 Elisabeth, die unschuldige Verführerin

E Eduard Mörikes Prozess „mitleid-schöner Qual“
1. Tendenzen im Verlauf der Peregrina-Dichtung
2. Die Peregrina-Dichtung und Mörikes literarische Ästhetik
3. Fazit

Siglen- und Literaturverzeichnis

Siglen-Verzeichnis der Primärliteratur

Zuordnung der Peregrina-Nummerierungen zum lyrischen Text

Weitere Primärliteratur

Sekundärliteratur

Lexika

Internetquelle

A Einheit und Vielfalt des Peregrina-Zyklus’

1. Thematische Eingrenzung

Der Peregrina-Zyklus hat seinen festen Platz in jeder Gedichtausgabe Mörikes bis zu dessen Tod behauptet; er ist zudem lyrischer Bestandteil des „Maler Nolten“. Dennoch finden sich zwischen den ersten überlieferten Handschriften und den zu Lebzeiten des Autors gedruckten Ausgaben der Gedichte zahlreiche Abweichungen und Varianten.[1]

Das Ziel der vorliegenden Diplomarbeit ist, die Peregrina-Gedichte innerhalb der zehn bekannten Varianten zwischen 1824 und 1867 zu vergleichen und auf mögliche Trends in Mörikes Umformungsprozess zu untersuchen. Ausgehend von einem Kerngedicht (Peregrina III), das auf das Jahr 1824 datiert wird, hat Mörike bis zum Erscheinen seiner ersten Gedichtsammlung 1838 die heute bekannten vier übrigen Peregrina-Gedichte zu einem Zyklus zusammengefügt. Neben ihrer Stellung als selbstständiger Gedichtkreis wurden sie im Voraus bereits einzeln oder in abweichenden Kombinationen veröffentlicht.

Die Peregrina-Dichtung zeichnet sich durch einen permanenten Bearbeitungsprozess aus, der sich über einen Zeitraum von über vierzig Jahren erstreckt. Diese Tatsache hat den Ausschlag für die vorgestellte Themenstellung gegeben. Eduard Mörike als Autor zahlreicher lyrischer Werke hält die Peregrina-Gedichte beziehungsweise den Charakter dieser Verse für so bedeutsam, dass sie ihn von Gedichtauflage zu Gedichtauflage immer wieder beschäftigen. Dies wirft die Frage nach der Intention einer solchen Vorgehensweise auf. Denn Mörike selbst ist es, der Neuauflagen seiner Gedichtbände anregt, und auch die Peregrina-Gedichte an zentraler Stelle immer wieder variiert einfügt.

Die Peregrina-Dichtung ist in ihrer Konstruktion und ihrem Gehalt sehr komplex konstruiert. Sie ist mit Zweideutigkeiten angereichert, die es dem Leser der heutigen Zeit ohne differenzierte semantische Kenntnisse erschweren, die vielen Andeutungen, Verweise und Irreführungen Mörikes zu erkennen, die sich durch den Vergleich der zahlreichen Varianten ergeben. Der Zyklus enthält die poetische Bearbeitung verschiedener Spannungsverhältnisse, die so gar nicht in das Bild des idyllischen Biedermeier-Dichters Eduard Mörike zu passen scheinen: Begehren und Moral, Treue und Verrat, Erfüllung und Verlust, Verschmelzung und Entzweiung. So stilisiert die Peregrina-Dichtung in ihren diversen Varianten Liebesverrat und Treulosigkeit zum literarischen und sozialen Geschehen, das schwierig in seiner Ganzheit zu erfassen ist. Obwohl der Zyklus in der Lyrik seiner Zeit eine feste Stellung besitzt und unzählige Male in der Mörike-Forschung besprochen wird, so bleibt er dennoch das, was sein Kernelement darstellt: ein Rätsel.

Natürlich liegt der Schluss der biografischen Verbindungen gerade bei Mörike auf der Hand; kaum ein Forscher unterlässt es, sein Werk – und gerade den Peregrina-Zyklus – nicht in den Kontext zu seiner gescheiterten Liebesaffaire mit Maria Meyer stellt. Dies ist auch nötig, denn ohne sie hätte es wohl keinen Peregrina-Zyklus gegeben. Dennoch lässt sich aus den Gedichten weder die Liebesgeschichte zu Maria Meyer konstruieren, noch lassen sich die historischen Tatsachen dieser Affaire eins zu eins auf den Gedichtzyklus übertragen. So darf der Peregrina-Zyklus nicht als konsequente lyrische Verarbeitung der Erfahrungen Mörikes mit Maria Meyer behandelt werden. Die Mörike-Forschung ist sich jedoch einig, dass sie zumindest literarisches Modell stand.[2] In diesem Sinne sollen Erkenntnisse aus ihrem Leben, soweit sie zur Interpretation beitragen, hinzugezogen werden.

Selbst wenn sich große Parallelen zwischen den Erlebnissen eines Ich-Gedichtes und der Biografie des Autors ergeben, bleibt dennoch immer ein kategorischer Unterschied zwischen dem empirischen Urheber und dem sprachlich konstituierten Ich eines Gedichtes.[3] Der literarische Text tritt als Gedicht aus den konkreten Bedingungen seiner Entstehung heraus. Allerdings muss bedacht werden, dass auch Zeitumstände, so zum Beispiel der Übergang der literarischen Epochen, und darüber hinaus Faktoren wie Umgebung, Menschen, Zeitgeschehen, Mörikes angegriffener Gesundheitszustand und vieles mehr auf den Dichter eingewirkt haben, sodass sich der Umformungsprozess kaum einem einzigen Trend zuschreiben lässt. Vielmehr sollen Änderungen nachverfolgt und mindestens eine Grundtendenz herausgearbeitet werden, die den meisten dieser Varianten zugrunde liegt.

2. Zielsetzung und methodische Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit möchte einen Beitrag zum Verständnis der Peregrina-Dichtung leisten, indem sie die Ergebnisse der diversen Theorien zur Datierung des Zyklus’ zusammenführt und diese in der praktischen Analyse in einen Kausalzusammenhang mit den relevanten Überarbeitungsstufen bringt. Ausgehend von der thematischen Eingrenzung der vorliegenden Arbeit soll im Folgenden eine These formuliert werden, die es im Verlauf der Analyse auf ihre Richtigkeit zu untersuchen gilt.

Ziel der Arbeit ist es, Entwicklungen im Überarbeitungsprozess Mörikes aufzuzeigen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie im Gesamtzusammenhang der Peregrina-Gedichte eine bewusste Verharmlosung im Sinne einer Zurücknahme dämonischer Elemente einleiten. Die neueren Varianten scheinen v.a. Hinweise auf den Wahnsinn Peregrinas beziehungsweise auf das Dämonische im Zyklus zugunsten realistischer Darstellungen systematisch zu tilgen. Es gilt also, Mörikes literarischen Schaffensprozess durch eine konsekutive Interpretation der Varianten nachzuvollziehen, und, wo nötig, auf weitere Werke des Dichters zu verweisen, die zum Verständnis des Peregrina-Zyklus’ beitragen können. Da gerade die Lyrikanalyse einen breiten Deutungsspielraum bietet, soll versucht werden, polarisierende Forschungspositionen in die Interpretation der Gedichte einzubeziehen und zu bewerten.

Die Herausforderung der Peregrina-Gedichte liegt in ihrem komplexen Bezug zu Erlebnis und Dichtung, zu Wirklichkeit und Fantasie und in der Aufdeckung ihrer entstehungsgeschichtlichen Zusammenhänge.

Die vorliegende Arbeit wird sich deshalb nicht ausschließlich einer bestimmten literaturwissenschaftlichen Methode bedienen. Vielmehr soll ein Überblick über den Entstehungskontext sowie über formale und inhaltliche Elemente der Peregrina-Dichtung gegeben werden, die zudem in eine textbezogene und zeitgeschichtliche Beziehung gebracht werden sollen.

Dementsprechend sollen im ersten Kapitel der Arbeit deduktiv die theoretischen Grundlagen für die spätere praktische Analyse gelegt werden. So wird in Kapitel B 1 zunächst das ‚Urbild’ Peregrinas, die historische Person Maria Meyer anhand von Briefen, Zeugnissen und Sekundärliteratur in einem knappen Überblick behandelt. In einem zweiten Schritt werden in Kapitel B 2 weitere Vorbilder Mörikes in der Literaturgeschichte vorzustellen sein, die Einfluss auf das Werk des Dichters im Allgemeinen und auf die Peregrina-Dichtung im Speziellen genommen haben. Dass Mörike ein begeisterter Leser des Goethe’schen und Schiller’schen Briefwechsel ist, mag bekannt sein, doch enthält die Peregrina-Dichtung beispielsweise auch literarische Reminiszenzen an Justinus Kerners Werke. Zudem ist Mörike als Theologe und Übersetzer altgriechischer Werke mit Antike, Mythologie und Bibelkunde umfassend vertraut, wie sich auch bei der praktischen Untersuchung der Peregrina-Verse immer wieder zeigen wird.

Zum Verständnis ist es wichtig, den aktuellen Stand der Forschung bezüglich der Datierungen der Gedichte darzustellen und Problematiken, die sich in diesem Kontext ergeben, aufzuzeigen. Mittlerweile scheint ein Konsens bezüglich der Entstehungszeiträume, insofern sie eingegrenzt werden konnten, erreicht worden zu sein. Dieser soll in Kapitel B 3 vorgestellt werden und eine verbindliche Reihenfolge für die Chronologie der Gedichte festgelegt werden, an der sich die folgende Analyse orientieren wird. Der Peregrina-Zyklus wurde in der Mörike-Forschung vergleichsweise stiefmütterlich behandelt, auch wenn er zum 200. Jahrestag des Dichters durch das populärwissenschaftliche Werk von Mathias Mayer[4] neue Aufmerksamkeit erhalten hat. Die zeitgenössische Rezeption im 19. Jahrhundert erweist sich als eher dürftig; zwar werden in den Druckmedien v.a. der „Maler Nolten“ sowie die Gedichtbände rezensiert, explizite Besprechungen zur Peregrina-Thematik finden sich, wie in Kapitel B 4 gezeigt, jedoch nur wenige. Dennoch perfektioniert Mörike diesen Gedichtkreis trotz bescheidener öffentlicher Beachtung bis fast an sein Lebensende, sodass anzunehmen ist, dass dieser Vorgang wohl aus innerster Überzeugung und nicht auf Druck von außen geschah.

Nachdem der theoretische Grundstein gelegt worden ist, setzt sich der praktische Part dieser Arbeit zunächst mit den Peregrina-Gedichten als selbstständiger Gedichtzyklus auseinander, der in einem eigenen Kapitel zusätzlich in den Kontext des Nolten-Romans gestellt werden soll. Der Zyklus soll in Kapitel C 1 bis C 5 in der letztautorisierten Chronologie der Peregrina-Gedichte analysiert werden. Dabei soll jedoch zum besseren Verständnis die Mehrdeutigkeit der lyrischen Texte aufgeschlüsselt werden. Der Fokus soll vor allem auf den Versen liegen, die eine für die Themenstellung der Arbeit relevante Umformung erfahren haben.

Aufgrund des vorgegebenen Umfangs soll die Analyse des Werkzusammenhangs zwischen dem komplexen „Maler Nolten“ und dem Peregrina-Zyklus in Kapitel D exemplarisch geschehen. Da die Peregrina-Gedichte nicht die einzigen lyrischen Einschübe im Prosawerk „Maler Nolten“ darstellen, soll in Kapitel D 1 beispielhaft das Orplid-Werk herangezogen werden, um die Charakteristik der weiblichen Elementarwesen aufzuzeigen, die ihre Entsprechung auch im Gedichtzyklus finden. Zudem hat sich die Verfasserin der Arbeit für einen weiteren, nämlich lokalen, Bezugsaspekt entschieden: Nicht nur das Handeln und die Charakteristik der Protagonisten und Protagonistinnen, sondern auch die Umgebung erfährt in der Variation des Zyklus’ einen neuen Sinngehalt, der auch mit gewissen Orten und Umgebungen im Roman korrespondiert. Dieser soll in Kapitel D 2 exemplarisch am Beispiel des ‚Gartens’, beziehungsweise ‚Garten-Labyrinths’ aufgezeigt werden. Der Schwerpunkt liegt in Kapitel D 3 auf den beiden bedeutendsten ‚Abbildern’ Peregrinas, nämlich der Zigeunerin Elisabeth und der Pastorentochter Agnes, die in ihrer Konstellation und Charakteristik eng auf die Peregrina der Gedichte bezogen sind.

Im Fazit soll eine abschließende Antwort auf die Ausgangsfrage nach der Art der Überarbeitungen gefunden werden; sollte sich im Verlauf der Analyse tatsächlich eine klare Tendenz zur Verharmlosung und Entmythifizierung im Laufe der Varianten herauskristallisieren, wird diese in einem Überblick zusammenfassend in ihren Konsequenzen für die Lesart des Gedichtzyklus’ abschließend aufgezeigt. Es gilt in diesem Fall, zumindest einen Ansatzpunkt zur Intention dieser lebenslangen Bearbeitungsprozesse herauszustellen. Ob sich diese auf eine neue literarische Ästhetik zurückführen lassen, die sich aus dem Verlauf der enormen Zeitspanne von 1824 bis 1867 heraus ergibt, oder ob sie eher aus einer inneren Distanzierung heraus intendiert sind, soll ebenso hinterfragt werden.

B Entwicklung und Aufnahme der Peregrina-Dichtung

1. Urbild – Die schöne Fremde Maria Meyer

Der Zugang zu den Peregrina-Gedichten erschließt sich nicht ohne den biografischen Kontext Mörikes und damit der Verbindung zu Maria Meyer.[5] Es gibt allerdings diverse Ansichten, inwiefern und inwieweit der Zyklus ein reines „Werk der dichterischen Fantasie“[6] sei, das möglichst wenig in Beziehung zu Maria Meyer gebracht werden sollte, oder das, ganz im Gegenteil, erst durch sie begriffen werden könne. Letztere Haltung findet sich allerdings weitaus häufiger, u.a. auch bei Autoren wie Corrodi und Mathias Mayer[7]. In Mörikes hinterlassenen Briefen und Dokumenten befinden sich nur wenige konkrete Hinweise. Er selbst versucht, jegliche Zeugnisse seiner vergangenen Liebesbeziehung zu vernichten.[8] Und auch im Nolten-Roman[9], in dessen Verlauf Mörike die Peregrina-Dichtung eingliedert, beschreibt der fiktive Verfasser der Gedichte sie bezeichnenderweise als „mythische[ ] Komposition“ und „unschuldige Fantasie“. (HKA III, S. 360f.)[10]

1823 begegnet der neunzehnjährige Mörike in seiner Geburtsstadt Ludwigsburg der Schankmagd Maria Meyer. Mit seinem Freund Rudolf Lohbauer verbringt der Theologiestudent des Tübinger Stifts dort seine ersten Semesterferien.[11] Zuvor ist Maria von einem Brauereibesitzer auf einer Landstraße vor der Stadt ohnmächtig aufgefunden und als Kellnerin, als sogenanntes Schenkmädchen, engagiert worden. Eine vorübergehende Bleibe findet sie in Rudolf Lohbauers Elternhaus. Beide, Lohbauer und Mörike, pflegen eine Brieffreundschaft mit der als belesen geltenden Maria Meyer. Es entwickelt sich eine Liebesgeschichte zwischen Mörike und der schönen exotisch anmutenden Schweizerin. Gegen Ende des Jahres verlässt sie jedoch aus bisher unbekannten Gründen Ludwigsburg. Als sie Mörike am 19. Juli 1824 in Tübingen nochmals treffen möchte, zieht dieser jedoch kein Wiedersehen in Betracht. Er reagiert weder auf ihre Briefe noch auf das Bitten seiner Freunde, sich ihr mitzuteilen. Stattdessen zieht er bedingt durch eine – vielleicht eher psychische als physische – Krankheit mitten im Semester zurück nach Stuttgart zu seiner Schwester Luise, die ihn auf Bauers Drängen einlädt.[12] Man kann Luises Tagebüchern entnehmen, dass seine Rückkehr „theils wegen körperlichem Übelbefinden theils wegen der sein Gefühl unendlich peinigenden Nähe Mariens“ geschah.[13] Er vertraut sich seiner Schwester an, die seinen Zustand folgendermaßen beschreibt: Mörike sei

durch ein beängstigendes Übel … so gereitzt, und bis zu kranker Empfindlichkeit gespannt eben unendlich leidend geweßen … als ihn die Nachricht von Mariens … Erscheinen – fast vernichtend getroffen, und den leise und still gehegten Wunsch, dieser Sphäre zu entfliehen laut und heftig in seinem Innern ausgesprochen habe.[14]

Was genau zu dem Bruch zwischen Eduard Mörike und Maria Meyer führt, ist bis heute ungewiss. Im ältesten Peregrina-Gedicht (Peregrina III), das seinen Ursprung in dieser traumatischen Liebeserfahrung Mörikes findet und aus dem gleichen Jahr stammt, heißt es: „Und mit weinendem Blick / Hieß ich nun das zauberhafte schlanke Mädchen / Ferne von mir gehen“. (HS 1824) Nur vier Jahre später gibt ein weiteres Peregrina-Gedicht den Hinweis auf einen längst „verjährten Betrug“. (HS 1828a) Obwohl diese Affäre nur einige Wochen dauert, zehrt Mörike in seinem literarischem Schaffen fast sein ganzes Leben lang von diesem traumatischen Erlebnis.[15]

Die Wendung Mörikes zum Lyrischen wird deshalb eng mit der Begegnung Maria Meyers in Verbindung gebracht, die für ihn damit eine literarische Feuertaufe bedeutet.[16] Interessanterweise taucht sie als literarische Gestalt jedoch erstmals bei Mörikes Freund Ludwig Bauer auf, der sich ebenso der Attraktivität der fremdländisch anmutenden Maria nicht entziehen kann. Von ihm stammt das 1824 datierte Gedicht „Geheimniß. An E.M.“, das den bezeichnenden Untertitel trägt: „Nachdem derselbe seinem Freund ein merkwürdiges Lebensereignis anvertraut hatte.“ Die biografische Gestalt Maria Meyers tritt in diesem Gedicht deutlich zutage, erkennbar an den „Schweizerlauten“. Sie wird dort wie in den später entstandenen Peregrina-Gedichten im Spannungsverhältnis von Heiliger, Sünderin und Wahnsinniger betrachtet.[17] Am 10. Juli 1824 erklärt sich Bauer im Nachhinein in einem Brief an Luise Mörike:

Maria, die ihm [= Eduard, Anm. d. Verf.] das Räthsel seines Lebens aufgegeben und gelöst hatte, Maria ist auch der erwachte Traum meiner Seele ... Jetzt waren alle Schranken zwischen uns gefallen, und ohne ein Wort darüber zu sprechen, hatten wir die heiligste Freundschaft geschlossen, weil wir denselben Mittelpunkt unsers Lebens gefunden, weil wir unser Leben selbst ausgetauscht hatten.[18]

Umso erstaunlicher, als dass eben jene Maria Anlass für ein solch abruptes Zerwürfnis nur einige Wochen später bieten wird. Es wird vermutet, dass Mörike Gerüchte vom schlechtem Ruf Marias zu Ohren gekommen seien, deren Biografie bis heute nicht gänzlich offen gelegt werden kann. Die reale Maria ist die Tochter einer Prostituierten, kleinkriminell bereits aufgefallen und bleibt nie dauerhaft an einem Ort. So ist sie beispielsweise in ihrer Heimatstadt Schaffhausen zeitweilig Insassin eines Arbeitshauses mit dem Namen „St. Agnes“ – der Jahre später Mörike vielleicht als Anregung für die Betitelung seines Zyklus’ im „Grünen Heft“ dienen sollte.[19] (HS 1828a) Mörikes Schwester beschreibt Maria hingegen folgendermaßen:

Ein von Grund aus verwahrloßtes durch Selbsttäuschung und Eitelkeit verführtes, aber in ihrer Traurigkeit, und dem kraftlosen Streben nach etwas Beßrem unendlich rührendes Geschöpf, voll süßer stiller Reitze und kindlicher Natur.[20]

Damit in Verbindung steht die vielfach aufgenommene Idee, die Begegnung mit Maria Meyer habe sich in Mörike vielmehr zu einer romantischen Illusion gewandelt, die gar nicht mehr der Notwendigkeit einer realen Begegnung bedürfe.

Corrodi gelangt in seiner Untersuchung der historischen Maria Meyer zu dem Schluss, dass sie wohl in ihrer Jugend eine Kranke war, wahrscheinlich eine Hysterikerin, eventuell eine Epileptikerin. Er bezweifelt, dass sie in ihrem Innersten moralisch verderblich gewesen sei, da sie in ihrer Umgebung tendenziell einen angenehmen Eindruck hinterlassen habe.[21] Dies bringt in die Mörike-Forschung erstmals ein positives Bild Maria Meyers ein, die zuvor mehr als Betrügerin denn als Kranke gesehen wurde.[22] Dennoch muss sie kritisch betrachtet werden, da sie wahrscheinlich in jungen Jahren der Sekte der Frau von Krüdener angehört, in die sie als medial Begabte aufgenommen wird.[23] Darin liegt – neben Mörikes augenscheinlicher Beziehung zum Theologischen – sicherlich auch eine Begründung für ihre Wahrnehmung in einem konfessionell-religiösen Bezug: Es scheint so, als hätte Mörike die reale Person Maria zugunsten einer ikonenhaften und geheimnisumwobenen Fremden in seiner Vorstellung verdrängt. Soviel lässt sich zumindest aus Luises Tagebucheinträgen deuten:

Seine Maria war ja tod! Sie lebte himmlich rein und fleckenlos wie immer in seinem Herzen und war mit der wahren Lebenden beynah zu einem Bilde verschmolzen. – Dieser erschien nun wieder ohne den Heiligenschein der ersten Begegnung. Ein Schattenbild ... für das er nichts thun konnte durfte.[24]

Seine Freunde reagieren überrascht, versuchen ihn teilweise sogar zur Wiederaufnahme des Kontaktes zu Maria zu bewegen. So beschwört ihn beispielsweise Ludwig Bauer am 18.8.1824:

Du aber gehst etwa hin, schaffst dir ein Ideal, und bemitleidest dann das wunderbare Werk, das Gott selbst gestaltete […] Aber ich weiß wohl, der augenblickliche Schmerz hat dich übermannt […] Ich will dich gar nicht gestört wissen zu einer Zeit, wo du das heilige Nachtbild der wandernden Jungfrau festhalten willst.[25]

Bereits vier Monate zuvor beklagt sich der Maler Christian Philipp bei Mörikes Freund Lohbauer, der Brief, den er von Mörike erhalten habe, sei „ja wie ein Grabgeläute der Marie“ gewesen und Maria, die bei ihm weilte, schien ihm „inwendig ein Chaos“ zu bergen.[26]

Dennoch: Mörike bleibt äußerlich standhaft und verweigert jeglichen Kontakt zu Maria. Er versucht mittels Poesie „Unruhe und Leiden“ zu verarbeiten.[27] Dies steht ganz im Gegensatz zu seinem viel zitierten Kommentar seiner „Nolimetangere-Vergangenheit“.[28] Doch gerade diese verschafft es ihm, seine realen und fiktiven Erfahrungen poetisch zu steigern und zu einem lyrischen Werk aufzubauen. So entfalten sich in den Peregrina-Versen jene „Dämonien der Leidenschaft“, wie Oppel sie nennt, die Mörike in seiner eigenen Biografie stets unterdrückt.[29] Er verarbeitet so aller Wahrscheinlichkeit nach den Tag des unangekündigten Wiedersehens mit Maria Meyer in einem Gedicht (Peregrina III), in dem sich das erneute Auftreten der Geliebten als traumhaftes Wiedersehen spiegelt.[30] Dennoch kann nur betont werden, dass der Wert der Peregrina-Dichtung nicht nur als Zeugnis einer gescheiterten Affäre empfunden werden darf; ganz im Gegenteil muss das Werk von seinem augenscheinlichen biografischen Kontext gelöst betrachtet werden.

Dem stimmt auch Emmel zu, die zu bedenken gibt, dass der Person Maria Meyer stets Untreue nachgesagt wurde, während ihre Spiegelfigur Elisabeth im „Maler Nolten“ niemals solche Neigungen zeige, sondern vielmehr unerschütterlich in ihrer Hingabe zu Nolten sei.[31]

Und auch Beck zeigt, dass die Gleichung „Maria Meyer – Peregrina = Urbild –Abbild“ nicht aufgehen kann, solange keine belegbaren Erkenntnisse über Mörikes Innenleben vorliegen.[32]

Exkurs: Eine andere Perspektive

Der Peregrina-Stoff wurde nicht nur von zahlreichen Literaturwissenschaftlern bis ins Detail behandelt, sondern bot auch einigen bekannten Autoren Anlass zur Adaption. Im Folgenden soll exemplarisch auf Peter Härtlings Annäherung an den Peregrina-Stoff kurz eingegangen werden. So findet dieser 1982 in seine Geschichter „Die dreifache Maria“ eine äußerst treffende Charakterisierung:[33]

Eine junge, tollkühne Person, die aus erprobter Freiheit auf keine Regel achtet, die sich, immerfort lügend, Wahrheiten zutraut, die ihre Begierden und Hoffnungen nicht unterdrückt, sondern unverhohlen auslebt, die, wenn sie liebt, nicht auf Anstand und Absprache achtet, sondern sich preisgibt, … die herausbekommen hat, wie sie in die Zeit paßt, als Hilflose, Verlorene oder als tanzende Zigeunerin, die nichts besitzt als ihren Mut, ihre Leidenschaft, ihre Kenntnisse, ihre Schläue.

Interessant daran ist vor allem seine These zum Zustandekommen des Mythos’ „Peregrina“:

Da [Maria, Anm. d. Verf.] immer wieder ausgestoßen wurde, gab sie schließlich auf und löschte, was sie gewesen war und sein wollte aus ihrem Gedächtnis. Alles. Deshalb verlor sie sich immer mehr in Gerüchten und Legenden, wurde kaum mehr bei ihrem Namen genannt, war inzwischen Elisabeth oder Peregrina geworden.[34]

So endet Härtlings Verarbeitung des Peregrina-Stoffes mit einer letzten Begegnung Mörikes mit Maria Meyer, in der sie sich vor ihm verbirgt und nicht zu erkennen gibt, obwohl er ihre Nähe spürt und darauf reagiert.

In der Mörike-Forschung tritt vor allem der Dichter selbst als der Abweisende, alles Verleugnende, Aktive auf, während Maria durch seine Abweisung scheinbar der gerechten Strafe zugeführt wird. Dass die von der bürgerlichen Metternich-Gesellschaft ausgestoßene Maria selbst dafür sorgt, dass Mörike sie in späteren Jahren nicht mehr aufspüren kann, ist zumindest eine interessante Annahme, selbst wenn man heute weiß, dass sie in der näheren Zeit nach ihrer Ablehnung Mörike oft in Gesprächen mit seinen Bekannten erwähnt und dieses Trauma sie zeitlebens nicht loslässt.

2. Vorbild: Literarische Reminiszenzen

Maria Meyer, das Urbild des Peregrina-Zyklus’, scheint – so real Mörike diese Liebesbeziehung auch erfahren haben mag – als die Projektion eines aufregenden, literarischen Klischees. Ihre Biografie enthält viel an literarisch verwertbarem Material, beispielsweise ihre ‚niedrige’ Herkunft als Tochter einer Prostituierten, Versuche, sie hinter Klostermauern zu sperren, ihre Gabe, in jedem einen Beschützerinstinkt zu wecken, etc., sodass sie durchaus als Projektionsfläche für die literarischen Schwärmereien Anfang des 19. Jahrhunderts fungieren kann – ein Umstand, den sie vielleicht sogar bewusst förderte? Von Matt vermutet dementsprechend, Maria habe versucht, mittels dieser literarischen Präfiguration mit sich selbst ins Reine zu kommen.[35] Um die Anziehung zu erklären, der Mörike dermaßen verfallen ist, sollen im Folgenden einige literarische Vorbilder dieses Frauenbildes exemplarisch aufgezeigt werden.

Literarische Frauengestalten vom Wesen Peregrinas finden sich zu Mörikes Zeit häufig. Er folgt der Tradition von Brentanos mysteriösen Zauberin „Lore lay“. Dieser spielt in dieser Lyrik mit dem Bild der Verführerin, mit weltlicher Lust und Liebe. In Mörikes Jugendzeit schreibt Heine aus dem bereits vorhandenen Stoff die „Loreley“ und damit einen bis heute bekannten Mythos. Und auch Eichendorffs „Waldgespräch[36] von 1812, in dem die Loreley als attraktive Frauengestalt – dargestellt als erotisches Elementarwesen im Walde – gleichsam zur todbringenden Verführerin wird, sollte dem jungen, belesenen Dichter bekannt gewesen sein. Von Wiese distanziert sich allerdings vom Vergleich Peregrinas mit diesen Frauengestalten, da sie weder das romantische Bild eines Engels darstelle, der später entartete Züge aufweist, noch allzu sehr der Sirene, der die Männer reihenweise verfallen, gleiche.[37]

Bereits Boccaccio, Cervantes, Brentano und Goethe gliedern in ihre Romane lyrische Einschübe ein und auch Mörike folgt dieser literarischen Brauch. Der Einsatz der Gedichte im Werkkontext wird von diesen Autoren jedoch unterschiedlich gehandhabt. So können sie beispielsweise bereits bekannte Elemente des Textes lyrisch aufgreifen; andererseits können sie wichtige inhaltliche Hinweise enthalten und besitzen einen eigenen literarischen Gehalt. Mörike folgt der Tradition der romantischen Literaturbewegung, da er durch die Einbettung seiner Lyrik in den „Maler Nolten“ nicht nur die Atmosphäre des Romans lyrisch aufbereitet, sondern zusätzliche und wesentliche Anspielungen darin verbirgt. Wie Goethe erlaubt er dem Leser so einen Einblick in die eigentliche ‚Daseinsschicht’ der handelnden Figuren, da die lyrischen Einlagen bei Mörike immer in die Handlung hineinführen, wie auch Emmel betont. Sie sieht Mörike darin als Nachahmer der Goethe’schen Variante, da er das Lied in den Aufbau seiner Prosadichtung eingliedere und als Ganzes verwebe.[38]

Mörike, dem der Briefwechsel Schiller-Goethe vertraut ist, rezipiert diesen als Möglichkeit einer antiken Moderne und fühlt sich in eine „klassische, heilige Atmosphäre[39] versetzt.

Zu Mörikes Jugendzeit erscheint Goethes Roman „Wilhelm Meisters Wanderjahre“, der ihm bekannt ist.[40] In einem Brief an Waiblinger berichtet der 17-Jährige, er habe lange an Mignon gedacht, “sie stand fast nie so rührend vor mir – ihr Lied gieng mir immer im Kopf herum.“ (HKA X, S. 40) Peregrina gehört dem gleichen literaturhistorischen Frauentyp an, der sich auch in Mignon findet. Sie steht als Wiederholung der Goethe'schen Mignon in dem Sinne, dass sie sich als gesellschaftlich ungebundene Frau nach einem „Haus“ (Peregrina III und IV), einem Ort der sicheren Zuflucht und Liebe sehnt.[41] Die Kindfrauen vom Typ Mignons haben ihre ganz eigene Charakteristik: Sie besitzen eine geheimnisvolle Herkunft,[42] befinden sich auf der Schwelle zwischen Kindheit und Jugend,[43] verfügen über ein Übermaß an gesteigertem Innenleben und einer von dämonischer Glut verzehrten Lebenskraft[44] und nicht zuletzt spielen sie durch ihr besonderes Verhältnis zum männlichen Protagonisten eine schicksalsträchtige Rolle.[45] Es ist im Nolten-Roman zu differenzieren, inwiefern die Zigeunerin Elisabeth selbst diesem Schema entspricht, oder ob sie nicht eher der Projektion einer verführerischen Frauenfigur zum Opfer fällt, der von Theobald magische Kräfte nur zugeschrieben werden.[46] In der literarhistorischen Entwicklung zeichnet sich dementsprechend vom Rätsel Mignon bis zur Betrügerin Agnes eine Steigerung männlicher Projektion ab, die von Angst vor dem Weiblichen durchsetzt ist. So wundert sich auch Nolten:

Um den ersten heiligen Begriff von Reinheit, Demuth, ungefärbter Neigung bin ich für immer bestohlen! (HKA III, S. 66)

Sigrid Berka weist zurecht darauf hin, dass es sich um eine Demaskierung des Weiblichen handelt, eine Verrückung der Frau, die diese als Verrücktheit erfährt. Der Mann reagiert mit der Beibehaltung der falschen Erwartungshaltung; seine eigene Enttäuschung legt er als die Täuschung der Frau fest. Am Körper der Frau wird in Form von Krankheit diese Täuschung notiert.[47] Und so wird auch Peregrina in dem Gedichtzyklus letzten Endes vom Wahnsinn gekennzeichnet am Pfahl stehen müssen.[48]

Die zeitgenössischen Leser finden Gefallen an diesem unangepassten Frauenbild, das sich den Konventionen nur bedingt beugt und als umherstreifende Verführerin auftritt.[49] Und so präsentiert sich bereits in der Geschichte um Mignons Eltern das Element des Wahnsinns, das sich im Mörike’schen Gedichtzyklus eindeutig benannt auch in Peregrina und in ihren Spiegelbildern Agnes und Elisabeth im Nolten-Roman findet. Peregrinas Wahnsinn entspricht der kranken Reizbarkeit Mignons: Er wird auf eine wilde Ehe zurückgeführt, während er bei Mignon das Produkt des inzestuösen Verhältnisses ihrer Eltern ist. Auch der Raub Elisabeths entspricht dem Raub Mignons durch die Seiltänzergruppe. Letztendlich vereint beide vor allem die Suche nach der verlorenen Heimat, die allerdings Noltens Projektion seiner eigenen Suche entspricht. Im Gedichtzyklus findet Peregrina diese kurzzeitig, wenn der Bräutigam sie in sein Haus einführt (Peregrina II), um sie in Peregrina III endgültig zu verlieren. Wie Mignon binden auch Peregrina und Elisabeth den männlichen Protagonisten durch ihre vielleicht unbewusste Ambiguität von kindlicher Unschuld und reifer Verführerin an sich.[50] Wo Mignon auf die Verdrängung ihrer Sexualität mit typisch hysterischen Symptomen reagiert, da wendet sich Agnes[51] im Verlauf einer Depression, die aus dem Vergleich mit Nolten herrührt, von ihrer Sexualität ab. Sie fürchtet allerdings, dass es Nolten nicht „verborgen bleiben könne, wie wenig sie ihm als Gattin genüge“ (HKA III, S. 54), und entwickelt beinahe eine Art „Abscheu“ (HKA III, S. 55) gegen ihn, erscheint fast schon als Hysterikerin. In Peregrina taucht der übergeordnete Begriff des Wahnsinns als Lösungsansatz zum Verständnis von Peregrinas Wesen im letzten Teil des Zyklus’ auf und auch hier steht der Wahnsinn wie so oft in dieser Epoche in enger Verbindung mit verbotener und verratener Liebe.[52]

Im Todesjahr Goethes veröffentlicht Mörike den „Maler Nolten“. Luserque-Jaqui sieht in der Entsagung Agnes’ einen direkten Bezug zu den „Wahlverwandtschaften“ Goethes, in denen Ottilie und Charlotte ebenfalls auf ihren Leidenschaften entsagen. Und wie Nolten stirbt auch zu Ende der Wahlverwandtschaften Eduard „in Gedanken an die Heilige“ und damit in überlebenslanger Verbundenheit mit der Geliebten, die in der bürgerlichen Gesellschaft nicht möglich gewesen ist.[53] So ist es kein Zufall, dass Mörike im „Maler Nolten“ formuliert: „das geheime Band, das sich durch eine Reihe von Wahlverwandtschaften hindurchschlingt.“ (HKA III, S.187) Beck kritisiert, dass nur durch den Erweis einer literarischen Beziehung zu Goethe für das Verständnis des Gedichtes noch nichts gewonnen sei.[54] Dem kann man zustimmen, dennoch ist es wichtig, Mörike in diesem Kontext als Kenner zeitgenössischer als auch älterer Literatur zu charakterisieren, der zudem über ein umfangreiches Wissen im theologischen wie auch mythologischen Bereich verfügt.

Peregrina selbst zeigt zahlreiche Züge, die bereits aus der antiken Mythologie vertraut sind. Eduard Mörike, der zahlreiche Übersetzungen in diesem Gebiet herausgebracht hat, verfügt über ein erschöpfendes Wissen bezüglich der literarischen Antike. Auch sein Studium bildete ihn in der klassischen Literatur umfassend aus, sodass er später auch selbst alte Formen verwendet oder abwandelt. Mörike verwendet in seinem Werk gerne indirekte und direkte Zitate sowie überlieferte Motive, und spielt mit dem Gebrauch antiker Formen auf bestimmte Literatur des klassischen Altertums an. Mit dieser Experimentierfreudigkeit liegt Mörike ein wenig hinter seinen zeitgenössischen Autorenkollegen zurück. Klopstock löste Mitte des 18. Jahrhunderts eine bis Anfang des 19. Jahrhunderts andauernde Phase aus, in der sich viele Poeten mit der antiken Metrik und ihrer Übertragbarkeit in die eigene Literatur beschäftigen. Danach allerdings werden diese nur noch selten verwendet.[55] Gerade bei Mörike fällt auf, dass er außerhalb der standardisierten Verwendung und Überlieferung der antiken Vorbilder diese in auffälliger Häufigkeit verwendet. Ein Grundproblem bei dieser Übertragung in die eigene Sprache stellt jedoch das sprachliche Material dar. Regeln und Strukturen können übertragen werden, dennoch verfügt die deutsche Sprache über gewisse Normen, die nicht einfach übergangen werden können.[56]

Gockel weist in seiner Untersuchung allerdings darauf hin, dass die diese Elemente in Mörikes Zyklus nicht verwendet werden, um eine mythologische Komposition zu entwickeln, vielmehr bediene sich Mörike ihrer Aussagewerte, um auf Charaktere und Handlung im Zyklus wie im Roman unterschwellig hinzuweisen.[57] Nicht nur formale Gestaltungselemente, sondern auch bestimmte Szenerien in Mörikes Werken sind der Antike entlehnt. Exemplarisch dafür kann die Bemerkung Noltens über das Gartenlabyrinth angeführt werden:

So heißen bekanntlich in der alt-französischen Gartenkunst gewisse planmäßig, aber scheinbar willkürlich ineinander geschlungene Laubgänge mit einem einzigen Eingang. (HKA III, S.359)

Tatsächlich allerdings stammt dieses Bild des Labyrinths aus dem griechischen Sagenschatz.[58]

In der zeitgenössischen Gesellschaft Mörikes ist sexuelle Liebe, Leidenschaft u.ä. tabuisiert. Die Selbstkontrolle des Bürgerlichen muss gewahrt werden; insofern stellen die Peregrina-Gedichte wie auch ihre Schwestergedichte wie das von der „Schlimme[n] Greth[59] in ihren Andeutungen provokative Inhalte dar, die teils negativ, teils positiv geschildert wurden. Ein Mittel dazu ist für Mörike die Antikisierung der sexuellen Vorgänge, sodass nach außen der moralische Schein gewahrt, dem Kenner antiker Traditionen aber eine ganz neue Lesart auf die Gedichte erlaubt wird.[60]

Weiterhin ist Mörike, wie seine Briefe belegen, mit E.T.A. Hoffmann vertraut.[61] Dieser ist bekannt für seine ästhetische Verbindung von Sehnsucht und Fantasie, die durch eine engelsgleiche Geliebte hervorgerufen wird, welche sich letztendlich als teuflische Verführerin herausstellt.[62] So stellt auch Kittstein den Bezug der Gedichte zum Werk Hoffmanns „Die Bergwerke zu Falun“ aus dem Jahr 1819 her, indem er argumentiert, beide ähneln sich in dem Gedanken, die Tiefe der Erde als Symbol für die Abgründe der menschlichen Psyche zu verwenden. Analog zum Abstieg in die Tiefe des Bergwerks und seiner Gänge und Schächte vollziehe sich auch ein Abstieg in Elis’ Seele und man finde auch Parallelen zum unglücklichen Tod Elis in den Tiefen der Grube.[63] So lässt sich Peregrina I durchaus als Vordringen der Psyche ins Tiefe, ins Unbewusste verstehen, wenn es noch in der ersten Fassung HS 1828 heißt: „Geheime Lebenskräfte, die da weben / In dunklen Schachten, ahnungsvoll verstehn“ (Peregrina I).

Beck weist nach, dass aus einem Brief Mörikes an Kerner am 26.10.1826 (HKA X, S. 136) hervorgeht, dass Mörike auch die „Reiseschatten“ gelesen haben muss.[64] Von diesem Text „Reiseschatten“ schließt Beck auch auf die Benennung des Zyklus in „Peregrina“, allerdings sei bei Mörike der lateinische Name bezeichnender gewählt, da er die Fremdheit nicht nur gegenüber den Begegnenden, sondern auch der Realität impliziere.[65] Erst aber in der Nolten-Fassung von 1832 verwendet Mörike explizit diesen Namen: Er ersetzt „So hab auch ich die Liebe jüngst gefunden“ aus der Urfassung (HS 1824) in „Ach, Peregrinen hab ich so gefunden!“ (FS 1832) Ein weiteres Indiz, das auf eine literarische Reminiszenz schließen lässt, ist die Tatsache, das die „Reiseschatten“ ebenso wie Peregrina II eine Szene des „magnetischen Schlafe[s]“ enthalten:

Da umschlang sie mich mit einem Arme; mit der Hand des andern aber fuhr sie mir dreimal sanft über die Augen her, die schloßen sich alsbald wie zum magnetischen Schlafe.[66]

Wahrscheinlich hat sich dieses Geschehen, das sich ebenso wie Peregrina II in einem Garten abspielt, auch dem jungen Mörike eingeprägt. Das Gedicht „Kommt, Bräut’gam! Kommt ihr Gäste …“[67] scheint eine Reminiszenz der späteren Peregrina-Gedichten zu sein:

Herbei! herbei! zum Tanz / Die bleiche Braut zu führen, - / Seht! ihre Haare zieren / So Ros' als Lilienkranz. / So Mond und Sterne kränzen / Lichtvoll das dunkle Tal, / Lampen im Hochzeitsaal, / Die Leichensteine glänzen.

Was bei Kerner noch in einer Todeshochzeit endet, entspricht in Mörikes Gedichten dem magnetischen Schlafe.[68]

Es gibt also deutliche Parallelen zu Justinus Kerners „Reiseschatten“, zu Mignon, zur Antike, zur Bibel und vielem mehr – vermischt mit Traumbildern und eigenen Erfahrungen Mörikes.[69] Die Beurteilung dieser literarischen Reminiszenzen fällt sehr unterschiedlich aus: In der Rezension von Wolfgang Menzel, die kurz nach dem Nolten-Roman im „Morgenblatt für gebildete Stände“ erschien, kritisiert dieser beispielsweise die Figur der Gräfin Constance im Nolten-Roman, die ihm auf ähnliche Weise bereits „unzählich[] von Heinse, Wagner, F. Schlegel, Tieck, Hoffmann, etc etc .vorgeführt worden“ sei und von Goethe und Tiecks bereits ausführlich und bewundernswert verwendet worden sei.[70] Ganz anders die Mörike-Wahrnehmung seines Freundes Lohbauer, der 1840 in einem Brief an seine Braut Pauline Fleischhauer Folgendes schreibt:

Mörike … nimmt einen hohen Rang in der deutschen Lyrik ein, ob er gleich von den wenigsten Gemütern verstanden wird. Es giebt manche, die wie für eine spätere oder auch frühere Zeit geschrieben haben.[71]

Angesichts des beruflichen Hintergrunds Mörikes liegt die Vermutung nahe, dass einige seiner Protagonisten aus christlich-religiösen Wurzeln entstanden sind. Der Name „Agnes“, der der Verlobten Noltens zugeschrieben und zuvor 1828 im „Grünen Heft“ in den Überschriften der einzelnen Peregrina-Gedichte enthalten ist, wurzelt wahrscheinlich aus der Verbindung zur „Heiligen Agnes“. Es soll an dieser Stelle kurz der religiöse Kontext dieser Figur dargestellt werden, wie er im Heiligenlexikon[72] der Schmidt’schen Verlagsbuchhandlung, das zu Mörikes Zeit publiziert und diesem wohl bekannt war, steht. Agnes ist demnach das Sinnbild der unbefleckten Unschuld und damit ein Vorbild für alle Nonnen. Der Name entstammt vermutlich dem griechischen „ἁγν ός“ [hagnos, Anm. d. Verf.], was heilig, keusch und rein bedeutet. Agnes, ein dreizehnjähriges Mädchen, das sich selbst gegenüber ein Keuschheitsgelübde abgelegt hat, soll mit einem reichen Mann verlobt werden. Dieser wirbt vergeblich um sie und schreckt auch vor Gewalt nicht zurück. Agnes beruft sich auf Gott, der sie schützt, und wird letztlich als „Zauberin[73] – womit der Bezug Agnes’ zu Peregrina wieder deutlich wird – enthauptet. Zudem assoziiert der Leser den Namen „Agnes“ aufgrund des lateinischen Urpsrungs „agnus“ mit dem Lamm Gottes, dem christlichen Symbol für Jesus[74], der die Sünden der Menschheit auf sich nimmt. Darüber hinaus finden sich sich zahlreiche weitere biblische Verknüpfungen in den Peregrina-Gedichten, die in der Gedichtanalyse in Kapitel C an entsprechender Stelle behandelt werden.

Mörikes Rückzug in die ästhetische Dichter-Welt ist ein Zeichen seiner Prägung durch die Biedermeierzeit. Denn die Enge des Lebensraums und die Weite des kultur- und literaturhistorischen Blickes sind die Kennzeichen dieser Epoche, die auch auf Eduard Mörike zutreffen. Man könnte beides zusammenführen und Mörike zugestehen, dass er es in seinem Peregrina-Zyklus und damit verbunden auch im Nolten-Roman schafft, das Althergebrachte, das Vertraute und das Exotische zu einer geheimnisvollen, außerweltlichen Atmosphäre zu verstricken. Die Dichtung verhilft ihm zur Realisierung seines Daseins, indem sie das Begrenzte bis hin zur Dämonie zu entfesseln versucht. So betrachtet sollte der geheimnisumwitterte Kontext des Peregrina-Zyklus’ keine Ausnahme darstellen.

3. Bildentwicklung: Die Textgenese und das Problem der Datierung

Der sogenannte „Peregrina-Zyklus“ umfasst fünf Gedichte, die in verschiedenen Varianten und teilweise undatiert vorliegen.[75] Mörike selbst legt in der vierten Auflage der Gedichte (FS 1867) die Entstehungszeit des Zyklus’ recht vage auf „1824 und später“ fest. Zur besseren Unterscheidung werden die Gedichte in der vorliegenden Arbeit entsprechend Mörikes Überschriften in seinen Gedichtsammlungen nummeriert (von Peregrina I bis Peregrina V). Dies ist insofern wichtig, da Mörike über einen Zeitraum von vierzig Jahren die Titel, den Inhalt und auch die Reihenfolge der fünf Gedichte überarbeitet. Signifikant für Mörikes Lyrik ist das Aufgreifen von Erlebnissen und Anlässen und deren Verwandlung über mehrere Fassungen. Was bleibt, ist laut Krummacher, ein fließendes Gedicht, das die seelische Erfahrung von Differenziertheit und Spannung fühlbar und sagbar werden lasse.[76]

3.1 Mörikes dichterischer Arbeitsprozess

Bevor auf die Datierung der diversen Varianten eingegangen wird, soll in diesem Zusammenhang Mörikes schriftstellerische Vorgehensweise dargestellt werden. Ein Kennzeichen der Mörike’schen Lyrik ist das verhältnismäßig rasche Verfassen von Gedichten innerhalb weniger Stunden, gerade wenn sie für bestimmte Personen gedacht sind; für die Veröffentlichungen hingegen unterzieht er seine Lyrik oft einem Prozess der Umarbeitung. Dieser Prozess scheint dabei motiviert vom Perfektionieren eines bereits fertigen Textes, der durchaus bereits publiziert sein kann. Mörike feilt Zeit seines Lebens an den Peregrina-Gedichten und stellt sie in seiner ersten Gedichtsammlung bereits als Gruppe aus. Für ihn ist das Vielgestaltige ein wichtiger Aspekt seiner literarischen Ästhetik.[77] Das Werkzeug dazu besitzt er, denn er verfügt über umfangreiches theologisches Wissen, kennt sich in der Antike bestens aus, scheut sich nicht vor ungewöhnlichen Wortkompositionen und lebt im Wechsel der literarischen Strömungen, sodass er in seiner Lyrik eigenständig mit verschiedenen Elementen, gerade im metrischen Bereich, experimentieren kann.

Maync vertritt die These, dass die ersten Peregrina-Gedichte bereits relativ früh ab 1824 entstanden sind, ohne dass Mörike sie bereits hat drucken lassen.[78] Dies ist durchaus plausibel, denn der Dichter überarbeitet seine Gedichte oft auf einer Schiefertafel bis er sie endlich als Variante mit der Feder niederschreibt oder sie in Druck gibt.[79] In Konsequenz dessen ist es im Nachhinein schwierig, anhand handschriftlicher Notizen den Überarbeitungsprozess Mörikes näher nachzuvollziehen. Mörike selbst gibt zu, in seinen Jugendjahren nicht besonders sorgfältig mit seinen Gedichten umgegangen zu sein: „Einen Theil, aber nur den kleinsten, hab ich auch ganz verloren.“ (HKA XI, S. 238) Bei der Analyse der Varianten können demzufolge also nur die Endfassungen in den jeweiligen Gedichtsammlungen beziehungsweise die wenigen Publikationen der Peregrina-Gedichte in Zeitschriften genutzt werden.

Typisch für Mörike ist die wiederholte Erprobung und Verwerfung von Varianten innerhalb der gleichen Handschrift. Es geht weniger um die Änderung des gesamten Gedichtes, vielmehr konzentrierten sich die Abwandlungen auf einzelne Verse oder Wörter. Dies beeinflusst die Prägnanz des Ausdrucks, beginnend mit der Akzentuierung mittels der Änderung der Titel bis hin zum Austausch kleinster Wörter. Es scheint sich dabei oft um einen jahrelangen Prozess zu handeln, bei dem die erste Niederschrift in einem bestimmten seelischen Zustand verfasst und später aus der Distanz weiter verarbeitet wird. In diesem Prozess schließt sich auch das Zurückkehren zur ursprünglichen Variante nicht aus. Krummacher sieht in dieser dichterischen Vorgehensweise Züge an Mörike, die erst im mittleren Alter aufgetreten sein sollen und die von der recht eigenwilligen, wechselnden Beurteilung seiner eigenen Gedichte zeugen.[80] Der immer wieder aus Distanz geschaffene Umgang mit den eigenen Texten zeigt sich dabei nicht nur anschaulich beim „Maler Nolten“, an dessen Neufassung er in seinen letzten Lebensjahren arbeitet, sondern eben vor allem in der Variation einzelner Gedichte, wie exemplarisch am Peregrina-Zyklus gezeigt werden soll.

Ein wesentliches Problem der Überlieferung liegt darin, dass Mörikes Gedichte durch konzeptionelle Variationen sowie späteres Ausfeilen kleinster Versfragmente in ihrer ursprünglichen Fassung oft nicht mehr vorliegen.[81] Krummacher spricht leicht ironisch von „des Dichters Neigung zu vielfacher Mitteilung seiner Produktion“.[82] Durch die Weitergabe an Verwandte und Bekannte können sich Abweichungen ergeben, seien sie gewollt oder zufällige Schreibfehler. Dies kann teilweise auch für die Chronologie der Gedichte gelten.

Der Peregrina-Zyklus scheint sich durch eine Überarbeitung auszuzeichnen, mittels derer ihm eine allgemeinere Gültigkeit verliehen wird. Inwiefern dies zutrifft, wird die Analyse der Gedichte im Einzelnen zeigen.

3.2 Chronologie und Entstehungszeiträume der Gedichte

Zu Mörikes Dichtung kann keine umfassende und belegte Chronologie erstellt werden; es ist schier unmöglich, ihre dichterischen Anfänge zu kennzeichnen, Schwerpunkte des Mörike’schen literarischen Schaffens einzugrenzen oder gar die oft allzu offensichtlich erscheinenden biografischen Bezüge seiner Arbeit korrekt an Briefen oder sonstigen Selbstzeugnissen nachzuweisen.[83] Die Untersuchungen der Datierungen und Textgeschichte wurden im letzten sowie auch im aktuellen Jahrhundert mittels der neuen historisch-kritischen Ausgabe weiter vorangetrieben, v.a. durch Autoren wie Maync, Krummacher, Beck, etc. Es finden sich in den verschiedenen Beiträgen zum Peregrina-Zyklus teilweise aber immer noch abweichende Angaben zur Datierung. Im Folgenden soll deshalb versucht werden, einen Überblick über die diversen Datierungsversuche zu geben, ohne diese in Bezug auf ihre Richtigkeit zu bewerten.

Vor der Erstdokumentation der Peregrina-Dichtung erscheint im Jahr 1823 das Gedicht „Nächtliche Fahrt“ (HKA I, S. 16), das oft als früheste Spiegelung der Peregrina-Thematik gedeutet wird.[84] Ein weiterer früher poetischer Hinweis auf den Peregrina-Zyklus stammt aus der Feder Ludwig Bauers und wird auf das Jahr 1824 datiert. Es wird vermutet, dass Bauer in diesem Gedicht Gespräche mit Mörike verarbeitet. Zahlreiche Momente in dessen „Gedicht an E.M.“[85] erinnern den Leser an die späteren Peregrina-Gedichte, so geht es beispielsweise in den mittleren Strophen um „zauberhafte[s] Grauen“, eine „heil’ge Sünderi n“ und um ein „thränenvolle[s] Ende“, das dem Abschied von der geheimnisvollen Frau mit dem Namen Maria folgt.

Was nun aber die genaue Datierung der Peregrina-Gedichte Mörikes betrifft, so kommen entsprechende Untersuchungen zu verschiedenen Ergebnissen. Emmel beispielsweise führt an, dass die erhaltenen Handschriften Mörikes aus der Zeit ab 1828 stammen (HS 1828a und HS 1828b). Daraus und aus den literarischen Entwicklungsstufen Mörikes schließt sie, dass die frühesten vorliegenden Fassungen der Peregrina-Gedichte nicht aus dem Jahr 1824 stammen können.[86] Sie argumentiert weiter, dass die formale Gestaltung des Zyklus’ mit Stanze, Sonett und freien Rhythmen sich im Jahr 1824 noch nicht in Mörikes Dichtung gefunden habe.[87]

Dieses Argument entkräftigt Beck in seiner Rezension allerdings, indem er anführt, dass Mörike durchaus bereits früher die Stanzenform verwendet hat.

Die älteste datierte Handschrift vom 6. Juli 1824 stammt interessanterweise nicht von Mörike selbst, sondern von seinem engen Freund Wilhelm Hartlaub, mit dem ihn auch eine lange und intime Brieffreundschaft verbindet. Sie enthält Peregrina III, das ‚Irrsalgedicht’, und befindet sich im Goethe- und Schillerarchiv in Weimar. Die Handschrift ist auf zehn Tage vor Mörikes ‚Flucht’ vor Maria aus dem Tübinger Stift datiert – eine Zeit, in der der Autor bekanntermaßen innerlich völlig aufgewühlt gewesen sein muss, soweit man das aus seinen Briefen und aus seiner Abreise schließen kann. Mayer warnt allerdings vor einer allzu unmittelbaren Lesart des Irrsal-Gedichtes, das bereits stark fantastische Züge aufweist.[88] Wie es zu dieser Abschrift kommt, ist nicht bekannt – eventuell handelt es sich um ein Diktat oder eine spätere Niederschrift aus der Erinnerung Hartlaubs heraus. Beck führt dies auf die spärliche Zeichensetzung zurück, bei der sich Hartlaub wohl an eine erste, flüchtige Niederschrift Mörikes gehalten habe, beziehungsweise dessen Diktat gefolgt sei, was die Korrekturen einzelner Wörter seitens Hartlaub belegen sollen.[89]

Peregrina III existiert in zwei archetypischen Fassungen, die eine in Form der Urfassung von 1824 in der Handschrift Hartlaubs und die zweite ab der Gedichtsammlung in der vierten Auflage von 1867. Auch Beck stimmt dem zu und weist aber darauf hin, dass die erste trage „individuelleren Merkmale“ trage.[90] Laut gegenwärtigem Forschungskonsens handelt es sich bei Peregrina III um die Urfassung, also um das älteste der Peregrina-Gedichte.

Wie bereits erwähnt, wurden anhand der formalen Struktur der Gedichte Rückschlüsse auf die Entstehungsgeschichte, wenn auch keine sicheren Erkenntnisse, gezogen. So vermutet man, dass Mörike die Peregrina-Gedichte II und III in zeitlicher Nähe verfasst. Grund dafür ist die rhythmisch und formal freie Gestaltung dieser beiden Gedichte, die sie von Peregrina I, IV und V unterscheidet. Beck belegt seine These formal damit, dass in der ersten Fassung die Verse der letzten beiden Abschnitte rhythmisch und metrisch dem der Urfassung von Peregrina III ähneln, und somit in dessen Entstehungszeitraum einzuordnen sind. Auch inhaltlich sieht Mayer Parallelen, da Peregrina in beiden Texten „in einer beunruhigenden Nähe und Unmittelbarkeit präsent“ sei.[91] Emmel arbeitete zuvor mit dieser Methode und entwickelte Parallelen in Stil und Wortgebrauch der Briefe und Gedichte, um so beispielsweise das Sonett Peregrina V zwischen 1827 und 1828 einzuordnen.

Emmel untersucht die lyrischen Einlagen im Maler Nolten auf ihre Gesamtheit und findet eine künstlerisch und ideell begründete Einheit im Hauptthema der Liebe und deren Unbeständigkeit und Vergänglichkeit. Beck kritisiert daran jedoch die Vernachlässigung philologisch-genetischer Fragen und Umstände. Er selbst kommt zu dem Schluss, dass der Zyklus durchaus aus der gleichen biografischen Problematik herrühren könne, aber allein deswegen müsse sein Inhalt nicht zur gleichen Zeit entstanden sein.[92]

Peregrina II liegt handschriftlich nur in der Stuttgarter Sammelhandschrift, genannt „Das Grüne Heft“, vor, die aus dem Jahr 1828 stammt. Es kann für dieses Gedicht also nur ein vager Zeitraum zwischen 1824, dem Maria-Meyer-Erlebnis, und Mai 1828, also dem Erscheinen im „Grünen Heft“, zugewiesen werden.

Das Sonett von 1828 (Peregrina V) scheint allgemein als das jüngste Gedicht akzeptiert worden zu sein; es wird häufig als Wendepunkt der Einstellung Mörikes zu der Maria-Peregrina-Liaison gesehen, und somit als „Angelpunkt“ des Zyklus’ bezeichnet.[93] Ein Überblick über die Gedichte des Jahres 1828 zeigt dieser These entsprechend, dass Mörike das Motiv der verlorenen Liebe noch mehrmals lyrisch verarbeitet hat, z.B. in „Frage und Antwort“ und „Nimmersatte Liebe“ oder „Im Frühling“.[94] Beck vermutet auch einen starken Bezug zu der kurzen Liebesgeschichte mit der Tochter des Schulmeisters aus Scheer, wo Mörike einen Urlaub verbringt, und der ihm das Thema der Liebe wieder annähert und ihm zur lyrischen Produktion verhilft.[95] Auch Peregrina I wird entstehungsgeschichtlich in die erste Hälfte des Jahres 1828 positioniert, aufgrund der „Reife und Fülle des Stils“[96] und der inhaltlichen Nähe zu der Annäherung an das Mädchen aus Scheer.

Interessant ist, dass sich Peregrina V alleinstehend ohne die vier anderen Peregrinatexte in der Handschrift „Neue weltliche Lieder“ (HS 1828b) findet, die Mörike der Frau seines Cousins schenkt. Die Handschrift enthält verschiedene Gedichte. Von Bedeutung ist vor allem ein Hinweis Mörikes auf der Innenseite des Büchleins:

Diese Stücke gehören, bis auf das Epigramm, sämmtlich in den Zusammenhang einer Novelle und ist also nichts Persönliches darin zu suchen.

Bezogen auf Peregrina V, das in der Handschrift die Überschrift „Verzweifelte Liebe“ trägt, lässt sich daraus zweierlei schließen: Entweder möchte sich Mörike vorsorglich von Vermutungen bezüglich seines Privatlebens distanzieren und weist deshalb ausdrücklich auf die Fiktivität seines Werkes hin oder er besitzt bereits konkrete Pläne zu einer Novelle, dem späteren „Maler Nolten“ im Kopf, in die er einige seiner Gedichte eingliedern will. Allerdings spricht für die erste Vermutung die frühe Veröffentlichung im „Morgenblatt“, die dem Gedicht Peregrina V eine eigenständige Bedeutung und Lesbarkeit zuweist.

Es bleibt die Frage nach der Einordnung des „Grünen Hefts“ offen. Peregrina V, das in der Handschrift der „Neuen weltlichen Lieder“ eindeutig auf den 19.6.1828 datiert ist, findet sich interessanterweise nicht im „Grünen Heft“.[97] Die HS 1828a, das sogenannte „Grüne Heft“, ist ein Geschenk an „Dorchen“.[98] Ende Februar bis Anfang Juni 1828 besucht Mörike seinen Bruder Karl und dessen Frau Dorchen, der besagte Handschrift gewidmet ist, in Leer.[99] Das „Grüne Heft“ muss allerdings vor dem Nolten-Roman 1832 entstanden sein, da einige Gedichte aus dem Nolten in der Handschrift in einer früheren Fassung zu finden sind. Auf Harry Mayncs kritische Ausgabe „Mörikes Werke“[100] beziehen sich auch die Datierungsangaben, die in dem im Heft vorangestellten Inhaltsverzeichnis angegeben sind – die Ausnahme bilden die Agnes-Gedichte (= Peregrina-Gedichte; Anm. d. Verf.), die mit keinem Datum versehen werden konnten.[101] Krummacher und Mayer[102] legen die Entstehung des Grünen Heftes aus diesem Grund in das Frühjahr 1828; das Fehlen von Peregrina V erkläre sich damit, dass es erst kurz nach dieser Niederschrift verfasst worden sei.[103] Krummacher legt in Konsequenz dessen 1962 folgende Datierungen fest: Peregrina I und Peregrina IV seien bis Anfang Mai 1828 entstanden, und somit noch in das „Grüne Heft“ aufgenommen worden. Peregrina V sei wahrscheinlich bis zum 18.6.1828 fertiggestellt worden, wie auch Allenspach vermutet,[104] weshalb es auch alleinstehend in den „Neuen weltlichen Liedern“ im Juli 1828 und im Februar des folgenden Jahres im „Morgenblatt für gebildete Stände“ publiziert wird.[105]

1832 stellt im Bearbeitungsprozess der Peregrina-Gedichte einen wichtigen Schnitt dar. In diesem Jahr erscheint Mörikes – von ihm als Novelle bezeichneter – „Maler Nolten“. (HKA III) Ende des Jahres 1831 muss der „Maler Nolten“ bereits beendet, wenn auch noch nicht gedruckt sein; die Pläne dazu vermutet Krummacher bereits im Jahr 1827/1828, geht man von dem Hinweis zu einer geplanten Novelle auf dem Vorsatzblatt der „Neuen weltlichen Lieder“ aus.[106] Der Gedichtzyklus ist wie einige andere lyrische Werke Mörikes in den Romanzusammenhang eingegliedert.[107] Zu diesem Zeitpunkt sind alle fünf Peregrina-Gedichte bereits als Zyklus veröffentlicht und nun für den Nolten-Roman in ihrer Chronologie umgestellt. Im Gegensatz zum „Grünen Heft“ entfällt dieses Mal jedoch nicht Peregrina V, sondern Peregrina IV.

[...]


[1] Zur Abkürzung und Auflistung der bekannten Varianten des Peregrina-Zyklus siehe Siglenverzeichnis im Anschluss der Arbeit.

[2] So beschäftigen sich diverse Werke der Sekundärliteratur speziell mit der Verbindung zwischen Eduard Mörike und Maria Mayer, z.B. Paul Corrodi: Das Urbild von Mörikes Peregrina. Kirchheim/Teck: Schweier 2004. [Nachfolgend als Corrodi 2004]

[3] Vgl. Dieter Burdorf: Einführung in die Gedichtanalyse. Stuttgart/Weimar: Metzler 1997, S. 188. [Nachfolgend als Burdorf 1997]

[4] Mathias Mayer: Mörike und Peregrina. Geheimnis einer Liebe. München: Beck 2004. [Nachfolgend als Mayer 2004]

[5] Es existiert zudem die These, dass Mörikes Beziehung zu Klara Neuffer oder zu der Tochter des Schulmeisters in Scheer/Donau sicherlich auch eine anspornende Wirkung zur Schaffung und Weiterentwicklung des Gedichtzyklus’ hatte. Gerade im Jahr 1828 ist er lyrisch besonders produktiv und lässt beispielsweise in „Josephine“ klare Bezüge zu dem Mädchen aus Scheer erkennen.

[6] Vgl. Emmel, Hildegard: Mörikes Peregrinadichtung und ihre Beziehung zum Nolten-Roman. Weimar: Böhlaus 1952, S. 52. [Nachfolgend als Emmel 1952]

[7] Vgl. Corrodi 2004 und Mayer 2004.

[8] So bestätigt Mörikes Freund Ernst Friedrich Kauffmann:

Er hat sich aller greifbaren Andenken an sie entäußert und sie seiner Schwester Luise übergeben, die ihrerseits alle diese Papiere ihrer Freundin Lotte Späth vermachte. Er hat darüber hinaus alle Briefstellen, die auf sie Bezug hatten, herausgeschnitten oder sonst unlesbar gemacht. Nur wenige Stellen in den Tagebüchern seiner Schwester sind ihm entgangen.

Zitiert nach Corrodi 2004, S. 79. Dementsprechend taucht sie in Mörikes Dokumenten nur ein einziges Mal mit bürgerlichem Namen auf. Vgl. dazu auch Mayer 2004, S. 7.

[9] Da in der Sekundärliteratur die von Mörike so titulierte „Novelle in zwei Teilen“ im Allgemeinen als ‚Roman’ bezeichnet wird, soll dieser Begrif auch hier durchgängig verwendet werden.

[10] Eduard Mörike. Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hg. von Hans-Henrik Krummacher, Herbert Meyer, Bernhard Zeller . Stuttgart: Cotta 1967. [Nachfolgend als HKA (zitiert mit jeweiliger Bandnummer)]

Auf diesen Hinweis stützt sich Hildegard Emmel in ihrer Untersuchung, um sich von der biografischen Lesart der Gedichte zu distanzieren. Vgl. Emmel 1952, S. 14.

[11] Mörike muss ihr also in der Ostervakanz, d.h. zwischen dem 20.3. und 9.4. 1823, begegnet sein.

[12] Vgl. Ludwig Bauer: Briefe an Eduard Mörike. Hg. von Bernhard Zeller, Hans-Ulrich Simon. Marbach am Neckar: Deutsche Schillergesellschaft 1976, S. 108. [Nachfolgend als Bauer 1976]

[13] Tagebuch-Eintrag vom Luise am 12. Juli 1824, vgl. Bernhard Zeller; Walter Scheffler; Hans-Ulrich Simon (Hgg.): Eduard Mörike 1804-1875-1975. Gedenkaustellung zum 100. Todestag im Schiller-Nationalmuseum Marbach am Neckar. Texte und Dokumente. München: Kösel 1975, S. 115. [Nachfolgend als Zeller 1975]

Zwei Tage zuvor schreibt Luise:

Der Brief schien in einer heftig schmerzlichen ja fast kranken Bewegung des Gemüthes geschrieben, und spricht nur den einen sehnsüchtigen Wunsch aus 8 bis 14 Tage unter uns zu seyn um hier wieder an Geist und Körper zu geneßen, besondes Mariens Nähe zu entfliehen.

Vgl. Eduard Mörike. Werke und Briefe. Historisch-kritische Gesamtausgabe. Hg. von Hans-Henrik Krummacher, Herbert Meyer, Bernhard Zeller. Bd. X: Briefe 1811-1828. Stuttgart: Cotta 1982, S. 274. [Nachfolgend als HKA mit Bandnummer]

[14] Vgl. Zeller 1975, S. 115.

[15]Ihr Leben, - soviel ist gewiß, hat aufgehört in das Meinige weiter einzugreifen, als ein Traum, den ich gehabt und der mir v i e l genützt.“ (HKA X, S. 48, Hervorhebung durch Mörike)

[16] Vgl. Mayer 2004, S. 8f.

[17] Auszug aus Bauer 1976, S. 19:

Ach dass du einmal nur sie könntest schauen, / Wenn mit gesenktem Haupt sie schmerzlich lacht! / Sähst ihren Blick mit zauberhaftem Grauen, / Den goldnen Ring in ihres Auges Nacht! / Hörtest du die Melodie der Sprache klingen, / Die Schweizerlaute, die zum Herzen dringen! / Sähst du die Sonne, die ein Flor getrübet, / Die heil’ge Sünderin, die ich geliebet!

[18] Bauer 1976, S. 172.

[19] In der HS 1828a enthalten die Titel der Peregrina-Gedichte Bezüge zu Agnes, z.B: Agnesens Hochzeit (Peregrina II).

[20] Zeller 1975, S. 117.

[21] Vgl. Corrodi 2004, S. 70f.

[22] Vgl.Mayer 2004, S. 21.

[23] Dieser Kreis war eher spiritistisch geprägt und wurde 1818 in der Schweiz zwangsweise aufgelöst, kurz danach tauchte Maria in Schaffhausen auf. – Vgl. Emil Bock: Boten des Geistes. Schwäbische Geistesgeschichte und christliche Zukunft. Stuttgart: Urachaus 1957, S. 216. [Nachfolgend als Bock 1957]

[24] Zeller 1975, S. 117.

[25] Bauer 1976, S. 33. In weiteren Briefen wird ersichtlich, dass Maria nach Schaffhausen am 26.8.1824 abreisen wird, mit finanzieller Hilfe von einigen Personen, so schreibt Bauer am 23.8.1824. Vgl. dazu auch Bauer 1976, S. 35.

[26] Vgl. HKA I, S. 242; Vgl. auch Harry Maync: Das Urbild von Eduard Mörikes „Peregrina“. Eine Dichterliebe. Mit ungedruckten Briefen und Versen. In: Westermanns Illustrierte Monatshefte. Oktober 1901, S.42. [Nachfolgend als Maync 1901]

[27] Es existiert ein Brief Mörikes an Waiblinger vom 08.04.1825, in dem es heißt, dass mittels Poesie „Unruhe u. Leiden“ verwunden werden. Diese Zeile enhält zwar keinen direkten Bezug zu Maria Meyer, allerdings ergeben sich in der Deutung durchaus Hinweise, dass Mörike reale und persönliche Ereignisse lyrisch verarbeitete. Vgl. auch HKA X, S. 91.

[28] Vgl. HKA XIV, S. 96. Der Ausdruck findet sich in einem Brief an Hartlaub und bezieht sich auf ein Erlebnis, als er auf dem Klavier das Finale des Don Giovanni gespielt wird, was ihn sehr trifft, „weil sie zu viele subjektive Elemente … hat und einen Überschwall von altem Dufte, Schmerz und Schönheit.“

[29] Vgl. Oppel, Horst: Pererina. Vom Wesen des Dichterischen. Mainz: Kirchheim 1947, S. 58. [Nachfolgend als Oppel 1947)

[30] Vgl. Mayer 2004, S. 77.

[31] Vgl. Emmel 1952, S. 68.

[32] Vgl. Adolf Beck: Eduard Mörikes “Peregrina”. In: Forschung und Deutung. Ausgewählte Aufsätze zur Literatur. Hg. von Ulrich Fülleborn. Frankfurt/Bonn: Athenäum 1966, S. 195. [Nachfolgend als Beck 1966)

[33] Peter Härtling: Die dreifache Maria. Eine Geschichte. Luchterhand: Darmstadt 1982. [Nachfolgend als Härtling 1982)

[34] Härtling 1982, S. 56.

[35] Vgl. Peter von Matt: Liebesverrat. Die Treulosen in der Literatur. München/Wien: Hanser 1989, S. 172. [Nachfolgend als von Matt 1989)

[36] Vgl. Auszug aus Sämtliche Werke des Freiherrn Joseph von Eichendorff. Historisch-kritische Ausgabe. Begründet von Wilhelm Kosch, August Sauer; fortgeführt v. Hermann Kunisch u.a.. Bd. I,1: Gedichte. Text. Stuttgart/Berlin: Kohlhammer 1993, S.367 [Nachfolgend als Eichendorff 1992):

Du kennst mich wohl - vom hohen Stein / Schaut still mein Schloß in tiefen Rhein; / Es ist schon spät, es wird schon kalt, / Kommst nimmermehr aus diesem Wald!

Eine umfassende Analyse sämtlicher Parallelen schließt sich an dieser Stelle aus. Exemplarisch soll neben der Frauenfigur Loreley nur ergänzend der Naturschauplatz als Ort der freien, von gesellschaftlichen Vorstellungen befeiten Liebe genannt werden und die Gefährdung des Mannes, sich in einer solchen Liebe selbst zu verlieren. Vgl. dazu auch Kapitel D 1 und D 2.

[37] Vgl. Benno von Wiese: Eduard Mörike. Ein romantischer Dichter. München: Heyne 1978, S. 157. [Nachfolgend als von Wiese 1978)

[38] Vgl. Emmel 1952, S. 19f.

[39] HKA XI, S. 30. Zitat aus Brief vom 7. Mai 1829 an Mährlen. Vgl. dazu auch Susanne Fliegner: Der Dichter und die Dilletanten. Eduard Mörike und die bürgerliche Geselligkeitskultur des 19. Jahrhunderts. Stuttgart: Metzler 1991, S. 34. [Nachfolgend als Fliegner 1991]

[40] Vgl. Mayer 2004, S. 30.

[41] Vgl. Simon, Ralf: Mörikes poetische Szene und ihre unausgesetzte Verhinderung. In: Eduard Mörike. Ästhetik und Geselligkeit. Hg. von Wolfgang Braungart, Ralf Simon. Tübingen: Niemeyer 2004, S. 130. [Nachfolgend als Simon 2004]

[42] Vgl. der korrespondierenden Peregrina-Stellen: „Aus der Spalte des Vorhangs guckte / Plötzlich der Kopf des Zaubermädchens, / Lieblich war er und doch so beängstigend“ (Peregrina III).

[43]Unschuldig Kind, du selber lädst mich ein“ (Peregrina I).

[44]Die Liebe, sagt man, geht am Pfahl gebunden, / Geht endlich arm, zerrüttet, unbeschuht/ …Schön war ihr Wahnsinn, ihrer Wange Gluth“ (Peregrina V).

[45] Vgl. Berka, Sigrid: Kindfrauen als Projektionsfiguren in Mörikes Maler Nolten und Wedekinds Monstretragödie. In: Goethes Mignon und ihre Schwestern. Hg. von Gerhart Hoffmeister. N.Y./Berlin/Frankfurt: Lang 1993, S.135. [Nachfolgend als Berka 1992]: „Krank seitdem, / Wund ist und wehe mein Herz. / Nimmer wird es genesen“ (Lyrisches Ich in: Peregrina III)

[46] Vgl.dazu auch Kapitel D 3.2: Elisabeth, die unschuldige Verführerin.

[47] Vgl. Berka, S. 139.

[48] Vgl. Peregrina V.

[49] Emmel führt eine Reihe weiterer Mignongestalten in der romantischen Dichtung an, wie die Erwine in „Ahnung und Gegenwart“, die Morgenländerin im „Heinrich von Ofterdingen“ oder Susanne in den „Kronwächtern“ (vgl. Emmel 1952, S. 63), deren Existenz der vielbelesene Mörike durchaus bewusst gewesen sein könnte und ihm als Anregung gedient haben könnte.

[50] Vgl. Wilhelms Verhalten: „Seine Augen und sein Herz wurden unwiderstehlich von dem geheimnisvollen Zustande dieses Wesens angezogen.“ Goethe, Bd. XII, S. 105. Und auch das lyrische Ich im Zyklus wird durch den „Zauberfaden“ (Peregrina III, ab FS 1867) an Peregrina gebunden.

[51] Das Doppelwesen Peregrina setzt sich aus zwei Frauengestalten zusammen: Elisabeth und Agnes aus dem Noltenroman, die eine passiv, naiv, die andere leidenschaftlich agierend. Vgl. dazu auch Berka 1993, S. 140.

[52] Vgl. von Matt 1989, S. 187.

[53] Goethe, Bd. IX, S. 275. „So ruhen die Liebenden nebeneinander. … und welch ein freundlicher Augenblick wird es sein, wenn sie dereinst wieder zusammen aufwachen.

[54] Vgl. Adolf Beck: Peregrina. Zur Berichtigung und Ergänzung des Buches von Hildegard Emmel: ''Mörikes Peregrinadichtung und ihre Beziehung zum Noltenroman''. In: Euphorion 47 (1953), S. 275. [Nachfolgend als Beck 1953]

[55] Vgl. Burdorf 1997, S. 91.

[56] Ebd. S. 91f.

[57] Vgl. Heinz Gockel: Venus-Libitina. Mythologische Anmerkungen zu Mörikes Peregrina-Zyklus. In: Wirkendes Wort 1 (1974), S. 53. [Nachfolgend als Gockel 1974]

[58] Vgl. Emmel 1952, S. 47.

[59]Die Schlimme Greth und der Königssohn“ (HKA I,1, S. 30f.].

[60] Vgl. Ulrich Kittstein: Liebeslyrik. In: Mörike-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Hg. von Inge Wild, Reiner Wild. Stuttgart: Metzler 2004, S. 80. [Nachfolgend als Kittstein 2004]

[61] Vgl. Ulrich Kittstein: Zivilisation und Kunst. Eine Untersuchung zu Eduard Mörikes 'Maler Nolten'. St. Ingbert: Röhrig 2001, S. 233ff. [Nachfolgend als Kittstein 2001]

[62] Vgl. Oppel 1947, S. 26.

[63] Vgl. Kittstein 2001, S. 234.

[64] Vgl. Beck 1953, S. 207.

[65] Vgl. Beck 1966, S. 329 und Beck 1953, S.206.

[66] Kerner, Justinus: Die Reiseschatten. Eingeleitet und mit Textvarianten und Anmerkungen. Hg. von Walter P.H. Scheffler. Stuttgart: Steinkopf 1964, S. 186. [Nachfolgend als Kerner 1964]

[67] Kerner 1964, S. 142f.

[68] Entsprechende Stellen werden exemplarisch in der Analyse in Kapitel C 2: Das Hochzeitsbild: Peregrina II aufgezeigt.

[69] Vgl. dazu das Kapitel B 1: Das Urbild: Maria Meyer.

[70] Menzel, Wolfgang: [Rezension zu ‚Maler Nolten’]. In: Morgenblatt für gebildete Stände. Literaturblatt 86 (1832), S. 341. [Nachfolgend als Menzel 1832]

[71] Vgl. Lang, Wilhelm: Rudolf Lohbauer. In: Württembergische Vierteljahrshefte für Landesgeschichte. Neue Folge 5 (1896), S. 157. [Nachfolgend als Lang 1896]

[72] Vgl. dazu auch: Vollständiges Heiligenlexikon. Nachdruck der Ausgabe Augsburg 1858-1882. Hg. von Johann Evangelist Stadler; Franz Joseph Heim. Bd. 1.Hildesheim: Olms 1975, S. 78f. [Nachfolgend als Heiligenlexikon 1975]

[73] Heiligenlexikon, 1975, S. 79.

[74] Vgl. 1 Kor 5,7

[75] Das Siglenverzeichnis im Anschluss gibt einen tabellarischen Überblick über die zu analysierenden, vorliegenden Varianten. Der Einfachheit halber verweisen die Kürzel HS auf Handschrift und FS auf Fassung (Printausgabe) ergänzt mit dem (vermutlichen) Entstehungsjahr.

[76] Vgl. Henrik Krummacher: Zu Mörikes Gedichten. Ausgaben und Überlieferung. Jahrbuch der Deutschen Schillergesellschaft. Bd. 5. Hg, von Fritz Martini, Walter Müller-Seidel, Bernhard Zeller. Stuttgart: Körner 1961, S. 339. [Nachfolgend als Krummacher 1961]

[77] Vgl. Reiner Wild: Mörike als Lyriker. In: Mörike-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Hg. von Inge Wild, Reiner Wild. Stuttgart: Metzler 2004, S. 66f. [Nachfolgend als Wild 2004a]

[78] Vgl. Emmel 1952, S. 70-73.

[79] Vgl. Henrik Krummacher: Die Überlieferung der Gedichte. In: Mörike-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Hg. von Inge Wild, Reiner Wild. Stuttgart: Metzler 2004, S. 74. [Nachfolgend als Krummacher 2004]

[80] Vgl. Krummacher 1961, S. 325.

[81] Vgl. Krummacher 1961, S. 334.

[82] Ebd.

[83] Das Mörike-Handbuch zeigt vier textgeschichtliche Stufen auf, nämlich die Fassung von 1828 in der Stuttgarter Sammelhandschrift, die 1832er-Fassung im Noltenroman, dann die ersten drei Auflagen der Gedichte als nächste Stufe, daraufhin folgend die vierte Auflage von 1867. Vgl. Reiner Wild: Peregrina I-V. In: Mörike-Handbuch. Leben-Werk-Wirkung. Hg. von Inge Wild, Reiner Wild. Stuttgart: Metzler 2004, S. 104. [Nachfolgend als Wild 2004b]

[84] Vgl. Wild 2004b, S. 105.

[85] Bauer 1976, S.19.

[86] Vgl. Emmel 1952, S.15f.

[87] Ebd., S. 76.

[88] Vgl. Mayer 2004, S. 73.

[89] Vgl. Beck 1953, S. 200.

[90] Ebd., S. 202. Die meisten Werkausgaben beziehen sich dennoch erst auf die Variante, die im „Maler Nolten“ enthalten ist (FS 1832). Die meisten Gedichtbände hingegen verwenden die letztautorisierte Variante der Peregrina-Gedichte von 1867. Vgl. dazu auch Christine Lubkoll: „Eine mythische Komposition“ – Aporien der Liebe in Mörikes Peregrina I-V. In: Interpretationen. Gedichte von Eduard Mörike. Hg. von Mathias Mayer. Stuttgart: Reclam 1999, S. 61. [Nachfolgend als Lubkoll 1999]

[91] Vgl. Mayer 2004, S.95.

[92] Vgl. Beck 1966, S. 313f.

[93] Vgl. Beck 1966, S. 331.

[94] HKA I,1, S. 58. und S. 66.

[95] Vgl. Beck 1966, S. 333.

[96] Ebd., S. 336.

[97] „Neue weltliche Lieder“ wurde geschrieben für Adelheid Mörike, der Frau seines Cousins Heinrich Mörike in Buchau. Die Handschrift ist datiert auf den 19.6.1828 und im Faksimile von Krummacher 1975 herausgegeben worden.

[98] Das „Grüne Heft“ leitet seine Namen von seinem grünen Pappband ab, und ist eigentlich mit „Gedichte von Eduard Mörike“ betitelt. Dorchen Mörike als Empfängerin ist auf dem Vorsatzblatt bezeichnet. Diese Handschrift wurde als Faksimile veröffentlich. Sie enthält Peregrina I bis IV und weitere 19 Gedichte.

[99] Dort begegnet er auch der Lehrerstochter, zu der ihm eine weitere Liaison nachgesagt wird. Danach beginnt ungefähr der Zeitraum, in dem Mörike vom Vikariat beurlaubt wird und sich immer mehr der Schriftstellerei verschreibt.

[100] Harry Maync (Hg.): Mörikes Werke. Kritisch durchgesehene und erläuterte Ausgabe. 3 Bd. Leipzig: Bibliographisches Institut 1914. [Nachfolgend als Maync 1914]

[101] Ausgehend von diesen Datierungen schließt sich Emmel Herbert Meyer an, der anhand der Datierungen der übrigen Gedichte zu dem Schluss kommt, dass das Heft vor 1832, dem Erscheinungsdatum des Nolten, aber nach der Entstehung des „Elfenliedes“, also im Spätjahr 1831 geschrieben worden sein. Mathias Mayer datiert jedoch in der jüngsten Mörike-Forschung von 2004 das „Grüne Heft“ allerdings 1828, was auch fü die vorliegende Arbeit übernommen wird. Dies stellt auch in der praktischen Betrachtung kein Problem dar, da dieser Unterschied es für die folgende Analyse, die ja Trends in größeren Zeiträumen nachweisen will.

[102] Vgl. Mayer 2004, S. 212.

[103] Vgl. Krummacher 1961, S. 315.

[104] Vgl. Gabriele Allenspach: Das Formproblem der Peripetie in Mörikes frühen Gedichten. Eine Reihe von Interpretationen. Zürich: Adag 1984, S. 127. [Nachfolgend als Allenspach 1984]

[105] Vgl. Henrik Krummacher: Mitteilungen zur Chronologie und Textgeschichte von Mörikes Gedichten. In: Jahrbuch der deutschen Schillergesellschaft. Hg. von Fritz Martini, Walter Müller-Seidel, Bernhard Zeller: Stuttgart: Kröner 1962, S. 260. [Nachfolgend als Krummacher 1962]

[106] Ebd. S. 313.

[107] Vgl. dazu auch das entsprechende Kapitel D: Das „bunt ausschweifende[ ] Gemälde“ im Werkkontext des „Maler Nolten“.

Ende der Leseprobe aus 129 Seiten

Details

Titel
Das „Bildniß mitleid-schöner Qual“ - Ein Vergleich der Varianten von Eduard Mörikes Peregrina-Zyklus zwischen 1824 und 1867
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Germanistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
129
Katalognummer
V137766
ISBN (eBook)
9783640456369
ISBN (Buch)
9783640456475
Dateigröße
1043 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nolten, Mörike, Eduard, Biedermeier, Maria Meyer, Gedichtzyklus, Peregrina, Peregrina-Zyklus
Arbeit zitieren
Michelle Bayona (Autor:in), 2008, Das „Bildniß mitleid-schöner Qual“ - Ein Vergleich der Varianten von Eduard Mörikes Peregrina-Zyklus zwischen 1824 und 1867, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137766

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