Gesteuerte Demokratie?

Ausprägungen und Ausmaße des Lobbyismus in Deutschland


Hausarbeit, 2007

19 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Gesteuerte Demokratie?

2. Entwicklungen der Interessenpolitik in Europa

3. Entwicklungen der Interessenpolitik in der BRD

4. Lobbyismus in Deutschland
4.1 Begriffsbestimmung
4.2. Abgrenzungen
4.3. Ort der Einflussnahme
4.4. Aufgaben und Instrumente
4.5. Gruppen
4.6. Berlin – Hauptstadt des Lobbyismus

5. Fazit und Lösungsansätze

Quellenverzeichnis

1. Gesteuerte Demokratie?

Das politische System der Bundesrepublik Deutschland (BRD) ist eine parlamentarische Demokratie. Die parlamentarische Demokratie ist eine Form der repräsentativen Demokratie, d.h. die vom Volk gewählten Vertreter sollen das Volk repräsentieren und für einen gerechten Interessenausgleich sorgen.

Die Art und Weise der Vertretung von Interessen in der BRD hat sich in den vergangenen Jahren enorm verändert. Waren es vor dem Umzug der Politik von Bonn nach Berlin noch die Wirtschaftsverbände, die maßgeblich die politische Entscheidungsfindung beeinflusst haben, sind es zunehmend Unternehmen selbst. Die Unternehmen beeinflussen mit eigenen Vertretern, professionellen Lobbyisten, Public-Relations- und Public-Affairs-Agenturen ferner scheinbar bürgernahen Reforminitiativen die Politik und die Öffentlichkeit. Vielfach wird dabei von einer gesteuerten Demokratie gesprochen, in der wirtschaftliche Eliten die Politik und Öffentlichkeit nicht nur massiv beeinflussen, sondern tonangebend sind, gesellschaftliche Spielräume verengen sowie ihre Macht weiter ausbauen. Zu diesem Thema fand im Juni 2004 ein Kongress in Frankfurt am Main statt, auf dem diese Problematik kritisch diskutiert wurde. 1 Ziel der Arbeits ist es, zu überprüfen, inwiefern die Behauptung, dass die Demokratie in der BRD eine gesteuerte Demokratie ist, der Realität entspricht. Die Erarbeitung des Themas erfolgt über die Erläuterung der Entwicklungen der Interessenpolitik in Europa und Deutschland über die Bestimmung des Begriffs Lobbyismus und dessen Einfluss allgemein sowie in der Hauptstadt Berlin. Am Schluss wird ein Fazit gezogen und Lösungsansätze für einen glaubwürdigeren und transparenteren Lobbyismus vorgestellt.

2. Entwicklungen der Interessenpolitik in Europa

In den Vereinigten Staaten von Amerika sind Interessengruppen traditionell besser akzeptiert als in den europäischen Gesellschaften, in denen diese stärker als Gefahr für die Demokratie wahrgenommen werden.

Die zunehmende Europäisierung und Globalisierung haben jedoch enorme Veränderungen hervorgerufen. Das zahlenmäßige Wachstum aber vor allem die Art und Weise der Einflussnahme von Interessengruppen, lässt darauf schließen, dass wir uns auf dem Weg zu einer Interessengruppengemeinschaft (interest group society), ähnlich wie in den USA, befinden.

Brüssel ist ein sehr wichtiger Ort für Interessengruppen geworden, die in Europa Einfluss nehmen wollen und über Brüssel schwappte auch die amerikanische Kultur des Lobbying (näheres unter Punkt 4.) nach Europa. Des weiteren ist zu beobachten, dass auch Organisationen und Gruppen sich zu Lobbying bekennen, die traditionell eher einem am Gemeinwohl orientierten Verständnis von Politik nahe gestanden haben und dass Unternehmen ihre Interessen zunehmend unter Umgehung ihrer klassischen Vertreter, den Verbänden, versuchen durchzusetzen. In der Politik geht es also zunehmend um die Vertretung von individuellen Interessen einzelner Gruppen und erst in zweiter Linie um das Gemeinwohl.

Das Lobbying wird bei der Vertretung von Interessen immer wichtiger, weil Politik nach wie vor zentrale Rahmenbedingungen vorgibt, von deren Ausgestaltung das Handeln und der wirtschaftliche Erfolg massiv abhängen.

Für Organisationen wie Krankenkassen, Ärztevereinigungen, Energie-unternehmen, Gentechnikunternehmen oder landwirtschaftliche Betriebe kann es besser sein, staatliche Bedingungen zu beeinflussen, als nur darauf zu hoffen, dass sich ihre Leistungen und Produkte auf dem Markt durchsetzen.

Das Lobbying kann daher auch als ein Ergebnis der Ausgestaltung staatlicher Institutionen gesehen werden, die Anreize für das Lobbying schaffen, da z.B. im Gesundheitssystem der BRD die Medikamentenpreise und die Einkommen der Ärzte staatlich reguliert werden. 2

3. Entwicklungen der Interessenpolitik in der BRD

In der BRD gibt es für Interessengruppen viele Möglichkeiten ihre Vorhaben in die Orte der politischen Entscheidungen zu transportieren.

Nach wie vor sind die schätzungsweise 4 000 bundesweiten und 15 000 landesweiten Verbände eine der wichtigsten Organisationsformen von Interessen. Hiervon sind circa 1 900 Verbände beim Deutschen Bundestag eingetragen und werden somit zu Anhörungen eingeladen. Die Verbände haben demokratische Organisationsstrukturen und müssen den Bedürfnissen der Mitglieder nach Durchsetzung ihrer Interessen und den Ansprüchen der Politik an eine vielfältige und moderierte Form der gesellschaftlichen Interessensübermittlung gerecht werden. Die verschiedenen Verbände sind unterschiedlich stark. Zu den Spitzen-verbänden der Wirtschaft zählen der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), und der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH). Wichtige Branchenverbände sind der Verband der Chemischen Industrie, der Bundesverband Informationswirtschaft, Tele-kommunikation und Neue Medien (BITKOM), der Verband der Automobil-industrie (VDA) sowie der Zentralverband Elektrotechnik und Elektroindustrie (ZVEI). Zu den Verbänden zählen außerdem auf der Seite der Arbeitnehmer-vertreter die Gewerkschaften. Des weiteren existieren zur Vertretung gesellschaftlicher Interessen etwa 50 000 Bürgerinitiativen und 500 000 Vereine. In den 1990er-Jahren haben sich die gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Bedingungen für Interessenvertretung und Lobbying fundamental gewandelt. Es sind langfristige Trends zu einer Individualisierung zu spüren. Alle großen Organisationen wie Kirchen, Parteien, Gewerkschaften und Verbände verzeichnen Rückgänge ihrer Mitgliederzahlen. Obgleich die Verbände hierbei noch die geringeren Mitgliederrückgänge zu verzeichnen haben, ist eine zunehmende Unzufriedenheit mit der Verbandspitze zu beobachten.

Darüber hinaus sinkt die frühere starke Macht der Verbände durch die korporatistische Einbindung in zentrale Politikbereiche wie Gesundheit, Rente und Arbeitsmarkt durch die Lockerung dieser Einbeziehung, so dass die Interessengruppen neue Wege beschreiten können.

Es ist also eine Entwicklung der Interessenvertretung vom Korporatismus hin zum Lobbyismus zu sehen.

Durch ihre wirtschaftliche Macht, ausgedrückt in eigenen Repräsentanzen in Brüssel und Berlin, sehen sich die Unternehmen zunehmend selbst als politische Akteure. Durch die Entstehung von professionellen Lobbyunternehmen und sogenannten Public-Affairs-Agenturen (PA), die Public-Relations, Politikberatung und Lobbying in Kombination anbieten, wurden die Möglichkeiten erweitert und der Trend des Lobbying verstärkt. 3

4. Lobbyismus in Deutschland

4.1. Begriffsbestimmung

Der Lobbyismus wird in der Bundesrepublik Deutschland immer bedeutender und einflussreicher. Doch was steckt dahinter? Um diese Frage zu klären, muss zunächst allgemein der Begriff bestimmt werden.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts nahmen in den Vereinigten Staaten von Amerika in der Vorhalle bzw. der Lobby des berühmten Willard Hotels in Washington D.C. Wirtschaftsvertreter mit Abgeordneten Kontakt auf, um Einfluss auf die Entscheidungen hinsichtlich der Erschließung des Landes und der Konzessionsvergabe für den Eisenbahnbau zu nehmen.

Aufgrund des Ortes der Kontaktaufnahme und im Zusammenhang mit der Entstehung der modernen Politik wurden Interessengruppen, die im Vorfeld der Politik informell auf diese Einfluss nahmen, fortan Lobbyisten genannt.4

Die Tätigkeit des Lobbying lässt sich heutzutage folgendermaßen formulieren: „Lobbying ist die Beeinflussung der Regierung durch bestimmte Methoden, mit dem Ziel, die Anliegen von Interessensgruppen möglichst umfassend bei politischen Entscheidungen durchzusetzen. Lobbying wird von Personen betrieben, die selbst am Entscheidungsprozess nicht beteiligt sind.“ 5

[...]


1 Vgl. Müller et al (2004), S. 7-13

2 Vgl. Speth (2006b), S. 38-40

3 Vgl. Speth (2006b), S. 40-51

4 Vgl. Leif/Speth (2006a), S. 18-19

5 Leif/Speth (2006a), S. 12

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Gesteuerte Demokratie?
Untertitel
Ausprägungen und Ausmaße des Lobbyismus in Deutschland
Hochschule
Fachhochschule für Wirtschaft Berlin  (Fachbereich 1)
Veranstaltung
Unternehmen, Betrieb, Arbeit aus historisch-sozialwissenschaftlicher Perspektive
Note
1,5
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V137302
ISBN (eBook)
9783640453771
ISBN (Buch)
9783640453528
Dateigröße
441 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Gesteuerte Demokratie? Werden in der Bundesrepublik Deutschland wirklich die Interessen aller Bürger oder doch eher die Partikularinteressen der Wirtschaftsverbände und Großunternehmen seitens der Politik berücksichtigt? Handelt es sich somit gar um eine von den Wirtschaftseliten gesteuerten Demokratie? Aufgrund verschiedener diesbezüglicher öffentlicher Skandale war eine Analyse der Ausprägungen und der Ausmaße des Lobbyismus in Deutschland überaus interessant und ist weiterhin ein sehr interessantes aktuelles Thema.
Schlagworte
Lobbyismus, Deutschland, Bundesrepublik Deutschland, Interessensvertretung, Interessenskonflikte, Wirtschaftselite, Partikularinteressen, Wirtschaftsverbände, Public-Affairs-Agentur, Lobbying, Korruption, Politikberatung, Public Relations, Parteispenden, Public-Relations-Agentur, Transparenz, Intransparenz
Arbeit zitieren
Sandro Sterneberg (Autor:in), 2007, Gesteuerte Demokratie?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137302

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