Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
Vorsätze
1. Der Mensch in der Schöpfung
2. Das etwas neuere Menschenbild
3. Der Sündenfall
4. Die Sünde
5. Aktuelle Überlegungen zu Sündenlehre in der neueren Theologie
6. Nachsätze
Vorsätze
"Mensch" und "Sünde" - beide Begriffe haben eine fundamentale Bedeutung sowohl in der Theologie als auch der Philosophie. In Immanuel Kants nachgelassenem Handbuch der Logik wird die Frage "Was ist der Mensch?" als die Grundfrage der Philosophie bezeichnet. Aus diesem Blickwinkel dürfte jede Aussage dazu eine Aussage des Menschen über sich selber sein. Jede Philosophie ließe sich nach der Meinung des Philosophen Wilhelm Dilthey "in eine Anthropologie umschreiben". Aus theologischer Sicht kann auf keinem Fall der Mensch als "das Maß aller Dinge" gelten; er sollte stets in seiner Bezogenheit auf Gott betrachtet werden.
1. Der Mensch in der Schöpfung
Adam ist der ursprüngliche Gattungsname des Menschen oder der Menschheit. "Adamah" heißt auf Hebräisch: Erde, Ackerboden. In den biblischen Schöpfungsgeschichten lesen wir, dass Adam, der erste Mensch, als Ebenbild Gottes geschaffen wurde, und zwar am sechsten Tage mit allen die Erde bevölkernden Tieren. Über sie, auch über die "Fische des Meeres" und "Vögel des Himmels", dürfe er nicht nur herrschen, sondern sie sich sogar seinen Bedürfnissen unterwerfen. Diese Zentralstellung des Menschen soll nach Meinung von Kritikern der jüdisch-christlichen Tradition an der ökologischen Krise, in der wir uns heute befänden, Schuld sein. Doch Gott setzte den Menschen in den Garten von Eden, „damit er ihn bebaue und hüte“.[1] Die Zerstörung der Umwelt muss daher dem sündigen Verhalten des Menschen zugerechnet werden.
Obwohl in den Berichten der Genesis keine rein geistigen Wesen, so genannte Engel, ausdrücklich genannt werden, tauchen sie aber an vielen Stellen des Alten wie des Neuen Testaments auf. Sie sollen und wollen als "Vermittler" zwischen Himmel und Erde oder gar zwischen Himmel und Hölle wirken, jedoch nicht nur im Auftrag Gottes, sondern manche auch als "gefallene Engel" im Auftrage des Teufels, der auffällig viele Namen besitzt: z. B. Beelzebub, Beliar, Dämonenfürst, Mephisto, Sammael, Satan oder Urian. Diese himmlische Heerschar beschäftigt nicht nur die Theologen, sondern inspirierte besonders Künstler, Literaten und Kabarettisten.
Rochus Leonhardt unterschied in seinem Lehr- und Arbeitsbuch zur Einführung in die Dogmatik die "unsichtbare Schöpfung", also die Engel, von der "sichtbaren Schöpfung" nach der in der Bibel festgelegten Hierarchie mit ihrer dienenden Funktion gegenüber dem jeweils Höherentwickelten, angefangen beim Anorganischen über die Pflanzenwelt, die Tiere bis hin zum allen Kreaturen vorgeordneten Menschen; was jedoch Artgenossen dieser höchsten Gattung nicht daran hinderte, in verzweifelter Situation mit Gottfried Benn sarkastisch auszurufen: "Der Mensch, das Schwein, die Krone der Schöpfung!"
Aurelius Augustin (Augustinus), einer der wirkungsmächtigsten Theologie-Philosophen, interpretierte die Schöpfungsgeschichte auf folgende Weise, wo es heißt:
"’Da trennte Gott das Licht von der Finsternis’, (sehen) wir diese beiden Engelscharen, die eine Gott genießend, die andere vor Arroganz strotzend."[2]
"Der Mensch", so Leonhardt, "wird damit zum ‚Schlachtfeld’ im Kampf zwischen Gott und seinen Getreuen einerseits und den von Satan angeführten bösen Engeln andererseits um die Herrschaft der Welt, ein Kampf, der erst am jüngsten Tag endgültig entschieden sein wird."[3]
Obwohl also schon vor Adam ein unsichtbares Wesen (Luzifer) Gott untreu wurde, ist jedoch nicht bekannt, ob deshalb unter der himmlischen Heerschar Sippenhaft in Form der Erbsünde herrscht.
Die Einteilung der göttlichen Schöpfung in eine rein geistige und rein körperliche lässt den Menschen eine Stellung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Schöpfung zukommen. Philosophisch entspricht das dem "animal rationale", also einem aus Leib und Seele zusammen gesetzten Wesen, was bei Platon dazu führte, den Körper als Gefängnis der Seele aufzufassen, die sich erst nach dem leiblichen Tod befreien könne. Im Neuen Testament hingegen wird der menschliche Leib mitunter als "Tempel des heiligen Geistes" verehrt.[4]
Blaise Pascal, als Philosoph "eine Portalfigur am Eingang zur modernen Welt"[5], unterschied drei Zustände des Menschen, die durchaus der christlichen Lehre entsprechen:
1. den christlichen Schöpfungszustand
2. den zwiespältigen gegenwärtigen Zustand des Abfalls von Gott
3. den Erlösungszustand durch Jesus Christus[6]
Da die meisten Menschen nach Pascal die Religion nicht nur gering schätzen, sondern sie gar hassen würden, weil sie "fürchten, dass sie wahr sei", wollte er Abhilfe schaffen und "zeigen, dass die Religion keineswegs der Vernunft widerspricht"[7].
Aufschlussreich ist nebenbei noch, dass der im christlichen Abendland so selbstverständliche Begriff des Menschen in einer Hochkultur wie der indischen, um nur ein Beispiel zu nennen, nicht sonderlich von den übrigen Geschöpfen abgehoben wird, was natürlich Auswirkungen bis auf die vor allem von uns beanspruchte Universalität der Menschenrechte hat.
Von der Gottebenbildlichkeit des Menschen ließe sich immerhin noch guten Gewissens sagen, dass der Mensch trotz seines Ungehorsams im Paradies, aus dem er vertrieben und zur Sterblichkeit verurteilt wurde, auf eine Gemeinschaft mit Gott angewiesen ist, die sein Leben auf Erden bestimmt, die sich aber auch über den Tod hinaus fortsetzen soll.
Das Menschenbild in den biblischen Büchern des Alten Testaments kommt in verschiedenen Aspekten zum Ausdruck, die durchaus den ganzen Menschen meinen, obwohl sie oft auswechselbar sind. Wenn z. B. vom "Fleisch" die Rede ist, wird der Gesichtspunkt der Schwäche, Vergänglichkeit und Sünde betont. In anderen hebräischen Wortbedeutungen werden die Weisheit und Lebenskraft hervorgehoben oder das Leben schlechthin, das sich in des lebendigen Menschen Begehren und Verlangen darlegt. Der häufigste Begriff zur Bezeichnung des Menschen ist jedoch das Herz, das als Sitz der Gefühle und Leidenschaften einerseits, andererseits auch als Mittelpunkt seines Denkens, Erkennens und Wollens verstanden wurde. Hier soll die Aufsässigkeit gegen Gott, also die Sünde ihren Ort und Hort haben, aber auch die Freude.
[...]
[1] Gen 2,15
[2] Augustinus: De civitale Dei XI 33, CChr SL 48, 352 f; Übersetzung: Rochus Leonhardt
[3] Leonhardt, Rochus: Grundinformation Dogmatik. Ein Lehr- und Arbeitsbuch für das Studium der Theologie, Göttingen 2001, 173
[4] 1 Kor 6,19
[5] Sloterdijk, Peter: Vorbemerkung zu: Pascal. Philosophie jetzt!, München 1997
[6] Pascal: Gedanken, hg. Brunschvig 1-3 (1904) 66.139.144
[7] Pascal: Gedanken. Sehnsucht nach der besten Disposition und Form, 27
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- Siegmar Faust (Autor:in), 2003, Der Mensch und die Sünde, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/13707
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