Der Einfluss der 'Besatzer' Thüringens auf die Thüringer Ortsnamen


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

36 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Einfluss der Thüringischen Geschichte auf die Ortsnamensgebung
2.1 Die Germanischen Stämme
2.2 Der Einfluss der Franken, Sachsen und Slawen in Thüringen
2.2.1 Explizite Nennungen der Besatzer in den Thüringer ON
2.2.2 Implizite Hinweise auf die Besatzer in den Thüringer ON
2.2.3 Der slawische Einfluss auf die Thüringer ON
2.2.3.1 Die Slawische Ortsnamensbildung
2.2.3.2 ON auf - wenden / - winden und Windisch -/ Wendisch -

3 Die Christianisierung Thüringens
3.1 Missionierung durch Kilian und Willibrord
3.2 Missionierung durch Bonifatius
3.3 Der Einfluss der Christianisierung auf die Thüringer Ortsnamen
3.4 Die Erschaffung von Thüringer Schreibzentren
3.4.1 Die Fuldischen Cartulare
3.4.2 Die Hersfeldischen Besitzstandsverzeichnisse
3.4.3 Weitere Quellen

4 Schlusswort

Anhang

Abbildungsnachweis

Literatur

1 Einleitung

Die Analyse der Ortsnamen ist ein weites Feld, auch wenn man ‚nur’ ein so kleines Territorium wie in dieser Arbeit Thüringen untersucht. Unmöglich ist eine Analyse von Ortsnamen, bleibt man nur im Bereich der Sprachwissenschaft. Man muss das Blickfeld erweitern und darf andere Wissenschaften wie Soziologie, Geographie, Geologie, Geschichte, Religion etc. nicht außen vor lassen. Ortsnamen können Huldigungen an Götter sein, die gute oder schlechte Beschaffenheit der lokalen Lage bezeichnen, die Hauptberufe einstiger Siedlungsgemeinschaften zum Ausdruck bringen. Letzteres ist meist verbunden mit der Umgebung des Ortes und den dort zu findenden Rohstoffen. Glashütten bedurften so viel Quarzsand und Holz in ihrer unmittelbaren Umgebung, um Pottasche und Holzkohle für das Schmelzen produzieren zu können, weswegen Hütten auf waldreichen Sandsteinvorkommen gegründet wurden. Neben den Hüttenbesitzern siedelten sich Köhler, Fuhrleute u. a. dort an. Die Hütte expandierte – eine Siedlung entstand. Nicht allzu selten wird dann im Ortsnamen eben gerade dieser glückliche Umstand gehuldigt, dass die Umgebung die Lebensweise und Arbeit der Bewohner unterstützt und fördert. Daher ist es nicht verwunderlich, heißt ein Ort Glashütte oder enthalten Ortsnamen Morpheme wie Sand oder Holz.

Aber auch andere Geschichten können Ortsnamen erzählen. Die Produktion von Glas war vor einigen hundert Jahren relativ lukrativ, zumal Landwirtschaft in den dichtbewachsenen Wäldern der Thüringer Höhenlagen kaum möglich war. So wollte beispielsweise einst jemand eine Glashütte oberhalb von Stützerbach eröffnen. Es befanden sich jedoch schon zahlreiche Glashütten im Thüringer Wald und der Waldbestand ging in der Mitte des 19. Jahrhunderts stark zur Neige. Einerseits wegen des großen Pottaschebedarfs, andererseits wegen des Holzbedarfs zur Eisenverschmelzung[1]. Und so dachte man sich bezüglich des Holzbestandes, dass noch eine Glashütte in dieser Gegend ‚all zu nah’ wäre. Seitdem heißt dieser Ort: Allzunah.

Des Weiteren spielen Ortsnamen auf den Reichtum oder die Zucht von Pflanzen oder Tieren an.[2] Auch beschrieb man einfach die Lage[3], Beschaffenheit und Schönheit[4] des Ortes oder seiner Umgebung. Es finden sich zahlreiche Anspielungen auf ein Gewässer (wie beispielsweise einen Fluss oder einen Bach)[5], eine Quelle[6] oder einen Wald oder/und dessen Rodung[7] in den ON wieder.

Jedoch sei an dieser Stelle gleich der Zeigefinger erhoben. Denn: so eklatant die Bedeutungen einiger ON auch teilweise erscheinen mögen, so sind sie es dennoch nicht immer. Es bedarf jeweils im Einzelnen eine individuelle Untersuchung. Um nur ein Beispiel zu nennen: Der Ortsname Langewiesen lässt vermuten, dass um diesen Ort lange Wiesen sind oder dort zumindest einmal waren (und schaut man sich die dortige Umgebung an, scheint diese Vermutung auch zu stimmen). Doch der Schein trügt. Dieser Namen ist nämlich slawischen Ursprungs. Es ist zurückzuführen auf Lenc-witz, eine Siedlung eines ähnlich heißenden sorbischen Häuptlings.[8] Dieses Beispiel zeigt, dass eine genaue Analyse der ON schwierig ist. Viele Ortsnamen haben einen slawischen o. a. Ursprung. Der ursprüngliche Name wurde über die Jahrhunderte bis hin zur Unkenntlichkeit eingedeutscht oder zumindest verfremdet. Daraus folgt, dass es in dieser Arbeit nicht möglich ist, alles hundertprozentig richtig zu erfassen. Der Charakter dieser Arbeit wird daher eher deskriptiver Art sein.

Ziel dieser Arbeit ist es, die Auswirkungen der einstigen Besatzer des heutigen Thüringer Areals, wie die Franken, Sachsen, Slawen, hinsichtlich der Ortsnamen aufzuzeigen und zwar verbunden mit der These, dass es möglich ist, anhand der Ortsnamen-Bildungen die einstigen Besatzungszonen Thüringens zu rekonstruieren. Dies kann allerdings hier nur exemplarisch geschehen. Mittels Ortsnamen-Karten soll (wie bereits hier in den Fußnoten der Einleitung) besatzungstypische Morpheme visualisiert werden. Sie liefern beispielsweise eine Grundlage für einen Rückschluss auf die historischen Besetzungen des heutigen Thüringens.

Am Ende der Arbeit wird auf einige Quellen eingegangen werden, die für eine vertiefende Beschäftigung mit Thüringer Ortsnamen zentral wären, die aber des Umfangs der Arbeit wegen hier leider nur angesprochen bleiben können.

2 Einfluss der Thüringischen Geschichte auf die Ortsnamensgebung

Die folgende Grafik zeigt die Thüringischen Siedlungen, wie sie heute sind.[9]

Abb. 1 Die heutige Verteilung von Siedlungen in Thüringen

Die bloße Lokalisierung dieser macht deutlich, wie wesentlich für eine Ansiedlung die geographisch-geologische und vegetative Beschaffenheit des Landes ist – selbst heutzutage. Man erkennt, dass der Rennsteig nur rar besiedelt ist; der Osten Thüringens, verglichen mit dem Westen, hingegen stark. Diese Feststellung erscheint zwar simpel, doch dieser Fakt ist wesentlich, will man die Entstehung der Ortsnamen[10] verstehen und rekonstruieren.

Das Thüringer Land war einst nahezu unbesiedelt. Eine Besiedlung von unbewohntem Land hatte immer eine Motivation. Diese wird oft im ON ausgedrückt. Auch wenn die Motivation nicht immer primär eine geographische, vegetative sein muss, so spielen diese Gegebenheiten mit hinein.

Im Weiteren werden die verschiedenen Besiedlungen des heutigen Thüringischen Areals besprochen. Es wird gezeigt, wie diese in den Ortsnamen zum Ausdruck kommen.

2.1 Die Germanischen Stämme

Die Thüringer gehörten, wie folgende Illustration verdeutlicht, zu keinem altgermanischen ‚Urstamm’.[11]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2 Die Verteilung der germanischen Stämme zu Beginn der Zeitrechnung

Die Thüringer sind eher eine ‚Verschmelzung’ von verschiedenen Stämmen; entstanden zur Zeit der Völkerwanderungen bis ungefähr zum vierten Jahrhundert.

Nachdem die Goten im dritten Jahrhundert nach Holstein vordrangen, verdrängten sie dort die Sachsen, welche wiederum die Cherusker, Heruler u.a. zu den Hermunduren vordringen ließen. Letztere landeten im Gebiet des Thüringer Waldes. Wohl als Konsequenz der Bedrohungen durch andere Stämme kam es zu einem Verbund einiger Völker – nämlich zu den mächtigen Hermunduringern. Die heutige Bezeichnung Thüringer entwickelte sich wahrscheinlich später aus diesen: Hermunduringer > Duringer > Düringer > Thüringer.[12]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3 Lage des Reich der Thüringer um 526

2.2 Der Einfluss der Franken, Sachsen und Slawen in Thüringen

In dem entstandenen Thüringer Reich kam es im sechsten Jahrhundert zu Schlachten und Einwanderungen.

In den Jahren 531 bis 534 wurde das Thüringer Reich durch die Franken erobert. Theuderich und Chlotar – Söhne des Frankenkönigs Chlodwig – griffen das Thüringer Reich an und schlugen es mit Hilfe der Sachsen im Jahre 531. Als es ihnen darauf im Jahre 534 gelang, den Thüringerkönig Hermannfried zu töten, bedeutete dies das Ende des Thüringer Reiches.[13] Das einstige Thüringer Areal wurde von den Franken besetzt, wobei die Sachsen für ihre Mithilfe den Nordteil zugesprochen bekamen.[14] Die Thüringische Ethnie blieb nahezu nur im Kernraum, der in das Frankenreich eingegliedert war.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4 Die Verbreitung des Frankenreichs von Mitte 5. bis Mitte 6. Jh.

Die im Kapitel 3.4.1 zu besprechenden Schenkungsverzeichnisse der Klöster Fulda und Hersfeld belegen die Existenz von slawischen Siedlern im achten und neunten Jahrhundert in nahezu ganz Thüringen.[15] Dies ist nicht verwunderlich, denn zur Zeit der Völkerwanderungen zogen die Slawen immer weiter gen Westen. Schließlich kamen sie Ende des sechsten Jahrhunderts bis in das Gebiet östlich der Saale. Im siebten Jahrhundert konnten sich die Slawen während der ersten Krise des fränkischen Großreiches politisch und militärisch noch mehr festigen. Es gelang ihnen teilweise, die Saale zu überqueren und sich weiter westlich anzusiedeln.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb 5. Spuren slawischer Besiedlung östlich und westlich der Saale

Das beruht zu einem großen Teil darauf, dass das Thüringer Land durch das Eindringen der Franken und Sachsen im Jahre 531 instabil und zu großen Teilen zerstört war. Auch die Unterwerfung der Warnen östlich der Saale durch die Franken im Jahre 595 hatte daran Anteil. Des Weiteren schien wohl den Franken, das Reich des Samo (im Osten) zu gefährlich zu sein. Bei einem Versuch sie niederzuschlagen, verloren sie im Jahre 631. Durch diese Niederlage waren die Thüringer Herzöge so geschwächt, dass sie den eindringenden Sorben nicht vollends standhalten konnten. Die Sorben konnten sich auch westlich der Saale ansiedeln. Unter anderem soll die Rüssener Gruppe schon Ende des sechsten und Anfang des siebten Jahrhunderts das Unstrutgebiet westlich der Saale besiedelt haben.[16]

Die slawischen Siedler wurden im Frankenreich geduldet. Um das Gebiet vor weiteren Einbrüchen anderer Slawenstämme zu verhindern, schloss man diese Slawen sogar politisch und staatlich mit in den Feudalstaat ein und versuchte sie zu integrieren bis hin zu einer rechtlichen Gleichstellung.[17] Dass es teilweise ein friedliches Zusammenleben von Slawen, Thüringern und Franken gab, davon zeugen besonders Orte, die halb slawisch, halb fränkisch oder thüringisch waren. Dies illustriert folgende Abbildung am Beispiel Großbrembachs:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6 Slawische und deutsche Ortsteile in Großbrembach

Dieses Zusammenleben schien gar bis hin zu Eheverbindungen zu gehen. So konnte Christian Müller bei einer Untersuchung von 110 männlichen Skeletten eines Friedhofes aus dem Mittelelbe-Saale-Gebiet nachweisen, dass 64% davon Mischformen des südöstlichen anthropologischen Typs mit dem germanischen Typ seien.[18]

[...]


[1] Die Eisenverschmelzung war ebenfalls ein verbreitetes Handwerk in den Thüringer Wäldern. Davon zeugen ebenfalls Ortsnamen, wie beispielsweise Schmiedefeld.

[2] Vgl. Anhang, Abb. 1f.

Anmerkung: Die Abbildungen, auf die in der Einleitung verwiesen werden, sind ON-Karten, welche die Verfasserin dieser Arbeit erstellte und die sich im Anhang der Arbeit befinden. Sie beziehen sich jeweils auf bestimmte Morpheme. Sie sollen in der Einleitung nur zur Visualisierung für ihr Vorkommen und ihre Verteilung in dem heutigen Thüringer Areal fungieren. Eine Analyse dieser entfällt des Umfangs der Arbeit wegen hier. Die Herkunft, Bedeutung und Verwendung der Morpheme mitsamt ihrer jeweils typischen Spezifika wird vom Leser vorausgesetzt.

[3] Vgl. Anhang, Abb. 3f.

[4] Vgl. Anhang, Abb. 5.

[5] Vgl. Anhang, Abb. 6f.

[6] Vgl. Anhang, Abb. 8.

[7] Vgl. Anhang, Abb. 9.

[8] Vgl. Bleisch: Bilder aus Ilmenaus Vergangenheit, S. 10 in FN 2.

[9] In dieser Arbeit wurde des Umfangs wegen auf die Miteinbeziehung von einstigen Siedlungen (wie beispielsweise der Ort Leibnitz, der einer Talsperre weichen musste) verzichtet.

[10] Im Folgenden: ON.

[11] Henning: Kleine Geschichte Thüringens., S.11.

[12] Vgl. u. a. Bleisch: Bilder aus Ilmenaus Vergangenheit. S. 3.

[13] Vgl. Henning: Kleine Geschichte Thüringens., S. 9f.

[14] Vgl. Ebd., S. 17.

[15] Walther: Die Ausbreitung der slawischen Besiedlung westlich von Elbe/Saale und Böhmerwald., S. 39.

[16] Ebd., S. 36ff.

[17] Vgl. Walther: Die Slawen westlich von Elbe/Saale und Böhmerwald unter fränkischer und deutscher Feudalherrschaft., S. 349ff.

[18] Vgl. Ebd. S. 354.
Anmerkungen hierzu:
Erst nach 750 gelang es den Franken, erneut Oberhand im westlichen Saalegebiet zu erlangen. Sie bauten Brückenköpfe und sicherten damit wieder ihre Lage. (Vgl. Walther: Die Ausbreitung der slawischen Besiedlung westlich von Elbe/Saale und Böhmerwald., S. 40.)

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss der 'Besatzer' Thüringens auf die Thüringer Ortsnamen
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena  (Institut für Germanistische Sprachwissenschaft)
Veranstaltung
Die Ortsnamen des Deutschen
Note
1,3
Autor
Jahr
2005
Seiten
36
Katalognummer
V137048
ISBN (eBook)
9783640448722
ISBN (Buch)
9783668122079
Dateigröße
3278 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
-itz, -witz, -leben, -hausen, Fuldische Cartulare, Hersfeld, Bonifatius, Missionierung, Thüringen, Ortsnamen, Ortsnamenbildung, Morphem, Siedler, Franken, Sachsen, Slawen, Hermunduringer, Germanen, Frankenreich, Klöster, Fulda, Saale, Sorben, Franken-, -ice, -ici, patronymisch, -winden, -wenden, -nitz, -litz, Kilian, Willibrord, Bistum Erfurt, Schreibzentren, thüringer Schreibzentren, Peterskloster, altthüringisch, Cartularband, Codex Eberhardi, ON, Lullus, Thietmar-Handschrift, Cassel, -born, -rode, -rieth, -wald, Rodung, Glas, Glashütte, Siedlung
Arbeit zitieren
Anne Skroblin (Autor:in), 2005, Der Einfluss der 'Besatzer' Thüringens auf die Thüringer Ortsnamen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/137048

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