Aufwachsen und Sozialisation im Kaiserreich

Vergleich einer bürgerlichen und einer Arbeiterfamilie im 19. Jahrhundert


Hausarbeit, 2006

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Die Bürgerliche Familie im Kaiserreich
2.2 Die Arbeiterfamilie im Kaiserreich
2.3 Unterschiede und Gemeinsamkeiten
2.4 Folgen der jeweiligen Sozialisation

3. Fazit und Erklärung zur Selbstständigkeit

1. Einleitung

In der nachfolgenden schriftlichen Arbeit beschäftige ich mich mit einer näheren Betrachtung der Familienverhältnisse in Deutschland um das 19. Jahrhundert herum. Als Grundlage für diese Arbeit habe ich im Vorfeld das Seminar „Aufwachsen Deutschland“ besucht, indem es um das Aufwachsen und die jeweiligen Sozialisationsinstanzen verschiedener zeitlicher Epochen ging. So wurde zum Beispiel die Jugend um die Jahrhundertwende, während der nationalsozialistischen Herrschaft oder in der zeit der DDR näher beleuchtet.

Gerade die Zeit um 1900 war eine sehr ereignisreiche Zeit für Deutschland. So war man bereits in der Phase der zweiten Industrialisierung angekommen, bahnbrechende Erfindungen und Entdeckungen in Wirtschaft und Medizin beherrschten das Leben, aber auch bitterste Armut als Preis des Aufschwungs im Schatten der Industrie war an der Tagesordnung. Dazu kamen noch Streitigkeiten um die Durchsetzung hegemonialer Interessen Deutschlands in Teilen der dritten Welt und Asiens und eine ständige, lodernde Gefahr des Ausbruchs eines Weltkrieges und stetiger Konkurrenzdruck mit anderen europäischen Staaten.

Inmitten dieser Situation befanden sich die Arbeiterfamilien und die bürgerlichen Familien als Stütze Deutschlands, da diese Form der Familien zahlenmäßig am stärksten vertreten war. Ich möchte diese Familientypen jeweils anhand von Beispielen vorstellen. Weiterhin möchte ich nach der jeweiligen Vorstellung Unterschiede und Gemeinsamkeiten in verschiedenen Lebensbereichen der genannten Familientypen vorstellen.

Darüber hinaus möchte ich untersuchen, ob es markante Unterschiede bei den Folgen der jeweiligen Sozialisation gibt. Dazu werde ich Lebensläufe und Erfahrungsberichte betrachten, um einfach festzustellen, inwieweit die „Kinderstube“ sich tatsächlich auch das spätere Leben ausgewirkt hat. Zur Unterstützung meiner Thesen nutze ich verschiedene Literatur, so zum Beispiel „Kindheit im Kaiserreich“, welches von Rudolf Pörtner herausgegeben wurde, und verschiedene Lebensläufe von unterschiedlichen Personen in Deutschland um 1900 betrachtet. Auch Michael Seyfarth-Stubenrauchs „Erziehung und Sozialisation in Arbeiterfamilien im Zeitraum 1870 bis 1914 in Deutschland“ oder verschiedene Beiträge von Christa Berg gehören zur verwendeten Literatur.

Abschließend fasse ich meine Erkenntnisse noch einmal zusammen.

Ich beschränke mich im gesamten Text auf Beispiele aus der Arbeiterschicht und der normalen bürgerlichen Schicht. Eine nähere Untersuchung der jeweiligen Unterschichten würde hier zu weit führen. Die gesamte Arbeit erfolgt nach der Formvorlage aus „Die schriftliche Arbeit“ vom Duden-Verlag.[1]

2.1 Die bürgerliche Familie im Kaiserreich

Betrachtet man die bürgerliche Familie, so muss man zunächst in bürgerliche und kleinbürgerliche Familie unterscheiden. Ich werde im weiteren Verlauf die kleinbürgerliche Familie noch mal im Unterschied zur bürgerlichen vorstellen. Die bürgerliche Familie war im 19. Jahrhundert in erster Linie dadurch gekennzeichnet, dass es stets versuchte, sich mondäner und wirtschaftlich besser gestellt zu zeigen, als sie es eigentlich war. Das Sprichwort „Mehr Schein als Sein“ trifft diesen Zustand exakt. So erörtert Christa Berg in ihrer Vorstellung der bürgerlichen Familie zunächst einmal, dass schon lange nicht mehr die typische Klientel zum Bürgertum gehörte, die es einmal war. Beamte, Gelehrte und Literaten waren nicht mehr die Träger dieser Gesellschaftsschicht. Um die Jahrhundertwende machte sich eine neue Gesellschaftsschicht bemerkbar, die aus Unternehmern, Bankiers und Großkaufleuten bestand. Diese wurde auch als der „neue Mittelstand“ bezeichnet. Mit Aufleben dieses „neuen Mittelstands“ verschwanden auch die typischen Attribute, die man dem Bürgertum stets nachgesagt hatte. Sparsamkeit, Häuslichkeit, Biedermeierei, Gemütlichkeit waren nicht mehr die Begriffe, mit denen man das Bürgertum charakterisieren konnte.[2]

Leistungswille, Arbeitsfanatismus, Zeitknappheit und rücksichtsloses Karrieredenken waren die neuen Adjektive, mit denen sich der „neue Mittelstand“ charakterisieren ließ. Wer auf den Gedanken kam, Solidität als obersten wert seiner Arbeit zu betrachten, wurde schnell dem Kleinbürgertum zugeordnet. Nebenbei hielt diese Form des Erfolgsdrucks auch beim Militär Einzug. Herbert Richter schreibt dazu in der Sammlung von Lebensläufen, dass auch beim ihm zu Hause, wo fast die gesamte Familie in das Militär involviert war, eine gewisse Hektik und der dafür verantwortliche Erfolgsdruck zu erkennen waren. Richter wuchs in einer bürgerlichen Familie nichtadligen Ursprungs in Dresden auf, und neben den ganzen Pflichten des Offiziers tagsüber, die aus Manövern, Dienst in der Kaserne und gesellschaftlichen Verpflichtungen bestanden, saß sein Vater stets jeden Abend da und arbeitete hart, um das tägliche Pensum an Dienstzeugnissen, taktischen Plänen, etc… zu bearbeiten. Das Bild des Offiziers, der abends im Offiziercasino Karten spielte und im Kreise der Kameraden trank, war dort eher selten zu sehen.[3]

Und dennoch war Richters Vater die Ernennung zum Major nicht vergönnt, weil aller Leistungswille nicht gereicht hat. Selbst der deutsche Beamte (Offiziere hatten ja fast denselben Status wie Beamte) war vor dieser neuen Bewegung nicht verschont.

Anzeichen eines gutbürgerlichen Hauses waren großzügige Wohnungen mit Repräsentationsräumen, wie einem Salon, möglichst zahlreichem Dienstpersonal, Kleiderluxus und kostspielige Sommerreisen. Nach innen jedoch wurde asketische Sparsamkeit an den Tag gelegt. So war es normal, dass die Empfangs-, Musik-, und Besuchszimmer straßenwärts lagen, pompös geschmückt waren, während die bürgerliche Familie im Normalfall in düsteren Kammern zum Hof wohnte. Man gab sich gegenseitig Diners, Aufwartungen und Salonmusik, nur um den vermeintlichen Reichtum zur Schau zu stellen und sich gegenseitig zu übertrumpfen. Die Kehrseite der Medaille war, dass viele Beamte, Professoren und Lehrer sich Nebeneinkünfte beschaffen mussten, um einen derartigen Lebensstil, der den des Adels imitieren sollte, zu unterhalten.[4]

Die klassische Rollenverteilung fand auch hier in der bürgerlichen Familie ihre Anwendung. So war es üblich, dass der Mann für den Unterhalt der Familie sorgte und die Frau zu einer „Kultur des Nichtstuns“[5] bestimmt war. In erster Linie war die Frau dafür da, das Personal zu beaufsichtigen, in selteneren Fällen durfte sie bei der Kindererziehung mitwirken, die sonst eher Ammen und Kindermädchen aufgetragen wurde. In ärmeren Verhältnissen der bürgerlichen Familie unterstützte die Frau den Haushalt durch Nähereien, Handarbeit oder Produktion von Lebensmitteln. Dies steht allerdings im krassen Gegensatz zu der eigentlichen bürgerlichen Frau, die weder einen Kinderwagen schieben sollte, noch im Haushalt einen Handgriff tätigen sollte. „[…] Sie muss einen Federhut und eine Pelzboa haben, sie muss zweiter Klasse fahren, […]“[6]. Das sind die Anforderungen an die moderne bürgerliche Frau. Wenngleich der Vater sich in der Familie meistens als weitgehend unsichtbar darstellte und alle Pflichten seiner Frau und den Bediensteten überließ, so war im Endeffekt jedoch die Kontroll- und Autoritätsinstanz. Durch das für die bürgerliche Familie typische Klischee, dass der Vater zurückgezogen in seinem Arbeitszimmer akademischen Aufträgen nachgeht, baute sich zwischen Vater und Kindern eine nicht unerhebliche Distanz auf. Bei den Kindern hatten die Söhne eindeutig das Vorrecht auf alles. Auf dem erstgeborenen Sohn lagen die Hoffnungen seiner Familie, er sollte später einmal das Geschäft des Vaters übernehmen oder dessen Beruf erlernen. Demnach wurde auch alles an monetären Mitteln oder Beziehungen genutzt, um den Filius nach Kräften zu fördern, dabei war es unerheblich, ob dieser über den Willen oder die geistigen Anlagen dafür verfügte. Töchter war es in der Regel verboten, einen Beruf zu erlernen.

[...]


[1] s. DUDEN – Die schriftliche Arbeit. Ein Leitfaden zum Schreiben von Fach-, Seminar- und Abschlussarbeiten in der Schule und beim Studium. Duden-Verlag, 3.Aufl., Bern 2002

[2] Vgl. Berg Christa: Familie, Kindheit, Jugend. In: Christa Berg (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band IV. Von der Reichsgründung bis zum Ende des ersten Weltkrieges. München 1991. S. 101

[3] Vgl. Richter, Herbert: Die Armee im roten Königreich. In: Rudolf Pörtner (Hrsg.) Kindheit im Kaiserreich. Erinnerung an vergangene Zeiten. ECON-Verlag.Düsseldorf 1987. S. 99 ff.

[4] Vgl. Berg Christa: Familie, Kindheit, Jugend. In: Christa Berg (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band IV. Von der Reichsgründung bis zum Ende des ersten Weltkrieges. München 1991. S.101

[5] Vgl. Berg Christa: Familie, Kindheit, Jugend. In: Christa Berg (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band IV. Von der Reichsgründung bis zum Ende des ersten Weltkrieges. München 1991. S.102

[6] Vgl. Berg Christa: Familie, Kindheit, Jugend. In: Christa Berg (Hrsg.): Handbuch der deutschen Bildungsgeschichte. Band IV. Von der Reichsgründung bis zum Ende des ersten Weltkrieges. München 1991.S.102

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Aufwachsen und Sozialisation im Kaiserreich
Untertitel
Vergleich einer bürgerlichen und einer Arbeiterfamilie im 19. Jahrhundert
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
16
Katalognummer
V136990
ISBN (eBook)
9783640446544
ISBN (Buch)
9783640446834
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Aufwachsen, Sozialisation, Kaiserreich, Vergleich, Arbeiterfamilie, Jahrhundert
Arbeit zitieren
Dipl.-Päd. Björn Scheffczyk (Autor:in), 2006, Aufwachsen und Sozialisation im Kaiserreich, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136990

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