Der Ruhrbergarbeiterstreik von 1889

Sozialer Wandel - Konflikt - Innovation


Seminararbeit, 1990

17 Seiten, Note: befriedigend


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

I. Intention und Vorgehensweise der Arbeit

II. Sozialer Wandel
II.1 Ursachen des Streiks
II.2. Anlass des Streiks

III. Konflikt/ Streikverlauf

IV. Ergebnisse des Streiks/ Innovation

V. Anhang/ Streikstatistik

VI. Verzeichnis der verwendeten Literatur

I. Intention und Vorgehensweise der Arbeit

Ziel dieses Referats ist, den Bergarbeiterstreik von 1889 – bei besonderer Be-rücksichtigung der Rolle des Staates – unter dem Gesichtspunkt „Sozialer Wandel – Konflikt – Innovation“ zu analysieren. Daher erfolgt im ersten Teil der Arbeit eine kurze Darstellung der Auswirkungen des sozialen Wandels an der Ruhr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die gleichzeitig Ursachen des Streiks von 1889 waren.

Es schließt sich eine Darstellung des Konfliktverlaufes an, wobei besonderes Gewicht auf die Rolle des Staates gelegt wird.

Abschließend soll versucht werden, die Ergebnisse des Konflikts, jeweils be-zogen auf die beteiligten Gruppierungen, im Hinblick auf Innovationen zu-sammenzufassen.

Der Komplex „Sozialer Wandel – Konflikt – Innovation“ basiert dabei haupt-sächlich auf dem Beitrag A. Gladens in dem Werk „Soziale Innovation und so-zialer Konflikt“, herausgegeben von Otto Neuloh, und Klaus Tenfeldes „Sozi-algeschichte der Bergarbeiter an der Ruhr im 19. Jh.“.

Für die Schilderung des Streikverlaufs wurde hauptsächlich das schon etwas äl-tere Werk von H.G. Kirchhoff „Die staatliche Sozialpolitik im Ruhrbergbau 1871-1914“ verwendet, während sich die Darstellung der Rolle der Regierung auf die Quellen in P. Grebes 1938 in der HZ erschienenen Beitrag stützt.

II. Sozialer Wandel

II.1 Ursachen des Streiks

Die Ursachen für den Streik von 1889 lagen in der Abkehr von der Intervention des Staats im Bergbau durch das Direktionssystem seit 1766/67 begründet, die sich in der preußischen Berggesetzgebung von 1861/65 manifestiert.

Die bedeutendste soziale Folge dieses Prozesses war eine Dekorporierung der Bergleute: Nach der (clevisch-märkischen) Bergordnung von 1766 waren die Bergarbeiter de facto vom Staat angestellt; es entstand eine privilegierte ständi-sche Organisation der Bergleute, der anzugehören eine gute Ausbildung und soziale Sicherheit (u.a. Knappschaften 1) versprach, und deren Korpsgeist sich in Umzügen, Fahnen und Uniformen manifestierte.

Mit der Einführung des freien Arbeisvertrages 1860 besaß der Bergmann nun lediglich den Status eines Lohnarbeiters, dem freien Spiel der Kräfte auf dem Arbeitsmarkt preisgegeben, was sozialen Abstieg (Proletarisierung) und damit eine erhöhte Konfliktbereitschaft zur Folge hatte.

Die Liberalisierung des Bergbaus führte gleichfalls zu einer insgesamten wirt-schaftlichen Expansion, die einen Mangel an Arbeitskräften zur Folge hatte, welcher durch teilweise organisierten Zuzug aus den östlichen Provinzen des Deutschen Reiches gedeckt wurde. Die Dimension dieses Zuzugs wird am Bei-spiel des Oberbergamtsbezirks Dortmund deutlich. Waren hier 1850 12.700 Bergleute beschäftigt, so waren es 1885 101.8002. Die Zugezogenen wurden von den ansässigen Bergleuten als Konkurrenten am Arbeitsmarkt begriffen und oft als „Polacken“ diskriminiert, wohingegen die Zugewanderten kaum ei-gene Vertretungen vorfanden und so desintegrierten. Somit bestand keine ein-heitliche Solidargemeinschaft der Bergarbeiter im Ruhrgebiet mehr. Demgegenüber hatte die Überführung des staatlich dirigierten Bergbaus in pri­vate Unternehmerverantwortung zu einer uneingeschränkten Unternehmerherr-schaft geführt. Die so möglich gemachte arbeitsrechtliche Diktatur – so konnte z.B. der Unternehmer eigenmächtig die Betriebsordnung bestimmen – führte zu einem “Grubenmilitarismus“ im Zechenbetrieb, der das Verhältnis zwischen Betriebsleitung und Belegschaft auf “Befehl und Gehorsam“ festlegte.

II.2. Anlass des Streiks

Ende der achtziger Jahre des 19. Jahrhunderts kam es zu einer konjunkturellen Verbesserung des Bergbaus nach einer seit 1874 andauernden Krise. Um die Produktion steigern zu können, wurden disziplinarische Zwänge zu Über-schichten eingeführt, doch die Löhne zogen der Konjunktur kaum nach; dies bei steigenden Kohlen/- Lebenshaltungskosten. Ein weiteres Problem stellten die (durch die sich vergrößernde Abbautiefe der Grubenanlagen) verlängerten Wege zur und von der Arbeitsstelle unter Tage dar, was bei einer reinen acht-stündigen Arbeitszeit vor Ort eine erhebliche Verlängerung der Arbeitszeit be-deutete.

Etwa gleichzeitig fanden (sozialdemokratische) Organisierungsversuche der Bergarbeiter über die Knappschaftsverbände statt, da andere öffentliche Betäti-gungen durch das Sozialistengesetz verboten waren. Ergebnisse dieser politi-schen Aktivitäten waren eine Petition3 und vor allem die Einberufung eines all-gemeinen Bergarbeitertages für den Juni 1889.

Eine entscheidende Wendung aber fand durch das in Vordergrundtreten der Lohnfrage auf einer Versammlung am 7.4. in Essen statt. Die dort formulierten Hauptforderungen: 15 %ige -Lohnerhöhung, Abschaffung der Überschichten, 8-Stunden-Schicht einschließlich Ein- und Ausfahrt wurden als Zirku-lar/Petition4 an die Zechenverwaltungen gesandt.

Die – meist sozialdemokratischen – Arbeiterführer waren zunächst gegen die Lohnforderung gewesen, die in dieser Situation zum Streik führen musste, da ihr Hauptziel zunächst der Aufbau einer Organisation der Bergleute war. Sie griffen sie hauptsächlich zur Wahrung der eigenen Führungsposition aufgrund des starken Drucks der Basis auf.

Da die Unternehmer sich nicht einmal bereitfanden, über die Forderungen zu verhandeln, verschärfte sich noch die Kampfbereitschaft der Bergarbeiter, bis schließlich der Konflikt ausbrach.

III. Konflikt/ Streikverlauf

Obwohl der Verlauf der Essener und anderer Versammlungen den Gedanken an eine Arbeitseinstellung aufgrund der Haltung der Arbeiterführer nicht nahe legte, begann der Ausstand Anfang Mai5 in den nördlichen Gruben des Ruhr-gebiets. Erste begrenzte Arbeitsniederlegungen Ende April/ Anfang Mai waren durch örtliches Entgegenkommen beigelegt worden, doch auch schon hier wa-ren die am ehesten Konfliktbereiten jugendliche „Schlepper“ und Pferdetreiber, in der Hierarchie der Bergleute die untersten und schechtbezahltesten.

Am 4. 05. 1889 kam es in Gelsenkirchen zu einer Auseinandersetzung zwi-schen Streikenden der Zeche „Moltke“ und der Polizei, woraufhin die – ebenso wie die Zechen – völlig überraschten Behörden Militär anforderten, das auch am Nachmittag des folgenden Tages dort eintraf. Als Reaktion darauf legten nun immer mehr Bergarbeiter die Arbeit nieder, spontan erweiterte sich der Ausstand, auch auf die westlichen Reviere. Da keine allgemeine Organisation vorhanden war, entschied anfangs jede Belegschaft selbst, wie sie sich verhal-ten sollte.

Am 6. 05. befanden sich rund 35.000 Bergleute im Streik.6 An diesem Tage te-legrafierte Wilhelm II. aus Kiel dem Oberpräsidenten v. Hagemeister in Müns-ter, er erwarte Bericht über Ursache und Ausdehnung des Arbeiteraufstandes. Vorausgegangen war eine Meldung des Oberbefehlshabers des VII. Armee-korps mit Standort Münster, in Gelsenkirchen sei ein größerer „Arbeiterauf-stand“ ausgebrochen. v. Hagemeister erklärte das Verlangen der Arbeiter, ihre Löhne den gestiegenen Kohlepreisen anzugleichen als Ursache, diese „ an sich vielleicht nicht ganz unberechtigte Bewegung“7 werde aber durch die Sozial-demokraten ausgenutzt. Später dementierte er, dass der Streik berechtigt sei.

[...]


1 Eine Sozialversichungskasse nur für Bergleute. „Knappe“ ist eine volkstümliche Bezeichnung für Bergarbeiter

2 GLADEN, S. 106

3 An den Minister für öffentliche Arbeiten, betreffs der Gesundheitsversorgung der Bergarbeiter und ihrer Ange-hörigen, KOCH, S. 33

4 Vgl. TENFELDE, S. 583, Anmerkung 15: „Über den Charakter des verabschiedeten Textes... war man offen-kundig im Zweifel.“

5 Eine mögliche Bedeutung des 1. Mai als zusätzlicher Streikanlass ist unwahrscheinlich, da seine Ursprünge zwar bis in die Mitte des 19. Jh. (vor allem in den USA und Frankreich) zurückreichen; doch erst die vom 14. Juli an in Paris tagende II. Sozialistische Internationale beschloss eine international Kundgebung für den 8-Stunden-Tag am 1.5.1890, wodurch dieses Datum seine Bedeutung als „Tag der Arbeit“ erhielt.

6 Zur jeweiligen Anzahl siehe V. : Streikstatistik

7 KIRCHHOFF,. S. 51

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Der Ruhrbergarbeiterstreik von 1889
Untertitel
Sozialer Wandel - Konflikt - Innovation
Hochschule
Ruhr-Universität Bochum  (Fakultät für Geschichtswissenschaft)
Veranstaltung
Integriertes Proseminar Staatsorganisation
Note
befriedigend
Autor
Jahr
1990
Seiten
17
Katalognummer
V136480
ISBN (eBook)
9783640448173
ISBN (Buch)
9783640447961
Dateigröße
406 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Ziel dieses Referats ist, den Bergarbeiterstreik von 1889 unter dem Gesichtspunkt „Sozialer Wandel – Konflikt – Innovation“ zu analysieren. Daher erfolgt im ersten Teil der Arbeit eine kurze Darstellung der Auswirkungen des sozialen Wandels an der Ruhr in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die gleichzeitig Ursachen des Streiks von 1889 waren. Es schließt sich eine Darstellung des Konfliktverlaufes an. Abschließend soll versucht werden, die Ergebnisse des Konflikts, jeweils bezogen auf die beteiligten Gruppierungen, im Hinblick auf Innovationen zusammenzufassen.
Schlagworte
Kaiserdeputierte, Streik, Allgemeines Berggesetz, Alter Verband, Verein für bergbauliche Interessen, Bismarck, Kaiser Wilhelm II, von Berlepsch, Neuer Kurs, Sozialgeschichte
Arbeit zitieren
Ralf Wissner (Autor:in), 1990, Der Ruhrbergarbeiterstreik von 1889, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136480

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