Die geistige Pilgerreise im 15. Jahrhundert

Eine Betrachtung der 20 Regeln in Felix Fabris 'Sionpilger'


Hausarbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1 Die geistige Pilgerreise

2 Felix Fabri
2.1 Die Sionpilger
2.2 Die regel vnd ordnung der gaistlichen bilgerfart

3 Schlussbetrachtung: Resumée

Literatur- und Quellenverzeichnis

Einleitung

Eine gewisse Aktualität brachte das Seminar Pilgerberichte des 15. Jahrhunderts im Sommersemester 2008 schon mit sich, da heute auch Prominente wie Hape Kerkeling das Pilgern nicht verschwinden lassen und Religion u.a. durch den Welt-Jugend-Tag wieder in den Alltag unserer modernen Gesellschaft tritt.

Bei der Literaturrecherche stieß ich auf die so genannte ‚geistliche’ Pilgerfahrt, die mein Interesse sofort weckte – doch in der sämtlichen Literatur ist dieses Genre ziemlich spärlich vertreten. Felix Fabri, der wohl fleißigste und und bekannteste der Pilgerberichtsautoren jedoch verfasste im 15. Jahrhundert Die Sionpilger , eine Anleitung für Menschen, die nicht real an einer Pilgerreise teilnehmen konnten und aus diesem Grund auf eine Wallfahrt im Geiste angewiesen waren. Schon im Spätmittelalter also bemächtigte man sich der Mittel der modernen Autosuggestion, denn nichts anderes ist die geistliche Pilgerreise.

Da die Sekundärliteratur eben sehr spärlich ist, konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf Felix Fabris Die Sionpilger und die 20 Regeln, die eine erfolgreiche Pilgerreise im Geiste gewährleisten sollen. Zunächst wird das Phänomen der geistlichen Wallfahrt näher betrachtet werden, was Gründe, Vorteile etc. anbelangt. Auch die verschriftlichte geistliche Wallfahrt wird als literarisches Genre hinzukommen. Immer wieder wird an gegebener Stelle der eine oder andere Aspekt des real Reisenden miteingebracht werden.

Im zweiten Teil wird näher auf den Dominikanermönch Felix Fabri eingegangen werden, und sein Stil im Werk der Sionpilger , welches anschließend vorgestellt werden wird. Im Anschluss daran werden die von Fabri aufgestellten 20 Regeln der geistlichen Pilgerfahrt genauer betrachtet werden, um dann anschließend alle Erkenntnisse in einem Resumée zum Schluss festzuhalten und so zu einem deutlicheren Gesamteindruck dieser stets so kurz erwähnten Untergruppe der Wallfahrten zu gelangen.

1. Die geistige Pilgerfahrt

Wie bereits in der Einleitung erwähnt, ist die das Phänomen der geistigen Pilgerreise in der Literatur sehr spärlich vertreten. Der Terminus ‚geistliche Pilgerfahrt’ tritt im literaturwissenschaftlichen Diskurs nicht auf.1 Hier soll die Begrifflichkeit der geistigen Pilgerreise auf die Pilgerreise im Geiste angewandt werden, da es auch weltliche Pilgerfahrten gab und auch noch gibt, und der Begriff der geistigen Pilgerreise explizit ausdrückt, dass die Reise in der Vorstellungskraft stattfindet.

Aufgrund mehrerer Faktoren war es vielen Menschen nicht möglich, eine Wallfahrt zu unternehmen. Dennoch gab es für diese Hoffnung, die eigene Seele Gott anzuvertrauen. Branthomme erklärt hierzu:

Alle erinnerten sie daran, daß das Wichtigste im christlichen Leben nicht in äußeren Gesten besteht, so verdienstlich auch ihre Mühe war, die sie kosteten. Im Herzen eines jeden wurden die entscheidenden Anstrengungen geleistet, und um sich von schlechten oder auch nur mittelmäßigen Gewohnheiten zu lösen, mußte man nicht sein Haus verlassen. Dieser Standpunkt wurde zunächst von Mönchen und Klosterfrauen vertreten, die ihre Ehrfurcht vor der Ordensregel im Kloster festhielt. Dies wurde vor allem in den Ländern nördlich der Alpen gelehrt: Die niederländische Schule der Spiritualität, die diese moderne Frömmigkeit verbreitete, machte aus dem Christentum ein geistliches Abenteuer. Die Wallfahrt wurde eine spirituelle Übung. Sie konnte im Zimmer unternommen werden.2

Die Gründe, die die leibliche Pilgerreise verhinderten, waren vielfältig: Entweder mangelte es an den finanziellen Mitteln, der Gesundheit oder es wurden die zahlreichen Gefahren gescheut.3 Für Frauen, insbesondere Nonnen, war das Pilgern so gut wie nicht möglich, sodass die geistige Pilgerreise gerade für diese eine kompensierende Alternative bot.4 Diejenigen, denen es vergönnt war, das häusliche Umfeld zu verlassen, gingen in ihrem Zimmer oder Kloster auf und ab.5 Üblich war es auch, von Kirche zu Kirche im Wohnort zu pilgern oder zur nächsten Kapelle.6 Branthomme hierzu: „Wie in einem Spiel ahmten sie im kleinen Maßstab nach, was sie im großen eher für unentbehrlich hielten.“7 Doch soll die]se Vorgehensweise nicht abgewertet werden – Die geistige Pilgerreise ermöglichte es dem frommen Pilger, „[...] die notwendige Bereitschaft für seine Nähe zu Gott zu ermöglichen.“8 Hierbei was es sehr wichtig, sich die Örtlichkeiten im Heiligen Land genauestens vorzustellen und durch verschiedene Hilfsmittel wie Aufbauten unterschiedlicher Künstler einen genauen Eindruck der Pilgerreise und der heiligen Stätten zu erlangen.9 Im Zentrum der geistigen Pilgerreise stand jedoch das Gebet, wie Branthomme erklärt:

Doch waren diese Darstellungen nicht mehr als Hilfsmittel, die dem geistlichen Pilger halfen, seine Frömmigkeit zu stärken. Das Wichtigste war das Gebet. Dies konnte gesprochen werden. Ein Text, der lange Gerson zugeschrieben wurde, rät im Jahr 1423, an jedem Tag zehn Vaterunser zu beten, wie der Reisende täglich zehn Meilen zurücklege. Das gesprochene Gebet sollte die Betrachtung einleiten und sie unterstützen. Die Wallfahrt wurde das allegorische Gewand des Gebets.10

Carls’ Definition einer literarischen geistigen Pilgerreise lautet folgendermaßen: „Als geistliche Pilgerfahrt ist jeder Text zu verstehen, der darauf ausgerichtet ist, den Rezipienten in Form einer im Geiste vollzogenen Reise an bestimmte Orte des Heils zu führen!“11 Die Verschriftlichung der geistigen Pilgerreise bildet ein eigenes Genre, bei dem es um den Gedanken des Lebens als Pilgerfahrt geht.12 Ganz-Blättler hierzu:

Bald erweist sich das Ziel als Himmlisches Jerusalem und die Traumreise als Lebensreise, die den Träumenden mit unzähligen allegorischen Gestalten konfrontiert: „ Gottes Gnade “ und „ Redelichkeit “ begleiten den Pilger auf seinem mühseligen Weg, unerwegs wirft sich der Gottesgnade eine wilde Dame namens „ Nature “ zu Füssen, Aristoteles verliert ein (reichlich manipuliertes) Wortduell gegen die „Sapientia“, und „Caritas“ erklärt dem Pilger beziehungsweise dem Leser die Bedeutung der christlichen Sakramente. Pilgertasche und –stab finden sich umgedeutet zu Symbolen für Glaube und Hoffnung, die Rüstung aber, welche dem Träumer allzuschwer zum Tragen erscheint (sie besteht aus diversen frommen Tugenden), wird ihm von Frau „ Gedächtnis “ hinterhergetragen.13

Auch verweist sie auf die zwei bedeutenden Merkmale dieses Genres, einmal die Verbindung von Traum und Pilgerfahrt, dann auch der Symbolismus. 14

Die allegoische Deutung des Lebens als Pilgerfahrt findet sich auch in zahlreichen zeitgenössischen Abbildungen vergegenwärtigt, beispielsweise in der Darstellung des „Pilgerschiffs“, das den wankelmütigen Christen durh Stürme und Widrigkeiten sicher ans andere Ufer und damit ins Himmelreich befördert. Wichtig ist in disem Zusammenhang die Feststellung, dass auch der „ganz normale“ Pilgerbericht von dieser allegorischen Ausgestaltung des Themas in Wort und Bild in erheblichem Masse beeinflusst worden ist – wo immer ein Pilgerberichtautor literarische Ambitionen an den Tag legt, geschieht es im Sinne einer Transzendenz in Richtung der „Geistlichen Pilgerfahrt“.15

[...]


1 vgl. Carls, Wieland (Hrsg.): Felix Fabri, Die Sionpilger . Berlin: Erich Schmidt, 1992. Texte des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, S.23

2 Branthomme, Henry/Chélini, Jean (Hrsg.): Auf den Wegen Gottes. Die Geschichte der christlichen Pilgerfahrten . Paderborn: Bonifatius, 2002, S.167

3 vgl. Carls, S.22

4 vgl. Carls, S.23

5 vgl. Branthomme, S.168

6 vgl. ebenda.

7 vgl. ebd.

8 vgl. ebd.

9 vgl. ebd.

10 vgl. ebd.

11 Carls, S.23

12 vgl. Ganz-Blättler, Ursula: Andacht und Abenteuer . Berichte europäischer Jerusalem- und Santiag-Pilger (1320­1520) . Gunter Narr Verlag Tübingen: Tübingen 1990, S.261

13 Ganz-Blättler; S.262.

14 vgl. ebenda.

15 ebd.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die geistige Pilgerreise im 15. Jahrhundert
Untertitel
Eine Betrachtung der 20 Regeln in Felix Fabris 'Sionpilger'
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Germanistisches Seminar)
Veranstaltung
Pilgerberichte des 15. Jahrhunderts
Note
1,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V136438
ISBN (eBook)
9783640447800
ISBN (Buch)
9783640447916
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Pilgerreise, geistige Pilgerreise, Literatur des Mittelalters, Felix Fabri, Sionpilger, geistliche Literatur
Arbeit zitieren
Alev Cingöz (Autor:in), 2007, Die geistige Pilgerreise im 15. Jahrhundert, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136438

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