Gesetzliche Mindestlöhne für Deutschland?


Hausarbeit, 2009

31 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Mindestlöhne in der Theorie
2.1 Neoklassisches Standardmodell
2.1.1 Einordnung
2.1.2 Das Modell
2.1.3 Theoretische Implikationen und Bewertung
2.2 Monopson
2.2.1 Einordnung
2.2.2 Das Modell
2.2.3 Theoretische Implikationen und Bewertung
2.3 Effizienzlöhne
2.3.1 Einordnung
2.3.2 Die Modelle
2.3.3 Theoretische Implikationen und Bewertung
2.4 Kombilohn
2.4.1 Einordnung
2.4.2 Das Modell
2.4.3 Theoretische Implikationen und Bewertung
2.5 Weitere Modelle

3 Empirische Evidenz
3.1 Überprüfung der theoretischen Hypothese
3.1.1 Monopson
3.1.2 Effizienzlöhne
3.1.3 Kombilohn
3.2 Bestehende Mindestlohnregelungen in Deutschland
3.2.1 Arbeitnehmerentsendegesetz (AEntG)
3.2.2 Arbeitslosengeld 2 (ALG II)
3.2.3 Tarifverträge
3.2.4 Sittenwidrigkeit und Lohnwucher
3.3 Auswirkungen vor Ort
3.3.1 Mögliche erwünschte Auswirkungen
3.3.2 Mögliche unerwünschte Auswirkungen
3.3.3 Bestehende Auswirkungen

4 Resümee

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Mindestlohn im Monopsonfall 4

Abb. 2: Einführung eines Mindest- und Kombilohnes

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Ausgabenverteilung zu verschiedenen Zeitpunkten

1 Einleitung

Die Einführung eines Mindestlohnes in Deutschland wird sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaftswissenschaft seit langer Zeit diskutiert. Erklärtes Ziel ist es, die Armut von Be­schäftigten der untersten Lohngruppen zu mildern. Ob jedoch ein Mindestlohn das geeignete Mittel für dieses Ziel darstellt bleibt fraglich und bei weitem nicht jeder Ökonom ist sich so sicher wie Professor Franz: „Über kaum einen anderen Sachverhalt besteht in der Volkswirt­schaftslehre so viel Einigkeit wie über die schädlichen Wirkungen von Mindestlöhnen"[1]. Vielmehr kann die Frage nach der Zweckmäßigkeit eines Mindestlohns kaum abschließend beantwortet werden, denn zu komplex sind der Arbeitsmarkt, sowie die möglichen Ausge­staltungen und Effekte eines Mindestlohnes. So vermag auch dieser Beitrag kein abschließendes Urteil zu fällen, sondern soll einen Beitrag zur wirtschaftswissenschaftlichen Diskussion liefern.

Das Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die aktuelle Lage zum Thema der Mindestlöhne auf dem Gebiet der Theorie und Praxis zu analysieren und dabei zu ergründen, ob sich die dargestellten modell-theoretischen Erkenntnisse in der Praxis wiederfinden, bzw. ob sich die theoretischen Modelle auf die Praxis übertragen lassen.

Der Aufbau der vorliegenden Arbeit folgt der deduktiven Methode. Die Analyse beginnt bei dem Ursprung aller Betrachtungen zum Thema Mindestlohn, dem neoklassischen Modell von Stigler (1946) und dessen theoretischer Hypothese. In der Folge werden Erweiterungsformen des neoklassischen Modells beispielhaft aufgezeigt. Es geht dabei um die Erkenntnis, dass das neoklassische Modell durchaus für die Erklärung der grundlegenden Zusammenhänge des Marktes adäquat ist, jedoch auch eine Reihe von Unzulänglichkeiten aufweist, die teilweise beim Thema Mindestlohn sichtbar werden. Um intensiver auf die Beschreibung der Modelle, die Bewertung und auf die Auswirkungen bzw. Erscheinungen in der Realität eingehen zu können, beschränkt sich dieser Beitrag auf wenige ausgewählte Modelle. Die betrachteten Modelle basieren zwar auf dem neoklassischen Modell, erweitern oder verändern dies jedoch grund­legend, sodass es zu einer anderen Hypothese in der Bewertung von Mindestlöhnen kommt. Bei der Betrachtung stehen die Wirkungen auf die Arbeitslosigkeit[2] im Vordergrund, doch auch Anreizgesichtspunkte, wie zum Beispiel beim Modell der Effizienzlöhne, stehen zur Debatte.

Die theoretischen Modelle werden dargestellt, um die grundlegenden Effekte und ver­ursachten Probleme eines Mindestlohnes von der komplexen Realität abstrahiert aufzuzeigen. Damit wird eine differenzierte Analyse der tatsächlichen Auswirkungen anhand der empirischen Untersuchungen möglich.

Im zweiten Teil der Arbeit stehen die Erscheinungsformen der aufgezeigten Modelle im Arbeitsmarkt und die Erforschung der Auswirkungen eines (zukünftigen) Mindestlohns im Vordergrund. Dieser Abschnitt dient zum Einen der Argumentationsübersicht und zum Anderen der praktischen Überprüfung der theoretischen Modelle und deren Hypothesen.

2 Mindestlöhne in der Theorie

2.1 Neoklassisches Standardmodell

2.1.1 Einordnung

Die neoklassische Standardargumentation[3] in Bezug auf Mindestlöhne, hat bis heute weit­reichenden Einfluss auf das Verständnis der Marktreaktion bei Einführung eines Mindestlohnes. Dieses Modell wird von den meisten Lehrbüchern und Gegnern eines Mindestlohns, vor allem aufgrund seiner Einfachheit und natürlichen Intuition zitiert. Jedoch wird es vielfach auf Grund dieser Einfachheit kritisiert und so sind in der jüngeren Vergangenheit viele Erweiterungen des neoklassischen Modells entstanden, die versuchen, die Einflüsse eines Mindestlohnes realitäts­näher abzubilden.

Das Modell stellt die Auswirkungen eines exogenen Einflusses auf das reale Lohnniveau dar und sagt in Fol ge dessen eine Veränderung der Beschäftigung voraus. Im Folgenden soll das neo­klassische Modell in Bezug auf einen Mindestlohn kurz dargestellt werden[4].

Die Einfachheit des Modells hat den Ursprung in den wenig realitätsnahen Annahmen wie vollkommener Wettbewerb, homogenen Arbeitern und perfekter Information. Ferner verhalten sich Arbeitnehmer als Gewinnmaximierer und Arbeitgeber als Nutzenmaximierer, und nehmen den Lohnsatz als gegeben an[5]. Das Modell liefert ein grundlegendes Verständnis für das Ver­halten des Marktes und eignet sich als Ausgangspunkt für weiterführende Betrachtungen, bei denen einzelne Annahmen gelockert werden.

2.1.2 Das Modell

Auf dem Arbeitsmarkt ergibt sich im Schnittpunkt der aggregierten Angebots- und Nachfrage­funktion ein Gleichgewichtslohn, bei dem Vollbeschäftigung[6] herrscht. Dabei werden die Arbeit­nehmer auf dem Arbeitsmarkt ausschließlich nach der Grenzproduktivität der Arbeit entlohnt. Die Grenzproduktivität in Bezug auf Arbeit ist als Outputsteigerung je zusätzlicher Arbeitsstunde definiert. Dabei ist zu beachten, dass der Output als Nutzen für den Arbeitgeber zu inter­pretieren ist. Im Niedriglohnbereich tritt das Problem auf, dass die Grenzproduktivität bei Voll­beschäftigung unter dem Existenzminimum liegt[7]. Dies lässt einen bindenden Mindestlohn, d.h. einen Lohnsatz über dem Gleichgewichtslohnsatz, vorteilhaft erscheinen, um damit den Lohnsatz zu erhöhen. Jedoch führt ein solcher Mindestlohn zu Arbeitslosigkeit. Diese ergibt sich durch die Differenz von Arbeitsangebot und -nachfrage[8] bei diesem Lohn. Intuitiv lässt sich dies damit erklären, dass zu einem höheren Lohn mehr Personen diese Arbeit ausüben möchten, aber gleichzeitig weniger Arbeitsplätze angeboten werden. Die Arbeitslosigkeit kann nur verringert werden, indem der Preis für Arbeit, mit dem Lohn als ein Bestandteil, sinkt oder die Produktivität steigt. An beiden Stellen setzt das in Abschnitt 2.4 diskutierte Kombilohnmodell an.

Technologien und Arbeitsprozesse (vor allem die arbeitsintensiven) werden durch den Anstieg der Arbeitskosten unprofitabler und eventuell in solchem Maß, dass sie durch effiziente und fortschrittliche Technologien abgelöst werden, die weniger Arbeitskräfte benötigen. Die nun eingesetzten Arbeiter besitzen oftmals eine höhere Produktivität, nicht nur durch die neue Technologie, sondern z. B. auch durch eine bessere Ausbildung[9]. Es entsteht Arbeitslosigkeit durch die Substitution von Arbeit durch Kapital[10] und durch den Wegfall all jener Arbeiter deren Produktivität unter dem Mindestlohn liegt, was wiederum die gesamtwirtschaftliche Produktion reduziert[11]. Jedoch kann dieser Effekt durch einen Anstieg der Produktivität kompensiert werden[12]. Wobei dies jedoch nach Stigler (1946) nicht sehr glaubhaft ist, da die Beschäftigten im Niedriglohnsektor zumeist schon am Rande ihrer Möglichkeiten arbeiten, um ein akzeptables Einkommen zu erzielen[13]. Ebenfalls verwirft Stigler die Schocktheorie, nach der die Arbeitgeber zu den erwähnten Investitionen und Innovationen gezwungen sind, um ihre Produktionskosten zu halten. Nach der These Stiglers stehen die Betriebe im Niedriglohnsektor unter so starkem Wettbewerbsdruck, dass sie ihre Preise nicht erhöhen können und daher bereits effizient arbeiten[14]. Diese Argumentation geht jedoch am Kern der Auswirkungen einer Einführung eines Mindestlohnes vorbei: Die Änderung des Faktorpreisverhältnisses (w/r). Unter dieser neuen Bedingung ist jedes Unternehmen gezwungen sein kostenminimales Faktoreinsatzverhältnis (K*,L*) zu überdenken und ggf. Investitionen vorzunehmen. Effizienz ist durch den Wett­bewerbsdruck vor und nach der Mindestlohneinführung gegeben.

Die Annahmen des neoklassischen Arbeitsmarktmodells lassen Raum für Kritik. Einem Teil dieser Kritik wird durch modifizierte Modelle begegnet. So wird beispielsweise im Monopson die Annahme über die Preisnehmereigenschaft des Arbeitgebers gelockert. Weiterhin ignoriert das Modell durch seine partialanalytische und komperativ-statische Herangehensweise die Effekte auf anderen Märkten bzw. dynamische Auswirkungen, die durch eine Änderung des Arbeitsmarktgleichgewichts entstehen, so z. B. ein Nachfrageanstieg in Folge der gestiegenen Lohnsumme. Siehe dazu Abschnitt 3.3.1.

2.2 Monopson

2.2.1 Einordnung

Die Arbeitsmarktkonstellation des Monopsons und der theoretisch positive Effekt des Mindestlohns sind schon seit Stigler (1947, S. 360) bekannt. Der Begriff des Monopsons und das im Folgenden dargestellte Grundmodell gehen jedoch auf Robinson (1969, S. 215) zurück. Als Monopson wird das Nachfragemonopol bezeichnet, insbesondere ist damit gemeint, dass sich viele Arbeitsnachfrager (Arbeitnehmer) aber nur ein Arbeitsanbieter (Arbeitgeber) auf dem Markt befinden. Der Arbeitgeber hat daher eine Marktmacht und kann den Lohn unter dem Gleichgewichtslohn festlegen, er nimmt folglich den Lohnsatz nicht mehr als exogen an. Beim

Monopson kommt es zu zweierlei Effekten gegenüber dem Referenzfall. Zum Einen findet ein monetärer Transfer von Arbeitnehmern zu Arbeitgebern statt (Lohnsenkung), zum Anderen entsteht ein Wohlfahrtsverlust durch den Beschäftigungsrückgang. In der Folge wird sich zeigen, dass ein Mindestlohn beide Effekte beheben kann.

Die folgende Darstellung skizziert das klassische Monopsonmodell und erläutert die Aus­wirkungen einer Einführung eines Mindestlohns.

2.2.2 Das Modell

Dadurch, dass nur ein einziger Nachfrager auf dem Markt existiert, ist die Arbeitsangebots­funktion für den Monopsonisten gleich dem Gesamtarbeitsangebot. Daher nimmt er das Arbeits­angebot nicht mehr als gegeben an und sieht sich einer steigenden Arbeitsangebotskurve und nicht einer vollkommen elastischen gegenüber[15].

Das Marktgleichgewicht kennzeichnet sich nicht wie im Polypol durch die Eigenschaft Grenzkosten der Arbeit (Lohn) = Grenzproduktivität aus, sondern der Arbeitgeber setzt den Lohn auf Höhe des Arbeitsangebots fest (wM) und nutzt dadurch seine Marktmacht aus. Dabei entsteht eine Arbeitsnachfragelücke („negative Arbeitslosigkeit"), da bei diesem gegebenen Lohnsatz die Arbeitsnachfrage das Arbeitsangebot übersteigt.

Abb. 1: Mindestlohn im Monopsonfall

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Grafisch entspricht der Lohntransfer („Ausbeutung der Arbeitnehmer") der Fläche (w* — wM) * LM und der Wohlfahrtsverlust durch den Beschäftigungsrückgang (L* — LM) dem Dreieck zwischen dem Gleichgewichtspunkt und LM. Bei Einführung eines optimalen Mindestlohns (w) steigt die Beschäftigungsmenge auf L und der Lohn entspricht dem Gleichgewichtslohn im Polypol-Fall (w*)[16]. Formal resultiert dies daraus, dass die Grenzkosten der Arbeit, die aus dem Lohnsatz bestehen, bis zu einem Lohnsatz von w* unter der Grenzproduktivität (P * (dF/dL)) liegen[17]. Eine Ausweitung der Beschäftigung ist daher vorteilhaft für den Monopsionisten. Ein Mindestlohn oberhalb w* reduziert die Beschäftigungsmenge, eventuell sogar unter das Niveau vor der Einführung eines Mindestlohns (w > w ^ L < LM). Es ergibt sich folglich eine Spanne innerhalb derer ein Mindestlohn vorteilhaft ist.

Die Erkenntnis der vorangegangen Betrachtung liegt darin, das im Fall eines Monopsons ein Mindestlohn sich positiv auf Beschäftigung und Wohlfahrt auswirken kann, sofern der Mindest­lohn bindet [w > wM) und dieser nicht zu hoch gewählt wird [w < w ). Intuitiv lässt sich dies damit erklären, dass der Mindestlohn die Marktmacht des Arbeitgebers durch den Zwang zu einem höheren Lohn aufhebt und dadurch das übliche Marktergebnis entsteht oder um es mit den Worten von Joan Robinson [1969, S. 299) zu sagen: ,,It is possible to remove exploitation which is due to imperfection of the labour market by imposing a minimum wage, instead of by making the market for labour perfect."

Die Schwierigkeit der Theorie des Monopsons besteht weniger im Modell und der Hypothese selber, sondern vielmehr in der Frage, wann die Annahmen des Modells in der Realität zutreffen. Es wird zwar die Vorteilhaftigkeit eines Mindestlohns gezeigt, aber dies ist nur die Hälfte der Lösung, denn die Regierung steht vor dem Problem, welchen Mindestlohn sie festlegen soll und vor allem in welchen Bereichen.

Die Existenz lediglich eines einzelnen Arbeitsnachfragers ist die am häufigsten in Frage gestellte Annahme des Modells[18] und wird daher oftmals mittels einer erweiterten Definition des Begriffs abgeschwächt. Bei dieser wird schon von einem Monopson gesprochen, wenn der Arbeitgeber einen mehr als üblichen Einfluss auf die Lohnhöhe hat, es ist also nicht zwingend erforderlich das nur ein einziger Nachfrager auf dem Markt existiert. In diesem Zusammenhang wird die Existenz eines Monopson immer dann angenommen, sobald sich ein einzelner Arbeit­geber einer steigenden, und nicht vollkommen elastischen Arbeitsnachfragekurve gegenüber sieht[19]. Dies resultiert daraus, dass der Monopsonist das Arbeitsangebot nicht als gegeben hinnimmt, sondern dass das Arbeitsangebot von seinem Lohn abhängt. In Zusammenhang mit der erweiterten Definition wird oftmals von einer monosonistischen Konkurrenz gesprochen[20]. Hierbei wird eine wenig plausible Annahme des neoklassischen Modells gelockert, nach der einer der Arbeitgeber bei einer marginalen Lohnreduktion sofort alle Arbeitnehmer verliert [vollkommene Elastizität). In der Realität gibt es eine Reihe von Gründen für eine inelastische Arbeitsnachfrage auf die im Rahmen der Analyse der empirischen Evidenz in Abschnitt 3.1.1 näher eingegangen wird. Abschließend sei die Existenz des Gegenteils eines Monopsons, ein

Angebotsmonopol, angemerkt. Aus diesem resultiert in Folge des Monopols oft ein sehr hoher Lohn. Diese Marktform ist oftmals bei Personen der Zeitgeschichte, wie berühmten Künstlern, gegeben, die aufgrund ihrer Alleinstellungsmerkmale nicht substituierbar sind.

2.3 Effizienzlöhne

2.3.1 Einordnung

Bei der Theorie der Effizienzlöhne stehen eine Analyse der Lohnbildung und eine Erklärung für Arbeitslosigkeit im Gleichgewichtszustand im Vordergrund. Dieser Ansatz untersucht die Effekte von Mindestlöhnen genau wie alle anderen Modelle in diesem Beitrag, außer den Wachstums­modellen, in einer komperativ-statischen Analyse[21] und basiert auf dem partialanalytischen neo­klassischen Arbeitsmarktmodell[22].

Die Grundidee hinter der Effizienzlohntheorie ist die, dass ein höherer Lohn nicht nur ein Kostenfaktor im Unternehmen darstellt, sondern zugleich das Verhalten der Arbeitnehmer beeinflusst. Diese Verhaltensänderung äußert sich je nach Modell unterschiedlich. Allen Modellen gemein ist jedoch, dass höhere Löhne ceteris paribus zu höherem Gewinn führen können. Die Unternehmen sind folglich bereit, sogenannte Effizienzlöhne zu zahlen, die über dem Gleichgewichtspreis (Marktpreis) liegen. Das neoklassische Referenzmodell wurde für diesen Zusammenhang um die Annahme erweitert, dass der Nutzen des Arbeitnehmers negativ von der geleisteten Arbeitsanstrengung abhängt[23], er also einen Anreiz hat, für einen gegeben Lohn, möglichst wenig zu arbeiten und der Lohn einen gegenläufigen Anreiz darstellt.

Bei der Effizienzlohntheorie wird ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verhalten der Arbeitnehmer, oft als Motivation oder Effizienz bezeichnet, und dem Lohn unterstellt. So hat ein höherer Lohn eine höhere Motivation zur Folge. Genauso muss aber auch eine höhere Motivation einen Lohnanstieg, aufgrund der erhöhten Produktivität, zur Folge haben. Dabei multipliziert sich dieser Effekt nicht, sondern das Ergebnis ist unabhängig von der jeweiligen Initialaktion.

Der Bezug zu Mindestlöhnen besteht in der Erkenntnis, dass eine erzwungene Lohnerhöhung, sprich ein Mindestlohn, bei den folgenden Ansätzen durchaus positive Effekte aufweist und daher die Gesamtwohlfahrt durch die Einführung eines Mindestlohnes, bei Berücksichtigung dieser Theorie, steigen kann.

Die Betrachtung gliedert sich in drei verschiedene Ansätze: dem Fluktuationskostenargument, dem Shirking-Ansatz, sowie der Theorie der Adverse-Selection. Es gibt zu jedem Ansatz jeweils unterschiedliche Modelle, die hier lediglich im Überblick dargestellt werden sollen[24]. Außer den hier vorgestellten, gibt es weitere Theorien, die über den Rahmen dieser Arbeit hinausgehen[25].

2.3.2 Die Modelle

i) Fluktuationskostenargument

Dieser Ansatz geht auf Salop (1979) zurück und beinhaltet die zentrale These, dass ein höherer Lohn die Fluktuation[26] im Unternehmen reduziert. Dadurch können sich z.B. Investitionen ins Humankapital eher lohnen und Kosten, die zwangsläufig mit der Fluktuation entstehen (wie z.B. verringerte Produktivität in der Einarbeitungsphase), können vermieden werden. Zwei An­nahmen zeichnen den Ansatz von Salop aus: Zum Einen eine strikte Trennung zwischen unternehmensinternem und -externem Arbeitsmarkt und zum Anderen die Annahme, dass die Arbeitnehmer erst kündigen müssen, um auf Arbeitssuche zu gehen[27]. Die Arbeitnehmer kündigen eher, je unzufriedener sie mit der bisherigen Arbeit, d.h. der Entlohnung sind und je geringer die Arbeitslosigkeit ist. Daher wirkt sich wie im folgenden Shirking-Ansatz auch hier eine Vollbeschäftigung negativ auf das Unternehmen aus, da die Arbeitnehmer eine Arbeits­losigkeit nicht zu fürchten haben. Nach Salop (1979) passen sich Arbeitslosigkeit und Löhne so lange an, bis ein Gleichgewicht zwischen den Fluktuationskosten und den Vorteilen für die Arbeiter aus der Kündigung entsteht[28]. Den Arbeitgebern ist es unmöglich für jeden der hetero­genen Arbeiter einen vollkommenen Arbeitsvertrag zu gestalten. So bieten sich Löhne, die über dem Marktgleichgewicht liegen, als Anreizschema an, um damit die Arbeitnehmer an das

[...]


[1] Prof.Dr.Dr.h.c. mult. Wolfgang Franz, Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim und Vorsitzender des Sachverständigenrates zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwick­lung in der Pressemitteilung des ZEW vom 12.04.2005.

[2] Mit Arbeitslosigkeit sei hier stets die unfreiwillige Arbeitslosigkeit gemeint. Vgl. v. Böventer et al. (2001), S. 118.

[3] Vgl. Stigler (1946).

[4] Die Neoklassische Theorie umfasst wohlgemerkt eine ganze Reihe an verschiedenster Theorien. Für einen Über­blick über die meisten wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, nicht nur jene aus der Neoklassik, bietet sich zum Beispiel Mankiw/Taylor (2008) an.

[5] Nicht notwendigerweise bedeutet dies eine große Anzahl an Unternehmen, denn der Monopolist oder Oligopolist könnte sich in Verkennung seiner Marktmacht als Preisnehmer verhalten.

[6] In dem Sinne, das lediglich noch freiwillige und keine unfreiwillige Arbeitslosigkeit besteht.

[7] Vgl. Schöb & Weiman (2006b), S. 104.

[8] Eine gängige Darstellung findet sich in Mankiw/Taylor (2008), S.693.

[9] Vgl. Stigler (1946), S. 359. Ein Beispiel wäre die Substitution von vielen ungelernten Arbeitern mit Schaufeln durch einen ausgebildeten Baggerfahrer.

[10] Für eine ausführliche Erklärung des formellen Hintergrunds siehe zum Beispiel Breyer (2007) Abschnitt 2.3.5.2, S.40ff. (insbesondere Abb.2.16).

[11] Vgl. Stigler (1946), S.359.

[12] Ebd.

[13] Jedoch sei angemerkt, dass Stigler (1946) an dieser Stelle wohl den physisch erschöpften Industriearbeiter der 40er Jahre im Blick hatte, dessen Produktivität nicht weiter erhöht werden kann. Dies ist aber heutzutage durch Humankapitalinvestitionen und technischen Fortschritt in Frage zu stellen. Vgl. Bosch & Weinkopf (2006) S.23

[14] Vgl. Stigler (1946), S.359.

[15] Vgl. Robinson (1969), S.218ff.

[16] Vgl. Ragacs (2002), S. 14.

[17] Vgl. Patzschke (2001),S.18

[18] Vgl. Boal & Ransom [1997), S.86.

[19] Ebd. und Patzschke [2001), S. 16f.

[20] Vgl. Patzschke [2001), S. 34

[21] Vgl. Breyer [2007), Abschnitt 2.3.5.1, S. 39f.

[22] Vgl. Ragacs [2002), S.3.

[23] Ragacs (2002), S.3, S.16.

[24] Siehe dazu auch Franz (2006), S. 317ff. und Schwimmer (2006), S.48ff.

[25] So zum Beispiel eine Verbindung von Effizienzlohntheorie und Monopson (Vgl. Patzschke, 2001, S.22) oder von dem Gesundheitszustand und der Entlohnung (Vgl. Mankiw & Taylor (2008), S.698f.). Außerdem gibt es soziologische Ansätze: Gift-Exchange-Ansatz, das Equity-Modell und das fair-wage/effort-Modell.

[26] Die Fluktuationsquote (BDA Formel) sei definiert als: (Abgänge / Durchschnittlicher Personalbestand) x 100%

[27] Vgl. Salop (1979), S.117f.

[28] Ebd., S.118.

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Gesetzliche Mindestlöhne für Deutschland?
Hochschule
Universität Konstanz
Note
1,3
Autor
Jahr
2009
Seiten
31
Katalognummer
V136233
ISBN (eBook)
9783640434008
ISBN (Buch)
9783640433605
Dateigröße
959 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mindestlohn, Beschäftigung, Wirtschaftspolitik, Lohnpolitik, Monopson, Arbeitslosigkeit, Kombilohn, Effizienzlöhne
Arbeit zitieren
Gunnar Strauch (Autor:in), 2009, Gesetzliche Mindestlöhne für Deutschland? , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136233

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