Zu "Mars" von Fritz Zorn

Welche Probleme innerhalb seiner Familie sieht Fritz Zorn als ausschlaggebend für seine Krebserkrankung an und inwieweit spielt die kindliche Entwicklung und die Psychologie eine Rolle für seine spätere Krebserkrankung?


Essay, 2007

15 Seiten


Leseprobe


Das Buch „Mars“ erzählt die Leidensgeschichte seines Autors, Fritz Zorn, der schon in jungen Jahren an Krebs erkrankte.

Dieses Buch beschreibt die Suche des Fritz Zorn nach einer Antwort auf die Frage, welche Ursachen seine Krebserkrankung hat und was er selbst dafür machen kann, wieder gesund zu werden. Seine ganze Kindheit, die Erziehung der Eltern und seine Familie an sich stellen auf seiner Suche nach den Ursachen seiner Erkrankung einen wichtigen Bezugspunkt dar.

In diesem Essay soll nun genauer untersucht werden, welche Probleme innerhalb seiner Familie für Fritz Zorn als Ursache seiner Erkrankung gelten. Hierbei soll das Hauptaugenmerk auf dem Begriff der Harmonie liegen. Im Anschluss daran soll geklärt werden, inwieweit man Fritz Zorns Behauptung zustimmen kann, dass seine Familie die Hauptursache für seine Lebensunfähigkeit und seine Krebserkrankung ist.

Schon zu Beginn gibt Zorn eine ziemlich deutliche Beschreiben seiner familiären Situation.

„Meine Familie ist ziemlich degeneriert, und ich bin vermutlich auch ziemlich erblich belastet und milieugeschädigt.“[1]

Für Zorn hat der Krebs zweierlei Ursachen. Zum einen ist er eine körperliche Krankheit, zum anderen ist er aber auch Ausdruck eines schwerwiegenden seelischen Problems, das Zorn ohne den Krebs nie bei sich erkannt, geschweige denn vermutet hätte. Die Ursache dieses seelischen Problems sieht Zorn in seiner Kindheit.

Auf den ersten Blick scheint die Kindheit des Fritz Zorn so verlaufen zu sein, wie sich ein jeder von uns eine glückliche und zufriedene Kindheit vorstellt. Er wuchs als Sohn einer reichen Züricher Familie auf, die ein Haus am rechten Zürichseeufer besaß, dass auch Goldküste genannt wird. Mit Leid oder Unglück kam der junge Fritz Zorn nie in Berührung und auch er selbst sagt, dass er sich „freilich kaum an besonders unglückliche Einzelheiten aus [s]einer Kindheit erinner[n]“[2] kann.

Doch bei genauerer Betrachtung scheint es genau das zu sein, was ihn seiner Meinung nach krank und zum Teil auch lebensunfähig gemacht hat.

Man könnte es paradoxerweise so sagen: Eben daß ich mich innerhalb der besten Welten befand, das war das Schlechte[...]“[3]

Eitel Wonne, Glück und vor allem Harmonie bestimmten sein Leben in einer Welt, die über alle Maßen hinaus harmonisch zu sein schien, zu harmonisch.

Zorn sagt, „daß selbst den ausgepichtesten Harmoniker derob noch das große Grausen packen könnte.“[4] Für Familie Zorn stellt sich nur eine Frage:

„Harmonie oder Nichtsein.“[5]

Alles musste unproblematisch sein und wenn es das nicht wahr, unproblematisch gemacht werden. Meinungsverschiedenheiten, Streitigkeiten und Diskussionen durfte es nicht geben, denn sie hätten die Harmonie gefährdet oder im schlimmsten Fall sogar zerstört. Sollte es dennoch Situationen gegeben haben, in denen zwei Menschen geteilter Meinung waren, so musste schnell eine Lösung für dieses Problem gefunden werden. Das Zauberwort heißt Missverständnis. So lag eine wirkliche Meinungsverschiedenheit nie vor, es hatte nur irrtümlicherweise so ausgesehen. War dieser Irrtum erst einmal aus der Welt geschafft, so konnte jeder erkennen das beide Meinungen in Wirklichkeit identisch waren. Kein Grund zu streiten.

Für den jungen Fritz Zorn hat diese Harmonie schwerwiegende Folgen. Er hat als Junge nie gelernt, eine eigene Meinung zu haben, sondern nur, möglichst keine eigene Meinung zu haben. Auch das Wort „Nein“ ist in Zorns Vokabular nicht enthalten. Jeder hatte die gleiche Meinung, es war nicht notwendig das Wort „Nein“ zu gebrauchen. Das „Ja“-Sagen war der ganzen Familie in Fleisch und Blut übergegangen. Zorn bezeichnet sich selbst als „perfekt erzogener Jasager.“[6]

Aber nicht nur das „Nein“-Sagen war bei Familie Zorn ein Ding der Unmöglichkeit. Durch das ständige „Ja-Sagen“ hat sich auch die bloße Äußerung über eine bestimmte Sache zu einer wahren Unmöglichkeit erhoben.

„Wenn es galt, ein Urteil darüber abzugeben, wie einem etwas gefallen hatte, etwa ein Buch, so mußte man, wie beim Kartenspiel, zuerst die möglichen Reaktionen der anderen erwägen, bevor man seine Karte ausspielte, um nicht Gefahr zu laufen, etwas zu äußern, das des allgemeinen Beifalls nicht sicher war.“[7]

Zorn gewöhnte sich daran, keine eigenen Urteile zu fällen, sonder sich nur den Urteilen anderer anzuschließen. Er hörte gute Musik und las gute Bücher, wobei sich das Wort „gut“ nicht über seine eigenen Vorlieben oder seinen eigenen Geschmack definierte, sondern darüber, was in der Gesellschaft allgemein als gut betrachtet wurde.

„Ich hatte damals kein Urteil, keine persönlichen Vorlieben und keinen individuellen Geschmack, sondern folgte in allem der alleinseligmachenden Meinung der anderen, des von mir anerkannten urteilenden Gremiums von Leuten, die die Öffentlichkeit darstellten und die wussten was richtig und falsch war.“[8]

Zorn fällt zwar auf, dass er im Vergleich zu seinen Freunden einen völlig anderen Musikgeschmack hat, war aber der Meinung, er hätte das „Höhere“ erkannt und würde deshalb die „richtige“ Musik hören. Das „Höhere“ und das „Richtige“ war immer das, was die Gesellschaft für das „Höhere“ und das „Richtige“ hielt.

Immer wenn Zorn das Gefühl hatte, dass er dem Niveau dieses Gremiums näher kam, oder es sogar erreicht zu haben schien, erfüllte es ihn mit Freude und Stolz. Erst jetzt wird ihm bewusst, dass dieser Stolz und diese Freude eigentlich unangebracht waren, denn er freute sich darüber, dass das Individuum Fritz Zorn sich immer weiter auflöst und zu einem Teil der öffentlichen Masse mutiert, in der er nicht mehr von anderen unterschieden werden kann. Zorn erfüllte mit dieser Einstellung nur das Familienziel, durch die richtige Meinung an den richtigen Platz in der Gesellschaft zu gelangen. Eigene Ziele hat er nicht, wie auch, denn er kennt sich selbst nicht. Dies wird besonders deutlich, als er erzählt, wie ihn ein Klassenkamerad nach seinen Interessen fragt. Widerstrebend antwortet er auf die ersten Fragen mit „Nein“, denn er weiß selbst nicht wo seine Interessen und Vorlieben liegen.

Fritz Zorn wird gezwungen, seine Individualität zugunsten der Harmonie zu opfern und opfert sie später sogar bereitwillig selbst. Aber er ist nicht das einzigste Opfer der Harmonie in seiner Familie. Seine Mutter hat die Selbstaufgabe für die Harmonie perfektioniert. Gerne benutzt sie das Zauber- und Schlüsselwort „schwierig“. Dieses Wort hilft ihr, alles unharmonische aus der Welt auszusperren. Bahnte sich die Gefahr an, dass es am Familientisch zu einem Gespräch kommen könnte, dass die Harmonie stört, so wurde der zu besprechende Gegenstand als „schwierig“ bezeichnet. Das beinhaltete, dass das zu besprechende Thema zu komplex und vielschichtig war, um darüber zu diskutieren oder zu streiten. Es übersteigt das Fassungsvermögen des menschlichen Wortschatzes und seines Geistes.

[...]


[1] Zorn, Fritz; Mars; S.25

[2] Zorn, Fritz; Mars; S.26

[3] Zorn, Fritz; Mars; S.27

[4] Zorn, Fritz; Mars; S.28

[5] Zorn, Fritz; Mars; S.28

[6] Zorn, Fritz; Mars; S.29

[7] Zorn, Fritz; Mars; S.29

[8] Zorn, Fritz; Mars; S.31

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Zu "Mars" von Fritz Zorn
Untertitel
Welche Probleme innerhalb seiner Familie sieht Fritz Zorn als ausschlaggebend für seine Krebserkrankung an und inwieweit spielt die kindliche Entwicklung und die Psychologie eine Rolle für seine spätere Krebserkrankung?
Hochschule
Universität Bielefeld
Veranstaltung
Revolution der Denkungsart
Autor
Jahr
2007
Seiten
15
Katalognummer
V136149
ISBN (eBook)
9783640440498
ISBN (Buch)
9783668135550
Dateigröße
392 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Mars, Fritz, Zorn, Welche, Probleme, Familie, Krebserkrankung, Entwicklung, Psychologie, Rolle
Arbeit zitieren
Tabea Lynen (Autor:in), 2007, Zu "Mars" von Fritz Zorn, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136149

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