Sozialisation als Persönlichkeitsentwicklung. Zum Nutzen der Lerntheorie von Albert Bandura

Ansätze der sozial-kognitiven Lerntheorie


Hausarbeit, 2008

15 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhalt

1.Einleitung

2.Die sozial-kognitive Lerntheorie
2.1 Ursprung
2.2 Lernen am Modell
2.2.1 Prozesse des Modellernens
2.3. Das Konzept der Selbstwirksamkeit (self-efficacy)
2.3.1 Quellen der Selbstwirksamkeitserwartung
2.3.2 Entwicklungsphasen und Anwendung von Selbstwirksamkeit

3. Fazit

4. Bibliographie

1. Einleitung

Der Prozess der Entwicklung vom hilflosen, abhängigen Kind zum selbstbestimmten, autonomen Erwachsenen mit einer individuellen Persönlichkeit, ist einer der bedeutendsten und bemerkenswertesten Vorgänge im menschlichen Leben. Im Laufe seiner Entwicklung lernt das Kind eine oder mehrere Sprachen, eine Vielfalt an Wissen und es sammelt viele Erfahrungen. Zeitgleich übernimmt es Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen, die sich teilweise auf moralische Standards beziehen.

Diesen Entwicklungsprozess nennt man Sozialisation. Sozialisation ist nach aktuellem Forschungsstand zu verstehen als „der Prozess der Entstehung und Entwicklung der Persönlichkeit in wechselseitiger Abhängigkeit von der gesellschaftlich vermittelten sozialen und materiellen Umwelt.“[1] Wobei diese Erklärung nur ein Angebot ist, denn die einzig richtige Definition von dem Prozess Sozialisation existiert nicht.

Albert Bandura hat eine sozial-kognitive Lerntheorie entwickelt, die verdeutlicht, wie der Vorgang der Verhaltensübernahme bzw. -aneignung vor sich geht. Für diesen Prozess hat Bandura ein Konzept erarbeitet, das er Lernen am Modell nennt. Ein weiterer wichtiger Aspekt seiner Theorie ist das Konzept der Selbstwirksamkeit.

Diese Arbeit soll sich folglich mit der Persönlichkeitsentwicklung des Menschen beschäftigen, im Speziellen damit, wie Heranwachsende sich geeignete Verhaltensweisen anpassen und lernen sich in ihrer Umwelt zu behaupten. Im Folgenden soll herausgearbeitet werden, welcher Nutzen in der sozial-kognitiven Lerntheorie nach Albert Bandura für das Verständnis von Sozialisation liegt. Dazu wird zunächst der Begriff sozial-kognitive Lerntheorie erläutert und im Anschluss daran gezeigt, auf welche theoretischen Ansätze die sozial-kognitive Lerntheorie zurückführen ist. Im weiteren Verlauf der Arbeit wird das Lernen am Modell vorgestellt und schließlich das Konzept der Selbstwirksamkeit und dessen Nutzen für die Sozialisation.

2. Sozial-kognitive Lerntheorie

Bandura spricht insofern von einer sozialen Lerntheorie als sie davon ausgeht, dass der Mensch nicht immer aufgrund von eigenen Erfahrungen lernt, sondern durch Verhaltensmodelle anderer Personen. Es handelt sich um eine kognitive Theorie, da die Bedeutung der Erwartungen betont wird. Zudem hebt die Theorie die bedeutsame Rolle stellvertretender Verstärkung sowie symbolischer und selbstregulativer Prozesse hervor.[2] Der Begriff Lernen ist hier nicht nur als Erwerb und Speicherung von Wissen zu verstehen, sondern vor allem als Erwerb und Modifikation von Verhalten.

Die sozial-kognitive Lerntheorie nimmt an, dass Beobachtung und Nachahmung einen großen Teil von Sozialisation ausmachen. Durch den Umgang mit anderen Menschen bauen Menschen kognitive Schemata auf und ändern ihr Verhalten. Somit hat menschliches Verhalten immer einen sozialen Ursprung.[3]

2.1 Ursprung

Die Wurzeln der sozial-kognitiven Lerntheorie von Bandura, sind in den behavioristischen Lerntheorien zu suchen. Der Behaviorismus vertritt die Auffassung, dass „nur direkt beobachtetes Verhalten plausibel als Erklärung für menschliche Entwicklung herangezogen werden darf.“ [4] Subjektive Begriffe wie Gefühl, Denken oder Empfinden werden als unwissenschaftlich abgelehnt. Behavioristische Theoriekonzeptionen beinhalten demnach lediglich Aussagen über externe Reize und den daraus direkt abzuleitenden Responses. Sie weigern sich also innere Prozesse des Individuums wie beispielsweise Motivationen, Einstellungen, Denkstrukturen, etc. in die Analyse einzubeziehen.[5]

Vertreter des Behaviorismus, hier sind vor allem Watson und Skinner zu nennen, vertraten die Auffassung, dass Umwelteinflüsse in ganz einseitiger Weise das Verhalten des Organismus beeinflussten. So entstand die Vision vom Organismus als einer „Lernmarionette“[6], deren Handlungen und Reaktionen lediglich automatisch und mechanisch durch äußere Umwelteinflüsse kontrolliert und gesteuert werden.[7] Innerpsychische Vorgänge ebenso wie Prozesse der wechselseitigen Einflussnahme zwischen Individuen und ihrer Umwelt bleiben beim Behaviorismus völlig ausgeklammert. [8] Alles läuft letztlich auf eine Persönlichkeitstheorie hinaus, die besagt, dass unser Umfeld unser Verhalten hervorruft.

Die sozial-kognitive Lerntheorie nach Bandura hingegen, versucht das menschliche Verhalten unter der Annahme einer wechselseitigen Interaktion zwischen kognitiven Determinanten, Verhaltensdeterminanten und Umweltdeterminanten zu erklären. Bandura geht von einem Interaktionsprozess zwischen Individuum und Umgebung aus, den er als reziproken Determinismus bezeichnet.[9] Demnach beeinflusst der Mensch durch die Entwicklung von kognitiven Strukturen und Mechanismen der Selbstkontrolle seine Umgebung, er wird aber auch ebenso von ihr beeinflusst. Das Individuum wird zwar von Umweltfaktoren beeinflusst, aber es kann wählen, wie es darauf reagiert.[10] So ist der Mensch weder ohnmächtiges Objekt, das von Umweltkräften kontrolliert wird, noch freies Subjekt, das aus sich machen kann, was immer ihm beliebt. Individuen und ihre Umwelten determinieren einander wechselseitig.[11]

Das Interaktionsverständnis der sozial-kognitiven Lerntheorie ist ein Prozess wechselseitiger Determination. Verhalten, andere Persönlichkeitsfaktoren und Umweltfaktoren wirken sich alle als ineinander verschränkte Determinationen aufeinander aus. Diese interdependenten Faktoren üben ihre relativen Einflüsse je nach der Situation und Verhaltensweise aus. Es gibt Fälle, in denen Umweltfaktoren dem Verhalten nachdrückliche Einschränkungen auferlegen, und es gibt andere Situationen, in denen die personalen Faktoren den Verlauf der Umweltereignisse entscheidend beeinflussen.[12]

Im Gegensatz zum mechanischen Behaviorismus, hebt Bandura das Prinzip der Selbststeuerung des Menschen in einem wechselseitigen Rahmen des Person-Umwelt-Bezugs vor. Das zentrale Konzept der sozial-kognitiven Lerntheorie ist das Lernen am Modell, das heißt, ein Lernprozess kann auch dann erfolgen, wenn eine lernende Person nicht aktiv in den betreffenden Lernprozess eingebunden ist. Nicht nur die Veränderung von Verhalten kann dadurch erklärt werden, sondern auch die Entstehung neuer Verhaltensweisen. Dies spielt eine große Rolle für die Sozialisation. Denn durch das Modelllernen kann erklärt werden, wie es dazu kommt, dass gewisse Verhaltensweisen übernommen werden und andere nicht und von wem wir bevorzugt Verhaltensweisen übernehmen und warum.

2.2 Lernen am Modell

Die Theorie des Beobachtungslernens oder auch Modell-Lernens geht davon aus, dass Menschen allein durch die Beobachtung von Verhaltensweisen anderer lernen können. Die Person, die beobachtet wird, wird Modell genannt.

Die sozial-kognitive Lerntheorie nimmt an, dass die Beobachtung und Nachahmung von Verhaltensweisen einen großen Teil von Sozialisation ausmachen. Hierbei spielt die Wirkung von Vorbildern eine große Rolle. [13] Bandura stellt heraus, dass besonders komplexe Verhaltensmuster, wie zum Beispiel die Übernahme einer sozialen Rolle, nicht durch sukzessives Versuchs-Irrtums-Lernen, sondern durch Modell-Beobachtung angeeignet werden.[14]

Das Lernen am Modell ist aber nicht bloße Imitation eines Verhaltens von bestimmten Vorbildern. Im sozialen Kontext bauen Menschen kognitive Schemata auf und ändern daraufhin ihr Verhalten, deshalb heißt diese Lerntheorie auch sozial-kognitive Lerntheorie. Somit hat menschliches Verhalten immer einen sozialen Ursprung.[15]

Lernen wird bei Bandura als aktiver, kognitiv gesteuerter Verarbeitungsprozess gemachter Erfahrungen verstanden. [16] Die meisten menschlichen Verhaltensweisen werden durch Beobachtung von Modellen erlernt oder durch verbale beziehungsweise bildliche Instruktion. Bei der Beobachtung anderer Menschen macht man sich eine Vorstellung davon, wie diese Verhaltensweisen ausgeführt werden. Im weiteren Verlauf des Lernprozesses dient diese kodierte Information dann als Handlungsrichtlinie. Dadurch, dass Menschen am Beispiel anderer zumindest ungefähr lernen können, was sie tun müssen bzw. sollten, bevor sie die betreffende Verhaltensweise selbst ausgeführt haben, bleiben ihnen überflüssige Fehler und negative Konsequenzen erspart. [17] Somit ist die Beobachtung anderer ein entschieden effizienterer Weg, der eigene unangenehme Erfahrungen von vornherein vermeidet.

2.2.1 Prozesse des Modelllernens

Damit das Individuum überhaupt durch Beobachtung lernen kann, müssen nach Bandura gegenwärtig vier Prozesse ablaufen, die grob in zwei Phasen, nämlich die Akquisition und die Ausführung unterteilt werden können. Die Phase der Akquisition bezieht sich auf das Lernen. Die Voraussetzung für das soziale Lernen ist nach der sozial-kognitiven Lerntheorie die informierende Funktion der Modellierungseinflüsse.

[...]


[1] Zimmermann, Peter: Grundwissen Sozialisation. Einführung zur Sozialisation im Kindes- und Jugendalter. Opladen: UTB für Wissenschaft. Leske + Budrich 2003. S. 16.

[2] Vgl. Fischer, Lorenz; Wiswede, Günter: Grundlagen der Sozialpsychologie. München: Oldenbourg 2002. S. 70.

[3] Ebd., S. 30.

[4] Zimmermann, P.: Grundwissen Sozialisation. S. 31.

[5] Fischer, L.; Wiswede, G.: Grundlagen der Sozialpsychologie. S. 40.

[6] Vgl. Bandura, Albert: Sozial-kognitive Lerntheorie. Stuttgart: Klett-Cotta 1979. S. 7.

[7] Bandura, Albert: (2001) Social cognitive theory: an agentic perspective. In: Annual Review of Psychology. Annual Review of Psychology, 52. S. 2.

[8] Bandura, A.: Social cognitive theory: an agentic perspective. S. 7.

[9] Vgl. Pervin, Lawrence: Persönlichkeitstheorien. München, Basel: E. Reinhardt 2000. S. 382.

[10] Vgl. Ebd., S. 382.

[11] Vgl. Bandura, A.: Sozial-kognitive Lerntheorie. S. 10.

[12] Vgl. Ebd., S. 20.

[13] Vgl. Zimmermann, P.: Grundwissen Sozialisation. S. 33.

[14] Fischer, L.; Wiswede, G.: Grundlagen der Sozialpsychologie. S. 71.

[15] Vgl. Zimmermann, P.: Grundwissen Sozialisation. S. 33.

[16] Vgl. Bandura, A.: Sozial-kognitive Lerntheorie. S. 8.

[17] Vgl. Ebd., S. 31.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Sozialisation als Persönlichkeitsentwicklung. Zum Nutzen der Lerntheorie von Albert Bandura
Untertitel
Ansätze der sozial-kognitiven Lerntheorie
Hochschule
Universität Münster  (Soziologie)
Veranstaltung
Sozialisationstheorien
Note
1,7
Jahr
2008
Seiten
15
Katalognummer
V136135
ISBN (eBook)
9783640440313
ISBN (Buch)
9783640440368
Dateigröße
434 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialisation, Persönlichkeitsentwicklung, Lerntheorie, Albert, Bandura
Arbeit zitieren
Anonym, 2008, Sozialisation als Persönlichkeitsentwicklung. Zum Nutzen der Lerntheorie von Albert Bandura, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136135

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