Haitis lebende Tote

Der vodoun bei E. Wade Davis


Hausarbeit, 2002

24 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


1. Inhaltsverzeichnis

2. Einleitung

3. Davis’ Forschungsreisen nach Haiti
3.1. Davis´ Auftrag
3.2. Davis´ Vorgehen auf Haiti
3.2.1. Die Giftherstellung bei Marcel Pierre
3.2.2. Die Giftherstellung bei LaBonté
3.2.3 Die Giftherstellung bei Herard Simon
3.2.4. Davis´ Schlussfolgerungen über die verschiedenen Arten der Giftherstellung
3.2.5 Drei weiter Zeremonien

4. Der geschichtliche Ursprung der Geheimgesellschaften
4.1. Die Entdeckung Saint Dominques und die Kolonialzeit
4.2. Sklavenaufstände und die Entstehung der Geheimgesellschaften
4.3. Francois Macandal

5. Die Vodun-Religion auf Haiti
5.1. Der Ursprung des vodoun
5.2. Das Weltbild im vodoun
5.2.1. Die fünf Grundkomponenten des Menschen
5.2. 2.Besessenheit durch Loas
5.2.3. Houngan und Sokor
5.2.4. Einstellung der vodoun-Gläubigen zum Tod

6. Die Bizango-Gesellschaft
6. 1. Ihre Erscheinung in der Öffentlichkeit
6.2. Mitgliedschaft und Zusammensetzung der Bizango
6.3. Rituelle Zusammenkünfte
6.4. Die Aufgaben der Bizangos
6.5. Die Bizangos als Geheimbund?

7. Die Erschaffung eines Zombies und das Zombiegift
7. 1. Die Erschaffung eines Zombies
7. 1. 1. Das Beispiel Clairvius Narcisse
7. 1. 2. Das Beispiel von Francina IIleus
7.2.Der Umgang der Bevölkerung mit dem Phänomen der Zombies
7.3. Die Zusammensetzung des Giftes
7.4. Tetrodotoxin in anderen Ländern

8.Schlussbemerkung

9.Literaturangaben

2. Einleitung

E. Wade Davis, ein amerikanischer Ethnobotaniker, behandelt in seinem Buch "The Serpent and the Rainbow" (1985) das Zombie-Phänomen auf Haiti, er geht dabei auch auf die Vodoun-Religion und die Geheimgesellschaft Bizango ein. Vodoun ist ein Wort aus den Fon-Sprache und "bedeutet einfach Gott oder Geist" (Davis 1986: 11). Das Wort begegnet einem in den unterschiedlichsten Schreibweisen, unter anderem „wodu“, „voodoo“ oder „vodo“. Ich werde mich im folgenden Text an die Schreibweise von E. Wade Davis halten: vodoun. Ich beziehe mich bei der Arbeit vorwiegend auf Davis' "The Serpent

and the Rainbow" und werde andere Autoren zur Ergänzung oder zur

Gegenüberstellung heranziehen. Aus "The Serpent and the Rainbow" habe ich mir verschiedene Aspekte als Schwerpunkt gesucht, wie zum Beispiel die Geschichte Haitis, die Geheimgesellschaft 'der Bizangos und das Gift um Menschen zu Zombies zu machen, die ich versuchen werde näher zu erläutern und eventuell durch die Forschungsergebnisse und

Meinungen der anderer Autoren zu ergänzen. Während ich auf die einzelnen Aspekte eingehe, werde ich, soweit es mir möglich ist, versuchen Verbindungen zu Afrika herzustellen, da der Vodoun und die Geheimgesellschaft der Bizango ihren Ursprung in diesem Land haben. In der Zeit des Sklavenhandels gelangten die verschiedenen Religionen nach Haiti und vermischten sich hier mit Elementen des haitianischen Vodoun.

Dies führte unter anderem dazu, dass sich in einzelnen Regionen und Geheimgesellschaften unterschiedliche Glaubensrichtungen des Vodoun herausbildeten und eine davon, die Bizango, hat Davis untersucht.

3. Davis’ Forschungsreisen nach Haiti

3.1. Davis´ Auftrag

E. Wade Davis bekam den Auftrag zu einer Feldforschung auf Haiti am Anfang des Jahres 1982 in New York. Seine Auftraggeber waren Dr. Nathan S. Kline, ein Psychiater, der an der Entwicklung von Reserpin, einem Beruhigungsmittel aus der indischen Schlangenwurzel, mithalf. Das dazu führte, dass die Anzahl der Patienten in den psychiatrischen Anstalten drastisch sanken. Kline war davon überzeugt, dass geistige' Störungen auf Stoffwechselstörungen zurückführbar sind und durch Medikamente behoben werden können. Weiterhin war Prof. Heinz Lehmann einer der Auftraggeber, er war Leiter der Psychiatrie und Pharmakologie an der McGiII-University. Die finanzielle Hauptbelastung für die Forschungsreise trug David Merick, ein Industrieller.

Davis' Aufgabe war es herauszufinden, was es mit den Geheimnis der Zombies auf sich hatte und welche Inhaltsstoffe das Gift und das Gegengift haben. Mit dem Ziel einer "Revolution der modernen Chirurgie" (Davis

1986:38) sollten die Mittel in der Medizin eingesetzt werden, ein Beispiel für die Verwendungsmöglichkeit der Mittel ist die Anästhesie. Kline und Lehmann gingen davon aus, dass man das Gift, das zum Scheintod ähnlichen Zustand führt, zum betäuben nutzt kann und das Gegengift, das angeblich den Toten zurück in das Leben holt, dazu dient den Patienten

problemlos wieder zurück ins Bewusstsein zu bringen.

3.2. Davis´ Vorgehen auf Haiti

Davis plante keinen mehrjährigen Aufenthalt auf Haiti, sondern drei kürzere Feldforschungen. Die erste von Anfang April 1982 bis zum Ostersonntag, die nächste vom Juli 1982 bis Anfang 1983 und den letzten Aufenthalt begann er Anfang 1984 bis zum Sommer des Jahres. Während seiner Zeit auf Haiti nahm Davis auch an

verschiedenen Zeremonien und Ritualen der vodoun-Anhänger und der Geheimgesellschaft der religiösen Gruppierung teil, die im Folgenden näher erläutert werden. Die ersten Kontaktadressen bekam Davis von seinen Auftraggebern. Es waren die

Adressen von Max Beauvoir, einen Mann der intellektuellen Elite Haitis und eine Autorität auf dem Gebiet der voudoun-Religion, und von Marcel Pierre, einen vodoun-Prister, der der BBC schon Proben des

Zombiegiftes zur Verfügung gestellt hat.

3.2.1. Die Giftherstellung bei Marcel Pierre

Nachdem Davis das Vertrauen von Marcel Pierre gewonnen hatte, zeigte ihm Pierre die Herstellung des Giftes. Davis und seine ständige Begleiterin auf Haiti, Rachel, wurden von Pierre und seinem Gehilfen auf eine abgelegene Ebene geführt. Zum Schutz aller Beteiligten mussten sie sich Tücher vor ihre Gesichter binden und sich mit eine grüne Flüssigkeit einreiben. Pierre stellte das Gift nicht persönlich her, sondern sein Gehilfe mischte die verschiedenen Ingredienzen, wie zum Beispiel menschliche Knochen, Kröten, Kugelfisch und Pflanzen, in einer Schüssel. Während er sie mit einem Mörser zerstampfte, begann Marcel im Rhythmus mit zu singen. Davis interpretiert Marcels passive Rolle bei der Giftherstellung als entscheidend für die Wirkung des Giftet. "Aus diesem Grund war Marcels Präsenz entscheidend. Ohne seine spirituelle Führung hatten unsere Aktivitäten ein völlig ambivalentes Potential für Gut und Böse. Er war derjenige, der letztlich die Verantwortung trug." (Davis 1986: 129).

3.2.2. Die Giftherstellung bei LaBonté

Wie auch schon bei Marcel wurde auch bei LaBonté als erstes ein Ritual zum Schutz der Beteiligten durchgeführt. LaBontés Schutzritual war aufwendiger als Marcels. Bei LaBonté wurde ein Hahn geopfert, drei der Anwesende wurden von Loas besessen und führten alle Teilnehmer in ein Kräuterbad zur Reinigung, bei dem der tote Hahn als Schwamm benutzt wurde, um seine Energie auf zunehmen. Das Gift stellte LaBonté persönlich her und ließ es nicht wie Marcel von einem Gehilfen herstellen. Für dieses Gift wurden vier Zutaten gebraucht: "Die erste war eine Mischung aus vier Talkarten, die zweite die gemahlene Haut eines Frosches, die dritte Schießpulver und die vierte eine Mischung aus Talk und zu Staub zerriebener Gallenblasen eines Maultiers und eines Menschen." (Davis 1986: 207). Bei dem Gift von LaBonté gibt es auch ein Anwendungsritual um den "Täter" zu schützen. Er musste den Todesgeist rufen, eine Kerze vor die Tür des Opfers stellen, dann zum eigenen Schutz aus seiner Schutzflasche trinken, danach das Pulver auf die Kerze streuen und den Namen des Opfers rufen, das Opfer würde beim Überschreiten des Giftes sofort sterben.

3.2.3. Die Giftherstellung bei Herard Simon

Für die Herstellung dieses Giftes benötigt man eine ganze Woche. Herard Simon stellte zuvor das Gegengift her, welches aus verschiedenen Pflanzen bestand, die jedoch pharmakologisch unwirksam waren. Das Gift wurde in drei Stufen hergestellt. Als erstes wurden eine Schlange und eine Ago-Kröte zusammen in ein Gefäß gesperrt, "bis sie vor Wut starben" (Davis 1986: 221), durch ihre Aggressionen schied die Kröte ihr gefährliches Gift aus. Dann wurden vier Pflanzen mit gemahlenen Taranteln und Tausendfüßlern gemischt. Die Bestandteile wurden gemischt und für zwei Tage in der Erde vergraben. In der zweiten Stufe wurden zwei unbekannte Pflanzen hinzu gemischt. Und auf der letzen Stufe wurden vier Pflanzen dazu gemischt, die lokale Reizungen hervorrufen, und außerdem wurden noch verschiedene Tier, eine Ago-Kröte und vier Arten von Kugelfischen, verwendet.

3.2.4. Davis´ Schlussfolgerungen über die verschiedenen Arten der Giftherstellung

Davis entdeckte, dass es verschieden Arten von Giften auf Haiti gab, die zur Erschaffung eines Zombies dienten. „Es gab mindestens vier Mittel, mit denen man Zombies machen konnte, ( ... )" (Davis 1986: 210), die meisten der Gifte hatten als Bestandteil einen Kugelfisch. Außerdem erfuhr er auch, dass die verschiedenen Giftsorten unterschiedliche Wirkungen haben, die einen töten schneller, die anderen schmerzvoller. Davis fand auch kein Gegengift, welches den Zombie dann erwecken sollte, wenn er danach fragte wurde ihm nur ein Mittel hergestellt, welches zum Schutz vor dem Gift dient. Das einzige Mittel das Davis in Erfahrung bringen konnte, war ein Gift, das einem Zombie sofort nach der "Auferstehung" verabreicht wird. Dabei handelt es sich um einen Brei aus drei Zutaten: Süßkartoffel, Zuckerrohrsirup und der so genannten Zombie-Gurke ["Datura starmonium" (Davis 1986: 224) ], eine stark psychoaktive Pflanze. Aber die eigentliche Erweckung des Zombies lag allein in der Macht des Bokor.

3.2.5. Drei weiter Zeremonien

Eine andere Zeremonien an den Davis noch teilnahm, war ein Rada-Ritual. Hierbei handelte es sich um eine kommerzielle vodoun-Zeremonie, die Max Beauvoir jeden Abend für Touristen veranstaltet Es wurde ein Loa angerufen, dessen Anwesenheit durch die Besessenheit der Tempeldienerinnen verdeutlicht wurde. Die besessene Temnpeldienerin war in der Lage Dinge zu machen die sie normal nie hätte unverletzt vollführen können, zum Beispiel „konnte sie für längere Zeit im Feuer liegen ohne sich etwa zu verbrennen. ( ... ) Bis sie, immer noch drehend, auf das Feuer fiel. Dort blieb sie eine unglaublich lange Zeit liegen ( ... )“ (Davis 1986: 63). Das Rada-Ritual zeigt die Verbindung zu Afrika, Riten mit diesem Namen kommen "in fast direkter Linie von den Götterkult in Dahomey" (Davis 1986: 62).

Die zweite Zeremonie war eine bizango-Versammlung in der die Mitglieder den Teufel (djab) huldigten indem sie auf einem Sarg Geldopfer niederlegen. Die Mitglieder waren vorwiegend in schwarzen und roten Gewändern gekleidet, schwarz und rot gelten als die Farben des Widerstandes gegen die Sklaverei in der Kolonialzeit. Auf die Anbetung des

djab folgte die Rettung eines Kindes, indem es von den Mitgliedern in einer Kräuterlösung gebadet wurde. Normalerweise fallen Kinder nicht in den Sanktionsbereich der Geheimgesellschaften, diese wurde unabsichtlich von einer anderen Geheimgesellschaft bestraft.

Als drittes nahm Davis an einer öffentlichen bizango-Versammlung teil. Die Feier wurde zur Gründung der Gesellschaften veranstaltet. Von den verschiedenen Mitgliedern des Vorstandes wurden Ansprachen über die Geschichte und Bedeutung der Geheimgesellschaften gehalten.

4. Der geschichtliche Ursprung der Geheimgesellschaften

4.1. Die Entdeckung Saint Dominques und die Kolonialzeit

Im Dezember des Jahres 1492 landete Christoph Kolumbus mit seiner Crew auf der zweitgrößten Insel der Großen Antillen. Da sie die ersten Spanier an ihre Heimat erinnerte nannten sie die Insel Hispaniola, später wurde sie Santo Domingo nach der 1496 an der Südküste gegründeten Hauptstadt benannt. Spanien richtete seine politischen Interessen später vermehrt auf das Festland und so entstand im 17. Jahrhundert "ein Machtvakuum" (Schüller 1992: 12). Auf dem westlichen Teil der Insel und der benachbarten Insel Tortuga ließen sich französische Piraten nieder. Mit der Zeit fing auch die Französische Krone an sich für das Land zu interessieren. 1655 wurde der erste Gouverneur, Bertrand d'Ogeron, auf die Insel gebracht, weiterhin wurde die Einwanderung der Franzosen gefördert, eine Vielzahl von Städten gegründet und aus den einstigen Piraten wurden überwiegend arbeitende Kolonisten. Im Jahre 1674 wurde der Westteil der Insel unter direkte Kontrolle der französischen Krone gestellt. Auf der Saint Domingue wurde auch die Landwirtschaft stark gefördert, die dazu benötigten Sklaven wurden anfangs Unabhängig von der Hautfarbe gewählt, wobei die Zahl der weißen Sklaven höher war. Die weißen Sklaven bekamen jedoch noch einigen Jahren ihr eigenes Stück Land und waren somit freie Menschen. Im Laufe des 18. Jahrhunderts nahm die Zahl der schwarzen Sklaven stark zu, so dass die weißen Arbeite immer überflüssiger wurden. Anfangs holte man sich vorwiegend Afrikaner von der Küste Afrikas, später drang man dann immer weiter in das Landesinnere. Seit diesem Jahrhundert nahm auch die Zuckerrohrproduktion stark zu und wurde zum dominierenden Wirtschaftszweig Saint Domingue. Durch den immer größeren Zuwachs an Sklaven aus Afrika entstand bald ein ungleiches Verhältnis von wenigen reichen Landbesitzern und einer Vielzahl von Sklaven. „Nur 36 000 Weiße und ebenso viele freie Mulatten herrschten über ein Potential von fast einer

halben Millionen Sklaven ( ... )“ (Davis 1986: 84). Dieses zahlenmäßiges Missverhältnis ließ bei den Weißen die Furcht vor Aufständen aufkommen, die durch eine besonders harte Behandlung der Sklaven versucht wurde zu unterbinden. Der, schon 1685 unter Ludwig XIV. verfasst, Code Noir sollte das Verhältnis unter Sklaven und Sklavenbesitzern regeln. So wurde zum Beispiel die Verpflegung mit Nahrungsmitteln genau festgelegt und auch das Strafmaß für die verschiedenen Vergehen, so durften die Sklaven angekettet und geschlagen, aber nicht verstümmelt werden. Trotz der bei Flucht drohenden Todesstrafe, begannen Sklaven von den Plantagen in die Berge zu flüchten, mit der Zeit wurden es immer mehr flüchtige Sklaven, einige von ihnen flohen schon kurz nach ihre Ankunft und hatten somit kaum Kontakt mit den Kolonisten. Man dachte bei den Entlaufenden aber nicht an die furchtsamen Schwarzen, die sich in den Bergen verstecken, "sondern an eine geheime Zusammenrottung, blutige Überfälle und teuflische Gräueltaten,“ (Bandini 1999: 48).Von den Kolonisten wurden die entflohen Sklaven Maronneger genannt, das Wort "Marronage leitet sich vom spanischen Cimarron her, einem Ausdruck für ein gezähmtes Tier, das sich in eine wilde Bestie zurückverwandelt hat; (Bandini 1999: 48) Maronneger lebten in kleinen Gruppen in den Bergen und stellten durch ihre Überfälle auf die Kolonie eine Gefahr dar.

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Haitis lebende Tote
Untertitel
Der vodoun bei E. Wade Davis
Hochschule
Universität Münster
Note
2,5
Autor
Jahr
2002
Seiten
24
Katalognummer
V136058
ISBN (eBook)
9783640446360
ISBN (Buch)
9783640446636
Dateigröße
631 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Haitis, Tote, Wade, Davis
Arbeit zitieren
M.A. Kristin Müller-Wenzel (Autor:in), 2002, Haitis lebende Tote, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/136058

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